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Der Glasgarten

von

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Glassplitter unter der Haut

~ Glassplitter unter der Haut ~
 


 


 

Sein Körper tat den Schmerz kund, der sich bleiern über ihn gelegt hatte. Brad wälzte sich unruhig auf die Seite, ächzend streckte er seine Beine aus, die er in einer ungewöhnlichen Haltung an sich gezogen hatte. Vermutlich im Schlaf.

Er öffnete die Augen, erkannte die schwachen Umrisse der Möbel seines Schlafzimmers, die durch die hervorspringenden Schatten der Morgendämmerung ihm ins Gedächtnis riefen, dass der nächste Tag bevorstand.

Wieder ein Tag.

Wieder zu viele Gedanken.

Wieder zu viele Visionen von Schuldigs Tod.
 

Er schlug die Decke zur Seite, die sich um seine Beine gewickelt hatte, schob das verschwitzte Laken von sich und hievte die Beine über die Bettkante. Sein Schädel dröhnte und sein Magen wusste wohl nicht so recht, was er nun mit seiner Entscheidung aufzustehen anfangen sollte.

Ein freudloses Lächeln irrlichterte auf seinem Gesicht, als er sich durch die verstrubbelten Haare fuhr und sich erhob. Ein Blick auf seine Uhr sagte ihm, dass er zwei Tage hatte vergehen lassen, in denen er - außer zu schlafen und zu trinken – wenig mehr getan hatte.

Es wurde Zeit.

Zeit, sich um die zu kümmern, die er bisher vernachlässigt hatte.
 

Das Haus lag still da. Es war noch zu früh für Nagi und Jei.

Kam es ihm nur so vor, oder waren seine Bewegungen langsamer, bedächtiger, fast wie eingefroren, befand er in der Dusche und danach beim Heraussuchen seiner Kleidung.
 

Als er schließlich eine Stunde später in die Küche hinunter ging, eine Jeans, ein weißes langärmliges Shirt als Oberbekleidung gewählt, waren seine Haare noch feucht. Es interessierte ihn nicht, wie er aussah, ob seine Kleidung der sonstigen Etikette genügte. Er mochte dieses anliegende Shirt, er mochte die Farbe, die Weichheit. Schuldig hätte es gemocht.

Ihn hatten seine Anzüge, die Art sich zu kleiden, immer gestört. Er konnte es noch zu deutlich in den Ohren hören: Zu spießig für den Alltag. Sei doch mal lockerer. Ne andere Farbe, Brad! Langweiler…
 

Wenig später, nach einer Kopfschmerztablette, einem Glas Wasser und einer Nachricht für Nagi, fuhr er gegen zehn Uhr Richtung Stadt. Er hatte ein Versprechen einzulösen.
 

Vielleicht hatte der Alkohol etwas Gutes gehabt. Ja, vielleicht. Nein sicher sogar. Er hatte ihn abgelenkt und nun hatte er Kopfschmerzen und ein flaues Gefühl in der Magengegend, welches aber zunehmend besser wurde.
 

Er atmete tief ein, als er seinen Wagen parkte und die wenigen Stufen zum Hintereingang hinaufging. Die Sonnenbrille, noch immer auf seinem Nasenrücken, setzte er jetzt ab. Es war kalt draußen, doch er hatte nicht das Bedürfnis nach einer Jacke verspürt.
 

Schuldig hatte mit Sicherheit gewusst, warum er ihm diese letzten Gedanken übermittelt hatte. Doch Brad hatte nun keinen Schimmer, was ihn hinter der Tür erwartete, die er nun mittels der Codekarte öffnete. Er konnte Fujimiya… Ran nicht einschätzen. Er hatte zu viel in letzter Zeit verloren. Alles. Und sich selbst?
 

Brad schob die Tür auf und abgestandene Luft schlug ihm entgegen. Die Jalousien waren fast alle zu dreiviertel herabgelassen und tauchten die Wohnung in ein unangenehmes Zwielicht. Ein willkommenes Fluchtinstrument.

Mit einem schweren, dennoch verhaltenen Seufzen schlüpfte er aus den Schuhen und bemerkte alsbald eine kleine Gestalt, die sich ihm näherte, leise maunzend.

Still blickte er auf das Katzenkind, für stumme Momente pressten sich seine Kiefer aufeinander. „Verrückter Kerl“, wisperte er und bückte sich. „Hast du Hunger, Kleine? Komm, sehen wir nach, ob wir noch etwas für dich finden.“ Als er sich erhob, hatten sich seine Augen an das Dämmer gewöhnt und glitten suchend durch die Wohnung. Erst am Bett blieben sie hängen, erkannten den stillen Leib darauf liegend.
 

Zunächst führten ihn seine Füße in die Küche, öffneten seine Hände auf der Suche nach dem Futter für die junge Katze die Schränke. Zwei Döschen mit Katzenfutter fanden sich noch und er öffnete eine davon, füllte sowohl frisches Wasser als auch das Futter in die dafür vorgesehenen Schalen.

Erst dann näherte er sich dem Bett.

Er sah die offenen Augen, den abwesenden Blick, erkannte aber auch, dass der Mann lebte, auch wenn dieser wohl eher empfand, dass er alles Leben eingebüßt hatte. „Ran…?“
 

Es war jemand da.

Aya wusste auch genau, wer es war, doch das hieß nicht, dass er auf ihn reagieren musste, oder? Es fiel ihm so schwer. Alles fiel ihm schwer. Wann war er das letzte Mal aufgestanden und hatte etwas getan wie trinken, essen, waschen…leben?

Er wusste es nicht.

Er wollte es auch nicht mehr.

Youji war für ihn da gewesen, zumindest, bis er wieder gefahren war, mit den Worten, dass er für sich selbst trauern wollte. Youji hatte ihn gehen lassen, so hatte Aya das Einzige getan, wozu er sich noch fähig sah. Sich in Schuldigs Sachen mit Schuldigs Geruch noch in den Laken in das Bett zu legen und darauf zu warten, dass ein Wunder geschah. Dass er aufwachte vielleicht.
 

Anscheinend träumte er noch. Einen Alptraum.
 

Aya blinzelte. Ach ja, Crawford war das. Ein rationaler Gedanke schlich sich durch sein träges Hirn. Crawford wollte ihn sicherlich hier raus haben. Er wollte Schuldigs Wohnung für sich.

Und was würde ihm dann noch bleiben? Nichts. Nichts außer Erinnerungen, die er nicht anfassen konnte, die ihn nicht umarmen würden, ihn nicht küssen würden.

Kalte Zeugen einer Liebe, die ihm mehr gegeben und mehr genommen hatte als alles zuvor in seinem Leben.
 

Den Blick durch Crawford hindurch gehend nickte er und versuchte sich zumindest schon mal in die Sitzende hochzuraffen.

„Ich… bin gleich weg. Gleich… ich muss nur noch aufstehen… und gehen…“, raspelte er trocken, mühsam.
 

Auf den Mann nieder blickend, atmete Brad tief ein, er hatte das Gefühl schwer Luft zu bekommen. Seit zwei Tagen… war das so.

Aus einem Impuls heraus wollte er sich setzen, doch ebenso war ihm, als wäre das Bett tabu für ihn. So setzte er sich auf den Boden, lehnte sich an das Bett an.

„Warum… willst du gehen? Vor allem: Wohin willst du? Glaubst du… er hätte gewollt, dass du so schnell hier abhaust?“, sagte Brad ruhig, fixierte eine der Jalousien, die Lichtbündel, die Staubpartikel sammelten.
 

