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Angel School

von

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Kapitel 4

Ein paar Wochen nach dem Nachmittag in der Bibliothek bestätigte sich das, was meine Tante gesagt hatte: Ein Hauslehrer sollte mich unterrichten. Ich saß an einem Tisch im Wohnzimmer und trank Tee. Draußen regnete es schon seit Stunden. Mein neuer Lehrer klopfte leise an der Tür, bevor er eintrat. Ich erhob mich und begrüßte ihn, was er herzlich erwiderte. „Miss Savier, mein Name ist Livington. Ihre Tante hat mich gebeten, Sie in Mathematik und den Naturwissenschaften zu unterrichten.“ Ich nickte und wies auf einen Stuhl, der meinem am Tisch gegenüberstand. Er setzte sich und ich tat es ihm nach. „Nun, erkläre mir bitte, was du bist jetzt gelernt hast“, forderte er mich auf und ich entgegnete: „Wie Sie bestimmt wissen, habe ich die letzten Jahre in einem Kloster gelebt. Dort hat man mich die Grundrechenarten gelehrt. Mehr habe ich bis jetzt nicht gelernt – zumindest auf diesem Gebiet.“ Er lachte. „Ja, die lieben Mönche. Dafür beherrschst du die lateinische Sprache bestimmt nahezu perfekt, oder?“ Ich musste auch lachen. „Sie haben Recht“, stimmte ich ihm zu. „Nun, das ist nicht sehr viel“, meinte er dann wieder ernst und schlug ein paar Bücher auf. So verbrachte ich dann die restliche Zeit bis zum Abendessen mit der Wissenschaft der Zahlen. Schließlich begleitete ich Mr. Livington zur Tür. „Vielen Dank“, sagte ich und er entgegnete: „Keine Ursache. Aber wenn Sie möchten, kann ich ja das nächste Mal meine Tochter zu Ihnen schicken. Sie ist in Ihrem Alter und sehr gut in der Schule. Vielleicht könnte sie Ihnen besser helfen als ich.“ Ich nickte und verabschiedete ihn.

Plötzlich fühlte ich eine Hand auf meiner Schulter und erschrak. Ich wirbelte herum und sah Micail, der lächelte. „Ganz ruhig, ich wollte dich nicht erschrecken. Ich glaube, nach diesen Stunden voller Arbeit muss sich dein Geist etwas entspannen. Würdest du mich bitte in den Saal begleiten?“ Ohne auf meine Antwort zu warten, ging er die Treppen hinauf und ich folgte ihm. Wir blieben vor einer Holztür stehen. Ich hatte bis jetzt noch nicht herausbekommen, was sich hinter ihr verbarg. Er öffnete eine Seite der reich verzierten Flügeltür und schloss sie dann hinter uns leise wieder. Als das Licht anging, schaute ich mich in dem nahezu leeren Festsaal um. Es schien, als ob er nicht oft genutzt wurde, denn vereinzelt standen mit Tüchern bedeckte Stühle an der Seite und verstaubte Gemälde hingen an den Wänden. Nur das wunderschöne Parkett war blank. Micail war inzwischen zu einem Flügel hinüber gegangen und zog das weiße Tuch von ihm herunter. Dann setzte er sich und begann zu spielen, ganz ohne Noten. Ich erinnerte mich an die Melodie, die er spielte. Sie gehörte zu der Spieluhr, die ich immer beim Einschlafen gehört hatte. Ich stand da wie versteinert und erinnerte mich – ganz plötzlich – an meine Eltern, ja sogar an größte Teile meiner Kindheit. Diese Erinnerungen hatte ich verdrängt, doch jetzt sprudelten sie wieder wie eine frische Quelle in meinem Geist. Ich sah meine Mutter und meinen Vater, glücklich und lachend. Die beiden Personen, von denen ich nicht wusste, wo sie waren, geschweige denn, ob sie überhaupt noch lebten oder sich an mich erinnerten. „Was ist los?“ Micails Stimme schreckte mich auf. Er hatte aufgehört zu spielen und schaute mich an. „Nichts. Diese Melodie hat mich nur an etwas erinnert.“ Ich setzte mich neben ihn auf die Klavierbank. „Warum hast du mich hier her gebracht? Was wolltest du damit bezwecken?“, fragte ich ihn ganz unvermittelt. Er wendete sich von mir ab und flüsterte: „Ich wollte nur mit dir allein sein. Deine Gegenwart ist sehr angenehm für mich, obwohl ich nicht weiß, warum.“ Er schaute mich mit einem sonderbaren Blick an und nahm meine Hand. „Du bist nicht der Einzige, dem es so geht“, antwortete ich leise. Bis zu diesem Abend hatte ich gedacht, ich hätte nur einen Menschen als Freund. Doch das sollte sich schlagartig ändern.

