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Der Glasgarten

von

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sacrifice

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Die Stadt brannte.

Seine Stadt glühte in seiner Rache hellrot, weiß, voller Zorn, voller Genugtuung. Keiner hatte das Recht zu überleben, keiner von Ihnen würde seinem Zorn entkommen. Es wurde Zeit ihnen das zu geben was sie wollten, ein Zeichen seiner Macht, seines Könnens. Brad wandte den Kopf inmitten des Infernos das um ihn Menschen und Gebäude zerfraß. Er sah hinab auf die Last in seinen Armen. Schmutzig, geschändet, blutbesudelt und hingerichtet, eine Botschaft in seinen Armen, die er erhalten und gewürdigt hatte – mit Vergeltung. Er trug den toten Körper einige Schritte bevor ein Schatten zu ihm trat und ihm seine Last abnahm. Er gab sie ab und ging weiter, er ließ sie zurück um das zu werden was sie von ihm wollten, ein Vernichter, ein Richter, ein Henker, ein despotischer Herrscher.

Brad sah sich nicht mehr um. Er ließ zurück was er war um etwas Neues zu werden.

Dann verblassten die Ränder seiner Wahrnehmung und die wohltuende Dunkelheit schickte ihm neue unschöne Fakten.
 

Er wurde wach und das auf sehr unangenehme Art und Weise. Die Vision verblasste und verging in dem unangenehmen trockenen Kratzen in seinem Hals, in dem qualvollen Hustenreiz in seiner Brust, der seinerseits wie Feuer brannte. Als wäre dies die reale Reaktion auf den beißenden Rauch der Flammen die ihn in der Vision nicht beeinträchtigt hatten. Stöhnend ließ er den Kopf sinken, die noch unverheilte Verletzung an seiner Flanke brannte zwar oberflächlich war aber zu vernachlässigen. Die Rippenbrüche, die er vor einigen Monaten davon getragen hatte und jetzt durch die Konfrontation mit Asugawa erneut in Mitleidenschaft gezogen worden waren machten ihm mehr Probleme.

Asugawa.

Der Gedanke an diesen Mann lenkte ihn von den Schmerzen ab und ließ ihn den Kopf heben. Er versuchte sich zu orientieren, zumindest war er noch in seiner Wohnung, nur hatten sich die Gegebenheiten geringfügig geändert.
 

Dieser kleine Teufel.

Als die Erinnerung kam wie Asugawa ihn vorgeführt hatte wurde er wütend. Was bildete er sich ein wen er hier vor sich hatte? Erniedrigung und Schmach brannten in ihm, denn Niemand sprang auf diese Weise mit ihm um, schon gar nicht diese Witzfigur. Er brüllte vor Zorn auf.

„Asugawa!“

Wozu trieb ihn dieser...

Es kam keine Antwort. Die Stille die ihm nach seiner verbalisierten Wut entgegenschlug dröhnte in seinen Ohren. Asugawa hatte ihn allein und in Fesseln zurückgelassen. Brads Augen schlossen sich für einen Moment und sie waren unheilverkündend dunkel als sich seine Lider hoben.
 

Asugawa würde wieder kommen und Brads Vergeltung würde unangenehm für ihn werden.
 

Seine angeknacksten Rippen machten sich nach kurzer Zeit erneut bemerkbar und er fand keine gute Lage um den dumpfen Schmerz zu entkommen. Er mühte sich auf die Beine um eine Möglichkeit zu finden sich zu befreien, aber ohne einen scharfen Gegenstand war es ihm nicht möglich die Kabelbinder zu durchtrennen.
 

Später ließ er seine Hände wieder über seinen Kopf und sank auf die Fersen um sich etwas Ruhe zu gönnen, was seinen Rippen nicht gerade gut bekam, die schmerzende Haltung schränkte seine Atmung ein und machte es ihm schwer Ruhe zu finden. Sein Kopf dröhnte mit einem ebenso vehementen dumpfen Schmerz und ließ ihm neben dem üblichen bildlichen Blitzgewitter diverser Visionen einer möglichen Zukunft nicht zur Ruhe kommen, damit er seine Lage überdenken konnte. Er war wehrlos, so viel wusste er und es gefiel ihm kein bisschen.
 

Er war noch nie in seinem gesamten Dasein auf diese Weise behandelt worden. Niemand hatte bisher gewagt ihn zu fixieren auf jedwede Weise. Selbst seine Feinde nicht.
 

Inakzeptabel.
 

Es war dunkel im Raum und seine Wut erreichte Dimensionen die er von sich bisher nicht gekannt hatte. Zorn glühte in ihm so gleißend hell, als er sich bewusst wurde wie hilflos er war, wie ausgeliefert und er zog mit einem Ruck an der Kette die seine Arme über seinem Kopf festhielt. Er konnte nicht warten bis jemand hier auftauchte um sich seiner Fähigkeiten anzunehmen. Niemals. Völlig außer sich schrie er auf, die Sehnen an seinem Hals traten hervor, sein schwefelgelber Blick versprach höllische Qualen als er an der Kette riss...
 


 

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Kaitos nackte Füße strichen nur mehr ziellos über den Betonboden, seine rechte Hand tastete sich zum wiederholten Mal über die Ziegel der Mauern, fanden jedoch keinen Halt.

Er sah wieder nach oben zu der fleckigen Glühbirne und dem Lüftungsschacht gleich daneben. Die Fliegen mussten schließlich irgendwoher kommen und sie kamen zahlreich wie er beobachtet hatte. Auch die frische Luft kam irgendwoher, hatte er festgestellt, nachdem er lange Zeit dachte er müsste hier zusammen mit den frischen Maden ersticken. Er wollte nicht, dass sie erstickten, sie würden sicher bald schlüpfen. Sein Blick glitt erneut zu den Körpern, zu dem hektischen flatterhaften Treiben um die besten Plätze. Neues Leben aus altem geboren.

Wozu wurde er geboren? Um hier zu sein? Warum hatte ihn sein Vater weggegeben? War ein alter Vertrag wichtiger als das eigene Kind? Hatte er nicht auch ein bisschen Wärme verdient? Was hatte er falsch gemacht?

Das hatte er sich so oft schon gefragt, aber nichts gefunden was diese Frage mit Vernunft beantwortet hätte. Hier gab es keine Vernunft, hier gabt es nur noch die Verrückten die ihn für sich haben wollten. Er wusste sie wollten ihn, aber er wollte nicht zu ihnen. Er wollte er selbst bleiben. Aber das ging nicht, nicht mehr.

