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Nicht aus Stein

Der Kardinal und das Mädchen
von

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Ein kleiner Bauerhof in Mirabelle

Kapitel XX: Ein kleiner Bauernhof in Mirabelle
 

Die Wochen vergingen in ruhiger und angenehmer Weise für Richelieu, Marie und ihrem Dauergast Angelique de Bergerac. Von Zeit zu Zeit kamen Sébastien Compte du Marseillié und seine Frau Sophie herüber, wenn sie von dem König genug hatten, was aller paar Tage der Fall war.

Die Damen verbrachten die Tage im Garten, von dem sich Marie nicht mehr trennen konnte. Nahezu aller paar Stunden erkundigte sich Marie nach den Blüten und vor allem nach ihrem kleinen Nutzgarten. Die Gärtner nahmen sie gerne mit, was Richelieu dazu brachte, Marie zu sagen, dass sie wohl Gärtnerin ehrenhalber werden würde. Doch selbst das würde sie nicht stören.

Die Gärtner waren erstaunt, dass eine so elegante Dame sich um ihre Belange kümmerte und auch einmal selbst Hand anlegte, sofern es ging. Sie konnten ja nicht ahnen, dass Marie eigentlich wie sie selbst aus dem dritten Stand stammte. Woher auch?
 

Sophie Comptesse du Marseillié war jeden Besuch auf das neue entzückt von ihrem Garten.

„Wie machen das deine Gärtner nur? Meine sind nicht einmal in der Lage, die Kletterrosen in Zaum zu halten. Sie schneiden fast täglich daran herum. Ich fürchte, das wird so lange gehen, bis ich gar keine mehr habe.“, scherzte sie, als sich die Damen auf den Steinbänken niederließen, die rund um das kleine Basin mit seiner Fontaine standen.

„Ach was, ich habe einfach nur Glück gehabt. Um ehrlich zu sein, sind es nicht einmal richtige Gärtner. Sie haben einfach nur ein günstiges Händchen für Pflanzen.“, antwortete Marie, „Erst vor ein paar Tagen haben Richelieu und ich einen Spaziergang gemacht und sind dabei an einigen Gärten vorbei gekommen, von denen wir wussten, dass dort einer unserer Gärtner wohnt. Es war ein kleiner, typischer Bauerngarten. Alles wuchs wild aber gepflegt durcheinander. Einfach wunderschön.“

Marie hatte bereits stolz ihren Nutzgarten gezeigt, was Sophie zu noch mehr Staunen veranlasste. Sofort hatte sie begonnen, Marie zu überreden, ihr doch etwas von der ersten Ernte zukommen zu lassen. So würden denn auch die Kinder mit frischer Nahrung versorgt werden.

„Ich habe mir schon überlegt, vielleicht auch ein paar Nutztiere anzuschaffen. Zum Beispiel Hühner und Kaninchen. Kleine Tiere die nicht viel Pflege benötigen. Man könnte sie heranziehen und hätte so auch eine stetige Quelle für Fleisch. Nicht zu vergessen frische Hühnereier für Brot und Kuchen.“

„Marie, du wirst noch einen kleinen Bauernhof hier haben.“, lachte Angelique, doch Marie zuckte nur mit den Schultern.

„Ach was, es sollen ja keine Kühe oder Schweine hier leben. Dafür gibt es die größeren Bauernhöfe ein paar Meter die Straße hinunter.“

„Aber Angelique hat schon etwas recht. Du solltest auf jeden Fall vorher mit deinem Mann reden.“, fiel nun auch Sophie ein.

Marie nickte nur, seufzte und stand auf, um wieder einige Schritte zu gehen, worauf ihr ihre Freundinnen nach kurzer Zeit ebenfalls folgten.
 

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„Was hälst du davon, wenn wir uns einige kleine Tiere anschaffen würden?“

Richelieu schaute von seinem Buch auf. Mit so einer Frage hatte er nun heute Abend überhaupt nicht gerechnet. Es brauchte einige Zeit, bis er verstand, wovon Marie sprach.

