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Musume for a day

von

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Das unangenehme Klingeln des Weckers riss ihn aus seinem Schlaf. Stöhnend packte Andre zu seiner Linken und schmiss den Wecker zu Boden. Angenehme Stille. Noch ein paar Minuten genoss er das angenehm weiche Bett. Beinahe wäre er wieder eingeschlafen, doch dann fiel etwas Längliches auf seinen Brustkorb. Noch zu müde um sich zu erschrecken holte er seine Hand aus der Decke hervor. Kurz musste er sich an die neue Temperatur gewöhnen. Es fühlte sich in etwa an wie ein Arm.

Von Links kam ein leises Stöhnen. War seine Schwester etwa wieder zu ihm ins Bett gekrochen? Angenervt öffnete er seine Augen und schaute nicht schlecht aus der Wäsche. Neben ihm im Bett lag ein Mädchen, ungefähr 17 Jahre. Schock Nummer Eins.

Er hatte sie noch nie zuvor gesehen. Beinahe hätte er aufgeschrieen, doch konnte sich im letzten Moment noch beherrschen. Was zum Teufel machte eine Fremde in seinem Bett!? Darüber hinaus war sie offensichtlich eine Ausländerin. Sanft stupste er ihr an die Wange, doch sie schien gemütlich weiterzuschlafen. „He. Aufwachen.“ Langsam öffnete sie ihre Augen. Sie schien keineswegs verwundert ihn zu sehen, sondern im Gegenteil, lächelte ihn an. Ehe er sich versah, gab sie ihm einen Kuss auf die Nase.

Das geschah so schnell, dass er sich gar nicht wehren konnte. Er wurde knallrot und musterte seine Bettgefährtin nun mit anderen Augen. Sie hatte kurzes, rotes Haar und braune Augen, welche schlitzartig zusammen fuhren. War sie Asiatin? Die Haut bis zu ihrem Hals hinab war von einem milchigen weiß, immer noch umspielte ein lächeln ihre vollen Lippen. Ein warmes Gefühl stieg in seine Brust.

„W-Wer bist du?“ fragte er immer noch unsicher. Seine Bettgefährtin musterte ihn mit etwas verwunderten Augen, überging dann jedoch seine Frage. „Hat der Wecker schon geklingelt?“ „Der … was?“ „Der Wecker, ist schon sieben Uhr?“ „Ich .. ja.“ „Oh, dann sollten wir langsam mal aufstehen.“ Sie schrubbte sich mit den Händen das Gesicht um die Müdigkeit zu vertreiben, und schlug die Bettdecke zur Seite. „Waaaah, kalt!“

Ein weißes Nachthemd bedeckte ihre Figur. Er schaute ihr nach, wie sie in einen Nebenraum verschwand. Moment. Nebenraum? Er guckte sich um. Dies war nicht sein Zimmer! Was war hier los verdammt!?

Aus dem Nebenraum kam ein plätscherndes Geräusch. Er packte neben das Bett und holte den Wecker zum Vorschein. Obwohl er es eigentlich schon wusste, musste er es nochmals kontrollieren: auch das war nicht seiner. Dann schaute er auf die Uhrzeit. 07:15. Mist! Er kam zu spät zur Schule! Hastig stand er aus dem Bett auf und bekam eine Gänsehaut, es war wirklich kalt. Etwas hilflos schaute er sich um, dann wurde ihm bewusst, dass die Schule wohl gerade sein geringstes Problem darstellte.

Im Raum befand sich noch eine zweite Tür. Zu seiner Verwunderung ging sie problemlos auf. Er steckte seinen Kopf heraus, und es offenbarte sich ihm ein nach beiden Seiten langer Gang, mit Türen in regelmäßigen Abständen auf beiden Seiten. Langsam schloss er die Tür wieder, und dachte nach. Dies musste eindeutig ein Hotelzimmer sein.

Telefon! Sofort ging er zu seinem Bett, ergriff den Hörer auf seinem Nachttisch und wählte die Nummer von seinem Zuhause. Nummer nicht vergeben. Von seinem Freund. Nummer nicht vergeben. 112. Nummer nicht vergeben. WAS war hier los!?

