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Blue Eyes

Buch 1
von

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Ozeana

Tyra saß alleine in ihrem Zimmer und wollte niemanden sehen. Die Befreiung von Kampana war geglückt und trotzdem verschloss Tyra sich. Die Tochter der Grave Leonars und Eyr´n waren besorgt. Jedes Mal wenn sie die Tür berühren wollten, wurden sie zurückgedrängt. Zera kam das Haus ungewöhnlich still vor. Bei einem kleinen Rundgang fand sie Kampana und Eyr´n in Kampanas Zimmer, dessen Tür offen stand und gleich neben das von Tyra lag. Zera sah in die betrübten Gesichter und wusste sofort was für die Stille zuständig war. „Glaubt ihr denn wirklich, sie will euch nicht sehn?“ Zera hatte sich eine kleine Einführung in die Situation von Eyr´n angehört und versuchte nun. Die Sache wieder zu recht zubiegen. „Geh doch an die Tür!“ Kampana war den Tränen nahe und warf sich aufs Bett. „Was passiert denn an der Tür?“ „Nrmchr ncham...“ Kampana nuschelte etwas ins Kissen und Eyr´n übersetzte „Da ist ein Schutzschild.“ „Hm...“ Zera dachte nach. Schon einmal war so etwas vorgekommen. Da fiel es ihr wieder ein und sie wusste genau, wie sie Kampana und Eyr´n drauf stupsen konnte. „Vielleicht ist sie einsam?“ Zera sprach die Wand an. „Nchrmnannn...“ „Sie sagt, kann nicht sein.“ „Vielleicht hat sie Angst ihre Gefühle zu offenbaren?“ „Nrchsnnn dnn hnm nsrch...“ „Nein, die ärgert sich nur... ist die Kurzform.“ Eyr´n grinste. Er hatte verstanden wo Zera die beiden hinlenkte. „Bist du dir da sicher? Worüber sollte sie sich ärgern?“ Zera betrachtete ihre Tochter. „Hmpf.... Na über mich...“ Kampana sah auf. „Warum sollte sie?“ „Weil ich jetzt wieder im Rampenlicht steh, deswegen!“ „Nenn mir eine Farbe, die Tyra als Rampenlicht gefallen hätte.“ „Ich weiß nicht wovon du redest!“ Kampana wandte den Kopf ab. Dieses Gespräch führte ja doch zu nichts. „Was ist ihre angebliche Lieblingsfarbe?“ „Weiß ich doch nicht! Mit mir redet sie über so etwas ja nicht!“ „Und wie sind ihre Klamotten?“ Zera ging einen Schritt auf das Bett zu. „Die Farbe ist Schwarz! Nun zufrieden?“ „Schwarz? Nun, ist so nicht der Hintergrund? Eine Stelle der Bühne wird hell erleuchtet, alle Augen richten sich darauf. Doch das was dahinter geschieht liegt im Dunklen. Tyra gibt dir immer Rückendeckung, steht immer hinter dir im Dunklen... Oder glaubst du das tut sie, weil dein Licht zu hell erstrahlt? Sie ist für die Zukunft fast genauso wichtig wie du... Bedeutet schwarz nicht Einsamkeit?“ Zera lief im Zimmer herum und betrachtete einzelne Gegenstände. „Ja, Einsamkeit! Oder Boshaftigkeit...“ „Ihr müsst bald wieder los, stimmts?“ Kampana setzte sich wieder auf und stierte ihre Mutter an. „Äh, ja?“ „Nun ja, diesmal seid ihr ja zu dritt, dann muss ich mir noch weniger Sorgen machen.“ Zera setzte eine Holzfigur wieder auf dem Regal ab. „...zu dritt....“ Kampanas Flüstern war fast nicht zu verstehen. „... Wie sich wohl eine schwarze Seele fühlt?“ „Weiß nicht, ich bin noch zu keiner direkt vor gedrungen.“ Antwortete Zera auf Kampanas Frage. „...einsam...“ wieder flüsterte Kampana doch dieses mal lächelte sie dabei. Sie stand auf und tastete die Wand rechts von sich ab. Ihre Hände verharrten an einem Punkt und ein silbernes Licht umrahmte ihre Hände. Kampana drückte gegen die Wand und schritt einfach so hindurch. Kleine silberne Blasen flogen hinter ihr her, als sie wieder aus der Wand hinaus trat, so als ob sie durch Wasser gegangen war. Die Wand hinter ihr, war vollkommen unverändert und das Licht verblasste. Doch noch bevor es ganz verschwand fiel Kampana Tyra um den Hals und schmiegte sich an sie. „Ich bin bei dir .... hab keine Angst, du kannst mir alles erzählen...“ Tyra blickte auf und ihre Augen waren glasig. „Bald...“ Tyras Pupillen kamen wieder zurück und sie lächelten Kampana freundlich an.

Kampana und Tyra waren wieder ein Herz und eine Seele. Als wäre nie etwas gewesen oder als ob der „Streit“ ihre Freundschaft nur noch verstärkt hätte. Kampana hing an Tyras Arm und ließ partu nicht mehr los. Zera fing Tyras genervten Blick auf und schickte diese nach einer Weile einkaufen. Kampana gab sie eine andere Aufgabe. Es war später Nachmittag und die Straßen waren leer, als Tyra in Richtung Einkaufszentrum lief. Dort angekommen kam ihr Vincenta entgegen. Doch ihr leerer Blick war nur auf Draußen gerichtet und ihre Augen waren gerötet, als ob sie geweint hätte. Tyra schaute ihr nach bis sich die Glastür hinter der Apothekerin schloss. Dann stopfte sie Einkaufszettel und Geld in ihre Hosentasche.

Der Apotheker hörte ein merkwürdiges Geräusch. Die Tür hatte sich geöffnet. Aber irgendetwas Metallisches musste sich in der Schiene befinden. Er ging in den Verkaufsraum um nachzusehen warum sich die Tür überhaupt geöffnet hatte. „Vincenta? Bist du wieder da?“ er lachte als würde er sich riesig auf etwas irres freuen. Doch als er Tyra erblickte wurde sein Blick ängstlich. Das Schwert in Tyras Hand blitze, als sie es kurz bewegte und der Apotheker hörte auf zu lachen. „Du kannst mich töten, aber nicht uns“ wieder lachte er. Tyra ließ das vollkommen kalt. Hier musste ja jemand die Fäden ziehen, wer, würde sie noch früh genug herausbekommen. Dieser Mensch war erst einmal wichtiger. „Du...“ sie ging auf ihn zu und ließ ihr Schwert über die Fließen gleiten. Klackernd näherte sie sich ihm. „... du bist auch nur ein Mensch.“ In das letzte Wort legte sie all ihren Hass. Dann hob sie das Schwert wieder hoch und fixierte seine Brust. Sie konnte schon sehen, wie sein kleines schutzloses Herz sich schmerzhaft zusammenzog. Sie konnte durch seine Augen hindurch sehen. Sein Gehirn arbeitete fieberhaft. Hilfe gab es nicht. Tyras Kampflust war geweckt. Langsam leckte sie sich über die Lippen. Dann verpasste sie dem Apotheker einen tiefen Schnitt am linken Oberarm. Der Apotheker war verdutzt. Er hatte den Schlag nicht kommen sehen und versuchte nun die schmerzende Wunde zuzudrücken. Er schrie aber nicht. Tyra verpasste ihm einen Schnitt quer über den Leib. Sie spielte mit ihm. Er würde schreien, darauf wartete sie. Sie wartete auf sein Geständnis, auf einen Hilferuf. „Hast du dir schon einmal die Beine gebrochen?“ ihre Stimme war leise und angsteinflößend. „N...Nein.“ „Gut“ Tyra war direkt hinter ihm. Sie war zu schnell für menschliche Augen. Erst als es zu spät war, bemerkte der Apotheker, dass sie hinter ihm stand. Ein Schlag mit der ungeschliffenen Seite ihres Schwertes und sie hatte beide Knie ausgerenkt. Der Apotheker fiel schreiend zu Boden. „Kannst du doch schreien.“ Tyra hatte sich über ihn gebeugt und flüsterte ihm ins Ohr. „Was willst du jetzt tun? Es hört dich keiner. Weißt du wie es ist, wenn man stirb, du Arsch?“ Der Apotheker winselte. „Du warst es, du tust Vincenta das an. Du vergewaltigst sie!“ Tyra strich mit ihrem Schwert an seinem Ohr entlang und dann über seinen Rücken. „Spürst du die Angst? Wenn du sie spürst antworte...“ Tyra wartete. Der Apotheker kroch ein Stück weg und drehte sich zu der Gefahr um. Von seinem Ohr tropfte Blut. „Muss ich dir erst noch die Sicht nehmen?“ Plötzlich war der Apotheker still. „Oh, welche Ehre. Der Fädenzieher.“ Tyra verbeugte sich und lachte sarkastisch. „Was willst du?“ die Stimme des Apothekers war verzerrt. „Hm... Ist das denn nicht klar?“ „...“ „Ich will dich!“ Tyra schwenkte kurz ihr Schwert und schon hatte der Apotheker eine lange Wunde auf der Stirn. „Warum tötest du ihn nicht?“ „ Ich will erst Antworten.“ „Die bekommst du nicht!“ „Ach nein, er ist wichtig für dich. Sonst würdest du jetzt nicht sprechen. Bleib noch länger, ich hab dich gleich.“ „Wie?“ Der Apotheker schaute sich um bis er etwas auf seinem Bauch entdeckte. Dort lag eine kleine, rot schimmernde Kugel. „Wag es aus diesem Körper zu verschwinden und deine Seele ist hin. Warte noch und ich weiß von wo du sprichst.“ Plötzlich war die zweite Seele verschwunden. Die rote Kugel löste sich auf. „Nicht schlecht...“ murmelte Tyra und schaute zur Decke. „Hat einfach so meine kleine Barriere durchbrochen. Nun zu dir, du Schwein!“ Der Apotheker war wieder bei vollem Bewusstsein. Doch jetzt schrie er aus Leibeskräften, als ob er erst jetzt die Schmerzen bemerkt hätte. „Ah, habe ich jetzt deine gesamte Aufmerksamkeit?“ Tyra grinste fies. „Dein Boss lässt dich ganz allein, einfach so...“ Tyra ging in die Hocke und kroch auf allen Vieren auf ihn zu. Der Apotheker versuchte zu entkommen. Doch seine Schübe brachten ihn keinen Meter weit. „Warum tötest du mich nicht?“ Seine Stimme war ein Hauch von nichts und er zitterte. Schweiß und Blut mischten sich und nahmen ihm die Sicht. Schon nach kurzer Zeit war alles voller Blut und der Apotheker versuchte nicht mehr etwas zu sehen. Er blinzelte heftig und atmete schwer. „Oh, das tue ich doch bereits... merkst du es denn nicht?“ Tyra stand auf und der Apotheker war verwirrt. Er betrachtete sich. „Meinst du das Blut? Das reicht nicht...“ „Nein, nein. Ich bin kein Amateur. Spürst du es jetzt? Spürst du das Gift?“ Tyras fieses Grinsen wurde breiter. „G... Gift?...“ Grüne Flüssigkeit lief aus den Augen des Apothekers und kleine dünne grüne Fäden schlängelten sich aus seinen Wunden. „Die...die Kugel...“ „Genau. Das Gift tritt von außen ein. Raffiniert, nicht?“ Der Apotheker wischte sich über die Wunden und versuchte diese lebendigen, grünen Dinger zu vertreiben. Doch es kamen immer wieder neue. Da fiel ihm etwas ein. Er nahm ein paar in die Hand und warf sie auf Tyra. Diese blieb ganz ruhig stehen und sah auf ihre Hand hinunter, wo er getroffen hatte. Die dünnen Fäden wurden kleiner und ähnelten jetzt eher Würmern. Ansonsten geschah nichts. Tyra ließ von den grünen Dingern ab und ihre Augen verengten sich zu Schlitzen. „Sie fressen dich. Aber nicht ganz, den schönsten Teil überlassen sie mir.“ Sie schüttelte kurz die Hand aus und die Giftdinger fielen einfach so von ihr ab. Schnell krochen diese wieder auf den Apotheker zu und wurden wieder größer. Tyra trat näher an ihn heran und das Blut spritze zur Seite. Langsam hob sie das Schwert. Noch bevor es oben war zog sich die Blase des Apothekers vor lauter Angst krampfhaft zusammen. „Widerlich! Ihr Menschen seid so Widerlich!!“ Mit diesen Worten stach sie zu, direkt durchs Herz. Der Leib des Apothekers zuckte noch ein paar Mal und fiel dann schlaf zu Boden. Das Gift zog sich von der Leiche zurück und leckte das Blut auf. Als der Boden wieder sauber war, verschwanden die Fäden einfach wieder. Nur einer blieb übrig und wuselte mal hier mal dort hin. „Das Videoband.“ Der Faden kroch davon in den hinteren Raum. Etwas knackte und krachte und dann roch es verbrannt nach Kabeln, Elektrik und geschmolzenem Plastik. Der Wurm hatte sich selbst mit verbrannt. Tyra hatte kein Mitleid. Ihre ganze Aufmerksamkeit galt ihrem Schwert. Es war über und über mit Blut beschmiert und der blaue Rubin leuchtete schwach. Langsam hob sie es hoch und pustete auf das kalte Metall. Das Blutt löste sich auf und die Klinge blitzte jetzt wieder wie neu. „This is not the end...“ „Tyra? Tyra verdammt noch mal!“ „Was...?“ sagte Kampana und kam durch die offene Glastür herein und schaute entsetzt auf das Massaker. Eyr´n trat neben sie. Doch er fixierte Tyra. „Los!“ Eyr´n packte Tyras Hand und zog sie weg. Kampana rannte hinterher, froh darüber keine Leiche mehr sehen zu müssen. Alle drei erreichten wieder das Haus der Grave Leonars. Tyra hatte sich bereitwillig führen lassen. Ihre Hand hang schlaf in Eyr´ns und sie passte sich seiner Geschwindigkeit an. Nun standen sie im Flur. Tyras Hose und Schuhe waren von dem Blut und dem Staub, der Wege von draußen, verkrustet. „Zera!“ „Zera!“ Tyra verstand nicht was die Beiden jetzt von einem Erwachsenen wollten und steht teilnahmslos da. Zera kam die Steintreppe herunter und schaute irritiert zu Tyra. „... Du hast es wieder getan...“ sie flüsterte und senkte den Kopf. „Das Videoband!“ „Welches Videoband?“ antwortete Kampana. Eyr´n hatte ganz vergessen, dass Kampana bei dem Gespräch gar nicht dabei gewesen war. „Die Apotheke hat ne Videokamera!“ „Oh, nein! Du meinst die Aufnahme?“ Kampana stand wie angewurzelt da, bewegte sich keinen Meter, Eyr´n hingegen eilte wieder zur Tür und öffnete diese. „Es ist futsch...“ Tyras Stimme war ungewöhnlich leise. „Du hast es schon vernichtet?“ Eyr´n drehte sich zu Tyra um. Er hatte noch immer die Türklinke in der Hand. „Bin ich erleichtert.“ „Ich war es nicht...“ „Hm? Wer dann?“ Eyr´n schließt wieder die Tür und konnte sich nicht erklären, was Tyra meinte. „Wir sollten nicht hier stehen bleiben.“ Zera unterbrach die Stille. „Gehen wir nach oben, dort können wir besser reden.“ Zera nahm Tyra bei der Hand und führte diese nach oben. Kampana und Eyr´n folgten zögerlich. Plötzlich stemmte sich Tyra gegen den Boden. „Willst du nicht ins Wohnzimmer?“ „Nein.“ Kampana wäre beinahe in Tyra hineingerannt. Eigentlich war der Flur oben nicht besser als der Flur unten, doch Tyra war es egal. „Ich mache es schmutzig.“ Endlich hob sie den Kopf und schaute mit ihren blauen Augen Zera an. „Willst du es ihnen nicht erzählen? Oder soll ich es auf meine Art und Weise deutlich werden lassen?“ Tyra war ganz ruhig und ihre Stimme eher gleichgültig. Der Rubin auf dem Schwertgriff hatte schon lange aufgehört zu leuchten. Zera schluckte schwer. „Nun... Kampana, du hast es bestimmt vergessen.“ Kampana sah ihre Mutter an, gespannt was gleich kommen würde. Weder sie noch Eyr´n wollten das Gespräch unterbrechen, wollten beide nur die Wahrheit erfahren. „Gut. Ich will euch beiden erzählen, was früher einmal geschehen ist. Ich kann euch aber leider nicht sagen, was Tyra damals und was sie heute getan hat.“ Zera senkte die Stimme und schloss die Augen. Es kam ihr vor als wäre es gestern gewesen, so schlimm war die Erinnerung:

Alles begann an Tyras 5. Geburtstag. Obwohl es ein fröhlicher Tag werden sollte, schloss sich Tyra in ihr Zimmer ein. Zera und Lewo waren ratlos. Die Tür schien von etwas umgeben zu sein, was für sie undurchdringbar war. Als auch Kampana erwachte, rannte sie zum Versteck der Blumen. Mit ihnen in der einen Hand, versuchte Kampana die Tür mit der anderen zu öffnen. Auch sie konnte nicht die Klinke berühren. Kampana drückte mit ihrem gesamten Körper gegen den Schutzschild. „Mama, Papa“ die Kleine war verzweifelt. Sie konnte nicht zu Tyra und ihr die Blumen geben, dabei hatte diese doch Geburtstag. Zera nahm Kampana bei der Hand und führte sie zurück in ihr Zimmer. „Mama, warum kann ich nicht zu Tyra?“ Flehende blaue Augen sahen die Wand an. „Ich... ich weiß es nicht, mein Schatz. Hast du sie geärgert? Gestern?“ Kampana legte die Hände auf die Wand. „Sie ärgert doch immer mich.“ Der kleine Kopf drehte sich in Zeras Richtung. Diese hellblauen Augen sahen wie ruhiges Wasser aus und die Weisheit sprach aus ihnen, die nicht einem vierjährigen Kind gehörten. „Es muss aber doch irgendetwas passiert sein.“ Zera lief verzweifelt im Zimmer auf und ab, wusste sich keinen Rat. Kampana blinzelte und die Weisheit verschwand wieder. Mit ihren verspielten Augen betrachtete sie wieder die Wand. Tief in ihr bewegte sich etwas. Wie ein kleiner Tropfen, der ins ruhige Wasser fällt und Wellen erzeugt. Kampanas Hände werden von einem Kreis eingeschlossen. Runen und Zeichen aus fremden Sprachen zierten das Innere des Kreises und Kampanas Hände. Plötzlich erleuchtete die Wand in weiß-silbernem Licht und begann zu wabbern. Kampanas kurze Haare flogen nach oben obwohl es windstill war. Das kleine Mädchen drückte gegen die Wand und trat hindurch. Zera stand der Mund offen. Als sie sich wieder gefasst hatte und auch hindurchgehen wollte war es schon zu spät. Die Wand war wieder fest. „Tyra? Tyra??“ es war stockdunkel in Tyras Zimmer. Kampana rief mit leiser Stimme und ging vorsichtig vorwärts. Dann stieß sie gegen etwas Hartes. Langsam tastete sie die Oberfläche ab und nahm eine Bettdecke war. Rote, glühende Augen musterten das grünhaarige Kind. Kampana sah zurück und krabbelte aufs Bett. Sie setzte sich in Tyras Schneidersitz. „Bist du allein?“ fragte Kampana schließlich. Tyra blinzelte nichts sagend. „Hast du Angst?“ Wieder Blinzeln. „Hab keine Angst.“ Die kleinen Hände legten sich auf Tyras Gesicht. „Ich bin bei dir...“ Kampana machte eine Pause. Tyra öffnete den Mund und entblößte ihre überlangen Eckzähne. Ihr Kopf schoss nach unten. Kampana zuckte zusammen. Hatte Tyra sie gebissen? Kampana beruhigte ihre Gedanken und sprach weiter. „...du kannst mir alles erzählen.“ Dann erwiderte sie Tyras Umarmung. Die roten Augen verschwanden wieder. Da der Raum so schrecklich dunkel war, war nun nichts mehr zu erkennen.

Es klackte als der Schlüssel von innen umgedreht wurde. Zera stand im Flur und wartete. Als die Tür geöffnet wurde, sah sie in das Gesicht von Tyra, Kampanas dahinter. „Los komm, Tyra. Mein Geschenk für dich liegt in meinem Zimmer.“ Der kleine Schopf sauste an Tyra vorbei und sie ergriff ihre Hand. Kichernd rannten sie davon und Zera sah ihnen nur verdutzt hinterher.

Der Tag versprach richtig gut zu werden. Die Tage davor hatte es immer geregnet. Pünktlich zur Feier zeigten sich die Sonnen und schoben mit aller Kraft die Wolken davon. Es waren nicht viele Kinder da und die Wenigen hingen an Kampana. Tyra hielt lächelnd den Strauß Rosen in der Hand, den sie von Kampana geschenkt bekommen hatte. Die blauen Blütenblätter zeichneten sich stark von ihrem schwarzen T-Shirt ab. Tyra saß allein. Lewo war im Haus und Zera redete aufgeregt mit den Müttern der Gäste. Wind kam auf und blies in die Plastiktüte, die zum Schutz um die Rosen gelegt worden war. Tyra passte nicht auf und schon flog ihr der Strauß aus den Händen. Es landete rollend neben dem Haus im Schatten. „Mein Strauß...“

Zera seufzte. „Dann verlor ich sie aus den Augen und...“ „Ich bin auf den Strauß zugelaufen...“:

Als Tyra die Hausecke erreichte, kam ein Mann um die Ecke. Es war einer von Lewos Geschäftspartnern. Er sah wütend aus. Das Geschäft musste geplatzt sein und sein vorausgesehener Gewinn anscheinend auch. Der Mann sah nicht auf den Boden, er malte sich nur aus wie er Tyra beiseite schubsen konnte um seiner Wut so etwas Luft zu verschaffen. Da war das Unglück geschehen. Als er den Fuß anhob, sah er verdutzt auf die Blumen. „Oh, es tut mir...“ Alle Wut war verflogen und er sah sie entschuldigend an. Doch sein Lächeln verschwand als er Tyra ansah. „Äh... so schlimm ist es doch auch wieder nicht.“ „Nicht?“ Tyra hatte den Kopf gesenkt, sodass ihre Augen nicht mehr zu sehen waren. „Nein, ich besorg dir neue Blumen.“ „Es waren Rosen...“ „Na dann eben Rosen“ „...blaue...“ Der Mann rollte mit den Augen. „Jaa, blaue bekommst du.“ Er zog seine Brieftasche und suchte nach einem für ihn passenden Schein. „Es gibt keine blauen mehr!!“ Tyra sah ihn an. Ihre Augen glühten rot und ihre Hände waren zu Fäusten geballt. Die ängstlichen Augen musterten das seltsame Kind, in dessen eine Hand eine leuchtende Kugel erschien. Diese war noch röter als ihre Augen. Die nähere Umgebung verschwand im roten Licht.“

Tyra schwieg und so musste Zera weitererzählen:

„Das rote Licht war nicht zu übersehen, geschweige denn die Schreie zu überhören. Zera rannte allen voraus und erreichte als erstes die Stelle. Die Blicke waren entsetzt, die Münder geöffnet. Die Gedärme des ehemaligen Geschäftspartners hingen am Haus. Die Wand und das Gras waren blutrot. Tyra ebenfalls, nur ihr T-Shirt hatte keinen einzigen Fleck. Kampana bemerkte erst jetzt den Aufruhr und sah sich nach ihrer Mutter um. Die anderen Kinder wollten zu ihren Müttern rennen, doch sie wurden von genau diesen aufgehalten. „Zera, wir lassen unsere Kinder nie wieder zu diesem Monstrum!!!“ „Halte dieses Biest von unseren armen Kindern fern!!!“ „Ich werde dich anzeigen!!“ „Was hast du da erzogen?!!!! Hättest dieses... dieses Etwas niemals aufnehmen dürfen!!!“ Mit einem Schlag war der Garten leer. Nur Lewo stieß zu den übrigen dazu. „Lewo...“ Zera versagte die Stimme. „Ich habe vom Fenster aus alles gesehen. Ich hatte Angst, er würde seine Wut auslassen. Aber das Tyra es war die ihre Wut ausließ...“ Sein Witz kam nicht an und auch er lächelte nicht darüber. „Sind die Kinder weg?“ „Ja, die Mütter haben“ Zera stoppte. Sie hatte Kampana völlig vergessen. Kampanas Augen waren leer. Sie musste nicht sehen, was da geschehen war, sie wusste es. Eine fremde Stimme hallte durch ihren Kopf: Ich werde dich töten. „Kampana, liebes, lass uns ins Haus gehen.“ Zera ergriff die kleine Hand. Kampana rührte sich keinen Meter, sie war wie festgewachsen. Ihr Vater stand auch direkt vor ihr. Leere Augen musterten ihn. Lewo beugte sich nach unten und nahm Kampana auf die Arme. Er ging davon und ihre Arme legten sich um seinen Hals. Doch die Pupillen kamen nicht wieder zurück. Zera ging wieder zu Tyra. Sie ging neben ihr in die Hocke. Zusammen schauten sie auf das rote Gras. Lange schauten sie so vor sich hin bis Tyra Zera ansah. Sie öffnete leicht den Mund und flüsterte so leise, dass Zera, die gleich neben ihr war, sie nicht verstand. „This is not the end...“ Zera sah sie an und Tyras Mund schloss sich wieder. „Ich glaube jetzt kommt keiner mehr auf deine Geburtstagsparty.“ Zera lächelte und ihre braunen Augen musterten Tyra. „Ich hab es eh nie richtig gemocht...“ Mehr bekam Zera nicht zu hören. „Aber diese Blumen?“ Tyras Mund öffnete sich wieder leicht und ihre Augen wurden größer, als hätte sie den Grund für dieses Massaker vollkommen vergessen. „Kampana hat sich so viel Mühe gegeben...“ Tyra weinte. Die Gefühle der jungen Mutter schwangen vom einen Augenblick zum anderen um. Erst war sie geschockt und unsicher. Nun zu tiefst erschüttert. Tyra hatte noch nie geweint. Noch nie war ihr salziges Wasser über die Wangen gelaufen. Zera stand wieder auf und ergriff Tyras Hand. „Hast du Lust auf ein Bad? Wir nehmen auch die blauen Badesteine, ja?“ Tyra wischte sich mit dem Ärmel das Gesicht trocken, sodass ihr Gesicht nun mit einem hellen rot verschmiert war. „Ja.“ Nun gingen die Beiden auch ins Haus. Doch mitten auf dem Weg drehte sich Tyra noch einmal um. Sie musterte noch einmal den Ort ihres ersten Mordes. Dann wurde ihre Haut grau. Zera bemerkte dies zwar, gab dies aber nicht zuerkennen. In einem Zimmer des Hauses schimmerte ein blauer Rubin auf dem Griff eines Schwertes und erhellte das stockdunkle Zimmer. Blaues Licht drang bis an die Türschwelle und ans Fenster, trat aber nicht über diese hinaus. Langsam färbten sich das Gras wieder grün und die Wand wieder besch. Nur von Tyra ließ das Geschehene nicht ab. Ihre Haut wurde wieder normal und sie drehte ihren Kopf wieder um. Gleichzeitig mit Zera, die nun die Tür öffnete. Die kleine wurde gebadet und es wurde nicht mehr darüber gesprochen, was an Tyras 5. Geburtstag geschehen war. Auch Tyra gab sich große Mühe und ließ es nie wieder dazu kommen. Bis jetzt...“

„Komm wir baden?“ Zera lächelte und ergriff Tyras Hand. Diese schüttelte sie ab, als wäre Zeras Hand eine lästige Fliege. Die weibliche Leibgarde ging den Flur entlang und auf den Balkon am Ende. Tyra schloss hinter sich die Tür, sprang über die Brüstung und war nicht mehr zu sehen. „Äh... sag mal, hast du keine Angst, dass sie Kampana irgendwann auch angreift?“ Eyr´n war zurück gewichen, als Tyra die helfende Hand so heftig abgeschüttelt hatte. Nun stand er etwas abseits und trat wieder in die Runde. Zeras Brust hebt und senkt sich. Wo war ihr kleines Mädchen hin verschwunden? Tyra war nie so gewesen wie andere Kinder und jetzt benahm sie sich noch weniger wie andere Menschen. Zera machte sich Sorgen. „Nein, zu Kampana besitzt sie einen gewissen Draht. Ich mache mir eher um etwas ganz anderes Sorgen.“ „Und das wäre?“ Eyr´n sah sie durchdringend an, als wollte er sie mit seinen Blicken erdolchen. Jetzt endlich meldete sich auch wieder Kampana. „Lass uns gehen. Meine Mutter muss noch was im Haus machen.“ „Aber, ich habe noch keine Antwort.“ Sagte Eyr´n flehend. „Wir gehen!“ Kampana sah ihn mit wütenden Augen an und ging voraus. Der junge Dieb kapitulierte. Zera wusste nicht wohin mit sich und ihren Gedanken. Verloren stand sie alleine im Flur und lauschte in die Stille. Kampana hatte sich ebenfalls verändert. Tyras Nähe hatte sie reifer und ernster werden lassen. Aber sie hatte noch immer ihr altes Wesen zum Teil behalten. Zera zitterte, ihre Knie wollten sie nicht mehr tragen und gaben nach. Es entsprach nicht ihrem Alter sich so gehen zu lassen, also versuchte sie wieder aufzustehen. Vergebens. Ihre Beine wollten ihr nicht gehorchen und so blieb sie sitzen. Sie schloss die Augen und ordnete ihre Gedanken. Plötzlich fiel ihr etwas ein. Ihre braunen Augen musterten den Teppich. Sie hatte den Kindern noch nie erzählt, wie Tyra in dieses Haus gekommen war. Ein ungutes Gefühl durchlief ihren Körper. Sollte sie jetzt schon erzählen, was damals geschah? Oder sollte sie noch warten, jetzt wo die Lage so gespannt war? „Nein, ich habe es versprochen...“ mit diesen Worten stand sie einfach auf. Als hätte sie alles von sich abgeschüttelt ging sie weiter ihrer Arbeit im Haus nach. Zera war früher einmal einen Pakt eingegangen und denn galt es zuhalten. Nichts durfte sie ablenken und in die Versuchung führen, das Geheimnis preis zugeben. Er würde kommen und es selbst erzählen. Nun ja, vielleicht nicht erzählen, aber diese Mädchen, auf deren Schultern die Hoffnung der Wissenden lastet, würden es erfahren. Früher oder später...

Sie hatte sich wieder an alles erinnert. Alles war wie ein Schlag. Ohne Vorwarnung, ohne Schutz. Kampana war mitten in der Nacht auf dem Weg zu Tyra. Eine etwas abseits gelegene Baumreihe vom Wohnbezirk war ihr Versteck. Sachte lehnte sich Kampana einen ganz bestimmten Baum. „Lass uns gehen!“ Ihre Bitte wurde nicht erwidert. „Wenn sie merken, dass wieder einer umgebracht worden ist, werden sie gleich auf dich schließen. Willst du das etwa?“ Ein schwarzer Schatten setzten sich einen Ast weiter herunter. Geräusche gab Tyra nicht von sich. „Ich will nicht, dass sie dich zum Mörder bestimmen! Auch wenn du diejenige bist, die sie suchen.“ Kampana senkte den Kopf. Ihr Fuß scharrte unruhig auf dem Boden. Tyra war unmerkbar in die Hocke gegangen. Nun sprang sie vom Ast weg, sodass sie links von sich nun nur noch Luft hatte. Dann machte sie einen Salto zur Seite und landete sanft auf dem Boden. „Dann las uns gehen.“ Sie strich sich durch die Haare und musterte Kampana. „Ob Kampana einen Rückzieher macht?“ dachte sie. Kampana nickte entschlossen. Damit war es beschlossen. „Hey, und mich wollt ihr wohl hier lassen? Kommt nicht in die Tüte!“ Ein weiterer Schatten tauchte auf, diesmal aus der Richtung des Wohnbezirks. Die Blicke der Mädchen gingen in seine Richtung. Als der Schatten bei ihnen ankam, gingen sie zusammen. Eyr´n ging direkt neben Kampana, die neben Tyra. Der Mond warf lange Schatten. Zumindest diese sollten noch länger in dieser schlafenden Stadt verweilen, als die unruhigen Seelen.

Zera erwachte. Sie hatte etwas gehört. Oder etwa doch nicht? Doch, da war es wieder. Sturm zog auf. Donner und Blinz ließen die schlafende Stadt erwachen. Schnell warf sie sich einen Schal über die Schultern und ging dann durchs ganze Haus. Wie vermutet. Tyra und Kampana waren nicht in ihren Zimmern. Auch von Eyr´n keine Spur. Es klopfte laut. Zera war beunruhigt, wer konnte das sein? Die Stufen schienen nicht so lang zu sein, wie sie hoffte und so war sie schnell bei der Tür. Sie streckte die eine Hand nach der Klinke aus, mit der anderen hielt sie ihren Schal fest. Plötzlich stand Lewo in der Küchentür. Er atmete schwer und schweißgebadet. „Nicht! Öffne nicht die...“ Es war zu spät. Viele Menschen standen vor dem Haus der Grave Leonars. „Wo ist dieses Biest? Wir wissen, das sie hier ist!!“ „Es tut mir leid euch enttäuschen zu müssen. Aber ich kenne kein Biest.“ Zera besah sich die Menschen. Wutverzerrte Gesichter, Waffen und geballte Fäuste. „Dieses schwarze Scheusal!! Du weißt von wem wir reden!!! Liefere sie uns aus, sonst seid ihr dran!!!“ „Sie hat wieder gemordet! Diesmal wird sie dafür büßen!!“ „Das glaube ich nicht.“ Zeras Stimme war ruhig. Die Menge verstummte. Keiner von ihnen hatte damit gerechnet, dass Zera immer noch hinter Tyra stand. „Holt sie euch doch selbst.“ Jetzt war die Menge ganz baff. „Ihr werdet sie hier nicht mehr finden. Ihre Bestimmung ist nicht aufzuhalten.“ „...“ „Sprachlos? Damit ihr eins wisst. Ich stehe hinter meinen Kindern. Auch wenn eins nicht meinem Blutes entspricht. Selbst wenn ich wüsste, wo sie als nächstes hingehen, würde ich es euch nicht verraten.“ „Aber, aber sie....“ „SIE hat einen Namen. Tyra, Tyra Leonar. In ihrem Namen stecken der Donnergott selbst und die Seele eines Kriegers. Diese Leibgarde könnt ihr nicht aufhalten.“ Die Gesichter wurden noch verzerrter, so viel Hass entstand bei Tyras Namen. „Wisst ihr überhaupt, warum sie gemordet hat?“ „Aha, sie war es also wirklich!!“ Zera warf dem übermütigen Mann einen vernichtenden Blick zu. Er verstummte. „Sie hat es für mich getan...“ Eine leise Stimme kam von der anderen Seite der Straße. Das Mädchen, welches nur mit einem weißen Kleid und einem leichten Mantel bekleidet war, trat näher heran. „Tyra Leonar besitzt das Wesen einer Leibgarde.“ Lewo erschien ebenfalls in der Tür. Langsam wurde es auch für ihn spannend genug um zuzuhören. „Mein Chef... der Besitzer der Apotheke hat mich... vergewaltigt...“ Vincentas Stimme war holprig. Es fing an zu regnen und ließen ihre Tränen wie Regentropfen aussehen. „Er war seit einiger Zeit merkwürdig. Er hatte sich noch nie so benommen. Immer und immer wieder tat er es. Er hörte nicht auf... ich hatte schon längst die Hoffnung auf Hilfe aufgegeben. Doch ein Mensch, der eigentlich nicht zu unserer Gemeinschaft gehört, hat die Gelegenheit ergriffen und mir geholfen.“ Vincenta betrachtete die Gesichter. Kein Hass, nur Verwunderung. So sprach sie weiter. „Wollt ihr Tyra, meine Retterin wirklich verurteilen? Verurteilen für eine gerechte Tat? Tut dies und ihr müsst erst an mir vorbei! Ich habe die Hölle schon so soft erlebt! Ein weiteres Mal für eine Freundin macht mir nichts aus!“ Vincenta breitete die Arme aus. Mitten auf der Straße, versuchte sie den Weg zu versperren. „Hört! Hört her! Ich weiß wo sie hingeflüchtet sind!“ Eine hektisch kreischende Frau kam von der anderen Seite angerannt. „Sie... sie sind nach Osten!“ Keuchend deutete sie die Straße hinunter, von der sie gekommen war. Alles war still. Selbst das Gewitter lauschte. Manchmal können Menschen merkwürdig sein. Sie müssen sich erst absprechen oder sich Blicke zuwerfen. Ein Einzelner einer Gruppe tut nicht allzu oft etwas allein. Immer muss sich erst einer getrauen und die Anderen mitreißen. Doch dieses Mal war es anders. Als hätte eine lautlose Sprengung stattgefunden, liefen die Leute in alle Richtungen, außer auf das Haus der Grave Leonars zu, davon. Kein Wort fiel. Auch die Frau war sprachlos. Vincenta nahm die Arme wieder herunter. Wasser floss in dicken Strängen an ihren Wangen herunter. War es der Regen? Lewo betrachtete seine Frau, die gedankenverloren in den Himmel sah als wäre sie in Trance. Die Hoffnung drohte zu zerbrechen. Der rechte Weg wurde nicht gefunden, was würde dann geschehen? Die Prophezeiung sagte eine glückliche Zeit voraus in der alle Menschen friedlich lebten, geredet durch einen Helden, der das unmögliche möglich machte. Der Boden auf dem die Wissenden standen war nicht mehr fest. Der Weg war wacklig und lag im Dunklen. So sehr sich Zera wünschte eingreifen zu können um die Zukunft, ihre Zukunft zu erlangen, sie konnte nicht. Niemand konnte das Schicksal aufhalten. Das spürte Zera nun am eigenen Leibe. Der Regen wurde noch stärker. Vincentas weißes Kleid war fast vollkommen durchsichtig. Zera wandte ihren Blick vom Himmel ab und betrachtete Vincenta. „Vielleicht... ist das ja das Schicksal... wer weiß.“ Dachte Zera und machte eine einladende Handbewegung zu Vincenta. Diese nickte und folgte der Hausherrin stumm ins Haus. Lewo holte eine Decke und legte sie der Apothekerin um. Ihr nasser Kopf hob sich und ihre Augen glitzerten. Sie war froh jemanden zu haben, der ihr half. Lewo schloss die Tür. Eine einzelne, überglückliche Träne floss Vincenta die Wange herunter, dann war die Tür zu.