Aya hatte Mühe, dem Sinn der Worte zu folgen, überhaupt sich zu konzentrieren. Gewollt? Was Schuldig gewollt hätte? Nein… hätte er nicht.

Müde blinzelte er und sah zu Crawford, der sich neben ihn gesetzt hatte. Etwas war anders an dem Amerikaner. Er war fertig.

Konnte Aya verstehen, nur zu gut.

Sein Blick verfing sich in dem weißen Shirt und er erinnerte sich an Schuldigs weiße Kleidung. Sie hatten einmal deswegen gestritten.

„Bist du nicht gekommen um die Wohnung für dich zu beanspruchen?“, fragte Aya, anstelle Crawfords Fragen zu beantworten. Er wusste selbst, warum er gehen wollte… nein, eigentlich wollte er nicht. Und wohin? Schuldig hinterher in die Hölle um ihn herauszuholen.
 

Die Wohnung für sich beanspruchen?

„Nein. Es… war von Anfang an sein Reich. Etwas in dem er sich wohl gefühlt hatte. Wo er Ruhe vor der Welt hatte, zumindest einem Teil davon, auch wenn er die Gedanken nie ganz losgeworden ist. Erst… die Tatsache, dass er dich nicht lesen konnte, machte diesen Raum perfekt.“ Brad schloss die Augen, spürte wieder diese innere Qual in sich, die er durch Tränen nicht tilgen konnte. Er konnte nicht weinen, hatte es noch nie vermocht. Er wünschte, er könnte es jetzt. Nur ein einziges Mal.

„Du gehörst hierhin. An den Ort, an dem er… glücklich war“, würgte er hervor, tarnte seine ihm versagende Stimme, indem er sich erhob. „Ich mache Kaffee, willst du auch einen? Oder… etwas anderes?“
 

„Ich will Schuldig zurück“, wisperte Aya und presste die Hände auf die Augen. Nicht weinen, Fujimiya, nicht weinen. Du hast die letzten Tage geheult, oder wie lange auch immer du schon in dem Bett liegst.

Was Crawford sagte… wie sehr musste es den Amerikaner schmerzen? Es war das erste Mal, dass Aya sich das fragte, und das erste Mal, dass er es überhaupt wahrnahm. Das erste Mal, dass dieser Vorwurf etwas zurücktrat. Das erste Mal, dass er sich nicht einredete, dass Crawford Schuldig mit Absicht hatte umbringen lassen.

Er atmete tief ein und nahm die Hände herunter. Er gehörte hierhin… hierhin. Schuldigs Erbe. Ein Raum, der ihm zuflüsterte, wie glücklich er doch gewesen war, der Schuldig war.

„Ich… kann Frühstück machen“, sagte er, den Blick zur Seite gewandt, die Augen feucht.
 

Die Enge in der Brust wurde nur um ein Vielfaches schlimmer, als Brad den ersten Satz hörte. Ja, auch er wollte ihn wieder zurück.

Brad wandte den Blick ab und ging zu einem der Fenster, öffnete es und ließ frische Luft herein. „Eine… gute Idee“, sagte er nicht sicher in seinen Worten. Ihm fehlte Stärke.

Er hatte den jüngeren Mann in ähnlicher Verfassung gesehen, früher einmal. Nach dem Tod seiner Schwester. Jetzt… war es, als könne er diesen Schmerz körperlich fühlen. Ihn in Gestalt von Ran zu sehen, schmerzte ihn umso mehr.
 

Es war… eine Aufgabe. Etwas, das Aya tun konnte, musste… etwas, für das er aufstehen musste. Eine gute Idee, lobte seine rationale Seite. Lass mich in Ruhe, zischte die emotionale.

Er kämpfte sich hoch und ging in den Küchenbereich, die Haare immer noch offen und ungekämmt, die Füße barfuß auf dem kalten Boden. Sein Blick fiel auf Banshees Schüsseln… Crawford hatte sie schon gefüllt.

Aya wandte sich an den Kühlschrank, öffnete ihn. Er brauchte länger, sehr lange, um Dinge hervor zu holen, die Crawford essen konnte und die nicht verschimmelt waren.

Er zögerte und holte dann den Apfelstrudel, den er gebacken hatte, hervor und stellte ihn auf den Tisch.

Für… ihn.

Einen Apfelstrudel.

Aya starrte auf das Gebäck und sein Blick verschwamm. Seine Lippen öffneten sich, ließen jedoch nichts heraus. Er drehte sich wieder um und holte den Rest.
 

Während Brad die Fenster öffnete, seine Blicke immer wieder auf den einen oder anderen Gegenstand schweifen ließ, hörte er, wie in einem andere Teil der Wohnung das Besteck hervorgeholt wurde.

Er folgte diesem Geräusch und machte sich an seine Aufgabe, die des Kaffeekochens. Stumm erledigten sie ihre Tätigkeiten. „Hast du gestern etwas gegessen?“, fragte Brad, den Blick auf den Tresen richtend, wo ein Kuchen stand. Er selbst hatte bis auf den Alkohol nichts zu sich genommen und nun verspürte er Hunger.
 

„Gestern?“ Wann war gestern gewesen? Aya wusste es nicht, konnte nicht genau sagen, wann es das letzte Mal gewesen war. „Ich weiß nicht“, wiederholte er noch einmal und starrte abwesend auf die Teller, die dort standen. Schuldig hatte sich einen Apfelstrudel gewünscht und Aya hatte ihn mit einem überraschen wollen. Wenn er wieder zurückkam, hätte er einen selbstgebackenen Apfelstrudel vorgefunden.

Hätte.

Wenn.

Es war nicht so.

Warum hatte Aya ihn nicht eher gebacken? Schuldig hatte ihn sich doch so gewünscht, er wusste noch genau, was er gesagt hatte. Wie er ihn angesehen hatte… wie er dort auf der Fensterbank gesessen hatte und versucht hatte, ihm das Wörterbuch wegzunehmen.

Aya war sich nicht bewusst, dass er an einer Strähne seines Haares zog, so kräftig, dass es schmerzte. Schmerz war gut, oder? Körperlicher Schmerz, aber nicht seelischer. Er wünschte, er hätte nur körperliche Schmerzen.

„Er hat dich geliebt, weißt du das?“, sagte Aya völlig aus dem Kontext gegriffen. „Er wollte es nicht wahrhaben…“
 

Brad wollte diese Worte nicht hören, nicht jetzt, nie mehr.

„Es macht keinen Unterschied.“

Seine Worte kamen ihm so distanziert vor, so fern seiner Gefühle. Die Bitterkeit, die er in sich wahrnahm, nachdem er verstand, was diese Worte zu bedeuten hatten, überschwemmte ihn.

Für Momente stand er da, fühlte nichts außer Schuld, nichts außer Reue, während er auf den Kaffee wartete. „Ich… wusste das nicht.“

Und selbst wenn… es hätte keinen Unterschied gemacht.
 

Aya nickte, der Blick draußen auf irgendetwas gerichtet. Das letzte Mal, als er so an seine Schwester gedacht hatte, hatte ihn Schuldig getröstet… und nun? Nun war niemand mehr da, eben weil er es wollte. Er konnte nicht mit Nähe trauern, mit menschlicher Zuneigung. Das ging nicht… Schuldig hatte ihm damals das Gleiche gegeben: Distanz.