„Wie kommst du denn nun auf diese Idee?“

„ Na wir haben doch schon den Nutzgarten. Gleich daneben ist noch genug Platz, um ein paar Hühnern und Kaninchen Platz zu schaffen. Wir würden sparen, da wir Fleisch und frische Eier praktisch selbst vor der Tür hätten. Was denkst du?“

„Nun ja… Das ist an sich keine schlechte Idee. Sehr ökonomisch, das muss ich unumwunden zu geben.“, überlegte er.

Marie lächelte. Das sollte ja wohl für das Erste genügen. Das wäre ein kleiner Denkanstoß, über den ihr Liebster nun nachdenken würde. Und sicher in ein paar Tagen würde sie ein passende und wahrscheinlich positive Antwort bekommen. Sie freute sich.

Auch Richelieu fand die Idee an sich ganz gut. Das würde doch einige Kosten einsparen, die sie später in das Kind investieren könnten. Nicht zu vergessen die Tatsache, dass ihr Kind dann auch selbst etwas bei lernen würde, wenn es mit diesem kleinen Bauernhof aufwachsen würde. Es würde in einigen Tagen Erkundigungen einholen, was man alles so benötigt, für Kleintiere.
 

„Ich werde schlafen gehen.“, seufzte Marie und hauchte Richelieu unverwandt einen Kuss auf seine Lippen, „Mach du bitte auch nicht mehr allzu lange.“

„Nein, ich möchte nur noch ein paar Depeschen beantworten, die Rochefort morgen nach Paris bringen soll. Ich bin dann gleich bei dir.“

Marie nickte und entschwand gen Schlafgemach.

„Rochefort.“, der genannte trat durch einen Geheimgang in den Salon.

„Eminenz!“, ein Diener folgte.

„Das geht morgen unverzüglich nach Paris. Und besteht darauf, dass ich sofort Antwort erhalte. Dank Sébastien weiß ich zwar, dass es dem Kardinal gesundheitlich nicht gerade sehr gut geht, aber es gibt immer noch Konkurrenz.“

„Eminenz, der Tollkirschsaft ist wohl sehr gut beim Bischof von Toulouse angeschlagen. Er hat schwere Vergiftungserscheinungen. Doch seine unfähigen Ärzte wissen nicht woher es kommen mag.“, Rochefort konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen.

„Ja wem würde da nicht der Überblick fehlen, bei diesen Unmengen die er täglich, nein stündlich vertilgt. Na umso besser für uns. Beliefern wir in weiter. Nur der Absender wird gewechselt. Man weiß ja nie, was uns die Zukunft bringen mag.“, meinte Richelieu, rieb sich die Stirn und reichte Rochefort die Depeschen. Dieser blieb weiterhin kerzengrade stehen. Richelieu schaute auf:

„Ihr könnt gehen. Oder habt Ihr noch etwas für mich brauchbares?“

„Eminenz, es geht um Madame de Bergerac.“

„Und?“

„Ich habe lange überlegt, woher ich sie kennen könnte.“

„Und?“

„Ich traf sie einmal in Amsterdam. Damals war sie noch vermählt. Noch…“

„Rochefort, lasst Euch nicht jedes Wort aus der Nase ziehen.“, in Richelieus Stimme schwang etwas Ungeduld mit. Er war müde und wollte nur schlafen.

„Ich traf sie, wie bereits gesagt, einige Zeit bevor ihr Gatte starb. Kurz nach seinem Tod ging ein fürchterliches Gerücht durch die Straßen Amsterdams. Es hieß, sie hätte ihn aus Eifersucht und Gier umgebracht. Er war sehr vermögend, hatte deswegen und seines Standes wegen am königlichen niederländischen Hof zahlreiche Affären. Was bei seinem guten Aussehen auch keine Verwunderung war. Jeder Mann wusste, dass er im Falle seines Todes sein Vermögen aufteilen würde. Sein Bruder und sein Advokat wussten davon. Als er jedoch am Ende tatsächlich starb, erbte die Bergerac alles. Plötzlich ist sie wohl dagestanden und hatte ein angeblich neues Testament in ihren Händen, welches er wohl kurz vor seinem Tode schrieb.“