Kampana klebten die Haare am Gesicht und sie fühlte sich sichtbar unwohl. So sehr es ihr gefiel, dass der Regen das Gras, die Blumen und anderes wachsen ließ, im Moment war ihr das Scheißegal. Eyr´ns Haarpracht widersetzte sich hartnäckig gegen die runden Tropfen, die von seinen Haarspitzen tropften. Tyra war wie immer, nur auf ein Ziel gerichtet. „Wo müssen wir überhaupt hin?“ fragte Eyr´n um die Stille zu unterbrechen. „Nach Osten.“ Antwortete Kampana, sie hatte keinen Schimmer was da noch mal war. Die magere Auskunft befriedigte Eyr´n nicht im Geringsten. Tyra seufzte. So eine naive und dumme Schülerin gab es nur einmal auf der Welt, und genau die hatte sie erwischt. „Im Osten liegt das Meer und ein Tempel, zu dem gehen wir.“ „Ans Meer?“ Eyr´n war überrascht. Er kannte keine Ruten, die als Pilgerreise benutzt wurden, aber dass das Meer ein Ziel sein sollte, wunderte ihn. Er hätte es ja verstanden, wenn das Meer noch so wäre, wie es früher einmal war, aber jetzt? „Ans Meer!“ Kampana war ganz aufgeregt. Doch ihr großes Interesse rührte nur von der Freude her. „Naiv...“ murmelte Tyra und wandte den Kopf nach rechts ab, sodass Kampana dachte sich verhört zu haben. Am liebsten hätte Eyr´n Tyra gepackt und gefragt, was es mit dem Meer auf sich hat. Ein einfacher Tempel kann doch nicht alles sein. Was erhoffte sich Tyra dort vorzufinden? Doch er wartete ab. Heute Abend beim Feuer würde sich Gelegenheit bieten seinen Wissensdurst zu stillen. Und tatsächlich, den ganzen Tag waren sie marschiert. Tyra hatte keine Pause erlaubt. Kampana war nicht so erfreut darüber gewesen, Essen und Trinken im Laufen einzunehmen. Am Anfang hatte sie sich Saft über das braune Hemd geschüttet, welches jetzt entsetzlich klebte. Tyra war aber trotzdem unermüdlich. Das Feuer brasselte und warf ihre Schatten weit hinter sich. Eyr´n saß stumm da und überlegte, wie es anstellen könnte. Er setzte gerade an, da wurde er unterbrochen. „Tyra!“ jammerte Kampana „Ich hab Hunger!“ Tyra seufzte. „Nur nicht die Ruhe verlieren...“ Mit diesen Gedanken stand sie auf. „Diesmal fängst du das Reh. Am Ende kommen wir wieder zurück und du kannst dich nicht mal selbst ernähren.“ Kampana grinste nur. Dann bemerkte sie Eyr´n der sie traurig musterte. „Komm, Eyr´n.“ Er nickte zögerlich und ging dann mit ihnen. An einer Stelle irgendwo im Wald blieb Tyra stehen. „So, dein Part.“ Kampana spitze die Ohren, dann schlich sie davon. Eyr´n trat näher an Tyra heran. Jetzt war ein günstiger Zeitpunkt seinen Bedenken Luft zu verschaffen. Da ging Tyra auch schon wieder los. „Kampana, sei nicht so ungeschickt.“ Kampana hing im Gestrüpp und konnte sich nicht wieder selbst befreien. Eyr´n war so vertieft gewesen, dass er Kampana völlig aus seinem Kopf gestrichen hatte. „Vielleicht per Gedankensprache? Nein, ich will es aus ihrem Mund hören, nicht aus ihrem Kopf.“ Seine Gedanken schmachteten nach Neuigkeiten. Lange hielt er das nicht mehr aus. „Beim Feuer. Beim Feuer und nicht später!“ Er fand sich damit ab, dass Tyra jetzt genug mit Kampana zu tun hatte und betrachtete Kampanas Ungeschicklichkeit. „Ich hab... Ich.. ich...“ Kampana hatte sich über ein Reh gebeugt, dass hartnäckig Widerstand leistete und immer wieder versuchte abzuhauen. „Na, so was... bleibst du... hier.... aaahhh“ Da war es entwischt. „Jetzt!“ rief Tyra und Kampana schloss die Augen. Ihr Arm wanderte in die waagrechte und ihre Hand formte sich wie eine Pistole. „Konzentriere dich, das Reh ist dein Ziel. Siehst du es?“ Tyra sprach leise auf Kampana ein. Ein silberner Strahl schoss aus Kampanas Finger und durchstach das Reh genau im Herzen. Den Kopf nach oben gereckt und das Maul zu einem lautlosen Schrei geöffnet, viel es zu Boden. „Ja!“ Antworte Kampana auf Tyras Frage. Diese nickte stumm. Eyr´n schickte sich an Kampana beim Tragen zu helfen, doch Tyra hielt ihn mit einem ausgestreckten Arm zurück. Ruckartig blieb er stehen und musterte Tyra von der Seite. „Es ist ihre Beute. Also muss sie sie auch zum Feuer bringen. Mal sehen wie sie sich anstellt.“ Sehr ungeschickt auf jeden Fall. Kampana ließ das Reh noch zweimal von ihren Schultern plumsen ehe sie es mit einem Schwebezauber hinter sich her fliegen lässt. „Ei ei ei“ Tyra kratzte sich hinter dem Ohr und wandte den Blick ab. So ein Schauspiel war einfach zu viel. Sie konnte nicht lange wegschauen. Denn da rief Kampana schon wieder, dass sie das Reh nicht ausnehmen kann und jammerte irgendetwas von Schlecht werden. „Wem wird gleich schlecht? Mir, dem Reh oder dir?“ „Oooohhhh, Tyra!“ „Ja, du Quälgeist. Ich komme.“

Erst Stunden später fand Eyr´n den richtigen Zeitpunkt um Tyra nach dem Meer zu fragen. Das Feuer brannte noch hoch, wurde aber mit der Zeit immer kleiner. Der Dieb musterte lange die Leibgarde ehe er seine Sitzposition veränderte und sie ansprach. „Was wollt ihr am Meer?“ Er beugte sich weit über seine angewinkelten Knie. Kampana schaute von einem gelb leuchtenden Käfer, der über ihren ausgestreckten Zeigefinger lief, auf. „Das heißt jetzt nicht mehr ihr. Schon vergessen? Du bist mitten drin. Mit gehangen, mit gefangen.“ Eyr´n ließ sich von Kampana nicht necken, nicht jetzt. Seine Augen ruhten auf Tyra, die ihren Blick auf das Feuer beschränkt hielt. „Das Meer. Es gibt dort einen Tempel, sagte ich doch schon.“ „Es ist nicht der Tempel, der dich dort hin zieht. Sag mir die Wahrheit.“ Der gelbe Käfer flog davon und Kampana nahm die Hand wieder herunter. Auch sie musterte jetzt Tyra. Im Grunde war es ihr egal wohin sie gingen. Das Vertrauen zu Tyra ließ sie an nichts zweifeln. „Du hast Recht. Der Tempel ist nicht der einzige Grund. Aber mit einer der Größten.“ „Aber warum? Angeblich soll er nur klein und unbedeutend sein.“ Tyra schmunzelte. Vorurteile waren der Menschen beste Freunde. Genauso wie die Lügen. „Er ist nicht unbedeutend. Die aller erste Reise begann dort. Er ist der Ursprung.“ „Du meinst... die erste Graue Älteste stammt vom Meer? Das glaub ich jetzt nicht.“ „Wirst du aber müssen. Ozeana war die Erste. Mit ihr begann der Kampf und die Hoffnung. Ein Monster kam damals aus dem Meer. Es drohte alles Land zu überschwemmen. Nur eine Frau stellte sich ihm entgegen. Doch nicht bevor sie eine Reise angetreten hatte in der sie das Mittel zum Sieg herausfand. Unter dem Tempel gibt es versteckte Katakomben. Dort wollen wir hin. Der Tempel an sich ist wirklich nur schlicht. Für normale Menschen gibt es dort keinen Eingang. Nur Magie öffnet die Pforte zu...“ „Zu?“ „Zu den Geistern oder das Meer.“ Eyr´n schreckte zusammen. Ein Knie fiel zur Seite und er beugte sich nach rechts um Kampana um das Feuer herum besser ansehen zu können. „Sag... sag das noch mal.“ „Geister oder das Meer.“ Wiederholte Kampana. Ihre Augen glühten mutig, oder war es nur das Feuer? Tyras Augen waren groß geworden als Kampana gesprochen hatte. Jetzt schaute sie genau wie vorher ins Feuer. Gleichgültig und Ernst. „Was... was für Geister?“ Eyr´ns Stimme zitterte. „Hast du etwa Angst vor Geistern?“ neckte ihn Kampana. „Ich? N-Nie!“ „Eyr´n hat Angst vor Geistern. Ha, Ha, Ha.“ Direkt vor Kampana tauchte eine silberne kleine Kugel auf. Ein ebenfalls silbernes Feuer umgab das fliegende Ding. “Kiiiiiaaaaaaaaaaaaa” Kampana fiel hinten um. Noch bevor sie ganz umgefallen war, war sie schon auf den Beinen und rannte davon. Eyr´n schaute mit Furcht in den Augen auf das silberne Ding, welches jetzt auf und ab flog. „Ty...Tyra... das ist nicht witzig... gar nicht...“ Eyr´n hatte wie ein eingerosteter Roboter den Kopf gedreht. „Bitte... nimm es weg.“ Zwei Bäche liefen über seine Wangen. Tyra drehte einmal die Hand. Da drehte sich die Kugel eng um sich selbst und verschwand schließlich ganz. Langsam kam Kampana wieder angeschlichen. Neben Eyr´n ließ sie sich fallen und umklammerte sein Shirt. Beide schlotterten zusammen. Tyra beließ es dabei und legte sich auf die Seite. Einen Arm legte sie sich unter den Kopf als Kopfkissenersatz. Kampana und Eyr´n konnten nach diesem Schreck nicht einschlafen. Und so saßen sie dicht neben einander bis das Feuer ausging. Genau da, als die Kohle nur noch rot glühte kam ihnen der Wald sehr gespenstisch vor. Tyra merkte von allem nichts. Ihr ging es blendend. Erst als sie angestoßen wurde, wachte sie auf. Kampana lag hinter ihrem Rücken. Ihr Gesicht war ganz nah an ihrem T-Shirt. Eyr´n lag Tyra gegenüber, doch er hielt Abstand. Tyra schloss wieder die Augen. Nur Eyr´n schlief nicht gleich. „Normaler Mensch. Pf, ihr werdet schon sehen was ich kann.“ Er flüsterte herablassend und schläft dann auch ein. Doch sein Schlaf wird kurzzeitig von roten Augen überwacht die ihm direkt gegenüber sind.