Vermutlich war er deswegen auch vor Youji geflohen und saß hier nun im gleichen Raum mit Crawford.

Aya starrte auf den Apfelstrudel. Doch er sah ihn nicht, sah ihre letzte Umarmung, ihre gemeinsamen Stunden, ihr Kuscheln. Wieder bemerkte er, wie er an einer Strähne zog und schließlich ein paar der Haare in den Händen hielt.
 

Eine der Tassen bereits gefüllt, kam Brad von der Anrichte zu dem Tresen und stellte Ran die zu dreiviertel gefüllte Tasse hin. „Hör auf, sie dir auszureißen, er hat sie gemocht“, sagte Brad leise, verzog mit halb weinendem, halb lachendem Auge den Mundwinkel. Er wusste nicht, wie er sich fühlte. Einerseits hätte er gern gelacht über Schuldigs Haarfimmel, andererseits… hätte er gern Schuldig samt Haarspleen wieder hier, lebend.
 

Aya sah irritiert auf, zum ersten Mal direkt in die braunen Augen, die ebenso viel Schmerz versteckten wie er selbst auch. Er hatte sich Haare ausgerupft?

Ja, hatte er, wie er mit einem Blick auf seine Hand feststellte, die er nun auf seinen Schoß sinken ließ, wo sie stumm ruhte.

„Du weißt vieles… hast vieles beobachtet“, sagte er zum Kaffee hin, der vor ihm stand.

Müder ergriff er das Messer und schnitt den Apfelstrudel an… teilte für Crawford ein Stück ab und legte es auf den Teller des anderen Mannes.
 

Sich seine eigene Tasse dazu holend und sich dem Mann gegenübersetzend, nahm Brad einen Schluck des wohltuenden Getränks. „Hast du vergessen, dass er mir in diesem Keller gesagt hat: Die Haare bleiben dran!“

Brad musste nun wirklich lächeln, wenn auch zwangsweise, wenn er an diese Szene zurückdachte. Er wartete, bis Ran sich auch eines der Kuchenstücke auf den Teller gegeben hatte. Er hatte nicht vor, den Kuchen alleine zu essen. Ganz sicher nicht.
 

„Ja… stimmt.“

Aya erinnerte sich an diese Szene, doch der Hass von damals schien wie nichts, er WAR nichts. Rein gar nichts. Er hatte sich gewandelt, in das genaue Gegenteil und nun, was war nun? Die große Leere, das Unbegreifen und der Schock. Die Lähmung, die Aya nicht klar denken ließ. Aber schließlich wollte er das auch: nicht mehr denken zu müssen, nicht daran denken zu müssen, was er verloren hatte, was nie wieder kommen würde.

Sein Blick glitt zu Crawfords unangerührtem Kuchen.

„Ich… weiß nicht, ob er schmeckt. Ich habe ihn das erste Mal gemacht. Wenn… du etwas anderes willst, kann ich das auch machen…“, sagte er nachdenklich, seltsam fern.
 

Ah, da hatte jemand angebissen. „Nein, nein, ich warte lediglich, bis du dir auch ein Stück geholt hast. Ich werde ihn nicht alleine essen, Ran.“ Das war eine klare Ansage, vor allem in Erinnerung an das, was sie beide – was das Essen oder Nichtessen betraf – bereits hinter sich hatten. „Weder werden wir ein Stück wegwerfen, noch wird einer ein Stück zu wenig essen.“

Eine Prophezeiung.
 

„Ich…“ …habe keinen Hunger, hatte Aya sagen wollen, doch die Worte blieben ihm im Halse stecken. Er hatte ihn für Schuldig gebacken, wieso sollte er nicht wenigstens versuchen, im Andenken an den rothaarigen Deutschen gemeinsam mit dem Mann, der ebenso sehr trauerte, wie er selbst, ein Stück zu essen.

Wortlos nahm er ein Stück und lud es sich auf den anderen Teller, während er auf die Mischung herabstarrte. Er teilte sich eine Gabel ab und schob sie sich in den Mund. Er kaute langsam und schluckte.

„Es schmeckt scheußlich“, sagte er schließlich. In der Tat… irgendetwas hatte er falsch gemacht bei der Zubereitung. Vielleicht war es gut, dass Schuldig doch nicht von diesem misslungenen Versuch hatte kosten können…

Nein. Nein, war es nicht. Besser Schuldigs zu Ekel verzogene Lippen als… gar keinen Schuldig.
 

Brad machte es Ran nach…

„Hmm… würde ich nicht sagen. Das ist ein Apfelkuchen… er schmeckt gut, er ist nur kalt.“

Er erhob sich, ging hinüber zum Backofen und stellte ihn an. Danach öffnete er den Kühlschrank und fahndete nach… ah da war sie ja schon. Er kam mit der Sahne zurück und stellte sie demonstrativ auf den Tisch.

Sich über die Arme reibend fiel ihm jetzt wieder ein, dass er nur ein Shirt, zwar langärmlich aber dennoch nur dünn, anhatte und die Fenster immer noch geöffnet waren. Samt Kaffeetasse ging er zum anderen Teil der Wohnung hinüber und schloss sie wieder.
 

Violette Augen fanden ihren Weg zur Sahne, dann zum Backofen, dann mit etwas Aufwand dem anderen Mann hinterher, der die Kühle vertrieb.

Warum war Crawford hier?, stellte sich Aya zum ersten Mal die vermutlich wahrscheinlichste und nahe liegendste Frage. Wieso kümmerte der Amerikaner sich um Dinge, um die er sich nicht sorgen brauchte? Die Wohnung… ihn selbst. Er kam klar. Er wäre schon irgendwann aufgestanden. Oder? Und selbst wenn… was hätte es das Orakel denn gekostet? Vielleicht jemanden, der seine Leiche wegräumte.
 

Der Backofen war schneller aufgeheizt, als Brad wieder in der Küchenzeile angekommen war und er nahm ihre beiden Kuchenstücke, stellte sie hinein, um sie aufzuwärmen. Mal sehen, ob er aus diesem nicht mehr ganz so frischen Gebäck etwas herausholen konnte.

„Was hältst du vom Einkaufen? Das Katzenfutter reicht nur noch für morgen.“ Für Schuldigs kleine und große Katze… musste etwas gekauft werden, bevor der Mann auf die absurde Idee kam, nichts mehr zu essen. Was vermutlich nicht ganz so abwegig war, wenn er sich die schlanke Gestalt anblickte. Er verstand dessen Lage… nur zu gut, sah man es doch den eingefallenen Gesichtszügen, der niedergeschlagenen Körperhaltung an.
 

„Warum tust du das?“, fragte Aya erstickt. „Du… müsstest das nicht tun, ich kann auch für mich alleine sorgen.“ Die gleichen Fragen wie noch kurz zuvor in seinen Gedanken und Aya wusste immer noch keine Antwort darauf. „Du kannst mich noch nicht einmal sonderlich ab…“
 

Für einen Augenblick erwog Brad zu lügen. Warum? Weil er nicht wusste, wie der Mann seine Worte aufnehmen würde?

