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Nicht aus Stein

Der Kardinal und das Mädchen
von

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Vorahnungen

In den nächsten Wochen war Richelieu mehr zuhause als Marie gedacht hatte. Nachdem Rochefort nach Mouhlhausen aufgebrochen war, um Informationen über den Marquis Maffei herauszufinden, war Richelieu nur noch vormittags im Palast Seiner Majestät zu gegen.

Marie überlegte, wie er es so aushielt. Immerhin bekam er auch sehr viele Informationen von dort. Doch ihr Liebster beruhigte sie. Er hätte genügend Informanten im Palast, die ihn auf dem Laufenden hielten. Man würde ihn außerdem sowieso nicht vermissen. Zwar sank der Stern des ersten Ministers, doch das hielt den König noch lange nicht davon ab, ihm weiterhin sein Vertrauen zu schenken. Man musste als weiterhin Gerüchte verstreuen.

Marie fand diese Gerüchte teilweise zum Schreien komisch. Kurz nach dem Aufbrechen Rocheforts in den Elsass unterhielt sie sich lautstark mit Richelieu über den Compte Beaufort und seine Gattin. Der Compte würde wohl angeblich Orgien treiben, während seine arme Gattin doch nebenan sitzen und sticken würde. Mittlerweile war das Gerücht in ganz Paris verbreitet und hat die wildesten Ausmaße angenommen. So würde der Compte es nun mit der eigenen Schwester und der Tochter seines Bruders treiben und seine Frau hätte sich wohl für ein Benediktinerinnenkloster in den Ardennen entschieden. Jedoch müsste sie zur Aufnahme wohl doch noch den Vorsteher überreden, was ihr ob ihrer Verklemmungen sehr schwer fiele.
 

Als Marie das Gerücht zum ersten Mal zu Ohren bekam, musste sie laut auflachen. Die Köchin Curée, die es ihr ahnungslos erzählte, war völlig verwirrt gewesen ob der Reaktion ihrer Herrin.

Und auch Richelieu musste mehrmals nach Luft schnappen, als Marie es ihm erzählte. Nie hätte er gedacht, dass es so glatt laufen würde. Kaum war das Gerücht öffentlich geworden, musste der Compte den Hof verlassen und auch seine Gattin wurde von den Kaffeerunden der Königin ausgeschlossen. Doch durch die Wildheit des Gerüchts mussten sie nun auch schon die Stadt verlassen und hatten sich auf ihr Schloss in der Provence zurückgezogen.

Und so zog sich die Schlinge immer enger, um den Hals des ersten Ministers.
 

Es war der sechste März als Richelieu in seinem Arbeitszimmer saß mit Marie auf seinem Schoß.

„Sag mir, wenn ich die zu schwer werde!“, meinte Marie beiläufig, als sie ein Buch von ihm in die Hände bekam und es durchblätterte. Es war voller Zahlen. Das Finanzbuch.

„Keine Sorge, ich bin ja nun nicht aus Zucker gemacht.“

„Nun, aber aus Stein bist nun auch nicht. Sind das die aktuellen Finanzen?“

„Ja.“ Richelieu schaute von einer Depesche auf. Seit kurzem beschäftigte sich sein Engel mit dem privaten Finanzhaushalt. Es war erstaunlich, wie schnell sie es begriffen hatte. Täglich gab sie ihm nun einen Zettel mit den aktuellen Tagesausgaben, die er dann in das Buch eintrug.

„Hast du heute noch nichts eingetragen?“, fragte sie.

„Nein, wenn du magst, kannst du es gerne tun.“, lächelte er.

Marie stand auf, nahm sich die zweite Feder die auf dem Arbeitstisch von Richelieu lag und tauchte sie fein säuberlich in die Tinte, bevor sie mit einem leichten Krächzen die Zahlen niederschrieb.

Richelieu streckte sich. Sie saßen nun schon gute drei Stunde hier, Marie hatte sich wieder von seinem Schoß erhoben. Er sah Depeschen durch und sie suchte weiter nach guten Gerüchten, die sie aufschrieb. Da Maries Freundin die Comptesse Sophie du Marseillié durch ihren Mann teilweise über Gerüchte informiert war, war es für Marie kein Hindernis von weiteren interessanten Informationen zu berichten.
 

„Au!“

Richelieu sprang auf und eilte zu seinem Engel.