Das Meer war leicht zu finden. Auch für Kampana. „Guckt mal da. Da ist das nächste Schild.“ Sie fuchtelte wild mit den Armen auf und ab. Ihr Hüpfen wurde nur von ihrer Freude übertroffen. Tyra und Eyr´n gingen ruhig hinter ihr her, schon seit zwei Stunden war sie hippelig, sie hatten sich daran gewöhnt. Kampana folgte der Abzweigung nach rechts, immer dem Pfeil nach. Immer wieder blieb sie stehen und ruderte mit den Armen und schrie: „Beeilt euch doch!“ Hinter dem Wald, der jetzt nur noch rechts von ihnen verlief und immer lichter und die Bäume immer kleiner wurden, konnte man einen blauen Horizont erkennen, der sich vom Himmel nur leicht abhob. Kampana sprang in die Luft um noch mehr erkennen zu können. Völlig aus der Puste unterließ sie ihr Vorhaben und schaute nach links. Flaches, grasiges und leicht sandiges Land ließ schon auf das Meer ahnen. Noch einmal drehte sich Kampana um. „Los jetzt!“ Mit diesen Worten spurtete sie los. Tyra und Eyr´n grinsten sich an und rannten dann hinterher. Sie kamen nicht weit. Etwas Langes und schwarzes lag auf dem Boden und Kampana wollte es begutachten. Als sie in die Hocke gehen wollte um das etwas anzutippen, zeigte das Schwarze Leben. Ein Maul öffnete sich und gab den Blick auf scharfe, weiße Zähne und einen roten Rachen frei. Kampana starrte mit großen Augen auf die Schlange, nicht im Stande sich zu bewegen. „Kampana!“ Die Leibgarde warf sich gegen das Mädchen und brachte es so aus der Schusslinie. Staub wirbelte auf, als sie zusammen fielen. „Pass doch auf, du dumme Nuss!” Tyra verpasste Kampana einen Klaps auf den Hinterkopf. Kampana hielt sich die Stelle an der ihre Freundin zugeschlagen hatte und ihre Augen wurden wässerig. Ein Zischen ließ beide aufsehen. Viele kleine Schlangen umzingelten sie. „Och, nö...“ Kampana stöhnte und setzte sich auf. Tyra war schon wieder auf den Beinen und feuerte Feuerbälle auf die wild gewordenen Tiere ab. Auch Kampana rappelte sich wieder auf und unterstützte Tyra mit eher schmächtigen, weißen Kugeln. „Eyr´n wärst du so freundlich uns vielleicht mal zu helfen?!!“ Tyra zeigte ihre überlangen Eckzähne und drehte sich wütend um. „Kann grad leider nicht!“ Eyr´n warf einen Wurfstern und befestigte eine Schlage am Boden. Eine andere zischte durch die Luft und flog direkt auf ihn zu. Eyr´n drehte sich, sein Mantel flog nach oben. Durch den braunen Stoff wurde alles verdeckt. Als er die Sicht wieder frei gab lag die Schlange geköpft am Boden. Alle drei verteidigten sich prächtig und gewannen bald die Oberhand. Die Anzahl der Schlangen verminderte sich schnell doch dann passierte etwas, was niemand in seinen kühnsten Träumen auch nur vermutet hätte. Eine riesige Kobra schlängelte sich um ihre toten Genossen. Ihre lila farbenen Schuppen schimmerten nass im Sonnenlicht. „Tyra kneif mich mal, bitte.“ Tyra und Kampana standen mit geöffneten Mündern da. Die Leibgarde griff nach links und zwickte Kampana in den rechten Arm. Diese gab keinen Mucks von sich. „Und?“ „Es... tut weh.“ Kampana schluckte schwer. „Kneif die Schlange doch mal. Vielleicht ist sie ja ein Traum.“ „Nie im Leben.“ Gab Eyr´n weiter hinten von sich. Die rote, gespaltene Zunge zischelte unruhig raus und rein in das Maul. Als müsste sich die Schlange das Massaker erst genauer betrachten, neigt diese ihren großen Kopf und sieht auf die toten Leiber herab. Dann stellte sie sich wieder auf. Die Schlange blinzelte, betrachtete die Situation wie ein Zuschauer. Eyr´n wirft sich von hinten gegen Tyra und Kampana um sie vor der „drohenden“ Gefahr zu retten. Nichts passiert. Drei Augenpaare schauen verdutzt. „Eyr´n hättest du die Güte von uns runter zugehen? Oder soll uns die Schlange in einem Knäuel verschlingen?“ „Oh... ähm ja.“ Eyr´n stand auf. „Tut mir leid, Tyra.“ „Und was ist mit mir?“ beschwerte sich Kampana. Eyr´n öffnete den Mund um etwas zu sagen. Doch genau in diesem Moment zischte die Schlange bedrohlich und verschluckte die wenigen gesagten Worte. Wieder wandten sich drei Augenpaare auf die Schlange. „Wir sollten verschwinden, meint ihr nicht auch?“ „Ja.“ Kam es von den beiden Mädchen wie aus einem Munde und schon standen sie auf den Beinen. Stocksteif gingen sie sehr schnell rückwärts, alle drei. Dann blieben sie stehen, warteten ob die Schlange angriff. Diese hielt es aber nicht für nötig ihre Beute zu verfolgen und zischte stattdessen nur bedrohlich. Die drei Menschen drehten sich auf dem Absatz um und rannten schnur stracks davon, in Richtung Meer.

„Ist...“ Kampana atmete schwer, ihren Freunden ging es nicht besser „... ist es weg?“ Sie stütze sich auf den Knien ab und schaute den Weg zurück, über dem eine Staubwolke lag. „Ja... ich glaube... schon...“ Tyra schluckte schwer und richtete sich dann wieder auf. Ihre Haare rutschten wieder nach hinten und von ihrer Stirn fiel ein Schweißtropfen zur Erde. Eyr´n stütze sich an einem Baum ab und hatte den Kopf gesenkt. Auch sein Atem ging schnell. Als er genug Luft hatte um zu sprechen hob er sein Haupt. „Wenn wir gegen es gekämpft hätten... hätten wir bestimmt weniger Energie verbraucht.“ Er ließ von dem Stamm ab, einer der Letzten vor dem Meer. „Wo sind wir eigentlich hin gerannt, Tyra?“ Kampana drehte sich zu ihrer Freundin um. Doch da stand niemand mehr. Suchend schaute sie sich um. Dann entdeckte sie Tyra an der Klippe. Mit großen Augen und geöffnetem Mund folgte Kampana ihr. Die leichtwellige See glitzerte wie Diamanten und nahm Kampana die Sprache. Eyr´n musterte es hingegen nur kurz. Dieses blaue Nass war ihm nur noch zu bekannt von seinem letzten großen Treffen aller bedeutenden Diebeshäupter, welches alle zehn Jahre stattfand. Tyra klappte Kampanas Mund mit einem leichten Klaps gegen den Unterkiefer wieder zu. „Lass uns gehen.“ Kampana folgte Tyra zögernd. Der nächste Teil dürfte für sie nicht angenehm werden. Da wäre sie doch lieber bei der Klippe geblieben und hätte weiter das wogende Meer beobachtet. Ein kleines verfallenes Häuschen kam hinter einem niedrigen Hügel zum Vorschein. Das Dach bestand aus Stroh und der Wandputz war grau und rissig. Kampana schluckte. Tyra blieb vor der alten Holztür stehen. „Kannst... kannst du nicht mitkommen, bitte.“ Flehende Blicke wanderten zu Eyr´n und Tyra. Mitleidvoll legte Eyr´n eine Hand auf Kampanas Schulter und wollte Tyra bitte, ihn mitgehen zu lassen. Doch ein alles erstickendes Nicken in Richtung Tür ließ seine Hand wieder sinken. „Kampana? Kampana! Hör mir zu.“ Das grünhaarige Mädchen schreckte auf, sie war wie gelähmt. Langsam aber sicher überkam sie die Angst vor dem Ungewissen und ließ sie erzittern. „Nimm dir drinnen eine Fackel. Keine Sorge, es gibt eine. Du wirst also nicht im Dunklen laufen müssen. Suche nach der geheimen Tür. Eine lange ungenutzte Treppe wird dich zu den Hauptgängen führen.“ Kampanas Augen wurden immer größer vor Schreck. Sie, alleine, nur mit einer Fackel und staubige mit Spinnweben überzogene Stufen und Deckengewölbe? Das war zuviel für sie. Kampana wurde es schwummrig. „Geh jetzt. Bevor du mir hier noch vor Angst zusammenklapst.“ Mit sanfter Gewalt schob sie Kampana vorwärts. Die Tür hatte sie bereits aufgestoßen. „Keine Sorge. Denk an die Magie.“ Mit diesen Worten fiel die Tür zu und schloss Kampana mit Magie hermetisch von der Außenwelt ab. „Meinst du sie wird zureckt kommen?“ „Das wird sie müssen.“ Tyra ging wieder zur Klippe. „Was soll das heißen „sie muss“? Du weißt überhaupt nicht, was da drinnen ist, oder? Du hast keinen blassen Schimmer in was du sie da hineinrennen lässt!“ „Beruhige dich!“ „Ich soll mich beruhigen?! Beruhige erst einmal deine dummen Gedanken und lass die Wahrheit in die eindringen! Du bist verrückt! Ich hol sie da raus!“ Eyr´n hatte gar nicht blinzeln können. Eine kalte Schwertspitze zielte auf seine Kehle und war gar nicht so weit entfernt. Tyra stand mit gezückter Waffe vor ihm und schnitt ihm den Weg ab. „Das wirst du nicht!“ zischte sie „Wenn ihr einer Helfen darf, dann bin ich das, die Leibgarde! Also schließ dein unwissendes Maul und setzt dich zu mir an die Klippe! Bei dem nächsten Versuch, den du auch nur wagst zu denken, werde ich nicht so nett sein und dir auch noch meine Waffe vor dem Angriff zeigen! Dann wirst du dich schnell in Sicherheit bringen müssen um nicht zu sterben!“ Eyr´n schluckte schwer, nickte dann und ging rückwärts auf die Klippe zu. Tyra folgte ihm mit erhobenem Schwert und vor Wut blitzenden Augen. Eyr´ns ängstliche Aufmerksamkeit richtete sich voll und ganz auf das Schwert. „Fall nicht.“ Tyra grinste über das ganze Gesicht. Eyr´n sah nach hinten. Und da fiel er schon die Klippe herunter. „Ungeschickt lässt grüßen, du Hans guck in die Luft.“ Tyra klopfte sich mit der ungeschärften Seite ihres Schwertes auf die Schulter und lachte anschließend schallend.