Er atmete hektisch die aufkommenden Tränen weg. Sein Vater war schuld. Alle anderen waren schuld, dass er hier sein musste, dass er mit diesem Gestank überzogen war, dass er von Mauern umgeben war, die ihn an den Tod fesseln wollten. Er stand allein.

Selbst Kiguchi war nicht hier um ihm zu helfen, sie hatten ihn alle verlassen.
 

Kaito wandte den Blick zum Lüftungsschacht hin.

Dieser war groß genug für ihn, er war zierlich für sein Alter, noch nicht hochgeschossen, die Pubertät noch nicht erreicht. Er würde noch wachsen, so sagten ihm alle.

Er sah zurück. In diesem Raum gab es nichts was ihm helfen konnte den Schacht zu erreichen, die Ziegel zu glatt, keine Vorsprünge.
 

Er ließ sich an der Wand hinabsinken und starrte auf die Leichen. Etwas gab es, das ihm hier heraushelfen würde. Er weigerte sich seit langem daran zu denken. Er hatte Hunger, er würde schwächer werden. Schwäche war Vergänglichkeit und bedeutete den Tod.
 

Er musste hier raus.
 

Der Raum hatte keine Tür, nur frische Ziegel, an einer Stelle, die von den anderen abwich. Sie hatten ihn also eingemauert, mit den frischen Maden. Ein Grinsen breitete sich auf dem jungen Gesicht aus, es irrlichterte so lange auf dem Gesicht umher bis sein Magen zu knurren begann, erst dann fiel es in sich zusammen und Schmerz und Trostlosigkeit glommen in den Augen auf.
 

Maden gab es genug, er brauchte sie nur einzusammeln.
 

Er weigerte sich diesen Gedanken weiter zuzulassen und er schlief darüber ein.
 

An seiner Situation hatte sich nichts geändert als er wieder aufwachte. Er wusste nicht wie spät es war, wusste nicht wie viel Zeit vergangen war, nur die Fliegen und die Maden waren noch da. Aber es waren weniger geworden. Er musste etwas essen sie durften nicht weniger werden...

Panisch kroch er hinüber und ein schwarzer Schwarm Fliegen stob auf. Er bedeckte Mund und Nase und kroch wieder zurück. Er musste hier raus.
 

Wütend über seine eigene Untätigkeit begann er damit die besser erhaltenen Leichen zu inspizieren. Er zog an einem Bein und ächzte aufgrund des Gewichts. Die nächste Zeit verbrachte er damit eine Leiche nach der anderen, unter den Schacht zu befördern. Er stank nach ihnen und fühlte sich wie einer von ihnen – tot und verdorben - als er fertig war. Er hatte es nur geschafft eine auf eine zweite zu legen, dabei war ihm ein Arm abgerissen und er hatte geweint, das hatte ihn Zeit gekostet. Das nächste Mal würde er nicht mehr weinen.

Er stapelte gerade das dritte Ding darauf und hatte so einen kleinen stabilen Turm gebaut. Danach ruhte er und beobachtete die Fliegen die in Aufruhr geraten waren, als er ihre Brutstätten durcheinander gebracht hatte.
 

Zurecht waren sie über die rüde Störung nicht begeistert.
 

Er schlief wieder und die Übelkeit die ihn begrüßte, als er erwachte ließ ihn die Lippen zusammenpressen.

Er sah dem Lüftungsschacht entgegen.
 

Dann hievte er sich auf die Knie und steckte sich zwei Finger in den Rachen. Er erbrach Galle, würgte noch einige Zeit, doch sein Magen gab schließlich Ruhe. Die Übelkeit verschwand nach und nach.

Sein Blick suchte wieder den Lüftungsschacht, seine Rettung.
 

Er erhob sich und ging hinüber, prüfte mit einem Fuß den wackeligen Untergrund. Schnell musste er sein, das Gewicht gut verteilen, nicht zu viel Druck ausüben, wie er es gelernt hatte. Er schaffte es und seine Unterarme schoben sich über die Kante. Er zog sich hinauf und schob sich vorwärts. Der Schacht war gerade so schmal wie er selbst, nach oben hatte er nicht viel Platz, er konnte sich nicht hinknien. Also zog er sich weiter, bis er an eine Biegung kam. Seine Finger waren bereits blutig. Licht drang an die Wand vor ihm, er schob sich an sie heran und zog sich um die Kante, wo er sich seine Oberschenkel aufkratzte, er verbat sich jeden Laut und biss sich auf die Lippen.
 

Es dauerte noch etwas aber es war ein Ende in Sicht, das sich hell vor ihm erstreckte. Er schob den Kopf hindurch und erkannte eine Lagerhalle mit Kisten, auf ihnen saßen diejenigen die ihn hierhereingebracht hatten. Er schob sich soweit hinaus bis er seinen Oberkörper nach oben nehmen konnte und er sich an dem Dach des Raumes festklammern konnte. Er zog seine Beine an sich und sprang vier Meter hinunter. Das brachte die Männer dazu aufzusehen.

„Na, sieh mal einer an.“
 

„Das war so nicht geplant“, sagte einer der Größeren.
 

„Nein, war es nicht“, erwiderte einer mit einer Glatze.
 

„Und was jetzt?“
 

„Wir bringen ihn zum Boss.“
 

Der Mann, der sich als Anführer der Verrückten sah – wie Kaito sie nannte – kam zu ihm. Kaito wich bis zur Wand zurück, seine braunen Augen sahen dem Mann stur entgegen, der auf ihn zu kam als würde er ihn in Fetzen reißen wollen.

Er packte ihn an der Kehle und zog ihn auf Augenhöhe hoch.

Tränen schossen Kaito in die Augen und er versuchte die Pranken von seinem Hals zu lösen, er kämpfte um Halt. Der Mann drückte nicht seine Kehle zu, viel mehr hob er ihn an seinem Nacken und dem Unterkiefer nach oben.

„Du kleines Stück Dreck, hast es also geschafft. Gratulation.“

Er warf ihn wie einen alten Lumpen zur Seite. Kaito konnte sich abfangen und kam auf den Füßen jedoch nah am Boden zum Stillstand.

Zeige Demut, wiederholte er Worte die ihm eingetrichtert worden waren. Sein Knöchel schmerzte. Bring sie nicht gegen dich auf.

„Luxuria, hilf ihm beim waschen.“

Alle lachten und Kaito schluckte.
 

