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The Redwood Sanctuary

von

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~**~**~~~***

Es wurde kühler. Die Sonne hatte ihren Weg beendet und fing an hinter den Bergen zu versinken. Zum Abschied hatte sie dem Himmel wunderschöne Rottöne verpasst, die in allen Farben leuchteten und auf einen schönen Abend hinwiesen. Eine Schar Vögel genoss ihren letzten Flug für diesen Abend, während andere Tiere sich auf ihre Jagd vorbereiteten. Ein sanfter Wind wehte― ließ laubgrüne Blätter rascheln.
 

Ein Schatten huschte geschwind durch die einzelnen Bäume. Er lief so schnell er konnte; japsend, hechelnd, ohne Pause. Die Äste peitschten ins Gesicht. Was passierte hier? Wieso rannte sie eigentlich? Sie war eine Wölfin! Eine stolze Jägerin des Waldes! Sie sollte jagen—doch es schien umgekehrt zu sein. Das Blatt hatte sich gewendet. Die Zeiten hatten sich geändert. Jetzt waren Wölfe nicht mehr die Jäger, sondern die Gejagten.
 

...War die Zeit der Wölfe wirklich vorbei? Musste es denn jetzt schon zu Ende gehen? Das konnte nicht sein!
 

„Anima, warte!“
 

Diese Worte trafen sie hart. ...Sie sollte warten? Warten? Wenn es doch um Leben oder Tod ging? Nein! Sie konnte nicht warten. Es ging hier um das Überleben ihres Rudels! Warten konnte sie nicht. Sie würde es nicht. Sie konnte es einfach nicht zulassen! Es ging um einen Wettlauf mit der Zeit. Sie mussten es zum Bau schaffen bevor sie sie erreichen konnten.
 

Wer? Die Menschen. Während sie rannte, wurde ihr Blick hart. Die größten Feinde eines Wolfes- eines jeden Tieres. Was wollten die Menschen damit erreichen, die Wölfe zu töten? Wo sie ihnen doch halfen, indem sie die schwachen und verletzten Tiere entsorgten und somit die Gesundheitspolizei der Natur waren.
 

Sie knurrte. Mann war gefährlich. Sie töteten die Wölfe nur, weil sie nicht wollten, dass diese ihnen die anderen Tiere vor der Nase wegschnappten. Sie wollten nicht teilen. Die Ältesten ihres Rudels befürchteten in den kommenden Jahren eine Ausrottung ihrer Rasse.
 

‚So ein Quatsch! Die Wölfe werden nicht ausgerottet! Wir leben hier schon seit Jahren! Wir leben so lange hier wie die Menschen; wenn nicht schon länger! Es wird nie eine Zeit ohne Wölfe geben.’
 

„Anima“, rief die gleiche Stimme wie vorher. Doch sie klang diesmal verärgert, wenn zugleich auch etwas ängstlich.
 

Leicht irritiert warf sie ihren Kopf nach hinten und beäugte den neben-ihr-laufenden Wolf. Er hatte rotbraun schimmerndes Fell, zur Hälfte am Bauch und Pfoten beige. Sie konnte nicht anders, als zu denken, dass er ihrer Mutter sehr ähnlich sah. Doch diese Gedanken, brachten schmerzvollere hervor. Sie schüttelte ihren Kopf, um sie aus ihrem Kopf zu verscheuchen.
 

„Arun, bitte, wir dürfen keine Zeit verlieren“, sagte sie streng.
 

Der Rüde nickte und legte einen Zahn zu. Er konnte verstehen wie sich die Grauwölfin fühlte. Sie wollte verhindern, dass ihrem Rudel etwas zustoß. Immerhin war es die einzige Familie die sie noch hatten, nachdem ihre Leiblichen ermordert worden waren... von Menschen. Er und seine ältere Schwester, Anima, kaum vier Monate alt, waren die einzig Überlebenden. Ihren Eltern war es zu verdanken, dass sie noch hier waren. Danach hatte Lenard, ein naher Familienfreund sie gefunden und in ihr jetziges Rudel gebracht.
 

Ein Schuss ertönte von weitem. Erschrocken stießen ein paar Vögel in die Luft. Weitere Schüsse ertönten und trafen die Vögel, sodass diese sogleich wieder herabfielen.
 