Es war stockdunkel und Kampanas Augen brauchten ihre Zeit um sich an die Dunkelheit zu gewöhnen. Langsam ging sie auf den kleinen Tisch zu auf dem Dinge zur Verehrung standen. Kampana betrachtete lange ein Bild von einer Frau mit langem mint-grünem Haar und einem atemberaubenden Lächeln. Dann sah sie sich um und suchte nach einer Fackel, so wie Tyra es ihr beschrieben hatte. In einer hinteren Ecke, gleich links neben der Tür, stand noch en Tisch. Auf ihr lagen mehrere eingestaubte Fackeln und Zeug zum Entfachen eines Feuers. Kampana strahlte über das ganze Gesicht und lief auf die Lichtspender zu. Plumps. In ihrer Unachtsamkeit war sie über etwas gestolpert. Ein großer rostiger Ring in einem kleineren war die Ursache. „Eine Falltür? Ah, die versteckte Tür zu den Hauptgängen.“ Tyras Ratschläge nahmen immer mehr Formen an. Kampana stand auf, klopfte sich ab und nahm eine Fackel vom Stapel. Die Feueranzünder waren dann schon nicht mehr so leicht. „Wie geht das an?“ Nach langem Probieren hatte Kampana endlich den Mechanismus gefunden um die kleinen Feuersteine aneinander prallen zu lassen und Funken zu versprühen. Die angezündete Fackel spendete sofort wohltuendes Licht. Kampana wurde es leichter ums Herz, jetzt fühlte sie sich nicht mehr so allein. „Machen wir uns an die Tür.“ Frohen Mutes griff Kampana nach dem Ring um die Falltür aufzuziehen. Als eine fette Spinne mit Gesicht auf ihre Hand krabbelte waren für einen Moment alle Geräusche verstummt. Außer eins: „Küss mich. Ich bin ein verwunschener Prinz.“ Die Spinne spitzte die Lippen. „Kkkkkkkiiiiiiiiaaaaaaaaaahhhhhhhhhhhhhhhh!!!!!“ Im Haus erbebte alles, von Außen war überhaupt nichts zu erkennen. Kampana hatte die Hand in weitem Bogen weggezogen und schüttelte sie nun angewidert. Die Spinne war von ihrer Hand gefallen, als sie sie weggezogen hatte. Durch ihren Schrei entballte sich ihre ungebändigte Kraft und die Falltür sprang auf. Die Spinne klebte an der Wand und rutschte nun langsam hinunter. Immer noch schreiend rannte Kampana die Treppe hinunter, ein enger Feuerstreifen hinter ihr her. „Na so was! Hast du noch nie einen verzauberten Prinzen gesehen?! So eine Frechheit!“ Die Spinne sah zur Falltür und hatte zwei ihrer Beine in die Seiten gestemmt. „Na dann...“ Die Spinne drehte sich um und schickte sich an Hochnäsig das Feld zu räumen „... such dir doch einen schöneren Prinzen als mich!!“ Mit diesen giftigen Worten trippelte die Spinne mit Gesicht auf ihren sechs Beinen davon.

„Kkkkkkkkkkiiiiiiiiaaaaaaaaaaahhhhhhhhhhhhhh!!!!!!“ Kampana schrie sich immer noch die Seele aus dem Leib und rannte und rannte. „Geh weg!!!“ brüllte sie und schüttelte noch immer ihre Hand. Rummmsss. Sackgasse. „Aui...“ Kampana rieb sich ihr schmerzendes Gesicht. „Du verdammte Wand! Pass doch auf wo du dich mir in den Weg stellst!!“ Mit geballter Faust schlug sie auf die Mauer. Sie ließ den Kopf hängen. „Ich weiß ja, jetzt tut meine Hand auch gleich noch weh. Tyra hilf mir.“ Kampana weinte. Die Wand rieselte und fiel dann zusammen. Schon waren alle Tränen versiegt und Kampana schaute auf den Gang rechts und links von sich hinaus. „Jippii, das ist ja geil.“ Mit einem Hüpfer über den Steinhaufen war Kampana aus ihrer Falle entwichen und musterte nun die Schwärze, die sie an jedem Ende des Tunnels zu erwarten schien. „Also, du oh mystisches Orakel.“ Kampana hob gebieterisch die Hand und schloss die Augen. „Erbarme dich meiner und zeige mir den Weg.“ Aber Kampana war natürlich zu ungeduldig, als dass sie auf einen Wink des Schicksals hätte warten können. So stolzierte sie einfach nach links, sprich gerade aus, und ließ das Licht der Fackel fröhlich hin und her tanzen. Schon bald war alles Dunkel. „Was? Dir soll ich helfen? Ich glaub bei dir tickt es nicht mehr richtig! Du hast meinen Sohn verspottet! Hey, wo bist du hin?!! ... So eine freche Göre!“ Die göttliche Stimme ertönte von der Stelle, an der Kampana bis vor kurzem noch gestanden hatte und erlischt auch genauso schnell wieder.

Eyr´n gab merkwürdig gequälte Geräusche von sich. Es kostete ihn große Anstrengung die Klippe wieder hinauf zu klettern. Der Schwung über den Rand ließ ihn nur noch ächzen und stöhnen. Wie eine schlaffe Raupe robbte er zu Tyra und blieb direkt neben ihr liegen. „Ich kann nicht meehr...“ Aus seinem Körper entwich alle Luft, wie aus einem Luftballon mit Loch. Lange durchzog nur Schweigen die Luft. Tyra hatte die Beine angezogen und ihre Arme darum gelegt. Ihre blauen Augen schienen sich mit dem Blau des Meeres vereinen zu wollen. Eyr´n musste hingegen erst einmal Luft holen und sich ausruhen. Als er wieder einigermaßen zu Kräften gekommen war stützte er sich auf die Hände und brachte sich auf gleiche Höhe wie Tyra. „Wird ihr da drinnen wirklich nichts geschehen?“ „Wirklich nichts.“ „Sicher?“ „Sicher.“ „Na, wenn du es sagst.“ „Ja, wenn ich das sage.“ „Tyra?!“ „Ty... äh ja?“ Endlich wandte sie sich von dem Meer ab und schaute ihm in die Augen. „Dort drinnen ist nichts, was ihr wirklich gefährlich sein könnte.“ „Und woher willst du das wissen?“ „Ich...“ Tyra sah wieder auf die leichtwellige See hinaus „... Ich hab´s gelesen.“ „aaahhh...“ wieder sackte Eyr´n zusammen. „Das ist zuviel für mich...“ murmelte er. „Bitte gib mir Unterstützung...“ Langsam robbte Eyr´n auf Tyra zu und schmiegte sich an sie. „Verpiss dich!“ Tyra versuchte ihn von sich weg zu drücken. „Oh nur ein bisschen. Gib mir ein wenig von deiner Gelassenheit ab, die du aus deinem Wissen von Büchern schöpfst.“ „Geh weg!“ „Oh bitte, bitte...“ Eyr´n flehte immer wieder. Tyra wurde es zu bunt. Sie ließ an Druck nach, sodass Eyr´n ein Stück nach vorne flog und dann drückte sie wieder. „Nicht schon wiedeeeeeerrrrr......“ Eyr´n fällt wieder einmal die Klippe hinab.

„Warum sind hier überall Sackgassen?“ Verwundert tastete Kampana die hell erleuchtete, ockerfarbene Wand ab. „Also wieder zurück.“ Auf dem Absatz umgedreht ging Kampana zurück. Jetzt hatte sie Zeit genug sich näher umzuschauen. Wand, nach oben gewölbte Decke und Boden waren allesamt Ockerfarben und bestanden aus trockenem Lehm. Ihre Unebenheit war ein genauso schlechter Anhaltspunkt wie sonst etwas. Alles ähnelte sich hier unten. Doch Kampana nahm sich fest vor Pfeile in die Wand zu ritzen sobald sie an eine Abzweigung oder Kreuzung kam. Bisher war dies nicht der Fall gewesen. Der lange Gang, der in schier bis ins Unendliche in Schwärze endete machte sie doch nervös. „Was wenn ich hier unten gefangen bin weil sich die Wände verschieben? Was wenn ich an der eingestürzten Wand schon vorbei bin?“ dachte Kampana und lief schneller. Schließlich rannte sie vor lauter Panik. Der Gang ging immer nur gerade aus. Doch dann tat er eine Biegung und Kampana war sich sicher, dass sie noch nie eine Biegung gegangen war. So rannte sie schneller... und an der eingestürzten Wand vorbei. „Ah...“ sie stoppte und ging wieder langsamer. „Puh, da war sie ja. Hatte schon Angst, ich hätte mich verlaufen und müsste hier unten sterben.“ So sprach Kampana zu sich selbst und machte sich wieder Mut. Doch ihr ganzer Mut verflog als sie sich entschied an einer Kreuzung weiter gerade aus zu laufen und auf eine Sackgasse mit vielen Spinnweben stieß. „Das darf doch nicht wahr sein.“ Jammerte sie und sank auf die Knie. Sie hatte die Fackel fallen lassen und verbarg das Gesicht in den Händen. „Denk an die Magie...“ Tyras Gesicht erschien vor Kampanas innerem Auge. „Natürlich die Magie. Wie konnte ich das nur vergessen? Hier unten ist alles voll davon. Alles kleine Flüsse die mich zur Quelle führen können.“ Sie ergriff wieder die Fackel und stand auf. Das Feuer drohte zu erlöschen und das Licht zuckte unruhig hin und her. Kampana streifte mit der Hand einmal über die Flamme, sodass diese wieder aufflammte und neues Licht spendete. Dann ging sie zurück zur Kreuzung. Alle Gänge wurden gemustert, dann stellte sich das Mädchen genau in die Mitte und schloss die Augen. Sie musste sich konzentrieren. „Viele kleine Flüsse... eine große Quelle... Flüsse...“ Ihre Gedanken wurden ruhig, schwammen gleichmäßig im Fluss der großen Magie. Kampana sah die Gänge ohne die Augen zu öffnen. Weiße, silbern schimmernde Fäden verliefen auf dem Boden und gingen je in einen Gang. Dort blieben sie nicht am Boden, sondern suchten sich ihren eigenen Weg über Wände, Boden und Decke. Ein Faden leuchtete heller als die anderen. „Nach links!“ Kampana gab sich selbst Befehle und beeilte sich der Quelle näher zu kommen. So bemerkte sie nicht die schlitzigen Augen, die sie gerade erspäht hatten und ihr folgten.