Er lehnte an der Anrichte, blickte in den beleuchteten Backofen hinein. Nicht mehr lange und er konnte die beiden Teller wieder herausnehmen. „Wir… waren in Gedanken verbunden gewesen, als er…“, was sollte er sagen? Wie ein Stück Vieh erschossen wurde? „…bevor die Verbindung brach… sagte er mir, dass ich mich um dich kümmern solle.“
 

Worte, wie sie schlimmer nicht hätten sein können. Sie rissen sich in Ayas Inneres, das so schmerztaub gewesen war und schlugen blutige Krater in seiner Trauer. Er nickte und das Brennen in seinen Augen, die bisher ungeweinten Tränen machten sich auf den Weg nach oben, sie wollten hinaus, wollten um den anderen Mann trauern, um das, was nicht mehr da war.

Aya stützte seine Hände auf den Tisch und vergrub sie in seinen Haaren. Den Kopf gesenkt, ließ er los, ließ er den Tränen freien Lauf, die ihn fertig machten, doch er weinte stumm; schluchzte nicht, schrie nicht… gar nichts.
 

Brad ließ ihn. Für lange Momente ließ er ihn diesen Druck loswerden, den er selbst nicht von sich bekam. Er klebte an ihm wie ein Mal. Sein Blick glitt langsam über die in sich verschlossene, trauernde Gestalt.

Nach einer Weile holte er den Kuchen aus dem Ofen, brachte ihn wieder an den Tresen und verteilte auf seinem Teller die Sprühsahne. Er war nicht perfekt, aber süß und warm. Zwar war Brad nicht so ein Fan von Süßem wie Schuldig aber… es war Schuldigs Kuchen. Und es tat gut… „Er stand auf diese Süße, säuerlich, süß und warm“, murmelte er und hob den Blick von seinem Teller zu seinem Gegenüber.
 

Aya hatte in der Zwischenzeit tief durchgeatmet und sich mehr oder minder versteckt die Tränen aus dem Gesicht gewischt. Er sah auf den Kuchen und griff sich ein letztes Mal über die Augen wischend die Sahne - laut Schuldig war sie ja ein Muss.

„Er… hat ihn sich gewünscht. Ist schon etwas länger. Ich wusste erst nicht, was es ist und er… hat es so aufgezogen, als wäre es etwas Verbotenes. A… Apfelstrudel, so heißt es auf Deutsch, glaube ich“, erwiderte er und ließ seinen Blick kurz hochstreifen.
 

„Hast du etwas anderes erwartet? Du warst hoffentlich misstrauisch!“

Brad schaffte ein halbes Lächeln beim Gedanken daran, dass Schuldig den Rothaarigen hinters Licht führen wollte.
 

„War ich, wie immer, wenn er mit einer seiner kreativen Ideen gekommen ist und dieses Grinsen auf den Lippen hatte“, stimmte Aya dem zu und bemühte sich, dieses Lächeln nicht vergehen zu lassen. Es nicht zu verschwenden.

„War das… bei dir auch so?“
 

„Lass mich überlegen…“

Brad pickte sich etwas Blätterteig und ein Häubchen Sahne auf die Gabel. „Anfangs schon, vor allem weil er meine Gedanken einnehmen wollte. Ständig war er drauf und dran mich zu überrumpeln, was die Arbeit mit ihm sehr erschwert hat. Ich musste immer auf der Hut sein“, nun musste Brad in Erinnerung daran wirklich lächeln. Wehmut lag in seinem Blick.

„Danach… kam ein eher dunkleres Kapitel, wie du weißt“, spielte er auf Kitamura an.

„Als das vorüber war, das Schlimmste zumindest… hat er eher versucht mich zu reizen, mit irgendwelchen „haar“sträubenden Ideen. Ich hab ihm für die misslungenen Aktionen einen gewissen Teil vom Gewinn abgezogen.“
 

Aya nahm probeweise eine Gabel und kaute auf dem warmen Teig, schluckt ihn schließlich hinunter. Dass er nicht an dem großen Klumpen in seinem Hals hängen blieb, war alles. Er lächelte trotzdem und es war für einen Moment ein positives Lächeln, bevor die Trauer Einzug hielt.

„Was für haarsträubende Ideen waren das?“, fragte Aya nach und nahm einen Schluck seines Kaffees, auch wenn er nicht wirklich Durst hatte. Doch er aß ja schließlich auch, obwohl er keinen Hunger hatte… also. Diese Tätigkeiten bewirkten bei ihm nichts Gutes… aber auch nichts Schlimmes.
 

„Beispielsweise, die Idee dir die Haare nicht abzuschneiden. In diese fixe Idee schien er sich verbissen zu haben. Oder wenn wir bei dir… bleiben, die Idee dich zusammen zu schlagen, um die Kritikerjungs hinters Licht zu führen. Aber wenn ich mal weitersehe… Nagi als Mädchen zu verkleiden… war einer seiner Krönungen. Der Junge hatte sich lange geweigert… und schließlich musste er selbst einsehen, dass es keine schlechte Tarnung war. Seither kommt es öfter vor…“ rutschte er in die Gegenwart, bis er seinen Fehler bemerkte… „…kam es öfter vor, dass die beiden als Paar auftraten.“
 

Alles… alles hatte mit ihm zu tun. So vieles. Doch jetzt nichts mehr.

„Das ging also auf seine Kappe…“, murmelte Aya durch den Stich an Schmerz hindurch, den die Präsensform bei ihm ausgelöst hatte. „Er hatte mir davon erzählt, das übliche Glitzern in seinen Augen. Wie geht es Nagi?“, fragte er schließlich, durch die Worte des Amerikaners auf etwas gebracht, das er bisher vergessen hatte. Was machte der Rest von Schwarz?
 

Eine schwere Frage für Brad.

Zum sonstigen Verhalten stützte Brad nun eher gegenteilig seinen Ellbogen auf den Tresen, legte seine Stirn in seine Hand als hätte diese Frage ihm Kopfschmerzen bereitet. Noch nie hatte er sich derart offen im Verhalten gezeigt, schon gar nicht jemandem wie… Ran.

„Ich… weiß es nicht. Die letzten zwei Tage habe ich ihn kaum gesehen. Vermutlich habe ich ihn schändlich vernachlässigt. Aber Jei ist nicht immer so passiv, wie er nach außen hin scheint. Er wird das tun, was er für nötig hält, wenn es nötig ist. Trotzdem…“ Ein leises Seufzen kroch seine Kehle empor, wurde jedoch nicht laut.
 

Dass Bradley Crawford noch niemals vorher so dermaßen seine Fassung verloren hatte, dachte sich auch Aya in diesem Moment und wer wusste schon… vielleicht hätte ihm das dem Verständnis des Amerikaners einen Schritt näher gebracht, wenn er nicht selbst zu sehr in seiner Trauer gefangen gewesen wäre.

So sah er es nur als Zeichen des trauernden Orakels, nicht als Zeichen eines Mannes, der durchaus menschlich war und nicht immer nur das Monster, das er in ihm gesehen hatte.

Doch im Moment sah Aya sowieso nichts… nichts außer dem großen Loch in seiner Brust, das schmerzte.

„Er wird sich sicherlich um ihn kümmern… das tut er…“ Omi vielleicht auch, aber Aya hatte die Geistesgegenwart, das nicht auszusprechen. „Was ist mit dir? Du hast doch sicherlich besseres zu tun, als dich um mich zu kümmern… auch wenn es… sein letzter Wunsch war.“
 

Brad hob den Blick und er traf pfeilgenau in das schimmernde Violett. Er sprach davon, dass es nichts Besseres für ihn geben konnte, außer Schuldig diesen Wunsch zu erfüllen. Was hatte er denn sonst noch von ihm? Außer diesem...Wunsch.