Ein Schuss verfehlte sein Ziel, und traf den Stamm eines Baumes, nicht weit entfernt von den Wölfen. Dieser Schuss klang in Aruns Ohren so laut, dass er schockiert aufjaulte und in seine Schwester rannte.
 

„Ah! Arun!“ Da sie immer noch im Sprint war, verlor sie ihre Balance und stolperte über ihre Vorderläufe. Mit einem Plumps fiel sie zu Boden.
 

Arun schämte sich und hielt kurz an um ihr wieder hochzuhelfen. „Tut mir leid“, murmelte er vor sich hin und legte seine spitzen Ohren an.
 

Anima funkelte ihn an. Wären ihre vor-Gefahr-warnenden Wolfssinne nicht gewesen, hätte sie ihn angeschnauzt. Sie hob ihren Kopf und drehte ihn zur Seite. Ihre feine Nase hatte eine Witterung aufgenommen.
 

„Sie kommen.“
 

„Die Menschen?“ wimmerte er kleinlaut.
 

„Nein, die Hunde“, äußerte sie. Sie kamen näher.
 

„Hunde?“ Arun lachte verächtlich. „Mit denen können wir doch locker fertig werden!“
 

Sie schnauzte. „Nein! Anscheinend ist dein Stolz größer als deine Vernunft. Wenn wir uns mit ihnen anlegen, schaffen wir es nie frühzeitig zur Höhle! Wir haben schon genug Zeit verloren. Wir müssen sofort weiter.“
 

„Aber-“
 

Ein Knurren und ein harter Stupser ihrer Schnauze in seine Seite, ließ ihn seine Worte zurück halten und zwang ihn weiter zu rennen. Nach einigen kurzen Momenten folgte Anima ihm. Innerhalb von Sekunden hatte sie ihn aufgeholt. Gemeinsam und mit angsterfülltem Herzen und gemischten Gefühlen, machten sie sich auf dem schnellsten Weg zu ihrem Clan.
 

◊×××◊
 

„Fang mich doch!“
 

Verspielt jagten die Wolfswelpen sich nacheinander und griffen freundschaftlich ihre kleinen Geschwister und Freunde an. Um sie herum saßen mehrere Wölfe verteilt im Gras und ließen es sich am warmen Sommerabend gut gehen. Der Wind strich harmlos durch ihr Fell.
 

Ein naheliegender Grauwolf riss sein Maul auf und gähnte. Er war noch immer müde von den Ereignissen des Tages. Was sollte man auch anders erwarten, wenn man fast den ganzen Morgen nach Rotwild jagt und anschließend nach ausreißenden Welpen sucht? Jauchzend drehte er sich auf seinen Rücken und blieb entspannt liegen.
 

„Guten Abend, Schlafmütze“, begrüßte ihn lachend eine helle Stimme.
 

„Hm?“ Er sah nach oben. Eine junge weiß-graue Wölfin mit fröhlichen hellblauen Augen lächelte ihn an. „Ach, du bist es, Tayen.“
 

Tayen war die Schwester des Alpharüden Onyx, der mit seiner Gefährtin Cynthia, den Nachbarclan anführte. Da ihr Clan Bloodraven und sein eigener, Moonshadow, sich schon seit Jahren freundschaftlich sehr nahe standen, war es selbstverständlich dass das ein oder andere Rudelmitglied öfters zum Besuchen vorbeischaute.
 

Die Namen ihrer Clans klangen beide geheimnisvoll und erinnerten an viele Geschichten und Legenden, wie diese entstanden. Bloodraven war den Legenden nach ein großer dämonischer Rabe gewesen, der jeden aus Lust und Laune tötete. Bis ein Wolf diesem ein Ende machte. Um seine Stärke zu beweisen, gab er seinem Clan den Namen dieses Rabens. Jeder Wolf dieses Clans war überaus stolz und zeigt durchaus großen Mut und Stärke. Dafür hatte der andere Clan seine Stärke in Weisheit, Intelligenz und Teamfähigkeit.
 

Dieser Clan bekam seinen Namen, so wie sie dieser Geschichte entsprach: Vor hunderten von Jahren herrschte eine große Hungersnot unter den Wölfen. Es schien unendliche Tage nur zu schneien und zu Essen gab es auch kaum etwas. Da sie dieses Leid nicht länger ertragen konnten, schlossen zwei Wölfe, Moon und Shadow, einen Pakt mit dem Wolfsgott und opferten ihre Seele. Der Schnee schmolz und der Wald in dem sie waren, erblühte. Neues Leben kehrte wieder ein und die Wölfe lebten weiter. Von da an herrschte für immer Sommer, keine andere Jahreszeit trat ein, und das Vieh vermehrte scih stetig. An der Stelle, an dem sich das Wolfspaar geopfert hatte, wuchsen die Bäume in roter Farbe. Die Farbe, die symbolisierte, wie groß die Liebe zwischen Moon und Shadow und auch zu ihrem Rudel war.
 