Der kleinere Mann mit der Glatze kam näher und Kaito stand auf nach einem Blick in die mitleidlosen Augen. Sie gingen in ein anderes Stockwerk, kein anderer Mensch war hier, nur sie beide. Als sie einen Waschraum erreichten, bedeutete der Mann, dass er sich unter die Dusche stellen sollte. Aber als er die Handgelenke ausstrecken sollte begann sich Kaito zu wehren. Er wollte nicht wieder gefesselt werden, der Mann war stärker und ein Schlag ins Gesicht rief ihm die Rangordnung wieder in den Sinn, als er aus der kurzen Benommenheit aufwachte stand er mit nach oben gefesselten Armen unter der Dusche, heißes Wasser rann über seine Haut und er schrie auf.

Aber es war nicht das Wasser das schmerzte sondern die Bürste, mit der seine Haut bearbeitet wurde. Er schrie als sie über seine Geschlechtsteile fuhr, als sie über seinen Hintern fuhr und seine Haut in eine Wunde verwandelte. Er schrie und schrie bis er nur mehr schluchzte. Und dann als er glaubte es nicht mehr aushalten zu können schüttete der Mann etwas darauf und Kaito erfuhr eine neue Dimension von Schmerz.

„Damit alles schön desinfiziert ist“, sagte der Mann an sein Ohr während er abgehakte, schrille Schreie von sich gab...

Er starb... er starb...
 

Die Dunkelheit erlöste ihn und nahm ihn auf in ein partielles Vergessen, in eine stete Stille wo es keine Schmerzen, keine Scham, keine Erniedrigung gab, nur die bloße Existenz.
 

Er wachte auf. Seine Augen nahmen aber keine Ziegel war sondern mit Stoff bezogene Wände, gedämpfte Farben, ein Holzboden, Ordnung, Sauberkeit, reine Luft. Finn setzte sich auf den allgegenwärtigen Schmerz ignorierend und sah sich um. Er hatte auf auf einem bequemen Sofa gelegen und die Erinnerung an die letzten Stunden - oder waren es Tage gewesen? – schienen so weit entfernt. War es wirklich geschehen?

Er fühlte etwas Glitschiges in seiner Unterhose. Blut? Er sah sich um und linste nach, ja es war alles wund und eine Salbe bildete eine Reibungshemmung für seine geschundene Haut.

Eine Tür öffnete sich und sein Herr kam herein. Er trug einen Anzug und hatte einen anderen Mann im Schlepptau. Dieser warf ihm nur einen flüchtigen Blick zu.

„Wir sollten das unter vier Augen besprechen.“
 

Yoshio sah kurz auf. „Ich sehe nichts was dem entgegensprechen könnte.“

„Aber ich denke Sie haben Recht. Ich sehe mich hier dringenderen Dingen ausgesetzt, die es klären gibt. Wir verschieben den Termin um zwei Stunden.“

„Aber Sakurakawa-sama, es geht um die Transaktion der...“

Sein Herr sah den Mann an und dieser nickte einmal sich danach verbeugend. Dann ging dieser hinaus.

Es dauerte noch eine Weile bis sein Herr ihn herbeiwinkte ohne den Kopf zu heben oder seine Arbeit zu vernachlässigen.

Kaito erhob sich, trat in den freien Raum zwischen sie und kniete sich auf den Holzboden, er wollte folgsam und gelehrig sein, er wollte nie wieder in diesen Raum, er wollte nie wieder eingemauert werden.

Er wollte wirklich alles tun damit das nicht noch einmal... vorkommen musste.
 

„Du hast den Test bestanden?“
 

„Ja, mein Herr“, sagte er mit fester Stimme, auch wenn sie immer noch viel zu hell klang. Wann wurde er denn endlich ein Mann?
 

„Anders als gedacht, wie ich hörte.“
 

„Ja, mein Herr.“
 

„Warum hast du nicht abgewartet, wie all die anderen, die diesen Test absolvieren mussten?“
 

Kaito wurde unsicher, was wurde von ihm erwartet?

„Mein Herr? Mir war nicht bewusst, dass ihr erwartet habt ich würde ausharren. Ich sah die Gelegenheit und nutzte sie, wie mich meine Herrin gelehrt hat.“
 

„Was hat dich dazu getrieben einen Ausweg zu suchen?“
 

Kaito fühlte sich in Bedrängnis. Wie lange hätte er denn dort ausharren sollen? Was sollte er sagen?
 

„Antworte mir.“
 

„Hunger und Angst“, gab er kleinlaut zu. Das war nicht ganz und gar nicht gut, denn er sollte, keine Angst fühlen, keinen Hunger verspüren, das war schlecht.
 

„Hunger und Angst, soso...“, resümierte sein Herr und er hörte wie er seinen Stuhl zurück schob und sich erhob.

Er ging zum Fenster hinüber.

Kaito linste zu ihm hinüber, korrigierte aber sogleich seine Haltung und sah wieder geradeaus.

Sein Herr hatte nachdenklich ausgesehen.
 

„Wie viele Auswege hast du gefunden?“
 

„Drei, mein Herr.“
 

„Welche?“
 

„Abwarten, Fliehen, Sterben.“
 

„Du hast nicht in Erwägung gezogen zu kämpfen?“
 

„Die Menschen im Raum waren bereits tot, mein Herr.“
 

„Du bist entkommen, den Kampf jedoch hast du verloren.“
 

„Mein Herr?“
 

„Gegen deine Ängste.“
 

„Jawohl mein Herr.“ Kaito ließ sich von diesen Worten einschüchtern, aber ein kleines Stimmchen in ihm schnaubte nur und streckte diesem Mann die Zunge heraus. Er würde doch nicht mit verwesenden Leichen in einem eingemauerten Viereck bleiben, wenn es sich ergab, dass er entkommen konnte. Aber diese Stimme war klein und mickrig und verstummte sogleich wieder.
 

„Wer hat den Test gestaltet?“
 

„I...Ich weiß nicht meiner Herr.“
 

„Wie war er angeordnet?“
 

Kaito berichtete was er nach dem Aufwachen vorgefunden hatte und ließ seine Gefühle außen vor. Sein Herr mochte es nicht wenn er unsachlich wurde.
 

„Ich verstehe. Ich habe mir schon gedacht, dass es Zeit für einen Wechsel wird“, sagte er leise und Kaito verstand nicht was er meinte.