Er verschränkte seine Arme vor der Brust, und fühlte etwas Weiches. Verwundert schaute er hinab, und erblickte zwei unverkennbare Hügel mitten auf seinem Brustkorb. Schock Nummer Zwei. Zögerlich betastete er sie mit seinen Händen. Sie waren echt! Ihm wurde schwindelig. Mit wackeligen Beinen setzte er sich aufs Bett, fuhr sich durchs Haar und schreckte zurück, es war lang. Auch sein Gesicht schien anders zu sein, zumindest fühlte es sich so an.

Das konnte doch alles nicht wahr sein. Er kniff sich ins Handgelenk, es war kein Traum. Ein paar Minuten saß Andre einfach nur da, ohne zu wissen was er machen sollte. Das öffnen der Badezimmertür ließ ihn aufschrecken. Ein Handtuch in der Einen, ihr Nachthemd in der anderen Hand, betrat sie das Zimmer. Andre traute seinen Augen nicht, sie war nackt.

Andre musste sich schütteln. Das konnte alles nicht wahr sein, es war beinahe wie … war er im Himmel? Zugegebenermaßen, die Situation hatte was himmlisches, aber an seinen eigenen Tod musste man sich doch erinnern, und dass der Himmel sich in einem Hotelzimmer befindet war schwierig vorzustellen.

Wieder wandte er seine Augen seiner Zimmergefährtin zu. Sie zog sich gerade frische Unterwäsche über. Okay, es kam seiner Vorstellung vom Himmel nahe, mehr als nahe.

Sie drehte sich um. „Wolltest du dich nicht duschen?“ „Oh.“ Er dachte kurz nach, dann rastete etwas ein. Duschen!
 

Er hatte Recht, sein Gesicht war wirklich anders, und was er eh schon vermutet hatte bestätigte sich, er war weiblich. Auch er war scheinbar asiatischer Herkunft, doch keinesfalls unansehnlich.

Lauwarmes Wasser prasselte auf ihn herab. Neugierig wie ein kleines Kind begann er die Entdeckungsreise seines neu erworbenen Körpers. Seine Haut war weich wie Seide. Kurz schreckte er zurück. Es fühlte sich an wie jemand Fremdes, doch gleichzeitig spürte er seine eigenen Hände auf der Haut. Seine Rippen konnte man beinahe einzeln abzählen, und unter seiner Haut befand sich eine straffe Bauchmuskulatur. Er musste grinsen. Seine Hände fuhren weiter hinab.

Ein paar Minuten später saß er erschöpft in der Dusche. Herr Gott im Himmel, hättest du mir früher gesagt wie es bei dir ausschaut, ich wäre schon längst von der nächsten Klippe gesprungen!

Seine Finger waren bereits etwas schrumpelig, also versuchte er sich mit dem eigentlichen Duschvorgang etwas zu beeilen. Als er fertig war ging es ans Abtrocknen.

Eine kurze Pause. Wieder musste er grinsen.

Das Mädchen mit dem er zusammen aufgewacht war betrat den Raum. „Du, können wir eben die Haare entfernen? Zu zweit ist das einfacher.“

Stille.

Haare?
 

Keuchend kam er aus dem Badezimmer gekrochen. Hölle! Er musste in der Hölle gelandet sein! Wo sonst galt es solche Schmerzen zu ertragen!? Seine Augen waren noch immer feucht. Wie verrückt musste man sein, um so etwas freiwillig zu machen?

Zufrieden Summend kam seine Zimmergefährtin aus dem Badezimmer.

Ein leichtes schaudern lief über seinen Rücken. Der Preis für Schönheit war brutal!

Sie begann sich einzukleiden. Er würde Frauen in dieser Sache niemals verstehen können. Man nimmt sich ne Hose und nen Shirt ausm Schrank und gut ist das. Aber ne halbe Ewigkeit sich anziehen, im Spiegel betrachten, ausziehen und wieder was neues Anziehen, das dann wieder im Spiegel betrachten um gleich darauf wieder das alte auszuprobieren war schlichtweg dumm, beinahe als ob es spaß machen würde. Innerlich musste er lachen. Spaß! Beim Anziehen!

Er stand auf und ging zu seinem Kleiderschrank. Seine Kinnlade fiel runter. Die Standardlösung war nicht vertreten, weder sah er eine schlichte Jeanshose, noch ein normales Shirt, nur aufwendige Blusen, Röcke, Kleider. Zu allererst streifte er sich frische Unterwäsche über, doch was nun? Verstohlen blickte er zu seiner Rechten. Sie war gerade dabei ein passendes Oberteil für ihren blauen Rock zu suchen. Egal was sie anzog, alles sah perfekt aus. Erst jetzt fiel ihm auf, dass sie Hausschuhe trug. Ein Name war auf ihnen eingenäht. Aya. Komischer Name. Er öffnete seine zweite Schranktür. Auf seinen Hausschuhen stand Miki.