Sie nannten den Wald Redwood. Nicht nur zwei Wölfe hatten sich dort geopfert, auch der erbitterte Kampf mit dem Dämonenraben fand genau an der gleichen Stelle statt. Moonshadow und Bloodraven verband eine gemeinsame Herkunft und bis heute eine unzertrennliche Freundschaft.
 

Zusammen verließen sie den Wald der sie beschützte und beschlossen, nur im Notfall dorthin zurück zu gehen. Sie mussten Verantwortung tragen und selbstständig werden. Nicht die Kräfte ihres Gottes auszunutzen und es sich gut gehen lassen. Der Wald war zwar das Paradies für Wölfe und gab ihnen eine neue Heimat, doch der Stolz eines Wolfes ließ es nicht zu, sich endlos lang ernähren zu lassen. Wo blieb da die Anstrengung und der Wert wenn man seine Beute gefasst hatte? Doch die Varg würden, egal wie sie entschieden, immer in Redwood willkommen sein.
 

...Seitdem sind viele Jahre vergangen. Jetzt glaubten die Wölfe nicht mehr an den Wald, oder nur nochwenige. Viele hielten die Geschichten für Legenden und Mythen.
 

„Lenard?“ Eine Schnauze stupste ihn besorgt an.
 

Ihre kühle Nase riss ihn aus seinen Gedanken. Er drehte sich um und blickte sie viel versprechend an.
 

„Alles in Ordnung?“
 

„Ja, keine Sorge“, beruhigte er sie. „Ich habe nur nachgedacht.“
 

„Ach so.“ Sie betrachtete ihn eine Weile nachdenklich, bevor sie ihren Kopf suchend umherwand.
 

„Was ist los?“
 

„Ich frage mich nur wo Amani und Arun sind“, Sorge war in ihrer weichen Stimme zu hören. „Sie hätten schon längst von ihrer Jagd zurück sein müssen.“
 

Lenard sah sie verstört an, als er diese Worte hörte. „Sie sind noch nicht zurück?“ wiederholte er. Wo waren seine jüngeren Geschwister bloß geblieben? Sie kannten diesen Ort zu gut, um sich zu verlaufen.
 

„Ich hoffe es ist ihnen nichts passiert...“ flüsterte Tayen.
 

„Vielleicht sind sie in eine Menschenfalle geraten.“
 

Die zwei Wölfe widmeten ihre Aufmerksamkeit der neuen Stimme. Auch ein paar andere Varg, blickten neugierig hin und lauschten.
 

„Night.“ Lenard knurrte. Er konnte den Timberwolf noch nie richtig leiden. Er spürte immer eine kalte Energie wenn er in seine Nähe kam, das hieß nichts Gutes. Night war sein ewiger Rivale und schon immer ein Wolf gewesen der Ärger machte. Und die Lügen, die er verbreitete, machten ihn krank. Wie die jetztige die von ihm kam.
 

Falle?“ Tayen sah den schwarz-grauen Wolf erschrocken an. Sie war nicht naiv, doch seit einiger Zeit hatte sie schon öfters Menschen im Wald rumgehen sehen. Es könnte durchaus möglich sein, dass Anima und Arun in eine Falle—
 

„Glaub ihm kein Wort, Tayen“, sagte der Grauwolf und blickte Night mit kalten Augen an. „Die zwei mögen zwar jung sein, doch sie sind intelligent genug um nicht in eine Falle zu treten.“
 

„Denkst du? Lenard, du Narr! Die Menschen treiben hier schon seit Tagen ihr Unwesen. Sie haben irgendetwas vor...“ Night schnaubte. Er bemerkte, dass die restlichen Wölfe ihnen lauschten. Sogar die Welpenkinder hatten aufgehört zu spielen und hörten gespannt zu, obwohl manche auch etwas Angst hatten. Er lächelte kalt als er Furcht in Lenards Augen las.
 