„Nein, habe ich nicht“, antwortete er langsam. Er fragte sich, wann der andere auf die Idee kommen würde, ihn nach den Einzelheiten des Auftrages zu fragen. Und er fragte sich auch, wann er selbst an Rache denken würde. Momentan war es, als hätte sich alles aus ihm heraus gewaschen, alles, was an Vergeltung dachte.
 

„Ich… entbinde dich von deiner ‚Pflicht’, wenn du das möchtest. Es ist nicht nötig, dass du dich um mich kümmerst“, sagte Aya in Gedanken versunken. Nein… das musste wirklich nicht sein, wenn Crawford das nicht wollte - und er auch nicht, davon mal ganz abgesehen. Doch… momentan schwieg der hassende Teil, der Teil, der Crawford die Schuld an Schuldigs Tod gab. Da war nichts. Weil sie sich eins waren in ihrer Trauer?
 

Milde zeigte sich in seinen Augen, als Brad nach einer kleinen Weile antwortete. Auch begleitet von einem versteckten Lächeln. „Das kannst du nicht“, sagte er schlicht, sich bewusst, dass der Mann aufbegehren wollte. „Niemand kann mich entbinden, wie du es nennst.“

Dafür hatte er zu viele Gefühle für Schuldig empfunden und fühlte sie noch immer in sich, vermengt zu einem tristen, grauen Brei, in dem sie langsam ertranken.
 

Aya sah hoch, doch die Wut, die er nachher vielleicht irgendwann fühlen würde, stellte sich nicht ein. Er verstand Crawford, verstand dessen Gedankengang, denn er würde genauso handeln. Die Frage war jedoch, wie sie damit lebten - ja, sie beide. Ob sie überhaupt lebten.

Denn so sicher war sich Aya da nicht. Der Verlust war einfach zu groß, als dass er noch irgendeinen Willen besessen hätte.

Er lächelte schmerzlich und schob sich eine weitere Gabel des Apfelstrudels in den Mund. Ein leises Mauzen an seiner Seite ließ ihn auf Banshee herabsehen, die sich nun mit einem beherzten Sprung auf seinen Schoß retten wollte. Doch Aya sah, dass sie das nicht schaffen würde, nicht, ohne abzustürzen, so umfasste er ihren kleinen, warmen Leib und zog sie zu sich auf seinen Schoß, wo sie leise miaute.
 

Brads Kopfschmerz war in den Hintergrund getreten, sein Magen nach dieser kleinen Nahrungszufuhr nicht mehr ganz so hohl, dennoch stand er jetzt auf, seine Tasse nach einem kleinen Schluck Kaffee auf dem Tresen zurücklassend. Sein Weg führte ihn zu dem Schrank, in dem Schuldig seine Medikamente aufbewahrte. Er kramte darin herum und fischte sich eine der kleinen Döschen heraus. Zeit, dieses perfide dumpfe Hämmern in seinem Schädel zu vernichten. „Kannst du nachts schlafen?“
 

Mit dem Blick auf Banshee, die Crawford mit ihrer Nase folgte und das zweite, interessante Spielzeug mit taxierenden Augen beobachtete, nickte Aya. „Ja, kann ich“, erwiderte er automatisch. Dass es eine Lüge war, wusste er und vielleicht auch Crawford selbst, doch Aya wollte nicht, dass der Amerikaner sich Gedanken darüber machen musste oder Sorgen oder dass er sich schließlich darum kümmerte, dass er schlief.

Aya WOLLTE nicht schlafen, das war es. Er wollte nicht einschlafen und aufwachen, dabei feststellen, dass Schuldig… nicht mehr an seiner Seite lag und er ihn nicht mehr beobachten konnte, wie er dort schlief, manchmal näher, manchmal weiter zu ihm hin.
 

„Halt dich von diesen Tabletten fern, ich denke, dass sie zu stark für dich sind“, sagte Brad leise und stellte das Sammelsurium der verschiedensten Psychopharmaka wieder zurück in den Schrank. Nur kurz erwog er, sie mitzunehmen oder weg zu werfen. Aber es hätte weder eine Konsequenz noch irgendeinen wirklichen Nutzen.

Warum er das gesagt hatte, drängte sich ihm beinahe schon unbehaglich auf. Hätte er versagt, wenn Ran sich umbrächte? Wenn der andere Mann zu nahe am Tod wandelte?

Ja, das hätte er. Schuldig würde es ihm nie verzeihen.
 

Was zwischen den Zeilen stand, vermochte Brad nur zu gut zu lesen. Ran schlief nicht, das hatten ihm die Augenringe, die rot geränderten Augen gezeigt, die unnatürliche Blässe. Erholung sah anders aus.
 

„Ich halte nichts von Schlaftabletten“, erwiderte Aya leise. Dass er nichts von den Tabletten hielt um sich umzubringen, verschwieg er lieber. Es gab da eine hohe Brücke… an dieser Brücke hatte er schon oft gestanden. Sehr oft.

„Bleibst du jetzt… hier?“, fragte er und nahm einen Schluck seines Kaffees, der so schmeckte, wie alles andere auch: fahl, öde und bitter.
 

Die Tablette schluckend und das Glas Wasser abstellend, wandte sich Brad wieder zum Tresen hin, kam zu Ran und blieb mit dem Blick auf die kleine Katze stehen.

„Ich… denke nicht.“ Er konnte sich vorstellen, dass seine Gegenwart in diesem Tabernakel störte, in diesem Mausoleum, in dem Ran nun lebte. Von Gegenständen eines… Toten umgeben. Aber er wusste auch, dass seine Anwesenheit den Mann aus seinem Schmerz herausriss, ihn auf neue Gedanken bringen konnte.
 

„Wenn du… hier bleiben willst, dann ist das in Ordnung“, sagte Aya und wusste, dass er es vielleicht irgendwann bereuen würde, diesen Vorschlag gemacht zu haben. Doch jetzt, just in diesem Moment, schien es ihm das Richtige zu sein, da Crawford… ebenso sehr derjenige gewesen war, der Schuldig etwas bedeutet hatte. Andersherum war es genauso. Es schien ihm nicht richtig, Crawford das zu verneinen.

Banshee reckte sich und maunzte Crawford leise, empört an, dass er sie nicht beachtete, dass er ihr nicht die Aufmerksamkeit schenkte, die sie verdiente. Wie ihr Herrchen auch… ihr totes Herrchen.
 

Brad nickte. „Ein anderes Mal… vielleicht“, erwiderte er tiefer einatmend, als würde ihn der bloße Gedanke des Hierbleibens erdrücken.

Seine Hand folgte der Empörung, die sich hier verbalisierte und fand den Weg in das seidige Fell. „Wir sollten noch etwas Einkaufen, meinst du nicht? Oder soll ich dir morgen etwas mitbringen?“

Er musste irgendwann… noch etwas ansprechen… der rechte Zeitpunkt schien ihm nicht wirklich gekommen zu sein.
 

„Banshee braucht Futter… ich habe gerade gesehen, dass sie keines mehr hat“, erwiderte Aya mit gerunzelter Stirn und hob die Kleine auf den Tresen, stand selbst müde auf. Er wusste sie bei Crawford in besten Händen… besseren Händen als er sie momentan hatte.

„Ich werde eben fahren. Bleibst du noch solange… bei ihr?“ Damit wenigstens sie noch da war, wenn er wiederkam und er nicht vollkommen alleine war.
 