Er drehte sich um und sah ihn an. Kaito wandte nicht den Kopf aber er sah aus dem Augenwinkel wie er taxiert wurde.

„Ich biete dir einen Auftrag an. Er ist wie geschaffen für dich, nicht dein Erster, aber gewiss ein sehr wichtiger. Du hast Zeit dafür, es...“, er räusperte sich. „schadet sicher nicht, wenn du hier rauskommst. Ich entziehe dich meiner Frau für einige Zeit und du kannst beweisen was du gelernt hast. Hast du deine Studien über die PSI begonnen?“
 

„Ja mein Herr.“
 

„Gut. Der Auftrag beinhaltet das Aufspüren und Eleminieren eines mächtigen PSI. Er sollte etwa in deinem Alter sein, wir sind uns jedoch nicht sicher ob unsere Informationen richtig sind. Er steht noch am Anfang daher sei unbesorgt, sobald du ihn ausfindig gemacht hast, wird es ein Kinderspiel für dich werden ihn auszuschalten. Wir besorgen dir eine passende Identität, meine Frau wird dich unterstützen.
 

Kaito nickte. „Ja, mein Herr.“
 

„Wenn du es schaffst bekommst du die Prämie, die ich dafür aussetze, du allein. Du könntest mit einem Schlag deine Freiheit erkaufen. Viele die diesen Weg einschlugen sind noch hier oder aber sie jagen auf eigene Faust. Du kannst frei entscheiden, was du damit machst. Du bist jung und wir könnten dich noch viel lehren, aber du entscheidest, das ist vertraglich so festgelegt, ich werde und muss mich daran halten, gemäß den alten Regeln.“
 

Kaito sah auf als er...
 

Etwas klingelte und Schuldig ließ sich zurücktreiben in seine eigenen Erinnerungen mit Ran. Ran der ihn umarmte, Ran der die Suppe nicht Essen wollte, Ran der wütend auf ihn war, Ran der...

Als Schuldig sich sicher fühlte glitt er in einen Halbschlaf hinüber und erwachte schließlich.

Er hustete und schob das Kissen etwas zur Seite. Diese frevelhafte Tat brachte ihm ein Knurren ein. Langsam öffnete er die Augen und stützte sich auf die Ellbogen auf. Sein Mobiltelefon klingelte. Das Licht war an, wie ihm gerade auffiel und Banshee stromerte zwischen ihnen herum. Was war los? Konnte Ran nicht schlafen?

Er griff zu dem surrenden Telefon und nahm ab. Brad schallte ihm gar schlecht gelaunt entgegen und Schuldig wischte sich immer noch den Schlaf aus den Augen. Er gähnte herzhaft und wurde dafür natürlich sogleich gerügt. Dann legte er auf.

„Asugawa ist abgehauen“, Schuldig gähnte wieder. Gott, war er fertig. Er lag da und starrte an die Decke.
 

„Schuldig“, sagte Ran und Schuldig drehte den Kopf zur Seite, Ran sah ihn forschend an. „Ist alles in Ordnung?

„Mmh, ja sicher, nur müde, warum?“

„Du hast geträumt“, fing Ran vorsichtig an.

„Hab ich was gesagt?“

„Das nicht“, Ran setzte sich auf.

„Aber?“ Hatte er sich komisch benommen? Er hatte den Horrorthriller doch weggepackt und sich den Abspann angesehen damit er nicht aus eben jenem heraus in das hier und jetzt rutschte. Denn dann hätte er mit Sicherheit etwas davon mitgebracht.

„Wir haben auch geträumt“, sagte Ran mühsam seine Wut unterdrückend, denn das war das Beste was Ran sagen konnte ohne ihn anzuschreien.

„Was?“

„Der Keller, die Ziegelsteine, die Leichen, die Fliegen... der Junge...“, Ran schüttelte den Kopf.

Schuldig setzte sich auf und schoss aus dem Bett, er begann auf und ab zu laufen. Oh, das war Scheiße... so scheiße...

„Wer alles?“

„Alle im Haus.“ Sie schwiegen eine lange Zeit und Schuldig kaute auf seiner Unterlippe herum. Warum war das passiert?

„Lebt er noch?“

„Wer?“ Schuldig blieb stehen.

„Der Junge.“

Schuldig runzelte die Stirn. „Ja, klar... denke ich, wer weiß schon wo er sich herumtreibt, der alte Stromer.“

„Wer ist es?“

„Na...“, Schuldig atmete tief ein und fuhr sich die Haare aus dem Gesicht. „Das solltet ihr gar nicht erfahren, keiner von euch. Ich denke nicht dass er das will.“

„Wer?“

„Asugawa.“
 

„Wer hat das mit ihm gemacht?“
 

„Ich war gerade dabei es herauszufinden, aber es schien als hätte Yoshio weniger damit zu tun. Kaito hat damals nicht viel mitbekommen über das große Ganze. Er war ja nur ein kleiner Spielball, der von einem zum anderen geworfen wurde.

Wer auch immer, die alte Truppe von Sin hat es ausgeführt, kann auch sein, dass sie es selbstständig taten.“

„Egal wer es getan hat ich will ihn tot sehen“, sagte Ran und Schuldig sah auf, seine Augen trafen auf Rans, die ihm klar entgegenblickten.

„Lässt sich sicher einrichten. Aber jetzt kümmern wir uns erst einmal um einen angepissten Hellseher, der von seinem Gefangenen vorgeführt und gedemütigt worden ist.“
 

Ran hob die Brauen.
 

Sie standen beide auf und kurz darauf klingelte erneut das Telefon. Brad hatte keine guten Neuigkeiten und Schuldig schwante Übles. Sie packten zusammen und alle fuhren zu Brad, das würde eine lange Nacht werden und für einen von Ihnen – für denjenigen unter ihnen der bisher das Meiste hatte einstecken müssen – würde es eine finstere Nacht werden.
 

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Finn saß erneut vor dem Spiegel und wurde gerade darüber befragt woher er die schlimmen Schrammen im Gesicht hatte die ein ordentliches Make-up schier unmöglich machten.

Es wurde keine Antwort erwartet also musste er sich auch keine zurechtzimmern. Seine Gedanken kreisten während des gesamten Aufputzes um sein Vorhaben, das ihm mehr und mehr hirnrissiger erschien. Er hätte einen anderen Ort auswählen müssen, aber auf die Schnelle... wo hätten sie sich treffen können ohne dass Kiguchi in Gefahr geraten wäre? Ein verlassenes Lagerhaus wäre sicher abgeschiedener gewesen, aber der Clan hätte gerochen, dass es sich um ein Treffen mit jemandem handeln könnte. So hatte Kiguchi eine gute Ausrede und Gula hatte nach ihrem letzten Besuch sicher keine weiteren Verdachtsmomente schöpfen können. Schließlich hatte sie die Hure gesehen mit der sich Kiguchi das letzte Mal getroffen hatte.