Komischer Name.

Er probierte es mit Rock und Bluse. Innerhalb der Schranktür befand sich ein Spiegel. Das sah gar nicht mal schlecht aus. Er drehte sich ein wenig und betrachtete sich aus mehreren winkeln. Der Rock hatte was, doch irgendwie passte die Bluse nicht recht. Er zog sie wieder aus und nahm eine zweite. Das gefiel ihm besser. Doch wenn er dazu nun eine Hose anzog? Hastig zog er den Rock wieder aus, streifte die Hose über und beäugte sich kritisch im Spiegel. Auch nicht schlecht, betonte seine wohlgeformte Hüfte, doch die andere Bluse wäre da wahrscheinlich besser. Oder vielleicht doch mal ein Kleid? Schnell entledigte er sich seiner Kleidung und verlor sich um Dschungel der Kleiderkombinationen.

„Miki, du musst los.“ Erschrocken drehte er sich um, er hatte ganz vergessen dass er gar nicht alleine im Raum war. „Was? Wie los?“ Aya schaute ihn verwundert an. „Na zum Bus.“
 

„Geht es dir gut?“ Andre schaute zur Seite. Risas besorgtes Gesicht erschien vor seinen Augen. Er hatte überhaupt nicht mitgekriegt wie sie sich neben ihn gesetzt hatte. „Na klar.“ Die Worte kamen ganz automatisch über seine Lippen, klangen jedoch nicht sehr überzeugend. „Ich mache mir Sorgen. Bisher warst du vor Konzerten immer so ruhig, doch nun erscheinst du eher nervös als aufgeregt.“ „Ich … es ist nichts, wirklich.“ Er zwang sich zu einem Lächeln, Risa schien es zu beruhigen.

Eine weile lang saßen sie nebeneinander, ohne ein Wort zu wechseln. Andre schaute wieder aus dem Fenster. „Ich, glaube ich gehe dann mal wieder… Um ehrlich zu sein, ich bin so nervös wie noch nie in meinem Leben.“ Er sah ihr in die Augen. „Doch weist du was? Wenn ich einmal die Bühne betrete weiß ich, dass das alles verschwinden wird, so war es schon immer.“ Sie wartete kurz, als Andre nichts erwiderte stand sie auf, und ging in den hinteren Teil des Busses.

Andre dachte nach. Bühne? Eine Stimme dröhnte in seinen Ohren. Erschrocken fuhr er hoch und schaute sich um. Niemand war zu sehen. Na Endlich. Wieder diese Stimme, doch niemand in seiner nähe. Nun war er also schon so weit sich Stimmen einzubilden? Wie weit mochte das wohl noch gehen? Er hörte ein kichern. Hastig ließ er seinen Kopf fallen und schaute unter seinem Sitz nach. Nichts. Nun konnte sich die Stimme vor lachen kaum noch halten. Hilflos schaute er sich um, dann hatte er eine Idee. Ohne es laut auszusprechen dachte er: Wer bist du?

In seinen Gedanken erschien eine Stimme. Och schade, such doch noch was weiter, das war so lustig. Säße er auf einem Stuhl, Andre wäre hintenüber gefallen. Was machst du in meinem Kopf? – In deinem Kopf? Der gehört ja wohl immer noch mir. Kurz musste Andre nachdenken. Dann ist das also dein Körper in dem ich stecke? Wie kann das sein? Was ist passiert? – Woher soll ich das wissen? Ich bin ja froh dass du mich nun zumindest hören kannst. Aber setz mich erst mal vernünftig hin. Und zapple nicht so mit meinen Händen, das hält ja kein Mensch aus. Andre gefiel ihr Ton nicht. Deine Hände? Also ich weis ja auch nicht, aber derzeit schein ich ja wohl ganz klar derjenige zu sein der sie kontrolliert, und nicht du. – Wie du im Badezimmer ja auch bravourös unter Beweis gestellt hast. Andre wurde knallrot. Du warst dabei? Ich meine… Wieder lachte sie. Na was denkst du denn? Und so nebenbei, du musst noch einiges lernen.