„Was hast du? Tut dir was weh? Ist es soweit?“

„Nein. Mir geht es gut. Und das Kleine wird erst in gut zehn Wochen kommen. Kein Sorge!“

„Aber du hast dir doch was getan, sonst hättest du wohl kaum aufgerufen.“

Marie ging um den Tisch herum und auf ihren Liebsten zu.

„Mir geht es gut. Das Kleine hat nur in die falsche Richtung getreten.“

Richelieu strich ihr über den stetig wachsenden Bauch.

„Doch ein Junge. Aber hörst du, du darfst deine Maman nicht allzu sehr ärgern.“

Er schloss dir Arme um seine Liebste, hauchte ihr einen zarten Kuss auf die Lippen, den Marie nur allzu gerne erwiderte, bevor das Ungebornen sie erneut trat.

„Au, jetzt ist aber mal Ruhe!“

Richelieu lächelte. Er war sich nicht sicher, ob sich der Arzt nicht vielleicht im Monat geirrt hatte. Anscheinend hatte es sein Kind sehr eilig auf die Welt zukommen. Er zog Marie vom Schreibtisch weg hinüber zum Sofa, das in der Ecke stand. Er legte ein Bein gegen die Lehne, das andere stand auf dem Boden, sodass Marie sich bequem an ihn lehnen konnte.

Sie strich weiterhin über ihren Bauch, um ihr Kind zu beruhigen. Sie spürte, dass es ihm zwar gut ging, ihm jedoch irgendetwas nicht passte. Der Arzt hatte beim letzten Besuch allerdings auch gesagt, dass das Kind irgendwann seine Lage ändern würde. Das es das jedoch mit soviel Boxen und Treten tat, war ihr gar nicht in den Sinn bekommen. Anscheinend aber hatte es wieder eine passendere Lage gefunden, denn es hielt still. Marie atmete erleichtert auf.

„Ist es wieder ruhig?“, fragte Richelieu.

„Ja, und ich bin nicht böse drum.“

„Haben wir denn nun schon einen Namen?“

Marie schüttelte den Kopf. Sie hatten zwar vor kurzem über Namen gesprochen, aber in dem ganzen Trubel der letzten Tage, war das ganze wieder völlig untergegangen.

„Hast du denn eine Idee?“, sie wand den Kopf ein wenig, um ihren Gatten anzuschauen.

„Bei einem Jungen würde ich gerne zumindest einen Namen von mir mit bei haben.“

„Dann aber Armand. Jean heißt jeder zweite Junge in ganz Paris.“, lachte sie, „ Und noch irgendeinen Vorschlag?“

„Hm, im Moment nicht, nein. Oder hast du noch einen?“

„Nun ja, ich würde ihm gerne den Namen meines Vaters geben.“

„Und wie hieß er?“

„Luc!“

„Ein schöner Name. Dann wird er eben Luc Armand heißen. Nach seinem Großvater und seinem Vater.“, grinste Richelieu. Es war eine beschlossene Sache, denn Marie nickte.

„Und bei einem Mädchen?“, fragte sie nun.

„Wie hieß denn deine Mutter?“

.Charlotte Und deine?“

„Susanne.“

„Charlotte Susanne. Was denkst du?“

„Der Namen klingt komisch.“

„Was ist mit Alexandrine?“

„Alexandrine Charlotte?“

„Charlotte Alexandrine.“

„Ja, das klingt schön. Dann lassen wir es dabei. Entweder Luc Armand oder Charlotte Alexandrine.“
 

Marie schaute an die Decke. Zu gerne wüsste sie, wie es jetzt im Palais Mirabelle aussah. Ob das Kinderzimmer schon fertig war und ihr eigener kleiner Salon. Sie seufzte tief.

„Was hast du?“, Richelieu schaute sie leicht besorgt an.

„Nichts. Ich dachte nur an unser Mirabelle. Wie es jetzt wohl ausschaut. Zu gerne würde ich es wieder sehen. Könnten wir nicht wieder einmal hin fahren?“

Marie richtete sich auf, sodass sie ihren Geliebten besser sah. Doch sein Gesichtsausdruck war nicht gerade der positivste. Im Gegenteil: Er schaute sogar ziemlich böse drein, Marie konnte sich seine Antwort schon denken.

„Also nein?“

Richelieu schüttelte den Kopf.

„Nicht einmal für drei Tage?“

Wiederum erfuhr sie nur ein Kopfschütteln, was Marie veranlasste, auf den Boden zu schauen.

