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Autor:  LiLolein
Die Kinder, die der Tod suchte.

Es war einmal ein Land, in dem niemand starb. Kinder, die dort geboren sind werden nur so alt, wie es die Eltern wollen aber den Tod kann man keinem Wünschen. So lebten die Menschen dort friedlich und ohne je zu bemerken, dass ein Zauber auf ihnen liegt. Doch eines Tages gelangte eine schwangere Frau an die heiligen Schriften und erfuhr das Geheimnis. Um ihre Kinder vor dem Leid zu beschützen, beschloss sie, diese Fremden mitzugeben und ihnen so ein normales Leben zu ermöglichen.
"Jung sollt ihr bleiben! Jung, sodass ihr auf ewig schön leben könnt!", rief sie ihnen noch hinterher.
Die Fremden waren mehr als glücklich - Kinder waren gute Arbeiter und man brauchte sie nicht zu bezahlen. Die Mutter wurde später als Verräterin verachtet, aber da man sie nicht hängen konnte, um sie so von den schmerzenden Blicken der anderen zu befreien, beschloss man sie für immer und ewig einzusperren - sodass ihre Seele langsam aber sicher immer trüber und trüber wurde.
Die Kinder, die nun bei den Fremden aufwuchsen, stellten sich als wirklich gute Leute raus. Sie arbeiteten hart, assen nur wenig und jammerten nicht. Irgendwann einmal hat jemand ihnen auch Namen gegeben, und zwar Helgo und Helga. Eines Tages dann, die Pflegemutter bemerkte es schon längst, sah man wirklich, wie schön und jung die beiden immer noch waren. Ihre Haut war rein und ihre Haare voller kraft, als hätten sie sich noch nie die Finger schmutzig gemacht strahlte ihr Körper. Bei den Fremden kam schnell Angst und Misstrauen auf:
"Verhext sind sie!"
"Nein... verflucht!"
"Schafft sie fort, diese Ungeheuer!"
Helga fing an zu weinen und Helgo nahm sie in den Arm. "Sollt ihr nur seh'n, wie ihr sterbt! Lasst uns unser Glück!" Helgo nahm Halga mit und verschwand in die Welt hinaus.
Sie sahen die schönsten Orte der Erde und kannten mit einem Mal mehr Leute, als sie zählen konnten und bekamen mehr Beachtung, als sie sich je geträumt hätten. Doch die beiden waren recht alleine mit ihrer Art. Jeden Tag das schöne markellose Gesicht des anderen zu sehen und dann das eigene im Spiegelbild betrübte sie bald mehr als erwartet.
"Ich will nicht mehr schön sein, Helgo."
"Ich weiss es doch selbst, Helga."
"Und ich will alt werden. Alt und grau..."
"Alt und grau und starr."
Irgendwann waren ihre Geister so traurig und so schwach, dass sie sich während einer Wanderung einfach unter einen grossen hohen Baum legten und einschliefen. Helga schluchzte und eine silberne Träne entglit ihrer Augen. Sie zersprang auf einer der starken Wurzeln des Baumes und schon im nächsten Moment schien dieser aufzuleben. Erde wurde gesprengt, Wurzeln gelangen an das Tageslicht und Helga und Helgo wurden wie verschlungen. Doch die beiden nahmen nichts wahr, schliefen weiter und träumten vom Älterwerden, während der Baum seine Wurzeln wieder ordnete.
Und so endet die Geschichte, der Kinder, die der Tod suchte. Aber gestorben sind sie nicht. Nein - sie leben als Baum, als Gras, als Kraut und als Blumen weiter: Sie leben als die Natur.

Ende


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