„Mit wem redest du?“ Erschrocken schaute Andre auf, er hatte überhaupt nicht bemerkt wie sich jemand neben ihn gesetzt hatte. Sie hatte schulterlanges, blondes Haar, und ihr Gesicht hatte etwas Männliches an sich. Sie kaute Kaugummi. „Ich? Mit niemandem.“ „Redest du neuerdings zu dir selbst?“ „Nein!“ Sie lachte. „Die Seite von dir kannte ich noch gar nicht. Das muss doch ziemlich langweilig sein wenn dein Gesprächspartner nicht antwortet oder?“ „Ich hab doch gesagt ich rede nicht mit mir selbst. Davon abgesehen sind die Antworten lebhafter als du glaubst.“

Wie ist ihr Name? – Yossie – Was ist denn das für ein Name? – Das musst du gerade sagen, Andre. – Was hast du denn daran auszusetzen? Das ist ein ganz normaler Name. Die Stimme in seinem Kopf prustete los. Was willst du!? – Och, nichts, du solltest dich nur mal wieder auf die Frau mit dem komischen Namen konzentrieren.

Sie saß immer noch neben ihm und schaute ihn mit kritischen Augen an. Andre lachte gezwungen und kratzte sich am Nacken. „Ja, also was wolltest du?“ „Bist du sicher dass es dir gut geht? So hab ich dich ja noch nie erlebt.“ „Es geht mir gut, danke. Ich bin nur etwas nervös, das ist alles.“ Sie lächelte. „Also kriegst selbst du vor Konzerten das Muffensausen? Um ehrlich zu sein, mir geht es nicht anders. Aber erzähl es bitte nicht weiter, als Leiter sollte man ja ein Vorbild für die Anderen sein.“ „Oh, das merkt man dir gar nicht an.“ „Was? Dass ich ein Vorbild bin?“ „Nein. Ich meine, natürlich, hehe, das sieht man. Aber dass du nervös bist meine ich.“

Unvermittelt packte sie Andre an die Stirn. „Nein, du hast kein Fieber.“ „Natürlich nicht!“ antwortete er entrüstet. „Und nimm die Finger weg! Da kriegt man ja Ausschlag.“ Yossie schaute ihm tief in die Augen. „Ein Jammer dass hier im Bus keine Kameras sind. Ich habe Angst dich nie wieder so erleben zu dürfen. Was hast du heute gefrühstückt?“ „Brötchen mit…“ Yossie prustete los und hob beschwichtigend ihre Hand. „Ich will es nicht wissen! Vielleicht solltest du noch ein wenig schlafen bevor wir ankommen. Immerhin, zwanzig Minuten hast du ja noch, grob geschätzt.“ „Haha, sehr witzig.“ „Mag sein. Jedoch finde ich wirklich du solltest dich noch was schonen. Du wirst selbst am Besten wissen, wie anstrengend Konzerte sind.“ Mit diesen Worten stand sie auf und ging fort.

Verträumt schaute Andre ihr hinterher. Ich glaub sie mag mich. – Dummkopf! Sie meint mich. MICH. Wenn du in deinem Körper stecken würdest, würde sie dich keines Blickes würdigen. – Musst du so direkt sein? Das war gerade ein wunderschöner Augenblick, den du sehr erfolgreich zerstört hast. – Du hast derzeit ganz andere Probleme. Das Konzert z.B. – Was meinst du? Jetzt rastete etwas ein. Ich … Scheisse! – Treffend formuliert Shakespeare. – Was machen wir nun? – Wir? Du! Außer Kommentare abzugeben kann ich nicht viel tun. – Aber du musst doch irgendwas tun können! Sonst wird das wohl die peinlichste Situation in der ich je stecken werde. – Oh glaub mir, seitdem ich wach bin habe ich regelrecht alles versucht, was in meiner Macht steht. Wenn ich etwas tun könnte, hätte ich es schon längst getan. Falls sich also nicht doch noch irgendwas grundlegend ändert, liegt es an dir. Allein. – Andere Menschen zu beruhigen ist wohl nicht deine Stärke oder?
 