„Vergiss nicht… dir auch etwas zum Essen zu kaufen, Rotfuchs“, mahnte Brad und hatte sich bereits zu Banshee umgedreht, fasste sie mit einer Hand und nahm sie mit zur Couch. Unterwegs füllte er sich noch Kaffee auf. Es war vermutlich wirklich keine schlechte Idee von Schuldig gewesen, seinem Roten eine Katze zu schenken. So war diesem immerhin noch etwas geblieben, um der Einsamkeit zu entkommen, damit die Gedanken und Gefühle ihn nicht in die Finsternis mitreißen konnten.
 

Es war nicht so, dass Aya die Worte des anderen Mannes nicht gehört hatte, doch ob er sie hören wollte? Er wusste es nicht, er wusste nur, dass er keinen Hunger hatte und dass nun niemand ihn antrieb, zu essen, sich der Außenwelt zu stellen oder sonstiges. Da war kein Deutscher, der es verstand, ihn aus seiner Trance zu reißen.

So wie er war, verließ er die Wohnung und begab sich in Richtung Aufzug. Mit einem leisen, vertrauten Ping kündigte sich dieser schließlich an und Aya stieg ein, den Blick auf das leuchtende Zahlenpad gerichtet.

Schließlich unten, stieg er aus und suchte seinen Wagen… neben dem Schuldigs Sportkarosserie stand. Wortlos betrachtete er sich das Auto und blinzelte, als das wohlbekannte Brennen zurückkehrte. Er wandte sich ab und fuhr los.
 

Alles, was er tat, war mechanisch, antrainiert und mit wenig Elan. Er wusste, dass er Katzenfutter kaufen musste… dass er für sich etwas kaufen musste, wenn er seine Ruhe haben wollte. Wenn er nicht wollte, dass Crawford ihn… zum Essen zu überreden versuchte.

Vermutlich würde der andere Mann sowieso in den nächsten Tagen nicht wiederkommen und ihn seinen Gedanken überlassen.
 

Menschen zogen an Aya vorbei und er wusste nicht genau, wie er schließlich mit der Einkaufstüte wieder vor der Wohnung stand und die Schlüsselkarte durch das Schloss zog.

Ich bin wieder da, sagte er der Wohnung, würde er auch Schuldig sagen, doch er war ja alleine… Schuldig würde ihn nie wieder begrüßen, wenn er hereinkam.

Alleine.

Aya schloss die Tür hinter sich und entledigte sich seiner Schuhe, brachte die Tüte voller Katzenfutter und Fertiggerichten in die Küche.
 

Das entfernte Schließen der Tür riss Brad aus einem Tagtraum heraus und er wurde sich wieder der Realität bewusst. Die Umgebung eröffnete sich ihm, als er die Lider hob und die Skyline der Stadt vor sich erkannte, die über die Abgrenzung der Terrasse spitzte. Er saß auf einem der Stühle und blickte nun hinauf in das Weiß des Himmels und Brad war es, als würde es bald erneut schneien.

Er hatte den Winter satt, gründlich.
 

Schweigend verräumte Aya die mitgebrachten Dinge und warf einen Blick auf den hohen Bartisch, auf dem noch die angefangenen Kuchenstücke standen, ebenso wie seine Kaffeetasse. Trostlos war es, war alles hier und schrecklich. Er wollte sich verkriechen, gleichzeitig aber weglaufen, irgendwohin, nirgendwohin… weg von hier, ins Bett, zu Schuldig, egal.

Aya stand mitten im Raum und hatte die Hände kraftlos gesenkt. Er hatte keine Kraft mehr… für nichts.

Er wollte nur schlafen, nein, das eigentlich nicht. Vergessen… aber auch nicht vergessen, denn er wollte sich an Schuldig erinnern, er wollte die schönen Momente, die Stunden, Tage, Wochen und Monate mit dem Telepathen nicht hinter sich lassen. Er war nicht bereit dazu. Das war alles viel zu abrupt, viel zu schnell. Es konnte doch nicht vorbei sein, nicht so einfach.

Aya verstand das nicht, auch wenn er es doch eigentlich schon wissen musste. Seine Schwester war schließlich auch plötzlich verstorben, warum also nicht auch Schuldig?

Warum nicht auch Youji, Omi und Ken? Oder Banshee? Warum nicht alle? Er konnte es ja ertragen…
 

Mit einem leisen seufzenden Laut erhob sich Brad nach einigen Minuten und drehte der zurückkehrenden Winterluft den Rücken zu. Er ging wieder hinein in die Wohnung, schloss die Tür. In den Wohnraum zurückkehrend, bemerkte er Ran, wie er dort stand, völlig teilnahmslos seine Umgebung wohl kaum wahrnehmend.

Er näherte sich dem Mann und sprach ihn leise mit Namen an.

„Kann ich dich etwas fragen?“

Etwas zögerlich kam diese Bitte, diese Frage. Es war nicht üblich für ihn, etwas zu erbitten und es sich nicht zu nehmen. Aber in diesen Tagen war vieles nicht mehr… üblich.
 

Es dauerte etwas, bis Aya in der Lage war, sich auf Crawford zu konzentrieren auf das, was der andere Mann gesagt hatte. Doch er hatte verstanden und nickte nun. „Natürlich“, bestätigte er die ungewöhnlich… ja sanft, vorgetragene Frage des Amerikaners und versuchte sich an einem Lächeln, an dem er kläglich scheiterte.
 

„Ich… weiß, dass es nicht der richtige Zeitpunkt dafür ist…“, räumte Brad ein und lehnte sich an die Ablage. „Glaubst du… auch wenn es noch so absurd wäre… einer von deinen Männern… von Weiß… hätte diesen Auftrag… verraten? Nicht absichtlich, das glaube ich nicht, aber der Kontakt zu Kritiker war doch nahe…“, selbst seine gesprochenen Worte klangen voller Selbstzweifel, dennoch musste er diese Möglichkeit aussprechen, sie ausräumen. „Ich brauche Anhaltspunkte… wir sind verraten worden… gezielt.“

Zum ersten Mal gab er etwas Preis.
 

War er gerade noch weit entfernt von allem gewesen, so schärfte sich Ayas Verstand nun minimal, seitdem er von Schuldigs Tod erfahren hatte.

Weiß… Schuldig verraten? Nein, Schwarz verraten, sodass der Auftrag gefährdet wurde und diese Männer Schuldig hatten töten können? Jemand von Weiß? Von seinen Freunden?

„Nein…“, erwiderte Aya mit Tränen in den Augen, die er nicht herauskommen ließ.

„Der Einzige… der von dem Auftrag wusste, war ich. Sie… hatten keine Ahnung. Und ich würde doch nicht…“ Seine Stimme versagte ihm und Aya schluckte mühsam. Es gab etwas, auf das er sich hier konzentrieren musste. Er räusperte sich.

„Diese Männer… die mich zusammengeschlagen haben. Waren SIE es?“
 

„Möglich ist es.“

Brad überdachte die erste Möglichkeit. „Es war nicht nötig von diesem Auftrag zu wissen, Ran. Derjenige… unser Auftraggeber selbst muss der Verräter sein. Ich gehe davon aus, dass uns jemand nur zu dem Zweck uns zu töten angeheuert hat. Nur so konnte unser Ziel erfahren, wann, wie und wo wir angreifen würden.“

Sie hatten wie immer den Auftraggeber durchleuchtet. Nagi machte in diesem Punkt keine Fehler.
 