„Und warum nicht?“

„Erstens wegen dir und zweitens wegen der Arbeit!“

„Aha. Aber mir und dem Kind geht es gut!“

„Die Arbeit, Liebes!“

Marie stand auf, ging ein paar Schritte, bevor sie weiter leise nachhakte:

„Es sind doch schon soviel Intrigen und Gerüchte momentan im Umlauf. Was willst du denn noch tun? Mir fällt schon nichts mehr ein ob der Kreativität des Hauspersonals. Die Gerüchte verselbständigen sich so dermaßen, wie du es dir nie hättest besser wünschen können.“

Richelieu schaute sie an.

„Marie, ich werde kaum etwas erfahren, wenn ich auf dem Land weile. Es ist für mich schon unerträglich genug, dass Rochefort immer noch nicht aus dem Elsass zurück ist.“

Marie wurde gereizter, und ging unruhig hin und her. Ihre Schritte schepperten geradezu auf dem Parkettboden. Es war nervtötend für sie, hier zu verweilen. Natürlich hatte sie ihren Liebsten hier. Aber trotz allem fiel ihr die Decke fast nun schon stündlich auf den Kopf. Mit einem Ruck drehte sie sich zu Richelieu um, der immer noch auf dem Sofa lümmelte.

„Schreib Rochefort eine Depesche und sag ihm, wo wir uns in den nächsten drei bis vier Tagen aufhalten werden. Dann weiß er, wohin er seine Nachrichten zu senden hat oder wohin er selbst reiten muss.“

Richelieu stöhnte auf. Ihm war schon zu Beginn der Diskussion bewusst gewesen, dass sich Marie nicht so leicht mit einer einfachen Antwort abspeisen lassen würde. Im Grunde hatte er nicht einmal selbst Lust, sich mit ihrem Sturkopf auseinander zu setzen. Nachgeben wäre sicher die einfachste Möglichkeit, seine Gattin zufrieden zu stellen. Erneut, aber resignierend stöhnte er auf, rieb sich die Stirn, schwang die Beine wieder auf den Boden und ging zu ihr.

Sanft strich er ihr ein paar Strähnen aus dem Gesicht, küsste sanft ihre Stirn.

„Also gut, mein Liebling. Wenn es dein Wunsch ist, so werden wir morgen Vormittag aufbrechen nach Mirabelle. Einverstanden?“

Marie schaute ihn an. Ein Lächeln huscht über ihr Gesicht, aber sie brach nicht wie sonst in überschäumende Freude aus. Sie gab lediglich Richelieu einen sanften Kuss auf die Wange und entschuldigte sich dann mit den Worten, zusammen mit Michelle packen zu wollen.

Richelieu ließ sie ziehen. Wahrscheinlich würde die Freude erst heute Abend kommen oder morgen während der Fahrt. Entspannt und froh, dem Streit fast gänzlich aus dem Weg gegangen zu sein, begab er sich wieder an seinen Schreibtisch und schrieb an Rochefort über die bevorstehende Kurzreise.
 

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Schweigend hatte sich Marie zu Bett begeben. Schon den ganzen Nachmittag über war sie immer stiller geworden, sodass es Richelieu beinahe schon mit der Angst zu tun bekam. Vorsichtig schob er sich an sie im Bett heran, strich ihr durch das lockige Haar.

„Ist alles in Ordnung mein Engel?“

Marie nickte.

„Du bist so schweigsam. Was hast du nur?“

Marie rollte sich von der Seite auf den Rücken und schaute ihren Liebsten an.

„Vielleicht…“

„Vielleicht?“

„Vielleicht hattest du Recht wegen der Reise. Vielleicht sollten wir hier bleiben. Im sicheren Paris.“

Richelieu setzte sich auf. Schon wieder einer ihrer Sinneswandel;

“Aber wie kommst du denn nun darauf?“

„Na wegen dem Kind.“

„Marie?!“

Sie wich seinem Blick aus.

„Marie, der Arzt kommt doch mit. Sonst hätte ich dem Unternehmen wohl kaum zugestimmt.“

„Aber deine Arbeit!“

„Die kann ich auch in Mirabelle machen.“

„Und die Intrigen!“

„Die können, wie du bereits heute Nachmittag eindringlich mir versichert hast, warten. Schließlich sind im Moment genug im Umlauf.“

Marie holte Luft, doch ihr fiel kein Argument mehr ein.

„Sag mir, was hast du?“, Richelieu sah sie eindringlich an.