Während der letzten Minuten hatte Miki ihn über die Situation aufgeklärt. Er war Sängerin einer japanischen Casting-Gruppe, welche abgesehen von ihm noch neun weitere Mitglieder aufwies. Das hatte unter anderem zur Folge dass er, abgesehen vom Singen, auch Tanzen musste, und das nicht nur nebenher. Es war vollkommen unmöglich, er musste einen Weg finden hier wieder raus zu kommen, irgendwie. Der Bus kam zum Stillstand. Er schaute aus dem Fenster. Die Konzerthalle war größer als er dachte. Da meldete sich Miki, der eigentliche Inhaber seines Körpers, zu Wort: He, Andre. Ihre Stimme klang rauchig neblig. Was? – Hier spricht dein Gewissen. – Haha, sehr lustig. – Nein wirklich, ich bin dein Gewissen. – Und was möchte mein Gewissen mir mitteilen? – Schmeiss die Beine Hoch und versuche mit wehenden Haaren Lambada zu Tanzen. Das wird all deine Probleme lösen. – … kein Kommentar. – Vertraust du etwa nicht auf dein eigenes Gewissen? – Du BIST nicht mein Gewissen! – Verschließe deine Augen nicht vor der Wahrheit! Nur ich weiß was zu tun ist. – Sag mal hast du sie noch alle? Sie kicherte vergnügt.

Er verließ mit den anderen den Bus. Über eine Art Hintereingang betraten sie die Halle und befanden sich in einem langen, breiten Gang, mit kalten Betonwänden an beiden Seiten.

Überall standen provisorisch aufgebaute Monitore, Kisten, Rohre, Ventilatoren, es sah aus wie in einem weit vorangeschrittenem Neubau. Leute liefen hektisch von einem Raum in den nächsten, mal wild Diskutierend, mal lediglich mit einem Blatt Papier in der Hand. An den Wänden wurde das Katakombenartige Geflecht von Gängen und Räumen mittels Schildern in verschiedene Zonen unterteilt.

Yossie führte sie durch verschiedene Abzweigungen, bis sie einen Raum mit der Aufschrift „Umkleideraum Morning Musume“ betraten. Dann kam Andre eine Idee. Es wird nicht funktionieren. – Was meinst du? – dein ‚Plan’. Sich krank stellen? Lächerlich. – Wieso? – Weil unsere Gesundheit auf Konzerttouren regelmäßig beobachtet wird, das einzige was du dir unbemerkt zuziehen könntest wäre ein leichter Schnupfen. – Und reicht das nicht? Ich muss doch immerhin singen. – Na klar. ‚Hey Leute, tut uns leid aber wir müssen das Konzert absagen, die Sängerin hat sich spontan einen Schnupfen eingefangen.’ Davon abgesehen bin ich sogar mal mit 39 Fieber aufgetreten, käme also etwas komisch. – Und was soll ich dann deiner Meinung nach tun? – Zieh dich um. – Aber wenn ich auftrete bin ich im Arsch! – Vor jedem Konzert machen wir noch mal eine Probe. Wenn du dich dort so verkaufst wie ich es denke, könnte man dir deine ich-bin-krank-Nummer sogar abnehmen. – Und wenn ich die Wahrheit sage? – Super Idee, nicht mal Captain Blaubär auf Drogen würde dir die Geschichte abkaufen. – Ist ja gut, ich vertraue dir. – Du hättest deinem Gewissen schon früher vertrauen sollen. – Hör auf damit!

Andre zog sich unter den Anweisungen seines Gewissens um und folgte der Allgemeinheit, die offensichtlich zu wissen schien, wo es langging. Zu seiner Verwunderung ging es zuerst in die Kantine. Er dachte zwar er hätte keinen Hunger, doch als er die Köstlichkeiten vor sich aufgereiht sah, konnte er seinen Magen regelrecht aufheulen hören, und so stürzte er sich auf das dargebotene Mahl. Als er sich dann jedoch nachnehmen wollte, schaltete sich sein Gewissen ein.

Ein Teller ist mehr als ausreichend, Hände weg. – Ich bin doch noch nicht mal annähernd satt! – Na dachtest du etwa eine solche Figur kriegt man von ein paar sportlichen Übungen von Tag zu Tag? Der Unterschied zwischen schlank und perfekt ist riesig, und wenn du im Mittelpunkt der Medien stehst hast du nicht viele Möglichkeiten. Du hältst dich zurück, oder du kannst deinen Schwabbelbauch in der nächsten TV-Show begutachten. – Also nehm ich mir nur noch einen Teller? – Nein! Gar keinen! Das muss erst mal bis zum Abend reichen. – Aber schau mal, die eine da nimmt sich auch nach, und auf ihrem ersten Teller war sogar mehr als auf meinem. – Das ist Konkon, die isst immer mehr. Wie sie bei ihren Essgewohnheiten die Figur halten kann grenzt schon an Magie. – …Aber ein ganz kleines Tellerchen? – Nein! – Och. Mit enttäuschtem Blick schaute er auf die Theke. Einiges war nicht gerade sein Fall, vorrangig die Gerichte die Fisch enthielten, welche nicht in der Unterzahl waren. Doch diese Nudeln … sie waren nahezu göttlich. Sie kamen in einer Art Rahmsauce mit kleinen Stücken Hühnerfleisch und Erbsen. Allein beim Anblick lief ihm das Wasser im Munde zusammen. Komischerweise war er der Einzige der sich davon was genommen hatte.