Tyra wurde immer mehr eins mit dem Meer. Jetzt verstand sie warum man den Namen Ozeana überhaupt vergeben konnte. Ein Mensch, der sich wie das Meer verhielt musste wahrlich gottgleich sein, so wie eine Graue Älteste ebenfalls eine Göttin war. Vollkommen in ihren Gedanken und Tagträumerrein versunken, bemerkte Tyra nicht, dass sich da eine fremde Gestalt näherte. Es war eine alte Frau in grau-schwarzen Lumpen. Ihre Hände und Füße waren einbandagiert. Es hatte sie viel Kraft gekostet vom Fischerdorf hier herauf zu kommen. Langsam ging sie auf Tyra zu. „Verzeihung. Dürfte ich mich setzten?“ Tyra zuckte zusammen und sah sich zu der Fremden um. Ihr Gesicht war unter der tief herunter gezogenen Kapuze nur schwer zu erkennen. „Ich bin alt und kann im Moment nicht weiter, my Lady.“ Tyra nickte schweigend. Sie verfolgte genau wie die Alte sich neben sie setzte und nach Luft rang. Als die alte Frau Tyras neugierige Blicke auffing lächelte sie. „Ich habe geahnt, dass ihr kommt, ehrenwerte Leibgarde. Aber ich vermisse jemanden.“ Die Fremde streifte die Kapuze ab und suchte nach der fehlenden Person. „Sie meinen Eyr´n, oder? Ein Mann mit braunen strupeligen Haaren und einem Umhang.“ „Eyr´n heißt der Dieb also, so, so.“ Tyra war überrascht. Diese Frau wusste mehr als sie geahnt hatte. „Es geht ihm sicher gut, macht euch keine Sorgen.“ Tyra schaute wieder aufs Meer. „Ich verstehe, dass Ihr mir nicht traut. Das ist verständlich. Erst einmal sollte ich mich vorstellen. Ich bin Everose Henning. Ich kann Visionen deuten und hervorrufen. Ich lebe unten im alten Fischerdorf aus dem die erste Graue Älteste genannt Ozeana hervorging.“ Tyra horchte auf. Langsam wurde es für sie interessant. „Jetzt verstehe ich. Ihr habt uns in einer Vision gesehen.“ „Eine? Pf, es waren etliche und dazu noch alle verschieden. Was habt ihr in der Vergangenheit getan, dass sich das Schicksal ständig ändern musste?“ „...“ „Verzeiht, es war nicht meine Absicht euch zu kränken.“ „Vergesst einfach was ihr gerade eben von euch gegeben habt.“ Die alte Frau neigte ehrfürchtig das Haupt. „Lasst mich euch eine Geschichte erzählen. Das Schicksal meinte, ihr könntet sie gebrauchen.“ Tyra hob fragend die Augenbrauen. „Wenn ihr es wünscht werde ich euch von Ozeana berichten!“

Noch immer folgte sie der Magie. Doch der Hauptfluss wurde immer breiter und Kampana wurde es so ermöglicht immer leichter den rechten Weg ausfindig zu machen. „Gleich... gleich hab ich´s gepackt.“ Sie lief schon lange nicht mehr. Die Wände, Biegungen und Kreuzungen flogen nur noch an ihr vorbei. Voller Vorfreude rannte Kampana durch das Labyrinth, ungeachtet ihrer erloschenen Fackel. Die Magie, die sie nun deutlich sehen konnte spendete genug Licht. Als sie wieder an eine Abzweigung kam erloschen die Flüsse. Nur der Hauptfluss blieb bestehen. Leichtfüßig folgte sie ihm und kam schon bald in eine sehr große Kammer. Man sah ihm sofort die große Wichtigkeit an denn alles war aus Silber. Wände, Decke und Boden blendeten sie für einen Augenblick. „Was...?“ Was sie da sah, hatte sie nicht erwartet, überhaupt nicht. Die Göttinenkammer war vollkommen leer. „Was? Wo? Aber wieso? Hier müsste doch...? Hatte Ozeana keine...?“ Kampana rannte in auf die Mitte zu. Immer und immer wieder drehte sie sich. „Nichts... gar nichts... Das darf nicht wahr sein!“ Wütend rannte Kampana an den Wänden der Kammer entlang und strich mit einer Hand prüfend darüber. „Niemals! Sie haben der ersten Grauen Ältesten Ehre erwiesen! Haufenweise! Das ist ein Trick, das muss einer sein! Aber wo... wo ist er Eingang?“ Kampana war wieder einmal an der hinteren Wand angekommen und sackte dort nun zusammen. „Och nöööö“ Ein lautes, schlangenähnliches Zischen ließ sie aufschauen. Kampana stand der Mund offen und sie versuchte auf zu stehen. Doch immer und immer wieder rutschte sie die glatte Wand wieder herunter. Wieder zischte es und Kampana schaffte es endlich auf die Beine zu kommen. „Gefällt dir nicht was du hier siehst.“ „A.. ada... a... ei.. ei... eine Schlange!!!!“ Aus Furcht schreiend rannte Kampana die Wand entlang. Hin, zurück, hin, zurück... und immer so weiter, hätte die Schlange nicht ein weiteres Mal laut gezischt und wäre aus dem Schatten heraus geschlängelt. „Bitte friss mich nicht.“ Kampana flehte mit Worten und Blicken. „Bitte, bitte.“ „Was seid ihr Menschen doch töricht. Ihr habt jeglichen Respekt vor höher gestellten verloren.“ Langsam durchquerte das Wesen mit der gespaltenen Zunge den Raum. „Du.. du bist die große Schlange von vorhin.“ Mit auf und ab zitternder Hand deutete das Mädchen auf das übernatürlich große Tier. „Höher gestellt sagst du? Du bist nicht höher, nur größer und so groß nun auch wieder nicht!“ Mit einer geschmeidigen Bewegung hatte die Schlange die Kammer durchquert und beugte nun den Kopf zu dem gerade eben hingeplumpsten Mädchen. „Größer als du denkst!“ zischte sie „Wähle deine Worte in Zukunft mit Bedacht, es könnten deine Letzten sein!“ „Bitte friss mich nicht.“ Kampana hatte die Arme schützend über ihren Kopf gelegt. „Oh Menschenkind, das hatten wir doch bereits...“ Die Schlange schüttelte ihren übergroßen Kopf. Als sie wieder hinunter sah, war da nichts mehr. „Wo...? Wo ist sie hin?“ Ihr Schwanz zuckte unruhig. „Tschüßii“ Kampana winkte der Schlange vom Labyrinthausgang bzw. –eingang aus zu und in ihrer Stimme lag Angst. Das Tier drehte sich herum und funkelte das Mädchen böse an. Kampana erschrak, drehte sich sofort um und rannte so schnell ihre Beine sie trugen. Plötzlich blieb sie stehen und rannte anschließend zurück. „Hey! Hey du, Schlange!“ Die Gerufene blieb wie versteinert stehen. Gerade eben wollte sie dem flüchtenden Mädchen folgen, jetzt kam diese zurück. „Du weißt bestimmt wo der Schatz ist. Sag es mir schnell, damit ich noch genug Vorsprung zum Weglaufen habe.“ Die Schlange zischte mehrmals. Ungläubig gaffte sie dieses grünhaarige Wesen an, welches eindeutig für verrückt erklärt werden sollte, falls das nicht schon jemand getan hatte. „Wie kannst du es wagen, mich eine Hohe...!!!“ Weiter kam sie nicht. Vor Wut hatte sie mit dem Schwanzende weit ausgeholt und ihn gegen die Wand geschleudert. Ein nicht kleiner Riss bahnte seinen Weg zur Decke. Dort bildete sich eine Art Kreis und ein nicht zu verachtendes Stück Silber fiel herunter. Direkt auf den Kopf der Schlange, der durch das Gewicht zu Boden gepresst wurde. „Au.“ Lachte Kampana auf. Doch als auch über ihr kleine Steine fielen verstummte sie. „Oh, oh.“ Die hintere Wand zersprang, als wäre sie von einem starken Geschoss getroffen worden. Kampanas Gesicht wurde erhellt und sie musste blinzeln. Dort hinten lag der Schatz. Der Schatz von Ozeana. Die Verehrungsgaben türmten sich. Gold, Silber, Diamanten und andere Gegenstände von großem Wert waren auf einander gestapelt worden. Kampana verschlug es die Sprache. Die Schlange hingegen versuchte sich von dem Stein auf ihrem Kopf zu befreien und warf ihren Schwanz wütend hin und her. Ein paar handgroße Steine fielen direkt über Kampana herunter. Als sie jeweils einer am Kopf traf ertönte ein schnelles: „Au.“ Auf den Ersten folgte ein Zweiter und Dritter. Dann reichte es ihr und sie versuchte sich in Sicherheit zu bringen. „Mir reichts, raus hier!“ sprach sie mehr zu sich als zu der wütend um sich schlagenden Schlange. Sie trippelte nervös hin und her und entschied sich dann für die Richtung aus der sie gekommen war. Zeit zum Konzentrieren hatte sie nicht, also ließ sie sich einfach von ihrem Gefühl leiten. Alle Götter dieser Welt mussten ihr jetzt helfen und ihr göttliche Eingebungen verschaffen. Kampana rannte blind mal rechts, mal links, mal gerade aus. Der Boden unter ihr erbebte. Wenn sie sich nicht beeilte, war sie bald ein Teil dieses Gesteins und würde niemals wieder auferstehen. Diese Angst verlieh ihr noch mehr Kraft und sie spurtete noch schneller. Als sie einen runden, hellen Kreis am Ende ausmachen konnte, mobilisierte sie noch einmal all ihre Kräfte. Sie sprang nach vorn. Dann hielt sie sich am oberen Rand des Loches fest, schwang sich nach oben und ließ los. Im Flug drehte sie sich schnell um. Gekonnt landete sie auf dem steilen Abhang. Sie lächelte und schaute nach oben. Da oben war Tyras Aura, sie spürte es ganz genau. Mit Händen und Füßen lief sie vorwärts. Als sie genug Schwung hatte, stieß sie sich mit den Händen ab und rannte den Abhang hoch. Hinter sich hörte sie heftiges Atmen. „Man, konntest du mich nicht vor diesem Loch warnen?“ Eyr´n lief zu ihrer Rechten. „Welches....? Oh je, bist du etwa hineingefallen?“ Kampana konnte nicht anders, sie musste laut loslachen und verlor so beinahe den Halt. „Woah“ „Ja, lach du nur... und fall doch gleich noch da runter, wenn’s Recht ist.“ Kampana kam ins Trudeln und riss Eyr´n mit um. Sie rutschten ein ganz Stück wieder nach unten bis Eyr´n endlich mit einer Hand halt fand, Kampana an der anderen. Diese nahm die Hand wieder vom Gesicht und schaute schnur gerade wieder ins Loch. Direkt vor ihr stürzte der Tunnel ein und sie erschrak. Nun war vor ihr nur noch Fels. Kampana schaute zu Eyr´n hoch. „Das Loch mein ich...“ „... Können wir jetzt wieder hoch?“ flehte sie. Erst seufzte Eyr´n dann nickte er. Mit aller Kraft zog er das Mädchen auf seine Höhe und legte ihre Hand in einen Spalt. Er versicherte sich erst, dass sie nicht runter fiel, erst dann machte er sich an den Aufstieg. Kampana folgte ihm. Als vier Hände am Klippenrand erschienen ließ Tyra von der alten Frau ab. Ein grüner Schopf erschien und schon hievte sich Kampana über den Rand. Die alte Frau starrte auf das Mädchen. Als auch noch Eyr´n erschien, stand ihr der Mund offen. Kampana sprang auf. Dann half sie Eyr´n auf und klopfte sich selbst schnell ab. „Haben wir was verpasst?“ Die alte Frau schaute von einem zum anderen als sie alle anstarrten. „Könnten sie fortfahren? Ich habe ein ungutes Gefühl, was diesen Ort hier betrifft.“ Die alte Frau war vollkommen sprachlos, fand aber schnell ihre Stimme wieder: „Alles was ich euch jetzt erzähle ist nichts als die Wahrheit. Genau so und nicht anders lief es vor 100 Jahren ab als die erste Grau Älteste die Welt rettete.“

Stille Nacht tauchte das Fischerdorf in Dunkelheit. Hier kannte jeder jeden. Und so war es nicht verwunderlich, dass alle Dorfbewohner vor einem ganz bestimmten Haus standen und auf die Geburt eines Kindes warteten. Unruhige Blicke wurden schon lange nicht mehr umher geworfen, dafür warteten sie jetzt schon zu lange. Noch immer kündigte sich kein Kind an, obwohl es die Göttin des Meeres vorausgesagt hatte. Die Tür öffnete sich lautlos. Nicht alle Dorfbewohner bemerkten sofort, dass das Neugeborene direkt vor ihnen in den Armen des Ältesten lag. Neugierige Blicke betrachteten das schlafende Kind. Der Älteste hob es hoch über seinen Kopf und rief in die aufgewühlte Menge. „Es ist da! Das Kind der Göttin Ozeana! Huldigt der, dessen Schicksal durch die Götter schon lange vorbestimmt war!“ Es war weniger ein Befehl als ein Ausruf. Doch alle Bürger fielen auf die Knie und verbeugten sich vor dem Schicksalskind. „Ozeana, sieh, dieses prächtige Kind, welches du uns geschenkt hast. Sein weibliches Geschlecht sehen wir als Zeichen deiner Ehre und Schutz an. Lass seine Taten von Gotteshand geleitet sein.“ Unruhig erwachte das kleine Mädchen, strampelte und fing dann an zu schreien. „Hört! Die Göttin gibt uns ein Zeichen!“ Noch immer schrie die Kleine, als wollte die Göttin dieses Zeichen nie verklingen lassen. Hinter dem Ältesten kam eine Amme herbei gerannt. Glucksend nahm sie ihm das Kind ab. „Alter Narr. Es hat doch nur Hunger.“ Der Mann errötete und trat hastig bei Seite.