Trotzdem es gefiel ihm nicht, er war unruhig und wusste nicht warum. Vielleicht das fehlende Serum, beschied er sich eine Ausrede.

Er musste mit Kiguchi eine Auswegstrategie für planen, am Besten heute noch. Gabriel hin oder her, aber es wurde zu gefährlich für den Großen.

Und ihm selbst waren eindeutig zu viele Arschlöcher auf den Fersen als dass er so frei agieren konnte wie er gern gewollt hätte. Und das einzige Arschloch dem er selbst auf den Fersen war hing gerade in Fesseln in seiner eigenen Wohnung und würde ihm wohl die Gedärme aus dem Leib reißen wenn er zurückkam.

Und zurück musste er, ob er wollte oder nicht. Das Serum war dort und es gab noch zu viel zu tun als dass er sich der Bestrafung des Orakels nicht aussetzen konnte. Wenn er sich beeilte konnte er in einer Stunde wieder zurück sein und Brad würde vielleicht nicht ganz so wütend sein wie er glaubte oder befürchtete.
 

Finn erging sich in diverser unschöner möglicher Bestrafungsmethoden und ihm wurde ganz anders dabei. Angst spielte dabei eine große Rolle und ohne das Serum viel es ihm schwer ihrer rational Herr zu werden. Vor allem wenn die Bedrohung so real war. Er warf im Spiegel einen Blick nach hinten und sah der Frau dabei zu wie sie ihm die Perücke glättete.
 

Dieses Mal durfte er einen dunklen Kimono tragen und eine Perücke die seidenweich an ihm herabfiel. Keine kunstvolle Hochsteckfrisur, trotzdem ohne ein paar Haarnadeln ging auch hier das Aufputzen nicht von statten. Alles in allem sah das Ergebnis vorzeigbar und vor allem sehr anregend aus.

Sich zwei Mal am gleichen Ort zu treffen war nicht gerade einer seiner schlauesten Ideen bisher gewesen, doch der Mangel an Zeit war der fruchtbare Nährboden für risikoreiche Aktionen.

Er trat in den Flur hinaus und ging nach hinten in das Zimmer dass sie ihm wies. Dort erschrak er leicht als Kiguchi bereits auf ihn wartete. „Na endlich“, verkündete der Hüne und zog ihn an sich. Er besah ihn sich genau von oben nach unten, drehte sein Gesicht mehr ins Licht und fixierte die zerschrammte Gesichtshälfte. „Wer war das?“
 

„Lass dich von dem hübschen Gesicht und der aparten Gestalt nicht täuschen, ich bin kein Mädchen“, gab Finn sarkastisch zurück. Warum benahm sich Kiguchi so nervös, das war unüblich für seinen Halbbruder.
 

„Warum bist du schon hier?“
 

„Wir müssen weg, sie sind mir gefolgt, ich bin mir aber sicher, dass sie mich hier noch nicht gesehen haben.“
 

„Wer?“
 

„Unsere EX-Kollegen.“
 

„Scheiße.“ Finn brach der Schweiß aus. Er spürte wie die Angst seinen Magen zu einem harten Klumpen formte.

Für einen Moment verfluchte er die Tatsache, dass er sich nicht dafür entschieden hatte eine Ration des Serums zu spritzen. Mit dem Serum in sich war er wesentlich unempfindlicher gegen diese Art von emotionalen Überraschungen.
 

Kiguchi ließ ihn los und Finn öffnete die Tür einen Spalt breit um hinaus zu linsen. Der Flur war frei an der Rezeption saß niemand. Er gab ihm ein Zeichen und sie gingen zügig den Flur entlang, öffneten die Außentür und verschwanden lautlos aus dem Etablissement.
 

„Aufzug“, sagte Finn und sie gesellten sich zu den paar wartenden Menschen, blieben aber außer Hörweite der anderen. Falls ihre Verfolger hier hochkamen würden sie den Teufel tun und sie sofort angreifen, das würde zu viele Fragen aufwerfen. Zumindest hoffte Finn darauf, dass sie nicht so verzweifelt waren. Als alle bis auf sie beide im Restaurant auf der obersten Ebene ausstiegen und sie nach unten fahren konnten wandte sich Finn Kiguchi zu.

„Wie nahe?“
 

„Ich konnte sie entdecken als ich ins Gebäude rein bin. Sicherer wäre es gewesen, wenn ich gar nicht erst hier rauf wäre, aber ich war mir in einem Punkt nicht klar: ob sie hinter dir oder mir her waren. Ich bin mir nämlich sehr sicher darüber, dass sie mir nicht vom Anwesen aus gefolgt sind. Das lässt den Schluss zu, dass sie von dir und deinem kleinen amourösen Treffpunkt wissen. Die Frage ist nur wieso.“
 

Finn schob diese lästige Frage tatsächlich beiseite. Vielleicht hatte er der Chefin des Etablissements nicht genug bezahlt. Was auch immer, es spielte keine Rolle mehr.

„Was tut sich beim Clan? Warum kontaktiert mich Chiyo nicht mehr?“, fragte Finn rasch um an die Informationen zu gelangen, bevor sie nicht mehr dazu kommen würden wenn sie getrennt wurden.
 

„Sie spielt das Spielchen mit dass du tot bist. Davon abgesehen hat sie sich abgesetzt.“
 

„Was?“, entfuhr es Finn und sein Blick ruckte von der Anzeigetafel hin zu Kiguchi. Chiyo spielte also das Spielchen mit. Das hatte nur eins zu bedeuten, dass Kiguchi nicht der Meinung war, das Chiyo ihm sein Toter-Mann-Nummer abgekauft hatte.
 