Am nächsten Tag – ich saß gerade in meinem Zimmer und war mit einem Rätsel beschäftigt – klopfte es an meiner Tür. „Herein!“, rief ich und eine der Hausdamen trat ein und sagte: „Hier ist jemand für Sie. Ihr Name ist Lillian Livington und sie sagt, ihr Vater hätte sie geschickt.“ „Bitte sie herein“, antwortete ich ungeduldig. Im nächsten Augenblick hätte mich fast der Schlag getroffen. Eine mehr als nur schöne junge Frau trat herein und sah mich an. Sie trug ein pastellgrünes Kleid, das das dunklere grün ihrer Augen nur noch unterstrich, und ihre nachtschwarzen Haare waren zu einem langen Zopf geflochten. Ich trat auf sie zu und reichte ihr die Hand. „Hallo. Mein Name ist Kirya Savier“, sagte ich und sie lächelte. „Meinen Namen hast du ja bereits erfahren. Ich freue mich, dich kennen zu lernen.“, erwiderte sie. „Bitte setz’ dich. Möchtest du etwas zu trinken?“, fragte ich, immer noch etwas steif und förmlich. Lillian nickte. „Micail?“, rief ich nach draußen und mein Freund schaute zur Tür herein. „Ja, was ist?“ „Bring’ uns doch bitte Tee.“ Er nickte und verschwand. Ich setzte mich zu Lillian und sie begann zu sprechen: „So einen Diener möchte ich auch gern haben. Du musst wissen, mein Vater erlaubt mir nur den Umgang mit Frauen.“ Unwillkürlich musste ich an die Zeit im Kloster zurückdenken. „Ja, ich weiß, wie das ist“, entgegnete ich und seufzte. Schweigend trat Micail an den Tisch und stellte uns zwei Tassen sowie eine dampfende Kanne hin und auf ein Nicken meinerseits ging er wieder hinaus. Ich hatte gar nicht bemerkt, dass Lillian mich aufmerksam beobachtete. „Du gehst sehr vertraut mit ihm um“, stellte sie fest. Mir war, als hätte mir jemand einen Dolch zwischen die Rippen gerammt. „Keine Angst, ich will dir nicht schaden“, entschuldigte sie sich und legte eine Hand auf meinen Arm. „Die meisten Leute reagieren so wie du, wenn ich sie beobachte oder einen solchen Kommentar fallen lasse.“ „Ist schon gut. Aber ich habe eine Frage an dich: Meine Tante meinte nach dem Besuch deines Vaters, dass wir beide bald auf dieselbe Schule gehen würden. Weißt du, ob das stimmt? Und wenn ja – wie ist diese Schule?“ Lillian trank einen Schluck Tee, bevor sie antwortete: „Ja, deine Tante hatte Recht. Deswegen hat sie schließlich meinen Vater – beziehungsweise mich – damit beauftragt, dir den Unterrichtsstoff etwas näher zu bringen. Die Schule, auf die ich gehe, ist wirklich sehr schön. Es ist ein ziemlich altes Gebäude, fast wie ein Schloss. Auch das Gelände, das dazugehört, ist sehr weitläufig. Da es eine Privatschule ist, gibt es verschiedene Dinge, die es auf normalen Schulen nicht gibt. Du kannst zum Beispiel Reiten, Schwimmen, Golf spielen und noch mehr. Aber die St. Angelus ist am berühmtesten für ihre Fechter. Sie tragen den Titel ‚Engel’ und jeder möchte zu ihnen gehören, denn sie genießen besondere Privilegien.“ Ich war hellauf begeistert von dem, was sie da sagte. „Ich gehöre auch mit dazu.“ Ich lachte. „Das verwundert mich wenig“, meinte ich und Lillian entgegnete: „Es kommt nicht auf das Äußere an, wie du vielleicht gerade denkst.“ Ich fühlte mich ein wenig ertappt und senkte den Blick. „Ja, ich habe mitbekommen, wie du mich vorhin angesehen hast. Das tun die meisten. Doch das Einzige, was zählt, ist Talent. Selbst der reichste Schüler kann den Titel nicht bekommen, wenn er nicht fechten kann. Aber darüber wollte ich dir jetzt gar nicht so viel erzählen. Viel wichtiger ist, dass du eigentlich von mir lernen solltest.“ „Du hast ein Einfühlungsvermögen wie ein Holzhammer“, murrte ich und sie lachte. „Danke für das Kompliment.“ Sie holte einige Bücher und Hefte aus ihrer Tasche, die sie vor mir auf dem Tisch ausbreitete. „Mein Vater meinte, du hattest in Mathematik Schwierigkeiten.“ „Ja, das stimmt.“ Ich seufzte. Das würde ein hartes Stück Arbeit für mich werden.

Fast jeden Tag sahen Lillian und ich uns. Doch ich hatte sie falsch eingeschätzt. Sie war nicht sehr streng, aber sie verstand es, Dinge zu erklären, was mich große Fortschritte machen ließ. Immer wieder passierte es uns, dass wir vom Thema abschweiften und quatschten, anstatt zu lernen. Mir wurde es gar nicht so sehr bewusst, dass wir so schnell gute Freundinnen wurden. Irgendwie waren wir uns ähnlich und verstanden uns. Lillian unterrichtete mich außerdem im Tanzen, was dazu führte, dass wir viele Nachmittage zusammen mit Micail im Festsaal verbrachten. Sie spielte Klavier und ich bemühte mich, dem im Tanzen erfahreneren Micail nicht auf die Füße zu treten. Dies konnte bisweilen sehr lustig werden, meist auf Kosten des Dienstboten, der sich maßlos über uns Mädchen aufregte.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  mocca-shake
2007-05-08T18:18:25+00:00 08.05.2007 20:18
soso in mathematik probleme haben ja,...erinnert so an mich!! *lach* du magst es wohl gerne metaphern zu benutzen aber das ist an manchen stellen ein schöner vergleich und es liest sich wirklich gut, da steigert sich jemand XDD
VLG mia ^^


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