„Nichts.“, sie wandte den Blick erneut aus.

„Marie Valerie Duplessis de Richelieu!“

« Ich ahne nur etwas. »

„Was ?“

„Das etwas Schlimmes passieren wird.“

„Was sollte denn Schlimmes passieren?“, er runzelte die Stirn.

„Ich weiß es nicht. Aber ich habe das Gefühl, das irgendetwas uns auseinander reißen wird. Vielleicht nicht heute oder morgen oder die nächsten Tage und Wochen, aber es wird kommen.“

Zärtlich zog Richelieu seinen Engel an sich, strich ihr über den Rücken.

„Nichts wird passieren. Nie wird uns etwas trennen können.“

Marie schwieg. Sie betete dafür, dass er Recht haben möge, bevor sie einschlief.
 

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Die Kutsche ratterte die von Kies bedeckte Auffahrt zum Schloss Mirabelle hinauf. Gespannt lehnte sich Marie aus dem Fenster und strahlte über das ganze Gesicht.

„Schau nur, schau! Da kann man es das erste Mal sehen.“

Richelieu lachte auf, sie war so aufgeregt wie ein kleines Kind.

„So schau doch. Die Fassade wurde neu gestrichen. Strahlendes Weiß!“

Richelieu beugte sich nun auch raus und was er sah, verschlug ihm fast die Sprache. Das alte Jagdschloss, das vor ein paar Wochen noch recht trostlos von außen gewirkt hatte, strahlte nun. Wenn es nun schon so von außen aussah, wie mochte es dann nun drinnen aussehen? Lediglich der kleine Salon und das Schlafzimmer von ihm und Marie waren schon fertig gewesen beim ersten und letzten Besuch. Nun konnte es auch Richelieu nicht mehr erwarten, endlich da zu sein.

Selbst die anfangs unbändige Wildnis links und rechts der Auffahrt schien nun schon halbwegs gezähmt. Das Unkraut war zu Gunsten von bunten Frühblühern gewichen und ein paar immergrünen Sträuchern. Und dazu strahlte die Aprilsonne vom Himmel. Als die Kutsche anhielt, sprang er geradezu heraus, nur um kurz danach Marie heraus zu helfen. Beide warteten gar nicht erst auf die bereits vorhandene Dienerschaft, sondern öffneten selbst das Portal und stolperten geradezu in die Eingangshalle.

„Du meine Güte!“, entfuhr es Marie. „ Das komplette Deckengemälde wurde erneuert. Sieh nur, die kleinen filigranen Engelsfiguren.“

Richelieu folgte ihrem Blick und konnte ihr Staunen nur allzu gut verstehen. Die Farben erstrahlten in einem vollkommenen Glanz, nicht mehr so trostlos wie noch vor einigen Wochen. Mit gehobenem Kopf ging er in Richtung Freitreppe und zog seine Frau mit. Beide gingen ehrfürchtig durch die restaurierten Räume. Alle Räume strahlten durch den erneuerten weißen Stuck der Decken. Es gab neue Tapeten aus Stoff in den unterschiedlichsten Mustern von floral bis gepunktet. Marie blieb des Öfteren der Mund offen stehen.

„Man hat wirklich wunderbare Arbeit geleistet! Es ist so wunderbar und traumhaft geworden.“, schwärmte Marie.

„Am liebsten mag man gar nicht mehr hier weg.“, schmunzelte auch Richelieu.

„Nun ja…“

„Nun ja was?“, er schaute seine Liebste an, kannte ihren Blick, wenn sie etwas plante nur allzu gut.

„Das Kind kommt in gut zwei Monaten. Der König fährt doch auch demnächst auf seine Landgüter über den Sommer. Warum sollten wir das nicht auch tun.“

„Wir sind bereits auf dem Land, Engelchen!“

„Genau, und da du mittlerweile genug Leute auf deiner Seite hast, kannst du doch auch hier bleiben, sie begleiten den König und wir genießen unseren Urlaub.“

Richelieu dachte einige Augenblicke nach. Sah dabei in Maries Augen, die sie anblickten wie die eines Hundewelpen. Vielleicht war es wirklich eine gute Idee.

„Och bitte!“

„Ja, du hast wohl recht. Ein paar Tage Urlaub könnten uns durchaus gut tun. Bleiben wir hier. Ich schreib nur eine Depesche an den Compte du Marseillié. Er wird alles weitere in die Wege leiten.“



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