Die anderen Mitglieder am Tisch fingen an über das Konzert zu reden. Die meisten konnten den Beginn des Konzertes kaum noch erwarten. Andres Magen verkrampfte sich. Das Essen hatte es geschafft, das Konzert und somit auch die Angst halbwegs aus seinen Gedanken zu vertreiben, doch nun war sie wieder voll da. Vor seinem geistigen Auge erschien ein Bild mit ihm auf der Bühne, allein, und ohne einen blassen Schimmer, was er tun sollte. Die Menge lachte ihn aus. Ihm wurde schlecht. „W-Wo ist hier die Toilette?“ „Gleich da drüben.“ Er stand auf und ging schnellen Schrittes los. Stopp. Das ist die Herrentoilette.
 

Er hatte das Gefühl er müsse sich übergeben, doch jedes Mal wenn er sich über die Toilette beugte verließ nichts seinen Mund außer ein wenig Speichel. Beruhige dich, noch stehst du nicht auf der Bühne. Noch haben wir die Probe. Es ist zugegebenermaßen nicht der Beste Plan, aber ich bin zuversichtlich dass wir dadurch das Schlimmste verhindern können. – Das Schlimmste? – Na dass du auftrittst. Wieder musste er würgen. Jemand betrat die Toilette.

„Was ist los Miki? Wir machen uns Sorgen.“ Yossies Gesicht erschien vor der Kabinentür. „Ich… es geht schon. Ich bin nur etwas nervöser als sonst, das ist alles.“ „Sicher dass das alles ist? Es sieht nämlich ganz und gar nicht nach Lampenfieber aus.“ Kurz geriet Andre ins Stocken. Konnte er ihr die Wahrheit sagen? Würde sie ihm glauben? Würde überhaupt irgendjemand eine solche Geschichte glauben? „Ich… glaube ich bin krank.“

Stille.

„Du bist krank? Das ist nicht gut.“ Diese Feststellung wirkte etwas platt. „Denkst du denn du kannst auftreten?“ „Ich glaube nicht, nein.“ „Du glaubst nicht? Okay. Dann komm, ich bringe dich zum Arzt.“ Andre war verwundert dass sie ihn nicht mehr fragte. Draußen vor der Tür wartete noch ein weiteres Mitglied der Gruppe. Besorgt schaute sie ihn an. „Was ist?“ Yossie antwortete für ihn. „Miki ist krank, und wird wahrscheinlich nicht auftreten können. Bitte gib Tsunku bescheid, wir werden umstellen müssen.“ Sie wirkte bestürzt, fasste sich jedoch schnell wieder. Sie nickte kurz, und ging los. „Und Ai?“ Sie blieb noch mal stehen und drehte sich um. „Beeil dich.“ Wieder nickte sie, drehte sich um und rannte los.

„Komm.“ Yossie führte ihn durch die Gänge. Immer noch waren sie wild belebt. Sie kamen an einem Monitor vorbei, der offenbar eine Kamera wiedergab, die auf die Bühne gerichtet war. Sie war alles andere als leer. „Ich bin verärgert. Wieso hast du nicht früher gesagt dass du krank bist? Du weist wie knapp unsere Zeit ist. Die Anderen sind bereits bei der Probe. Wir werden nun in letzter Minute umstellen müssen, hätten wir das früher gewusst wäre das bedeutend einfacher gewesen.“ „Es tut mir leid.“ Yossie blieb stehen. „Du warst immer eine der Vernünftigsten von uns, doch nun machst du einen totalen Anfängerfehler. Im Bus warst du schon so komisch. Was ist los? Was beschäftigt dich? Es muss mehr sein als nur ein Infekt um dich vom Auftreten abzuhalten.“ „Ich… kann da nicht drüber reden. Tut mir leid.“ Yossie stierte ihn regelrecht an. „Hast du einen Freund?“ „Nein!“ Sie nickte knapp, und ging weiter.