„Glaubst du wirklich, dass es hier noch länger sicher für uns sein wird? Da zählt Intelligenz nicht. Auch wenn ein Wolf schlau genug ist, könnte er in eine Falle tappen. Wieso verstecken wir uns weiterhin? Wieso zeigen wir den Menschen nicht, wer hier die Jäger sind?“
 

„Weil es einfach zu viele sind.“
 

Alle Augen richteten sich zum Eingang des Waldes. Die zwei schon vermissten Jungwölfe standen dort und keuchten nach frischer Luft. Der Lauf hatte sie alles gekostet, und nun waren sie komplett erschöpft und müde.
 

„Anima! Arun!“
 

Lenard und Tayen rannten auf sie zu und begrüßten sie freudig. Sie waren erleichtert, dass sie wohlauf waren.
 

„Dem Mond sei Dank, ihr seid nicht verletzt“, sprach Tayen und schmiegte ihren Kopf freundschaftlich an Animas.
 

„Nein“, keuchte sie. „Noch nicht.“
 

Die weißgraue Wölfin sah sie verwirrt an. „Was?“
 

„Menschen“, japste Arun. „Eine ganze Herde. Wir haben sie im Wald gesehen. Mit Hunden.“ Seine Stimme war von Angst erfüllt. „Sie kommen um uns zu holen.“
 

Das Rudel fing an unruhig zu werden. Die Welpen fingen an zu winseln und zu zittern. Ältere Wölfe versuchten sie mit sanften Gesten und Worten zu beruhigen, obwohl sie selbst auch Angst hatten.
 

„Unsinn!“ knurrte ein Wolf laut. „Das wissen wir noch nicht!“
 

„Die Wölfe sind schon immer die Feinde der Menschen gewesen und sie auch unsere. Wieso sollten sie uns nicht jagen?“ entgegnete ein anderer.
 

„Wir müssen von hier weg! Bald werden sie hier sein!“
 

„Aber wohin? Wir haben kein anderes Zuhause!“
 

„Und was ist mit unseren Welpen?“ fragte eine besorgte Mutter und kuschelte ihre Schnauze ängstlich in das Fell ihres zwei-Monate-alten Welpen. „Sie sind noch zu klein um zu wandern.“
 

„Aber wir müssen fort von hier“, meinte eine Wolf, während er leicht zu zittern anfing. „Wenn die Menschen uns kriegen ist alles vorbei.“
 

„Oh nein...“
 

Night gab ein Bellen von sich und sprang vor das Rudel. „Feiglinge!“ knurrte er. „Wo bleibt euer Wolfsstolz? Wir müssen kämpfen!“
 

Erneutes Murmeln erwachte in der Gruppe. Kämpfen? Rudelmitglieder knurrten und sprachen ihren Hass auf die Menschen aus.
 

„Beim Mond...“ sprach Tayen. Die Menge redete durcheinander, sodass man kein Wort verstand. „So viel Chaos...“
 

Ein Jungwolf, kaum älter als Anima und ihr Bruder, trat hervor. „Night hat recht! Das hier ist unser Territorium! Was wären wir für Raubtiere wenn wir nicht um unseren Wald kämpfen?“
 

„Wir haben ein Recht darauf!“ stimmte einer zu und stellte sich zu ihm. Anscheinend waren sie gute Freunde, da man sie öfters zusammen sah. Der Wolf sah seinen Freund dankbar an und nickte ihm zu.
 

Ein paar vernünftige fanden es nicht richtig. Kämpfen war keine Lösung. Es würde bloß ein Krieg ausbrechen und mehrere unschuldige Tiere wurden getötet werden.
 

„Nein!“ Ein Wolf schob sich durch das aufgeregte Rudel, bis es schließlich nach vorne drang. Man konnte ihm ansehen, dass er schon etwas älter als die meisten Wölfe war. Ohne weiteres drehte sich der Altwolf um, damit er alle sehen konnte.
 

„Wir müssen zu Redwood fliehen!“ rief er und hob stolz seinen Kopf.
 

Für einen kurzen Moment drang Stille ein.
 

„Redwood? Der sagenumwobene Wald?“ tuschelten einige leise. Die Angst der meisten kleinen Wölfe war wie weggeblasen. Sie hatten schon viele Geschichten über den heiligen Wald gehört und fragten sich nun, ob dieser Forst nun existiere oder nicht. Einige fingen an zu lachen oder zu spekulieren.
 