„Sie ist von einem Tag auf den anderen trotz Bewachung abgehauen. Am Abend war sie noch in ihren Räumen und am nächsten Morgen verschwunden. Zudem hat sie den Jungen mitgenommen. Die Labormitarbeiter die ihn bewacht haben hat sie kalt gemacht. Sie hat’s immer noch drauf, die alte Chiyo. Und bevor du fragst: Nein es war ihre Handschrift, ich denke nicht, dass sie Hilfe von außen hatte.“
 

„Dann hat sie den Jungen jetzt.“
 

„Sieht so aus. Yoshijo hat getobt.“
 

„Hört sich danach an, als hätten wir jetzt ein Problem weniger“, sinnierte Finn in düstere Gedanken verstrickt. Wo war Chiyo jetzt? Mit Manx zusammen? Was plante sie? In der Lobby hakte sich Finn aufgrund seines labilen Schuhwerks bei Kiguchi unter. Sie blieben stehen als Finn Gula entdeckte die sich gerade in ihre Richtung bewegte, sie aber noch nicht bemerkt hatte.

„Zurück. Hinten raus.“
 

Kiguchi drehte sich um und sie gingen zügig aber unauffällig zurück zu den Aufzügen und weiter zu den Notausgängen wo ihnen Luxuria entgegenkam. Finn zog Kiguchi in einen Seitengang und stieß dort die Treppe auf. Er entledigte sich seiner Gettas samt der Socken und warf sie das Treppenhaus hinunter um nicht sofort eine Spur zu ihnen zu legen. Sie liefen die Stufen nach unten.

Der Kimono war wirklich keine Hilfe dabei, aber seine Kleidung zum Wechseln war noch im Bordell. Er hatte zumindest seine Stillette dabei, mehr hatte er nicht anzulegen gewagt.
 

Sie waren auf der untersten Ebene des Komplexes angekommen als Finn die Tür zwei Stockwerke weiter oben sich öffnen hörte. Beide verharrten und starrten sich an. Auf Kiguchis Gesicht konnte Finn den ernst der Lage erkennen, es war angespannt und ein dünner Schweißfilm hatte sich auf seine Haut gelegt. Die Zeit schien sich auszudehnen bis sie sich gleichzeitig in Bewegung setzten. Sie rannten durch die Kellerkorridore in der die Heizungstechnik verlief. Dicke Rohre flankierten ihren Fluchtweg. Finn hatte diesen Weg eingehend studiert als er Asamis Gebäude für seine Treffen mit Kiguchi ausgewählt hatte. Der Gang war lang, schlecht beleuchtet und stickig. Sie rannten ihn mitsamt Verfolger entlang, der ihnen zuschrie sie sollten stehen bleiben. Hatte Luxuria zu viel von dem Serum genommen, dass er glaubte sie würden auf ihn hören?

Plötzlich versperrte Finn ein Schatten den Weg der sich vor den Ausgang stellte. Gula. Er war nicht der Einzige der seine Hausaufgaben gemacht hatte.

Abrupt blieb er stehen und versuchte sich zu sammeln. Wo war Kiguchi? Er sah sich rasch um. Kiguchi wähnte sich der Mündung einer geladenen Pistole ausgesetzt.
 

Finn schob seinen Kimono soweit auseinander dass er mehr Beinfreiheit besaß und zog seine Waffen. Gula brachte sich in Pose als würde sie einen Werbespot für ein neues In-Getränk drehen und hielt sich die Hand vor den Mund als sie kicherte.

„Wusste ich doch, dass ihr Zwei zusammen arbeitet und dass unser kleiner Stratege nicht tot ist.“ Gula lächelte süß und Finn wurde schlecht. Der emetischen Wirkung dieses Lächelns konnte er sich nicht entziehen.

„Geh uns aus dem Weg“, sagte Finn ruhiger als er sich fühlte.

Sie tippte mit einem Finger an ihre rosa Lippen und zog einen Schmollmund als müsse sie es sich wirklich scharf überlegen ob sie seinem Wunsch nachkommen wollte – oder sollte.

„Tolle Show, Gula. Bist du deinem Klein-Mädchen-Image so sehr verfallen, dass es dir noch nicht aufgefallen ist wie bescheuert es auf andere wirkt?“ Wenn er sie wütend machte hatte er vielleicht eine Chance, dass sie Fehler beging.

Sie legte den Kopf schief, sodass ihre Zöpfe wippten. Es hatte etwas Unwirkliches an sich, es war zu ruckartig, zu unmenschlich – sie war weit im toxischen Bereich angekommen wie es ihm schien.

Hier war mit gutem Zureden nichts mehr zu machen.

Finn drehte beide Klingen sodass sie nach hinten zeigten. Seine blanken Füße schabten über den betonierten Boden als er seinen Stand korrigierte.
 

Sie nahm beide Arme auf den Rücken und wippte auf den Fersen auf und ab. Je kindlicher sie sich verhielt, desto unberechenbarer wurde sie, desto sprunghafter ihre Gedankengänge und umso gefährlicher ihre Handlungen.

„Du gefällst mir in dieser Kleidung.“ Gula sah ihn mit einem gierigen Blick an, kroch damit über seinen Körper und verhielt zwischen seinen Schenkeln, die nun zum Teil sehr viel Haut zeigten. Er ließ sie nicht aus den Augen, registrierte jede noch so kleine Bewegung die einen möglichen Angriff voraussagen konnten. Denn wenn Gula angriff tat sie es schnell. Und er war sich nicht sicher ob er seinerseits schnell genug war um ihr auszuweichen. Sein Körper lief noch nicht ganz rund .

„Warum habe ich das noch nie an dir bemerkt?“, sinnierte sie als wären sie nicht in diesem Keller und würden in wenigen Augenblicken aufeinander losgehen um sich kalt zu machen.
 

„Du meinst wir hätten ein schönes Paar abgegeben?“, fragte Finn spöttisch nach. Ihr Blick verhielt weiter zwischen seinen frei gelegten Oberschenkeln, zum Glück war der Rest durch einen kleinen Teil des Stoffes verborgen.
 

„Oh, wir sind doch ein Paar!“, behauptete sie und sah von seiner nackten Haut nach oben, streifte sein Gesicht, kehrte zurück zur nackten Haut nur um ihm dann konsterniert in die Augen zu blicken. „Deshalb bin ich doch hier. Ich will dich zurück zu mir holen. Siehst du das nicht?“
 

War das ihr ernst? „Sind bei dir ein paar Sicherungen durchgebrannt...?“, fragte er und schüttelte langsam den Kopf. Er sah ihre Körperhaltung sich verändern, sie würde angreifen.
 