„Wie starb er?“

„Das weiß keiner so genau. Er wurde eines Morgens tot im Bett von seinem Kammerdiener gefunden. Neben ihm lag seine Gattin. Angeblich arglos. Sie gab zu Protokoll, dass sie wohl nachts noch intim geworden sind, sie aber nicht bemerkt haben will, dass er irgendwann nicht mehr atmete. Man fand auch sonst keine äußerlichen Wunden an ihm. Aber sein Bruder und der Advokat fanden die Geschichte seltsam, da der Herr schon lange nicht mehr mit seiner Frau sondern nur noch mit Gespielinnen verkehrte. Sehr seltsam…und dann noch das angeblich neue Gerücht. Kaum hatte die Madame zudem ihr Geld erhalten, das Gerücht hatte sich schon bis zum Hof verbreitet, verschwand sie. Bis heute. Findet Eure Eminenz das nicht seltsam?“

Das war durchaus seltsam. Doch wusste Richelieu dadurch immer noch nicht, woher er sie kennen sollte. Aber für Nachforschungen war es alle Male genug.

„Ich danke Euch. Ihr wisst, was Ihr zu tun habt. Heute Nacht ist sie wohl beim Ball Seiner Majestät auf dessen Landschloss. Sie wird für morgen Abend oder für übermorgen in der Früh erwartet. Beeilt Euch bis dahin wieder aus Paris zurück zu sein. Und kein Ton zu meiner Frau. Verstanden?!“

Rochefort nickt, tat einen leichten Diener und ging seiner Wege.
 

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Als Madame de Bergerac wieder zurück war vom Königshofe, stand sie unter ständiger und möglichst unauffälliger Überwachung durch Rochefort. Richelieu musste seine Gattin ein wenig manipulieren, doch er fand dafür passende Entschuldigungen.

„Liebling, wenn du deinen kleinen Bauernhof haben möchtest, möchte ich mich persönlich darum kümmern. Und solange ich nicht in deiner Nähe sein kann, soll Rochefort auf dich aufpassen.“, er hauchte ihr einen Kuss auf die Stirn.

„Aber ich habe doch Angelique.“, war der erste Protest den er von Marie zu hören bekam, „Sie kann mir sofort helfen, wenn etwas mit dem Kind ist.“

„Ja das weiß ich wohl. Doch mir geht es darum, wenn etwas anderes ist. Wenn du fallen solltest oder sonst was. Ich glaube nicht, dass Angelique in der Lage sein wird, dich ins Schloss zu tragen oder spontan mit einem Degen oder Florett umgehen kann.“

Das leuchtete Marie ein und sie stimmte, wenn auch leicht widerwillig zu. Richelieu legte seine Köder wieder einmal so aus, dass keiner etwas ahnte. Selbst Madame de Bergerac nicht.

„Nun denn. Wann gedenkst du die Tiere anzuschaffen?“, unterbrach Marie seinen Gedankenfluss.

„Oh, ich denke dass ich mich bereits heute Nachmittag einmal in der Nachbarschaft umsehen werde. Vielleicht kann ich bereits ein paar gute Angebote aushandeln.“

Marie nickte, nahm sich noch etwas von den Blätterteigteilchen. In den letzten Tagen hatte sie wieder einen unbändigen Appetit entwickelt. Richelieu nahm das mit Wohlwollen zur Kenntnis. Wenn sein Engel gut aß, war, wie der Doktor meinte, alles in bester Ordnung.

„Wo ist Madame de Bergerac?“, er schaute von seinem Frühstück auf.