Aya überdachte das und das Ergebnis war kein schönes.

„Ihr seid aufgeflogen“, stellte er leise fest. „Wenn jemand so nahe an euch herankommt, dass er euch einen falschen Auftrag geben kann, dann… seid ihr nicht mehr sicher.“

Er wischte sich mit der rechten Hand fahrig über das Gesicht. „Durch… mich? Seid ihr durch mich so… offen nach außen geworden?“ War er Schuld an Schuldigs Tod?

„Wir… müssen nach Informationen suchen, die zu diesem Auftraggeber führen. Irgendetwas… es muss doch etwas möglich sein.“
 

Wenn einer Schuld war, dann wohl eher Brad selbst. Denn hätte er nicht zugelassen, dass Ran sich in Schuldigs Leben begab… dann wäre dies alles vielleicht nicht geschehen. Dann wäre Schuldig… nicht so glücklich gewesen… vor seinem Tod.

Brad lächelte. Was für eine Ironie.

„Nagi arbeitet daran. Wenn unser ‚Feind’, denn es scheint, als habe es jemand auf uns abgesehen, uns in Bewegung setzen wollte, dann hat er das erreicht. Wir werden das Haus verlassen.“
 

Aya nickte. Dann würde Schwarz Tokyo vermutlich verlassen… und die Episode aus seinem Leben, die so viel versprechend angefangen hatte, würde endgültig ihren Abschluss finden. Für einen Augenblick wollte Aya nicht, dass Schwarz gingen, waren sie doch auf eine absurde Art und Weise die letzten Erinnerungen an Schuldig, an dessen Leben, die ihm so bleiben würden. Wenn sie weg waren, dann war alles wie vorher. Nur dass er weder seine Schwester hatte noch den Menschen, der ihm mehr bedeutet hatte, als jemand anderer zuvor. Er war wieder allein.

„Ich… würde gerne mithelfen.“ Mich rächen. Ja, das wollte er. Sich rächen an diesen Mördern.
 

In diesem Moment beschloss Brad… eine Ausnahme zu machen. Diesen „normalen“ Menschen in ihren Kreis zu lassen, auch wenn er nie einer von ihnen war und sein würde, oder gar sein wollte. Für diese Mission, diesen Auftrag… würde er eine großzügige Ausnahme machen.

„Wir werden diese Bastarde finden und ich schwöre dir, keiner wird einfach sterben oder vor seiner Strafe davonkommen.“ Einfache Worte, leise ausgesprochen, aber er würde sie wahr machen.
 

„Gut.“

Aya sah den Ernst und die Entschlossenheit in den Zügen des Orakels, doch was hatte er auch anderes erwartet? Eben… nichts anderes, als der Hass auch in ihm hervorrief. „Ich will sie leiden sehen. Ich will, dass sie wissen, was sie… uns angetan haben.“

Der rothaarige Japaner fuhr sich durch die verfilzten Haare, blieb stecken. Er sollte sich duschen irgendwann… die Haare pflegen, die Schuldig so gerne gemocht hatte.
 

„Ich lass dich wissen, wenn ich etwas Neues weiß.“ Brad stieß sich von der Ablage ab und ging Richtung Tür. „Bis morgen“, verabschiedete er sich, mit der üblichen Distanz. Er hatte einiges zu tun. Und morgen würde er wieder nach Ran sehen.

Ihm war es als hätte Schuldig ihm ein Findelkind zurückgelassen…
 

o~
 

Es hatte sich nichts geändert über die vergangenen Tage hinweg, die Aya in einem Zustand zwischen wachen und schlafen verbracht hatte… beides jedoch konnte er nicht. Es war Crawford, der jeden Tag vorbeikam und ihn dazu brachte, aufzustehen und etwas zu essen, der sich um Banshee kümmerte, wenn er es bisher noch nicht geschafft hatte. Warum Crawford immer wieder kam… Aya kannte den Grund, natürlich.

Vielleicht war es auch der einzige Lichtblick, denn bis auf die sporadischen Besuche des Amerikaners war er alleine in der Wohnung mit den halb heruntergelassenen Jalousien. Er wollte nicht die Sonne sehen, die durch sie hereinstibitzte, wollte nicht sehen, dass der Winter dem Frühling Platz machte und einen neuen Kreislauf anbrechen ließ. Und das innerhalb von Tagen, so als würde es jetzt mit Gewalt wärmer werden wollen.
 

Auch er hatte geglaubt, ein neues Leben beginnen zu können, mit einem Mann an seiner Seite, den er nicht hatte missen wollen. Doch wie es immer so war: erst als er sich bewusst wurde, dass er völlig alleine war nun, konnte er sich ausmalen, WAS genau ihm fehlte und wie groß das Loch in seiner Brust war, das sich aufgetan hatte und sich nicht schließen würde.

Er weinte jetzt nur noch selten, wenn, dann aber unkontrolliert und verzweifelt. Doch der große Teil in ihm war Leere, die ihm nicht das schenkte, wonach er sich gesehnt hatte; nämlich Ruhe.
 

Aya hatte über vieles in den Stunden, die er wach hier auf dem Bett verbrachte, nachgedacht. Er hatte ihre Beziehung vor seinem inneren Auge ablaufen lassen, hatte sich Gedanken um Dinge gemacht, denen er sich vorher nicht gestellt hatte.

Ein leise Knurren und Fauchen ließ ihn sich auf Banshee konzentrieren, die anscheinend die Spielzeugautos gefunden hatte, die er irgendwann in den letzten Tagen hervorgeholt hatte. Anscheinend hatte sie herausgefunden, dass sie die kleinen Wagen nur anzustoßen brauchte, damit sie davonfuhren und sie sie jagen konnte.

Wenigstens hatte sie damit etwas zu spielen…

Er dachte an seine eigene Hatz, die er immer mit Schuldig getrieben hatte. Es war ein Spiel zwischen ihnen gewesen, wenn auch für ihn notwendig, wie er festgestellt hatte. Notwendig, dass er sich der Dominanz des anderen Mannes ergeben konnte, auch wenn er sich nie ganz ergab. Denn freiwillig ging es nicht, war es auch nicht bei Youji gegangen. Aya brauchte das Gefühl, eingefangen und ‚besiegt’ zu werden, damit er unten liegen konnte. Skurril… wenn er darüber nachdachte. Verkorkst vielleicht auch.
 

Schuldig hatte es immer aufgeregt, wenn er damit anfing. Schuldig, die Ungeduld in Person. Nicht, dass er sich davon hatte stören lassen, doch nun? Nun war es nicht mehr nötig. Nie mehr. Aya schloss die Augen und vergrub sich in den Kissen des Bettes. Crawford würde irgendwann wieder eintreffen… bis dahin konnte er noch vor sich hinleben. Oder existieren.
 


 


 

Es war schlimmer als mit Rans Schwester.

Ein Gedanke, der Ken gerade beschlich, als sie mit dem Aufzug nach oben fuhren. Omi und er. Yohji… hatte sich wie jeden Abend betrunken und verschlief die Hälfte des folgenden Tages, bis zum nächsten Gedanken an Alkohol. Er litt mit Ran… auf seine Art.

„Es ist schlimmer als mit Aya“, sagte er, als die Türen sich öffneten.
 