Es gab keinen Ausweg hier. Nur der lange Gang - auf der einen Seite die Rohre auf der anderen Seite eine Mauer. Luxuria kam näher. „Geh zur Seite Acedia. Wir befassen uns später mit dir.“
 

„Wenn du zu ihm willst musst du erst an mir vorbei“, sagte Kiguchi leise und rannte auf Luxuria zu. Finn hörte die Schüsse und Tränen traten ihm in die Augen als er seinerseits Gula angriff. Sie hatte keine Schusswaffe – sie fand es zu profan, nicht nah genug am Objekt - am Opfer - wie sie stets ihre Abneigung gegen Schusswaffen begründet hatte.

Sie war eine harte Gegnerin, ihre Sprungtechnik glich seiner, nur war hier wenig Platz dafür, ihre Schnelligkeit seiner gleich. Sie verhakten sich ineinander und schrammten an der Wand entlang. Er hatte ihren Dolch mit seinem Stilett zur Seite gedrängt da er mehr Kraft besaß. Sie stieß sich von ihm ab und tauchte unter seinem nächsten Angriff vorbei. Ein gezielter Sprung von ihr und er musste in die Defensive gehen um ihn zu blocken was ihn trotz allem nach hinten warf wo er sich mit einem federnden Sprung aus ihrer Reichweite brachte. Es war ein schneller hitziger Kampf bis er einen Fehler beging und zu Kiguchi blickte der sich augenscheinlich verletzt zu der Wand kämpfte. Ein Tritt warf ihn um und er war sogleich mit Gula konfrontiert die ihren Dolch an seine Kehle setzte. Sein Hass wurde in seinen Augen sichtbar, als sie keuchend lächelte. „Keine Angst ich töte dich nicht sofort, du bist mir zu wertvoll dafür. Ich halte dich als Haustier mit einer hübschen Kette. Keiner weiß dass du noch lebst, keiner interessiert sich für dich...“
 

„Nur für dich auch nicht mehr... Püppchen“, sagte er ruhig und schob ihr langsam sein Stilett seitlich zwischen den Rippen hindurch in den Brustkorb.

Sie keuchte und ihre Augen wurden groß. In ihrer unglaublichen Arroganz war das Erstaunen über seinen Frevel größer als die momentane Vergeltung. Das Messer an seiner Kehle drang nur schwach in seine Haut ein bevor sie die Kraft verlor und die Atemnot größer wurde als der Wille ihn zu töten. Er zog das Stilett wieder heraus und trat sie von sich. Roten Schaum hustend versuchte sie sich aufzusetzen. Feine Sprenkel benetzen wie ein Sprühregen sein Gesicht und er hörte wie sie, pfeifend und schäumend, versuchte Luft zu holen. Sie schien immer weniger davon zu bekommen. Finn kümmerte sich nicht um sie sondern stand auf, und rannte den Gang zurück zu Kiguchi. In dem fahlen Licht sah sein Gesicht grau aus. Er schlug die Augen auf als Finn ihn ansprach.

„Geh. Du... musst gehen.“ Finn wandte sich wieder zu Gula um, die röchelnd nach vorne gebeugt da saß und zu ihnen sah. Sie lebte noch. Schade eigentlich.
 

Kiguchis Worte rissen seine Aufmerksamkeit von der vermeintlich Sterbenden.

„Nein. Ich schaff dich zu Vater. Er wird dir helfen.“ Wo war sein Mobiltelefon? Er kramte danach. Kein Netz. Sicher sie waren viel zu weit unten.
 

„Das kann er nicht mehr.“
 

„Doch kann er. Er kann alles“, sagte Finn im festen Glauben daran und bemerkte nicht wie ihm haltlos die Tränen über die Wangen liefen.

Dieses verdammte Serum, fluchte er lautlos. Er war nicht mehr weit genug im Wirkbereich, daran zu erkennen wie emotional er reagierte. Derart offen gezeigte Gefühle halfen ihm hier nicht weiter, sie überschwemmten ihn, drohten ihn zu überwältigen und machten ihn handlungsunfähig. Seine Stimmung kippte viel zu schnell.
 

„Wie viele?“
 

„Vier mal hat er mich... erwischt.“
 

Alle Treffer gingen in den Bauchraum. Ein potentiell langsamer qualvoller Tod, wenn kein großes Gefäß erwischt wurde. „Los, steh auf ich helfe dir“, sagte Finn. „LOS, mach schon“, trieb er ihn an, doch Kiguchi sah ihn nur ausdruckslos an und machte keinerlei Anstalten sich in irgendeiner Weise zu bewegen. Es sah aus, als würde ihm, selbst das Atmen schon über Gebühr beanspruchen.
 

„Nein, mein Weg endet hier kleiner Bruder.“
 

„Nein. NEIN“, außer sich vor Zorn starrte Finn Kiguchi mit weit aufgerissenen Augen an. „Nein, das wird er nicht.“
 

Kiguchi hob die Hand und keuchte matt, da selbst diese Geste anstrengend für ihn schien. Er erbrach Blut im selben Moment. Finn sah sich um... irgendjemand musste doch...

Außer Gula, die gurgelnde Geräusche machte während sie in ihre Richtung kroch war niemand hier, der helfen konnte. Wie eine Schlange die sich noch im Todeskampf um sein Bein wickeln wollte als letzten bösartigen Racheakt.
 

Kiguchi richtete sich wieder auf. „Hör mir zu“, sagte er mit kraftloser Stimme, die immer noch so klang als würde Flüssigkeit in seiner Kehle nach oben steigen.
 

„Du kannst es mir später erzählen...“, fing Finn wieder an.
 

„Du Dummkopf. Ich sterbe... und du willst... nicht hören was ich zu sagen... habe?“, sagte Kiguchi mühsam und lehnte seinen Kopf an die Wand. Ein wissendes Lächeln kroch auf seine Lippen.
 

Finn glaubte wahnsinnig zu werden. Er kniete im Blut seines Bruders und konnte ihn nicht retten. „Was ist... ich ... ich höre dir zu“, krächzte er und die Verzweiflung die sich in seinem gesamte Körper manifestiert hatte kroch nun auch in seine Stimme, wie die Schlange, die sich ihnen unaufhörlich blutigen Speichel spritzend näherte.
 

„Sag Vater und Hisoka dass ich sie liebe. Dass ich meinen Schwur bis zum heutigen Tage erfüllt habe. Sie wollen das Ryokan morgen Nacht angreifen. Eine Sektion plus Gula... und Superbia. Sie sollen den Einsatz leiten... Luxuria war für mich abkommandiert worden. Wir sollten...“, er hustete qualvoll. Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit bis er die Kraft fand um weiter zu sprechen. „... wir sollten die Neuzugänge am Pier sichten. Die neue... Lieferung... sie kommt in drei Tagen an.“
 

„Ich bring dich hier weg“, rief Finn entschlossen auf.
 