„So schläft noch. Ich bat Michelle, sie zu wecken, wegen des Frühstückes. Aber sie meinte, dass sich Angelique leicht unwohl fühle. Am Hofe geht wohl momentan eine kleine Verkühlung rum, und sie möchte mich wegen des Kindes nicht anstecken.“

„Ah ja.“

„Hast du ihr immer noch nichts Persönlicheres angeboten? Du nennst sie immer noch Madame, nie bei ihrem Vornamen.“

„Ich habe eben noch nicht die Gelegenheit gehabt, sie näher kennenzulernen. Wie dir sicher nicht entgangen sein wird, habe ich hier auch zu tun. Jeden Tag kommen Depeschen, die beantwortet werden sollen, nein müssen. Und am bei den Mahlzeiten genieße ich es lieber, deinen Erzählungen eurer Freizeit zu lauschen, anstatt ewig bei ihr nachzuhaken. Also sieh es mir nach mein Engel!“, sanft nahm er Maries Hand und hauchte einen Kuss auf dessen Rücken.

Marie nickte liebevoll. Sie wusste selbst, dass ihr gemeinsamer Urlaub nicht so ausfiel, wie sie es gedacht hatte. Richelieu musste trotz allem arbeiten. Auch wenn es nicht mehr von früh bis spät war. Gewöhnlich stand er um kurz nach Sieben Uhr auf, um liegengebliebene Depeschen zu beantworten. Wenn er fertig war, meistens dauerte es nur gute anderthalb bis zwei Stunden, weckte er sanft Marie und sie begaben sich zum Petit Déjeuner, bei dem auch Angelique zu denen meisten Zeiten zugegen war.

Anschließend kümmerte sich Marie in Gegenwart von ihrer Freundin um ihren Garten, erfragte Neuigkeiten bei den Gärtnern und ging spazieren.

Während dieser Zeit durchschaute Richelieu weitere Depeschen, zeichnete Verträge ab, die vom Königshof kamen und plante die nächsten Monate.

Nach Mittag entspannten sie für gewöhnlich ein wenig auf der Terrasse oder im Garten am Basin, bevor Richelieu seinem neuen Landgut und den dort lebenden Menschen Stippvisiten

abstattete. Es kam des Öfteren vor, das er Vermittler, Seelsorger und Richter spielen musste. Der König war weit weg, und für die Menschen in der Umgebung von Mirabelle war er der einzige Adelige, der sich um ihre Belange kümmern konnte und es auch wollte. Sie waren ihm mehr als dankbar.

Am Abend nahmen sie gemeinsam das Dîner ein und anschließend unterhielten sie sich noch.

Marie genoss die Tage sichtlich. Solange sie ihren Liebsten fast ständig um sich haben durfte, war sie zufrieden.
 

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Zum Mittag war Angelique wieder zu gegen. Sie entschuldigte sich allerdings:

„Verzeih mir meine liebe Marie, aber es wird wohl besser sein, wenn wir nicht unbedingt nebeneinander sitzen und du wirst es mir doch hoffentlich ebenfalls verzeihen, wenn ich auch den heutigen Nachmittag nicht mit dir so arg verbringe.“

„Das ist vollkommen in Ordnung. Vielleicht kannst du ja auf der Terrasse lesen, zeichnen oder sticken. Ich würde mich im Garten betätigen.“

„Das ist wirklich nett von dir.“

„Dann wärst du ja für heute Nachmittag bestens versorgt, mein Engel.“, ergänzte Richelieu, während er an seinem Bordeaux nippte, „Rochefort ist ebenfalls da. Ich hoffe, es stört Euch nicht Madame?!“

„Nein, ganz und gar nicht Eminenz. Wenn etwas passiert, würde ich es mir nie verzeihen, alleine gewesen zu sein mit Marie. Vier Hände sind immer besser als zwei.“

Richelieu nickt, tupfte sich die Lippen ab und erhob sich.

„Du gehst schon?“

„Ja, einer der Angestellten hat mir erzählt, dass ein Bauer aus dem Dorf ein paar junge Kaninchen hat, die er gerne verkaufen möchte. Ich will sie mir ansehen.“

„Oh, tut das. Es wird Zeit, dass in die leeren Gehege Leben einzieht. Die dazugehörenden Ställe sind ja auch schon fertig.“

„Genau deswegen. Ich denke, ich werde in ein paar Stunden zurück sein.“, er wendete sich Madame de Bergerac zu, „Madame, wenn etwas passieren sollte, ist Rochefort instruiert. Er wird Paul schicken, um mich zu informieren.“

„Ja Eminenz.“, Angelique nickte höflich.