Andre war mehr als nur aufgeregt. Doch gleichzeitig war er auch froh, denn die Vorstellung die Bühne betreten zu müssen war nun bedeutend in die Ferne gerückt. Das Arztzimmer war einer der wenigen Räume mit angenehm weißen Wänden, zwei Halogenlampen an der Decke sorgten für eine üppige Ausleuchtung. Der Doktor hatte eine kräftige Statur und ein freundliches Lächeln. Nach einem starken Händedruck führte er ihn auf eine Liege. „Wie geht es dir?“ Seine Stimme bestätigte den optischen Eindruck, sie war langsam und ruhig. „Mir geht es nicht gut.“ „Nun, davon bin ich ausgegangen, doch was genau fehlt dir?“ Andre wurde nervös. „Mir ist schlecht, und irgendwie auch schwindelig, und ich glaube ich habe Fieber.“ „Fieber? Das ist natürlich nicht gut. Ein Moment.“ Aus einer Schublade holte er ein Fieberthermometer, Andre steckte es sich unter die Achselhöhlen. Danach nahm sich der Arzt eine kleine Lampe und leuchtete ihm damit ins Auge.

Das Thermometer piepste, Andre gab es weiter. Der Arzt schaute auf die Anzeige. „ Kein Fieber.“ Er griff nach Andres Hand und maß seinen Puls. „Ist das hier dein erstes Konzert?“ Ist es das? – Nein. „Natürlich nicht!“ „Hab ich auch nicht erwartet. Okay. Leg dich mal hin. Und nun atme ganz ruhig.“ „Das tue ich.“ „Gut. Ich gebe dir jetzt eine Beruhigungsspritze, die wird dir helfen dich zu Konzentrieren, und dann kannst du auch problemlos auftreten.“ „Aber…“ „Ganz ruhig.“ Ein leichtes pieksen in Andres Arm. „Tief durchatmen. Bleib noch ein paar Minuten liegen, ich muss kurz weg.“

Die Tür schlug zu, und Andre blieb liegen. Wie er so dalag, wurde die Liege langsam immer gemütlicher. Irgendwie roch sie auch angenehm, das war ihm noch gar nicht aufgefallen. Sein Blick schweifte durchs Zimmer. Eigentlich ein typisches Behandlungszimmer, so wie man es bei jedem Hausarzt antreffen konnte, sogar ein Computer war da. Das leise summen des Lüfters klang beruhigend. Weist du was, Miki? – Was? – Ich glaube, ich werde doch auftreten. – Bitte!? Bist du voll? – Ich weis ja auch nicht, aber irgendwie ist auf einmal alles so… einfach, und schön, und überhaupt, verstehst du was ich meine? – Nicht im Geringsten. Du stehst nur davor die größte Abreibung deines Lebens zu kassieren, und nun willst du auch noch mit offenen Armen drauf zulaufen? Andre dachte kurz nach. Ja. – Was hat der Arzt dir eben bitte gespritzt? Das muss doch fern von allem sein was gesund ist. – Also ich weis nicht, aber irgendwie, ich find `s klasse.
 

Sie standen zu zehnt vor einem zugezogenen Vorhang. Aufgeregtes Getuschel um ihn herum, vermischt mit den erwartungsvollen Rufen der Menge, die erste Reihe war vielleicht zehn Meter entfernt. Vor ihm hopste Risa nervös rum. „Gleich geht’s los, gleich geht’s los!“ Na ja, Andre konnte nicht sagen dass ihm die Masse an Menschen Angst einjagte, aber so ein wenig mulmig war ihm ja schon. Ungefähr als ob er ein Referat halten musste, nur nicht ganz so schlimm. Wobei, wenn man mal ein wenig darüber nachdachte, konnte das hier doch sogar ein netter Abend werden. Immerhin waren das seine Fans dort draußen, die kreischend und Händewinkend auf ihn warteten, was sollte er da noch groß falsch machen können?

Ein Bildschirm neben ihm übertrug den Inhalt der Halle. Sie war Randvoll. Die Zuschauer hielten allesamt etwas was aussah wie handgroße Neonröhren in unterschiedlichen Farben. Aus der erhöhten Position sah es aus wie ein Schwarm von Glühwürmchen, die, wie angekettet, immer an derselben Stelle umherschwirrten.