Omi horchte auf. „Meinst du, weil er insgeheim immer gedacht hatte, dass Aya irgendwann sterben könnte… und… Schuldig“, Omi atmete tief ein. „Schuldig so plötzlich…“
 

„Ja, Schuldig… Schwarz schienen für uns unbesiegbar… und jetzt…“ Omi nickte lediglich und klingelte zaghaft an der Tür.
 

Aya horchte ob dem Klingeln auf, das seine Gedanken durchbrach. Crawford klingelte nicht, Crawford hatte eine Schlüsselkarte.

Was… was, wenn es Schuldig war, der irgendwie…. irgendwie noch lebte und zurückgekommen war? Wenn er vor der Tür stand und…

Aya quälte sich aus dem Bett und hastete zur Tür. Mit klopfendem Herzen starrte er auf den Bildschirm, der ihm sagte, wer dort stand und sein Herzschlag setzte für einen Moment aus. Doch nicht vor Überraschung, sondern vor Schmerz. Schmerz, dass es nicht Schuldig war, dass es ‚nur’ Omi und Ken waren.

Einen Augenblick lang überlegte Aya, den Beiden nicht aufzumachen, sich wieder zu vergraben, doch etwas in ihm entschied sich dagegen. Genau definieren konnte er dieses Etwas nicht. Schweigend drückte Aya den Öffnungsmechanismus, der Kloß in seinem Hals noch größer als zuvor.
 

Die Enttäuschung war nicht ganz so deutlich, wie sie vielleicht zuvor gewesen sein mochte, dennoch ein kleiner Rest war in den Augen geblieben, als Omi Ran ansichtig wurde. Er verstand dieses Gefühl. „Hey…“, sagte er als Begrüßung leise und lächelte sanft.

„Dürfen wir reinkommen?“
 

Aya versuchte gar nicht erst zu lächeln und ließ die Beiden kommentarlos in die Wohnung. Sie waren seine Freunde, sein Team und vielleicht konnten sie ihn etwas aus seiner Starre reißen - ob Aya das allerdings wollte, wusste er nicht so recht. Eigentlich nicht… aber gut.

Er schloss die Tür hinter den Beiden und heftete seinen Blick auf Banshee, die auf die Abwechslung zugerannt kam und laut maunzte.

„Möchtet ihr etwas trinken? Oder essen?“, fragte er das, was er Crawford auch immer fragte. Reiner Reflex, wie er feststellte.
 

Omi und Ken wechselten rasch einen Blick.

„Ja, ein Tee wäre prima. Trotz der Sonne is es noch kalt draußen“, sagte Ken und beugte sich hinunter zu der Katze, schien sofort verliebt in das junge Tier zu sein.
 

Omi hatte in Kens Blick dasselbe gelesen was er auch empfand. Ran sah schlecht aus. Alles an dieser gramgebeugten Gestalt deutete auf tiefen seelischen Schmerz hin, den nichts so schnell zu löschen vermochte. Was sollten sie da schon ausrichten?
 

Ken neckte die Katze etwas. Und wieder waren es Schwarz die ihnen zusetzten, die sie langsam … ins Grab trieben.

Auch wenn dieser Gedanke nun wirklich nicht passend war, wie er im gleichen Moment bedachte… so störte ihn das kleine Körnchen Wahrheit darin.
 

Aya nickte in Gedanken, total auf Autopilot umgeschaltet machte er den Beiden einen Tee. Er hatte gesehen, wie Ken mit Banshee spielte und es ließ Wärme in ihn… soviel wie möglich eben. Viel war es nicht, aber immerhin etwas.

„Wie geht es euch?“, fragte er schließlich. „Wie läuft das Koneko?“
 

„Gut. Den Leuten scheinen Blumen in diesem langen Winter sehr ans Herz gewachsen zu sein. Wir können uns vor Aufträgen kaum retten.“

Omi ließ Ken bei seinem neuen Zeitvertreib zurück und folgte Ran in die Küche. Ihm brannten so viele Fragen unter den Nägeln, aber er wusste nicht, wie er sie in sich verbergen konnte, bis der geeignete Zeitpunkt gekommen war… falls er je kommen würde, wenn er sich Ran anblickte.
 

Der Blick des rothaarigen Mannes ruhte auf Ken, der zwar immer einen Seitenblick auf sie beide warf und ihn beobachtete wie eine Bombe, die gleich hochgehen würde, der sich jedoch im Abstand hielt. Er verstand vermutlich, wie es ihm ging und was er brauchte.

Doch Aya wollte Omi nicht vor den Kopf stoßen. Dass er sich am Liebsten bis ans Ende der Tage verkriechen würde, mussten die Beiden nicht wissen, wirklich nicht.

„Das ist schön… aber stressig ohne mich, richtig?“, fragte Aya.
 

„Ja, das ist es.“

Omi nickte nachdenklich. „Wenn… wenn ich nicht wüsste, dass es gegen die Regeln verstoßen würde… dann würde ich dich sofort fragen, ob du zu uns kommen würdest, Ran.“ Omis Stirn furchten Sorgenfalten, seine Augen blickten voller Kummer auf den größeren Mann.
 

Es hatte bisher keinen Moment gegeben, in dem sich Aya ausgestoßener als jetzt gefühlt hatte. Er war sich nicht sicher, ob er es wirklich wollte, ob er sich wirklich in den Laden stellen und arbeiten wollte, doch… doch vielleicht wäre es eine Möglichkeit gewesen, die ihm nun verschlossen war. Er hatte sich unter anderem für Schuldig gegen Kritiker und somit Weiß entschieden und war nun alleine.

Vielleicht konnte man das in diesem Moment aus seinen Augen ablesen, auch wenn er wusste, dass es nur zu verständlich war. Er war kein Sicherheitsrisiko, doch Kritiker sahen ihn als solches an. Was konnte er auch schon verlangen, nachdem sie ihn hatten einfach so gehen lassen? Dass sie ihn jetzt auch noch wieder aufnahmen? Ohne dass er für sie arbeiten musste?
 

Das war zuviel des Guten, auch wenn Aya…
 

„Schon in Ordnung, ich komm schon klar“, erwiderte Aya unbestimmt. Ja natürlich.
 

Omi schwieg, dennoch erhob er sich. Er ertrug diesen Blick nicht, diese Trauer, die wie es schien nur zu einem kurzen Gastspiel für wenige Wochen verschwunden gewesen war und nun umso dramatischer ihren Rückzug hielt. Seine Hand schlüpfte in die von Ran und er lehnte sich leicht an ihn, wollte jetzt durch Nähe wenigstens etwas Trost vermitteln. Sonst hatte es doch bei ihnen… zwischen ihnen auch so geklappt. Was konnte er denn sonst tun?
 

Aya erzitterte ob des menschlichen Kontaktes, den er in den letzten Tagen so gemieden hatte. Er wusste auch schon warum… denn er konnte nicht ertragen, dass ihm noch einmal Trost zuteil wurde, dass jemand ihm zeigte, dass er da war und dann doch ging.

Seine Finger entzogen sich Omis nicht, doch die ersten Tränen fielen leblos aus Ayas Augen, so als ob sie nicht zu ihm gehörten.
 

Omi blickte Ran nicht an, denn er wollte nicht, dass sein Freund sich ihm durch diesen ausliefernden Blickkontakt entzog. Er stand eine kleine Weile so da, sich bewusst, dass Ran viel zu steif, viel zu angespannt war um diesen Trost annehmen zu können.
 

Erst ein anderes Geräusch… das Öffnen der Tür ließ ihn sich von Ran lösen. „Wer…?“



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