Richelieu beugte sich zu Marie, gab ihr einen sanften Kuss und verabschiedete Angelique mit einem angedeuteten Handkuss.
 

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Richelieu ritt entspannt die Straße ins Dorf hinab. Er liebte es, entspannt wieder ausreiten zu können. Was er nun fast jeden Tag tat. Die Luft war nicht so dreckig wie in der Stadt und er musste zugeben, dass er das seit seinem Verlassen aus den heimatlichen Gefilden vor beinahe elf Jahren vermisst hatte.

Sein Pferd Neapolitano genoss es ebenfalls, über weiche Straßen zu traben anstatt über das holprige Pflaster der Pariser Straßen. Keine Hektik, kein Geschrei das den Hengst aus der Ruhe bringen konnte.

Richelieu braucht lediglich eine gute halbe Stunde bis ins Dorf, wo er schon sehr gut bekannt war. Man schätzte ihn und es gab kaum ein Tag, an dem er nicht beschenkt wurde. Meistens durch Blumen oder kleinen süßen Backwaren.

Kaum hatte er das Dorf erreicht, wurde er auch schon gegrüßt. Des Öfteren gab er den Kindern seinen Hengst an die Hand, während er durch das Dorf schritt. So wie auch heute wieder einmal.

„Christopher, nimm bitte Neapolitano und gib ihm etwas Wasser. Es ist sehr warm heute und wird sind den ganzen Weg hierher getrabt.“, Richelieu gab dem Jungen, der noch keine dreizehn Jahre zählte, drei Livre.

„Eminenz, ich danke Eurer Eminenz. Ich werde mich sofort um Euren Hengst kümmern.“, der Junge war vollkommen aus dem Häuschen. Es war bekannt, dass Richelieu jedem etwas gab, der sich um seinen wertvollen Hengst kümmerte. Heute traf es ihn.

„Schon gut, Christopher. Kein Grund sich hier und jetzt im Kreis zu drehen vor Freude. Ich weiß, dass du gute Arbeit verrichtest. Aber beantworte mir eine Frage.“

„Ich werde es versuchen, Eure Eminenz.“

„Wo finde ich den Bauern namens Mourie?“

„Eure Eminenz brauchen nur die Straße ein Stück weiter runter gehen. Es ist das einzige Haus mit einem Storchnest auf dem Scheunendach. Eminenz können es gar nicht verfehlen.“

„Ich danke dir.“, Richelieu strich dem verdutzten Jungen über den Kopf und ging dann in die beschriebene Richtung.
 

Er erreichte das Haus schneller, als er es gedacht hätte. Vor dem niedrigen Zaun samt von Rosenwinden umrankten Torbogen blieb er stehen:

„Monsieur Mourie? Monsieur Mourie, sind sie da?“

„Einen Moment, ich komme sofort!“

Anständig wartete Richelieu vor dem Zaun. Soviel Anstand musste ja sein. Ihm wäre es auch nicht recht, wenn jemand einfach so sein Grundstück betreten würde. Und da war Richelieu auch der Standesunterschied egal. Es dauerte ja auch nicht lange, bis Monsieur Mourie erschien. Er wurde sogar noch etwas schneller, als er erkannte, welcher Herr da vor seinem Zaun wartete.

„Verzeiht mir Eminenz, dass ich Euch hab warten lassen. Hätte ich es gewusst, wer mich da verlangt, glaubt mir Eminenz, ich wäre schneller gewesen.“, unaufhörlich verneigte sich der kleine, etwas dicke Mann, der wohl gerade die Fünfzig überschritten hatte, „Nicole, Nicole so sieh doch, wer uns heute beehrt.“

Auf das Geschrei des kleinen Mannes eilte eine ebenso kleine und rundliche Frau über den kleinen Hof und hielt erstaunt inne beim Anblick Richelieus.