Das Gekreische hinter dem Vorhang wurde schlagartig lauter, das Eröffnungsvideo hatte begonnen. Der Monitor neben Andre zeigte nun einen Countdown. Zwei Arme umschlungen ihn von hinten in stürmischer Umarmung. „Es geht los! Es geht los!“ Ja ja, ich weis doch, so spannend ist das doch nun auch wieder nicht.

Der Vorhang sprang auf. Die ersten liefen mit winkenden Händen die Treppe hoch. Lässigen Schrittes setzte er sich in Bewegung. Wieviel Zuschauer waren noch mal da? Achja, zehntausend ungefähr. Gar nicht mal schlecht für ne kleine Girlie Band. Aber nun auch nichts weltbewegendes, die Zahl hatte immerhin auch nur vier Nullen, und vier war nun wirklich keine beeindruckende Zahl. Selbst seine Schwester war mittlerweile schon sechs Jahre alt.

Die ersten Zuschauerreihen kamen in sein Blickfeld. Irgendwie fühlte er sich komisch. Es war schwer zu sagen, eigentlich fühlte er sich schon die ganze Zeit komisch, aber das hier war noch was anderes. Er kam den Zuschauern immer näher, aber anstatt lauter, wurden sie immer leiser, sein Blick wurde immer unklarer, wie bei einem Brillenträger ohne Brille.

Jetzt fühlten sich seine Beine schwerer an, sein ganzer Körper schien auf einmal so schlapp, und er war müde. Wieso eigentlich nicht nachgeben?

Wie in Zeitlupe fiel er nach hinten. Für einen winzig kleinen Augenblick war es, als könne er fliegen. Ein wunderbares Gefühl.

Nacht legte sich um seine Sinne.
 

Sein Brustkorb hob und senkte sich, seine Augenlider wollten sich nicht öffnen, sie waren zu schwer. Ein leises Dröhnen lag in seinen Ohren, flaute langsam ab. Wo war er? Seine Hände fühlten eine weiche Bettdecke. War er zuhause? War alles nur ein Traum?

Langsam öffneten sich seine Lider. Anfangs etwas verschwommen, blinzelte er ein wenig, und ihm offenbarte sich ein für einen Teenager gewöhnliches Zimmer, unaufgeräumt, und alle Wände voll gestopft mit Postern. Das dreckige Fenster, die halb kaputte Deckenlampe, der leicht unangenehme Geruch der einen daran erinnerte mal wieder durchzulüften. Er war zuhause! Endlich war er diese Zicke los, die sich ununterbrochen in seine Gedanken einmischte! Hände erschienen vor seinen Augen, es waren seine! Juhu!

Er wollte aufstehen, doch seine Glieder rührten sich nicht. Als ob sie angebunden waren oder so was. Nun bemerkte er, dass auch sein Kopf sich nicht so bewegte wie er wollte, sein ganzer Körper. Eine verschlafene Stimme meldete sich in seinen Gedanken.

Oh Mann, wo bin ich denn hier schon wieder? – Miki? – Wer sonst du Hohlkopf. Alice aus dem Wunderland? Dieses ‚Zicke’ hab ich übrigens gehört.



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Kommentare zu diesem Kapitel (4)

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Von: abgemeldet
2010-09-05T21:52:09+00:00 05.09.2010 23:52
hahaha xD
genial. Tolle Idee!
und Miki hast du irgendwie treffend erwischt. ;D

Von: abgemeldet
2007-09-16T22:37:56+00:00 17.09.2007 00:37
looooool
das war ja echt ma hammer xDDD
fands nur schade dass reina nit vorgekommen is ~_~
*reina-fan bin*
würd mich über ne fortsetzung seeeeeehr freuen!
Von:  Hikari-chi-san
2007-08-12T08:03:38+00:00 12.08.2007 10:03
das ist ja gail *_*
schreibst du noch weita? sagste mir dann büdde bescheid?
ich find die story echt interessant, vll kannste andre ja wieder nach japan "reisen" lassen und die anderen member mehr einbauen^^
Von: abgemeldet
2007-02-14T20:06:51+00:00 14.02.2007 21:06
Die Story find ich kuhl xD Du hast gut erzählt und so <3' Und Risas 'es geht los' Fand ich knuffig xDD Aba iwie hat mir Reina gefehlt q0q' ... Nya egal. Aufjedenfall mag ich dein ff ^^


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