Die Jahre vergingen. Ozeana entwickelte sich zu einer Schönheit, die dem Meer gebührte. Ihre Stimme war lieblich und sanft. Ihre Augen so weit und dunkel wie das Meer und ihr Haar war mint-grün und seidig lang. Viele junge Männer wandten sich nach ihr um. Doch das interessierte sie alles nicht. Es gab nur einen Menschen, dem sie sich anvertraute. Und das war ihr Sandkastenfreund Juan Henning. Mit ihm ging sie durch dick und dünn. Mit ihm betrat sie dunkle Gassen und angsteinflößende Höllen. Niemand sonst mochte sie so sehr wegen ihrer Art, da mischte sich sonst immer viel zu viel Schönheit mit ein. Aber Juan war anders. Er hatte schon früher einen starken Beschützerinstinkt gehabt, den er jetzt voll und ganz ausleben konnte. Ihre Freundschaft schien noch älter als die Zeit zu sein. Von der Treue ganz zu schweigen. Doch es war bisher nie mehr als Freundschaft gewesen. Juan war deswegen etwas enttäuscht, Ozeana hingegen gar nicht. Ihr gefiel es, so wie es war. Eines Tages war sie einfach verschwunden, so ein Verhalten hatte Ozeana vorher noch nie gezeigt. Juan ging Ortsauswerts als er sie im Dorf nicht fand. Lange rief er ihren Namen und durchstreifte die Hügel der Ebene, die direkt an die Klippen grenzten. Der junge Mann war unermüdlich und so fand er sie schließlich. Lächelnd wandte sie sich ihm zu. Ihre seidigen Haare flogen um sie herum. Ihre Augen glitzerten wie das Meer in der aufgehenden Sonne. Juan stockte es der Atem. Er blieb stehen und betrachtete diese Frau, deren Schönheit er schon so lange kannte, aber im Moment nicht glaubte, dass sie von dieser Welt war. Dann rannte er auf sie zu, zog sie an sich und drückte seine Lippen auf ihre. Ozeanas Augen flackerten auf vor Leidenschaft, aber sie erwiderte nicht. Als er von ihr abließ hielt er sie noch immer an den Oberarmen fest. Etwas stimmte nicht. Sein harter Blick traf Ozeana mitten ins Herz und sie senkte den Blick. Keiner der Beiden sagte etwas. Ozeana war es, die die Stille brach. „Es tut mir leid.“ Juan neigte den Kopf um ihr in die Augen sehen zu können. Sie schaute zurück. Ihre Augen glitzerten wieder, dieses Mal aber nicht vor Freude. „Was tut dir leid?“ fragte Juan als sie sich auf die Lippe biss. „Ich kann nicht bei dir bleiben. Mein Schicksal ruft mich. Die Göttin des Meeres fordert nun meine Taten als ihre Namensverwandte. Ich... muss meine Reise nun beginnen.“ „Wa-? Wie können es die Götter wagen! Sollen sie ihre Arbeiten doch selber erledigen!“ Ozeana schloss ängstlich die Augen. Tränen liefen ihr nun endlich über die Wangen. Juan tobte vor Zorn. „Komm wir gehen zum Ältesten. Er wird wissen was zu tun ist.“ Sagte er etwas ruhiger beim Anblick ihrer Tränen. Ozeana schüttelte heftig den Kopf. „Ich werde ihrem Willen folgen. Wenn ich es nicht tue... dann wird der Welt großes Unheil widerfahren.“ „Woher willst du ihren Willen denn überhaupt wissen?“ Ozeana schaute zurück an die Stelle, wo sie vorher noch gestanden hatte. „Sie hat mich zu sich gerufen. Ich war im Götterreich, ich hab sie gesehen.“ Ozeana hob die Hände ans Gesicht und verbarg sich dahinter. Juan hatte Mitleid. „Es tut mir leid. Ich hätte nicht so böse werden dürfen.“ Mit diesen Worten nahm er sie in die Arme. Ozeana legte ihren Kopf an seine Brust. „Wenn du es wünscht, werde ich dich ziehen lassen. Ich werde auch hier warten, ganz wie es dir beliebt. Ich werde warten...“

Und so geschah es. Ozeana verließ das Dorf und ihren meistgeliebten Menschen. Viele, viele Jahre streifte sie durch das Land um ihre inneren und äußeren Kräfte zu formen und zu stärken. Nach zehn Jahren kam sie wieder zurück. Sie war nun 29 Jahre alt und erwartete schon gar nicht mehr, dass Juan auf sie wartete. Nach ihm erkundigen konnte sie sich anfangs nicht, dafür war der Trubel den die Dorfbewohner und der Älteste machten viel zu groß. „Habt ihr getan, was ich euch aufgetragen habe?“ „Ja, Herrin. Es wird alles zu eurer vollsten Zufriedenheit sein. Die Barrikaden wurden aufgestellt und doppelt gesichert. Die Männer sind geschult in verschiedenen Waffen und körperlich gestärkt. Frauen und Kinder wurden in das nächste Dorf gebracht.“ „Sehr gut.“ Sagte sie leise zu dem Mann, der langsam aber sich immer älter wurde und bald seinen Posten aufgeben musste. Ihre ruhigen Augen musterten ihn lange. Viele wandten sich diesem Blick ab. Doch dieser Mensch besaß die Weisheit und das Alter dies nicht zu tun. Als Ozeana lächelte und sein Haus verließ hatte sie endlich Zeit nach Juan zu fragen. Die Dorfbewohner starrten sie an und tuschelten. Die erste Graue Älteste nahm dieses Geste als schlechtes Omen hin. So fragte sie nicht weiter und ging strikt auf das Meer hinaus. Seichte Wellen umschlangen ihre Knöchel. Ihr blau-grünes Kleid schwamm lange hinter ihr her. Viele Menschen standen hinter ihr und den Barrikaden, mehr Menschen als das Dorf zählte. Unterstützung hatten sie genug. Doch Ozeana bezweifelte, dass Menschenkraft hier ausreichte. Plötzlich drehte der Wind. Ozeanas langes seidiges Haar flog zurück. Ohne Angst blieb sie wie ein Fels in der Brandung stehen, kniff nicht einmal die Augen zusammen um sie vor dem starken Wind zu schützen. Eine riesige Welle kam auf sie zu. Ozeana schloss die Augen und seufzte. „Juan... wo bist du?“ dachte sie. Schnell richtete sie ihren Blick auf die herandonnernde Gefahr. Ihr Haar flog nach oben, ihre Haut ergraute. Auf ihrer Stirn malte sich das alte Zeichen des Meeres. Ihr langes Kleid kürzte sich wie von selbst und ging ihr nun nur noch bis über die Knie. Die Träger verengten sich und um ihre Taille legte sich der weiche Stoff wie eine zweite Haut. Genau in der Mitte ihrer Brust tat sich ein Riss auf. Nur ein einzelnes Band hielt die Enden zusammen und zeigten nur die Haut, die auch gesehen werden sollte. Auch ihr Bauchnabel war nun zu erkennen. Kurz unter ihm stoppte er. Auch hier malte sich das Zeichen des Meeres ab. Mystische Zeichen verliefen über ihre Arme und bedeckten ihre Hände bis zu den Fingerspitzen. Langsam legte Ozeana den Kopf zurück. Ihr Haar kürzte sich auf Schulterlänge und graue Strähnen durchzogen es. Ozeanas Schuhe, die sie vorher noch im Wasser getragen hatten, waren verschwunden. Wasser sprudelte unter ihren Füßen und hob sie auf die Oberfläche. Ozeana sah wieder nach vorn. Leichten Schrittes ging sie auf die Wand aus Wasser zu. Bei jedem Schritt kräuselte sich leicht das Wasser. In ihrer Hand erschien ein langer Stab mit einer Mondsichel am oberen Ende. Am unteren war eine silberne Kugel befestigt worden, die nun die Umgebung erstrahlen ließ. Ozeana drehte den Stab in ihrer Hand hin und her. Sie wechselte zur anderen und streckte den Fuß vor. Dann nahm sie den Stab am Ende und drehte sich mit ihm. Wieder schloss sie die Augen. Ihre grazilen Bewegungen zeugten von Können und Training. Jetzt bewegte sie sich langsam. Dafür drehte sich die Mundsichel nun um sich selbst. Als sie immer schneller wurde, konnte man bald einen Mond erkennen. Ozeana ließ sich Zeit. Sternenschauer wirbelten hinter ihrem Stab hinterher. Langsam drehte sie ihn über dem Kopf. Dann hielt sie ihn wieder quer vor sich und begann ihn wieder zu drehen. Die Wand war nun gefährlich nah. Ozeana war immer weiter auf sie zugegangen. „Ich werde euch beschützen...“ Ihre Gedanken erfüllten ihren Kopf. „Ich werde euch alle beschützen...“ Sie wechselte wieder die Hand. „Niemand wird hier mehr leiden müssen...“ Ihre Malereien auf der Haut leuchteten Grau auf. „Ich werde es hier draußen erledigen, damit ihr nicht kämpfen müsst.“ Ihr Haar wogte im mystischen Wind ihrer Kraft. Sie tanzte den Tanz der Befreiung. Ozeana ließ sich von den Göttern leiten. Die Welle brach über ihr zusammen. Das Wasser kam immer näher auf sie herunter. Ozeana drehte sich mit geschlossen Augen dieser Naturkatastrophe zu. Ein großer schwarzer Schatten beugte sich über sie. Plötzlich öffnete die Frau wieder ihre Augen und hielt den Stab quer über ihr von sich weg. Eine Schutzbarriere drückte die Wassermassen von ihr weg. Mit aller Kraft stemmte sie sich dagegen. Ozeana biss die Zähne zusammen. Dieses schwarze Wesen in der Welle war sehr stark, stärker als sie gedacht hätte. Ein schriller Schrei der Bestie ließ ihre Barriere vibrieren. „Ich gebe nicht auf...“ „Wir geben nicht auf!“ Ein zweiter Gedanke ließ sie über die Schulter schauen. Juan stand knietief im Wasser und drückte mit ihr den Stab gegen die Wassermassen. Ozeana sah ihn erstaunt an. „Juan...“ Ihre Gedanken hallten in ihrem Kopf wider und alles verschwand in hellem Licht.

Ozeana öffnete wieder die Augen. Sie hatte die Arme vor der Brust zum Beten in einander gelegt. Was war geschehen? Ozeanas Blick schweifte umher. Niemand war zu sehen. Doch was war dieser Schatten direkt vor ihr. „Ich habe doch gesagt, dass ich warte.“ Ein Lächeln zierte Juans Gesicht. Voller Scham drehte sich Ozeana von ihm weg, ihre Hände noch immer gefaltet. „Bleib hier... sieh dich an. Du bist selber nackt.“ Juan legte seine Arme von hinten um seine Geliebte. Ozeana ließ es geschehen. „Wo warst du? Warum warst du nicht im Dorf?“ „Ich habe trainiert. Kraft und Magie schlummerten schon lange in mir, nun sind sie erwacht und ich kann dir helfen bei...“ „Nein!“ Juan drückte sie fester an sich. „Es ist okay. Ich habe die ganze Zeit nur auf deine Rückkehr gewartet. Für dich werde ich auch sterben. Ich glaube die Göttin, deren Namen du trägst, will das auch so. Sonst hätte ich nie die Gabe der Magie in mir entdeckt.“ Über Ozeanas Gesicht liefen Tränen und sie schloss die Augen. „Weine nicht, Geliebte. Denkst du die Dunkelheit wird zurückweichen nur weil du weinst?“ Die Frau zuckte zusammen. Langsam öffnete sie die Hände, legte sie auf seine starken Arme und schmiegte sich an ihn. Alle Tränen waren versiegt. Das Licht um sie herum wurde stärker und verschluckte wieder einmal alles.



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