„Eminenz, welch Ehre. Was führt sie zu uns?“, und an ihren Mann gewandt, „Claude, so lass ihn doch herein. Seine Eminenz steht immer noch auf der Straße.“

„Oh natürlich. Sehr wohl.“

Claude Mourie tat wie geheißen, öffnete das Tor und Richelieu trat ein auf den Hof. Er war leicht amüsiert über das plötzlich geschäftige Treiben, dass diese beiden Menschen an den Tag legten bei seinem Anblick.

„Nehmen Eure Eminenz doch bitte Platz. Wir bitten unsere bescheidene Bleibe und die Möbel zu entschuldigen.“, Nicole Mourie knickste unaufhörlich und bot Richelieu einen Platz auf einer kleiner hölzernen Gartenbank an. Claude Mourie brachte indessen seinen laut eigener Aussage besten Wein.

„Oh, ich finde es doch sehr beschaulich. Sie haben einen wirklich schönen Hof. Meiner Gattin würden die bunten Blumen sicher große Freude bereiten.“, erwiderte Richelieu freundlich.

„Wenn Eminenz wünschen, würde ich Eurer Gemahlin gerne einen Blumenstrauß zukommen lassen. Wir haben selbst genug der Pracht.“

„Das wäre überaus freundlich, Madame Mourie.“, er nahm einen Schluck des Landweines.

„Was führt Eure Eminenz zu uns?“, erkundigte sich nun auch Claude Mourie.

„Mir kam zu Ohren, dass Ihr einige Kaninchen habt, die ihr gerne verkaufen möchtet.“

„Ja, das stimmt.“

„Ich würde ihnen gerne einige Tiere abkaufen. Wenn möglich ein paar entwöhnte Jungtiere und einen Rammler sowie eine Häsin.“

„Wollen Eminenz eine Zucht aufmachen?“, lächelte Nicole.

„Nein, nicht direkt. Meine Frau würde gerne so etwas wie einen kleinen Bauernhof betreiben. Wir haben bereits einen Nutzgarten mit Obst und Gemüse und nun hätte sie eben gerne auch ein paar Kleintiere.“

„Oh, das ist wirklich reizend.“

„Natürlich haben wir Kaninchen. Reichlich sogar. Man kommt kaum noch hinterher, neue Stallungen zu bauen. Und soviel Kaninchen kann man nicht essen.“, lachte Claude.

„Das heißt, ich könnte einige Eurer Tiere erwerben?“

„Ich schenke sie Eurer Eminenz.“

„Oh, nein Monsieur Mourie. Ich werde selbstverständlich dafür zahlen. So wie es ein jeder tun würde, der Eure Tiere erwirbt.“

„Aber Eminenz sind…“, entfuhr es nun auch Nicole.

„Kein Aber, Madame. Ich werde dafür bezahlen. Reichen Fünfzig Livre?“

Dem Ehepaar Mourie stand der Mund offen. Mit soviel Geld hätten sie nicht gerechnet. Für sie war das ein kleines Vermögen. Noch nie hatte jemand soviel Geld für ihre Tiere gezahlt.

„Das ist viel zu viel, Eminenz.“, erwiderte Claude nach ein paar Sekunden tonlos.

„Nun ja, ich würde ja auch alle Jungtiere nehmen und dazu zwei Zuchttiere.“

„Na gut.“, nickte Nicole. Sie war etwas geschäftstüchtiger.

„Könnt Ihr mir die Tiere in den nächsten zwei Tagen zukommen lassen?“, erkundigte sic Richelieu.

„Natürlich.“

„Gut, dann wäre es das auch schon.“, er holte ein ledernes Säckchen heraus und legte es auf den Gartentisch, holte die Fünfzig Livre heraus. „Kennt Ihr Jemanden im Dorf, der mir eventuell ein paar Hühner verkaufen würde?“

Richelieu erhob sich.

„Ja, Louis und Claire Fuisette.“, erwiderte Claude.

„Gut, ich vertraue auf Sie, Monsieur.“, er legte einen weiteren Ledersack auf den Tisch, „Gebt das Monsieur Fuisette. Es sollte für zwanzig Tiere reichen. Bringt sie mir zusammen mit Euren Kaninchen.“

„Sehr gerne Eminenz.“, Claude tat einen tiefen Diener.