Night bellte. „Redwood? Unsinn!“ Er lachte. „Redwood gibt es nicht! Es ist nur eine Legende!“
 

„Was ist hier los?“ Der Alpharüde war gekommen. Dicht gefolgt von seinem Weibchen und des Betawolfs traten sie zum Rudel.
 

Die Wölfe senkten respektvoll ihren Kopf. Keiner wagte zu sprechen. Rakesh ließ seinen Blick über seinen Clan schweifen und hielt schließlich bei Anima und Arun.
 

„Nun? Sprecht.“
 

„Alpha... Soeben sahen meine Schwester und ich beim Jagen Menschen, die sich auf den Weg hierher machten. Wir brachen sofort auf um Euch schnellstens dies zu berichten.“
 

„Menschen?“ die Alphawölfin hatte einen überraschten Blick aufgesetzt. Furcht erfüllte ihr Herz, doch sie wusste, dass es jetzt kein guter Zeitpunkt war, dies zu zeigen, wo doch genug verwirren herrschte. Ihr Gefährte hatte einen ruhigen Blick und schien nachzudenken.
 

Die Unruhe des Wolfsrudels begann erneut.
 

„...Redwood...“ murmelte Anima vor sich hin, während sie langsam in ihre Gedanken versank. Sie konnte sie noch daran erinnern, dass ihre Mutter ihr und ihrem Bruder, die Sagen des Waldes erzählte.
 

„Dem Wald verdanken wir unser Leben. Es heißt, es sei ein Neuanfang für die Wölfe gewesen.“ Die Stimme ihrer Mutter hallte in ihren Ohren.
 

‚Mutter...’ Ihre goldgelben Augen füllten sich mit Trauer, als sie an die geliebte Wölfin dachte.
 

„Ich bin bei dir, mein Kind. Vergiss das nie.“
 

Anima spitzte ihre schwarzen Ohren und hob ihre hübsche Schnauze, nach oben sehend. Diese Worte klangen ganz nah. Als sei ihre Mutter irgendwo in der Nähe.
 

„Schwester?“ Arun und Lenard sahen sie besorgt an. Sie konnten spüren, wie unruhig sie war. Doch sie wussten nicht genau wieso. Vielleicht wegen der Aufregung, die Menschen würden kommen?
 

Die Augen der jungen Wölfin waren auf den Nachthimmel fixiert. Man konnte die Sterne in ihren Augen glitzern sehen. Sie hatte das Gefühl, die Sterne wollten ihr etwas sagen...
 

In ihrem Kopf begann eine merkwürdige Melodie zu spielen. Eine Wolfsmelodie, jedoch klang sie anders, als sie sie je gehört hatte. Viel sanfter, jedoch fester, stärker, weicher. Mystisch... einfach... magisch.
 

Die Sterne fingen an, sich vor ihren Augen zu verschmelzen und neu zusammen zu fügen. Schließlich sah sie Bilder die ineinander übergingen. Sie sah Bäume. Frische grüne Bäume aller Art, einen dichten Wald. Es war ein neuer Ort an dem sie war. Es schien, als wäre sie selbst ein Teil davon. Verwirrt sah sie sich um. Sie konnte die Aromen des Waldes riechen, das getaute Gras unter ihren Pfoten spüren, sowie den Wind spüren wie er durch ihr weiches Fell strich und hören, wie er um ihre Ohren sauste.
 

Was war hier los? Träumte sie etwa? Das konnte einfach nicht die Wirklichkeit sein. Aber trotz allem, war dieser Ort ihr so vertraut... so real.
 

Plötzlich wechselten die Bilder. Es kam ihr vor, als sei sie auf der Jagd und würde sogar selbst rennen. An Flüssen vorbei, durch Weiden und Felswege. Doch jetzt wollte sie anhalten. Aber ihre Beine gehorchten ihr irgendwie nicht und ließen sich nicht von ihr kontrollieren.
 

‚Was soll das?’ dachte sie erschrocken.
 

Der Wald lichtete, immer weniger Bäume kreuzten vor ihr auf. Ihre Beine führten einen Pfad entlang und blieben letztlich an einem See stehen.
 

Sie war im Herzen des Waldes gelandet.
 

‚Das gibt’s doch nicht...’ Ihre Augen weiteten sich vor Erstaunen.
 

Gab es ihn wirklich...? Den Wald von dem alle (oder jedenfalls die meisten) dachten er sei bloß der Fantasie entsprungen?
 