„Kleiner Bruder ich bin innerlich zerfetzt. Wenn mich die Kugeln nicht umbringen wird es das Organversagen später tun. Du weißt das. Wir haben es zu oft gesehen um jetzt die Augen davor...“ Er übergab sich wieder, das Blut füllte zu schnell seinen Magen. „davor zu verschließen. Außerdem... geben sie mir seit Wochen kein Serum mehr, ich bin auf dem Trockenen. Superbia... ich weiß, dass er..., dass er einen Versuch gestartet hat mich zu... lesen, aber er ist stümperhaft... vorgegangen, sodass ich es bemerkt hab... Hab ihn rausgeschmissen, wie die alte Chiyo es uns beigebracht hat...“ Er lachte trostlos auf. „Hatte was Gutes... irgendwie. Hat funktioniert.“ Er sah Finn an, versuchte seinen Blick zu fokussieren, scheiterte aber, wie es aussah als er wiederholt blinzelte. „Geh... geh endlich. Es ist nur eine Frage der Zeit...“
 

Finns Kopf ruckte herum als er ein Geräusch hörte und wenig später in einiger Entfernung die Tür aufgestoßen wurde. Er erstarrte als er Superbia dort stehen sah. Selbst aus dieser Entfernung konnte er das gelangweilte spöttische Lächeln erkennen.
 

„Verschwinde, kleiner Bruder. Es wird Zeit... Zeit mich gehen zu lassen. Gib mir das Ding.“ Er sah auf die Halbautomatik neben Finn.
 

Dieser zögerte kurz, tat dann wie ihm geheißen wurde und reichte Hisoka die Waffe, betäubt von seiner Angst und Verzweiflung.
 

„Er wird dich lesen“, keuchte Finn. Und ihn selbst auch wenn er hier nicht wegkam. Aber vielleicht war das hier sein Ende. Vielleicht sollte er hier mit Kiguchi zusammen sterben.
 

„Er ist nicht gut genug... aber wenn ich schwach genug bin...“ Er sah Finn aufmerksam an. „Denk nicht einmal daran. Was ist mit Crawford? Du lässt ihn im Stich?“, appellierte Kiguchi an sein Gewissen etwas das Finns Aufmerksamkeit auf das Wesentliche lenkte.

„Geh endlich. Ich liebe dich, kleiner Bruder.“
 

Superbia kam näher und Finn presste seine Hände in Kiguchis Hemd, klammerte sich ein letztes Mal an ihn, an seinen Fels, bevor er davon abrutschte und die tosende See ihn mitnahm. „Ich will das nicht, das weißt du. Ich...l...“ Er presste seine Stirn an die seines Bruders.
 

„Das weiß ich, habe ich immer gewusst. Nun geh und lass mich noch etwas hier für dich tun.“ Kiguchi lächelte träge.

„Ich verschaffe dir die Sicherheit die du brauchst.“
 

Finn riss sich los und rannte davon. Er würde Superbia etwas beschäftigten, vielleicht sogar einen Treffer versenken, damit Finn ent...

Noch während dieser Gedanke aufkeimte hörte er auf halber Strecke einen Schuss und wandte sich noch im Laufen um. Der Körper seines Bruders war in sich zusammengesackt, die Hand mit der Waffe zur Seite gesunken.
 

Superbia hatte seine Schritte beschleunigt, und Finn stürzte durch die Tür in einen Korridor der zu einem Treppenhaus führte. Er rannte hinein, nahm die nächste Tür nicht zum Treppenaufgang sondern durch ein weiteres verzweigtes Tunnelsystem das ihn zur anderen Seite des Komplexes führen würde. Dort angekommen stieß er die Tür auf und hetzte die Treppe nach oben. Sie führte ihn an eine Glastür und von dort aus über eine Fluchttür ins Freie. Das Öffnen selbiger würde zwar den Alarm auslösen aber das war ihm gerade herzlich egal. Als er auf die öffentliche Straße kam und sich den Menschen gegenübersah die ihn ansahen vermied er es zu rennen und überquerte zügig die Straße, schlüpfte in die nächste Seitenstraße.
 

Dort legte er eine Pause ein und sah sich um. Sein keuchender Atem prallte von der Hauswand ab, zeigte ihm wie derangiert er war, wie gejagt. Superbia kam erst nach einigen Minuten ins Freie sah sich flüchtig um und ging dann wieder zurück. Er verfolgte ihn nicht, suchte nicht in den Köpfen der Menschen nach einem der ihn gesehen haben könnte. Warum nicht? Finn schüttelte den Kopf, lehnte sich an die Wand an und atmete für den Moment auf. Erst nach Minuten machte er sich auf den Weg. Wohin...? Wo sollte er jetzt hin?

Finn hielt sich in den Schatten, nahm Seitenstraßen, aber das war ein Weg ohne Ziel.

Zunächst lief er ziellos herum, versuchte seine Gedanken zu sortieren, wo waren seine Sachen? In der Wohnung. Nein, bei...

Er brauchte das Serum, deshalb musste er zurück zu Brad.
 

Sein Herz war schwer als er durch die Straßen ging. Die Verzweiflung wollte ihn schreien lassen, aber nichts kam ihm über die Lippen. Er musste ruhig bleiben, im Verborgenen für Crawford und nur für ihn. Im Augenblick hatte er mehr und mehr das Gefühl, dass sein Selbst zerfaserte.
 

Er fühlte sich wie in Watte gepackt, sein Kiguchi war weg. Er war gegangen und nun war er... allein. Er war vollkommen allein, niemand stand ihm mehr zur Seite. Er hatte das die vergangenen Jahre viel zu wenig geschätzt, wie ihm auffiel.

Vielleicht war das nur eine Finte von Kiguchi gewesen und er hatte seinen Tod vorgetäuscht...
 

Finn sah kaum auf den Boden vor sich den er barfuß beschritt. Die Socken hatte er ausgezogen um besseren Halt in den Gängen zu haben, wie er sich erinnerte als er sich fragte warum seine Füße nackt und voller Blut waren.
 


 


 

...und es geht wieder weiter!
 


 

Vielen Dank fürs Lesen!

Bis zum nächsten Mal

(Dieser Teil ist nicht beta gelesen)

Gadreel ^_^



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