„Ich danke Euch für die Gastfreundschaft. Wir werden uns in zwei Tagen sehen, Monsieur.“

Richelieu deutete einen Handkuss bei Nicole Mourie an, nickte ihrem Mann zu und entschwand hinaus auf die Straße, während das immer noch verdutzte Ehepaar zurück blieb, unfassbar über die so eben erhaltene Summe.
 

Richelieu ging die Straße zurück zu Christopher und holte sein frisch gestärktes Pferd ab.

„War er brav?“, erkundigte er sich.

„Ja Eminenz. Darf ich Eure Eminenz um einen Gefallen bitten?“

„Ja was denn?“, Richelieu ging etwas in die Knie, um auf halber Augenhöhe mit dem Jungen zu sein.

„Meine Hündin hat Welpen bekommen. Zwei Stück, aber ich darf nur einen behalten, sagt mein Vater. Ich soll mich darum kümmern, dass der andere ein gutes Zuhause bekommt.“

„Und ich soll mit deinem Vater reden, damit du ihn behalten darfst?“

„Nein, das nicht Eure Eminenz. Ich weiß ja, dass wir nicht drei Hunde durchfüttern können. Aber im Dorf hat jeder einen Hund oder mehr. Ich wollte Eure Eminenz fragen, ob Eure Eminenz nicht einen Hund gebrauchen könnten?!“

„Na ich weiß nicht. Was ist es denn für einer?“

„Warten Sie!“, Christopher drückte ihm die Zügel für Neapolitano wieder in die Hand und stürmte auf den Hof seiner Eltern. Es dauerte keine zwei Minuten, da war er wieder da. Mit einem jungen Hund auf dem Arm.

„Das ist er. Vielleicht neun Wochen alt und er heißt Cupido. Seine Mutter ist ein Border-Collie und sein Vater ein Deutscher Schäferhund.“

„Ah ja. Ein schönes Tier. Mit einem sehr kuriosen Namen, dass muss ich sagen. Nun gut, ich nehme ihn mit.“, er kramte nach ein paar Livres.

„Oh nein, Eminenz. Ich schenke ihn Euch. Ich möchte ihn nur ab und an besuchen kommen. Das wäre mir Lohn genug.“

Richelieu war erstaunt:

„Nun gut, von mir aus. Dann so.“

Er sattelte auf, ließ sich den jungen Rüden reichen.

„Dann auf Wiedersehen Christopher!“

„Auf Wiedersehen, Eminenz!“, rief dieser ihm fröhlich zu.
 

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Richelieu kam am Nachmittag wieder auf seinem Gut an.

„Marie, schau wen ich für dich habe!“

Marie drehte sich von ihren Blumenbeeten ab und auch Angelique schaute auf von ihrer Stickereien.

„Oh mein Gott, wie niedlich!“, sofort nahm sie den jungen Hund in ihre Arme, „Wie heißt der denn?“

„Cupido. Ein Junge hat ihn mir geschenkt. Als Lohn möchte er ihn nur ab und an sehen.“

Marie verliebte sich sofort in das Tier. Sie tätschelte ihn, während sie zur Terrasse ging und ihn ihrer Freundin vorstellte. Richelieu erzählte ihnen von seinen Einkäufen und das bald die Tiere eintreffen würden.
 

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Zwei Tage später war es tatsächlich so weit. Die Tiere zogen in ihre neuen Gehege. Die Mouries hatten nicht zu viel versprochen. Sie hatten die schönsten und kräftigsten Tiere ausgesucht, ebenso die Fuisettes. Die Hühner und der eine Hahn waren ganz prächtig.

Marie war den ganzen Tag mit Cupido nicht von ihren neuen Schützlingen abzubringen, selbst die kleine Vesper nahmen alle an den Gehegen ein.

Richelieu war glücklich, dass er Marie eine Freude machen konnte.

Nichts ahnend, dass das Glück bald vorbei sein könnte auf die schrecklichste Weise, die es geben konnte.



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