„Red...wood?“
 

Ein geflügeltes Federvieh landete auf einen Ast des Baumes neben ihr. „Redwood! Redwood!“ krächzte es und flog sogleich wieder davon.
 

„Es gibt ihn wirklich...!“
 

Ein Schuss drang durch die Luft.
 

Schockiert sprang Anima auf und winselte. Mit so etwas hatte sie gar nicht gerechnet. Schon gar nicht, dass es so laut war.
 

„...Ich habe mich entschlossen!“ rief Rakesh. „Wir werden nach Redwood gehen!“
 

Manche Wölfe protestierten laut.
 

„Aber Redwood gibt es gar nicht!“ sagte einer.
 

„Willst du damit sagen unsere Vorfahren lügen?“ knurrte Riona.
 

„Nein, aber—“
 

Eine Wölfin mischte sich ein. „Woher wissen wir, dass es diesen Ort gibt? Es gibt keine Beweise!“
 

„Den Wald gibt es nicht!“
 

„Redwood existiert nicht!“
 

Anima hatte genug gehört. Entschlossen schrie sie in die Menge, „Doch, es gibt ihn!“
 

Jeder sah neugierig zu ihr. Was sagte sie da? Was hatte diese Wölfin ihnen zu sagen?
 

„Woher weißt du das?“ flüsterte Arun. Er wollte nicht, dass sie sich vor dem ganzen Rudel eine Blöße gab.
 

Sie schluckte nervös, als sie die erwartenden Blicke ihrer Kameraden sah. „Ich... habe es gesehen. Gerade eben.“
 

„Jetzt kommt sie auch noch mit Visionen! Unfug!“ mischte sich Night ein. Nur selten besaß ein Wolf die Gabe, Visionen zu haben. Und schon gar nicht ein unwichtiges Wolfskind, dass noch nicht einmal sein halbes Leben gelebt hatte und keine Eltern besaß!
 

„Sei still, Night!“ Lenard knurrte ihn warnend an.
 

„Ich sah es wirklich...“ wiederholte Anima leise. Die Wege die sie gesehen hatte, kamen ihr bekannt vor.
 

Rakesh ging auf sie zu. „Wirklich, Anima?“
 

Sie nickte scheu. „Ja.“
 

„Ich glaube dir.“ Riona lächelte sie liebevoll an. „Wirst du uns hinführen? Der Weg zu Redwood wird nicht jedem gezeigt. Nur denen, die sich würdig erweisen und diese Verantwortung tragen können.“
 

„Was?! Aber-“ Arun und Lenard schnappten nach Night, bevor er noch ein weiteres Wort sagen konnte. Beleidigt schnaubte er und drehte sich von ihnen weg.
 

„W-was? Ich?“ Die Wölfin bekam Stielaugen. Sie sollte ein ganzes Rudel führen? Sie war doch noch nicht einmal vollständig erwachsen!
 

„Ich bin bei dir, mein Kind. Vergiss das nie. Keine Angst... Ich werde dir helfen, den Weg zu finden. Gehe an den Ort, an dem alles begann... Doch zuerst... Die Höhle des Weisen... Fürchte dich nicht. Ich bin bei dir.“
 

Ihre Mutter war bei ihr. Sie seufzte erleichtert und nickte. „In Ordnung.“
 

◊×××◊
 

Die beiden Clans waren bereit. Für diese Wanderung hatten die beiden Alphapaare ihrer Rudel beschlossen, sich zu einer Gruppe zusammen zu fügen und am Ende ihres Ziels, wieder zu ihren eigenen Bande zu gehen.
 

Jetzt musste alles schnell gehen. Anima würde die Wölfe zu Redwood führen. Sie hatte Angst, doch mit Hilfe ihrer Mutter, ihren Brüdern und Freunden, würde sie es schon schaffen.
 

Sie wandte einen letzten sehnsüchtigen Blick auf ihre Heimat. Dies würde das letzte Mal sein, dass sie ihr Zuhause sehen würde. Sie versuchte sich so gut wie möglich alles einzuprägen.
 

„Lebe wohl...“



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Badou
2006-11-19T10:39:40+00:00 19.11.2006 11:39
coole story! *__*
gefällt mir total x33
is gut geschrieben^^
würd mich total freuen, wenn du weiterschreiben würdest! *____*
*anfeuer* >////<
greetz dat Tôboe-chan^^


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