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Raftel (1)

When Spirits Are Calling My Name ...
von

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60 - Briefe

Die Kirschblütenzeit in Loguetown endete stets mit den Frühlingswinden. Sie rüttelten verspielt an den dünnen Zweigen der Bäume und ließen es in einem zartrosa Blütentraum zu Boden schneien. Schon bald darauf wandelten sich die Berge aus Blütenschnee zu matschigen Klumpen, wie der Aprilregen sie langsam durchweichte und sie dann lieblos vom Nass in die Gossen gespült wurden.

Doch die Trauer um den schönen Anblick dieses Naturschauspiels währte nie lange an. Ohne Vorankündigung sollte die Nacht kommen, in der die Natur aus der Dunkelheit heraus förmlich explodierte. Am nächsten Morgen leuchteten in den ersten Strahlen der Morgensonne Bäume und Büsche in einem frischen Maigrün und nur kurze Zeit später öffneten sich die ersten Knospen zu sattgrünen Blättern. Die Tage wurden länger, heller und wärmer. Der Frühling pulsierte.

An solch einem lauen Frühlingsabend saß Tashigi im gartenähnlichen Hinterhof der Marinestation an einem Tisch und studierte noch einmal hektisch die selbstgeschriebenen Zeilen eines Briefes. Lange hatte sie überlegt, wie sie mit der Strohhutbande Kontakt hätte aufnehmen können, doch sowohl das Schneckentelefon, als auch die Postbeförderung per Briefmöwe schienen ihr zu unsicher. Sie fürchtete, dass ihre Gespräche belauscht oder die Briefe abgefangen würden. Welch Aufregung und Drama wären die Folgen. Es würde eine marineinterne Untersuchung geben und letztendlich würde sie des Hochverrats angeklagt werden. Was würde dann nur aus ihr und Taiyoko werden? Vermutlich würde auf sie der sichere Tod und auf Taiyoko das Waisenhaus warten. Bei dem Gedanken lief es ihr kalt den Rücken runter. Doch so mehr freute es sie, dass ein scheinbar sicherer Weg gefunden worden war, sich mit den Strohhüten auszutauschen.

Es war eigentlich Choppers Idee gewesen und wie es dazu kam, las sich so:
 

„Liebe Tashigi,

lass dich mal kräftig umarmen. Ich vermisse dich sehr. Vielleicht wirst du dich sehr wundern, wie bei dir ein geheimnisvoller Brief von mir auf deiner Fensterbank auftauchen konnte.

Auf der Reise über die Grandline, so erzählte es mir Franky, gelangte die Sunny einmal an eine komplett vereiste Insel. Nur an einer Stelle gab es sattes Grün und leuchtende Farben. Hier wurde ein Feuervogel in einem Käfig gehalten, der alles in seinem Umkreis erwärmte. Der Feuervogel ist ein magisches Geschöpf, aber nicht sehr clever. Er glaubt, wir hätten die Zeitverschiebung bewirkt und ihn somit befreit, wie es ihm einst mal Luffy versprochen hatte. Wir haben versucht, ihm die Wahrheit zu erklären, aber davon wollte er nichts wissen. Er ist überzeugt davon, uns nun noch einen Gefallen schuldig sein zu müssen. Ich hatte mir dann gewünscht, er solle unseren Postboten spielen. Er wird unsere Post aber nur zu Vollmondnächten überbringen, denn bei Vollmond kann er unsichtbar fliegen. Das ist doch wirklich prima.

Bei uns gibt es nicht viel Neues zu berichten. Wir haben schon zwei Inseln hinter uns gelassen und segeln nun nach Circle Island. Die Insel soll kreisrund und platt wie eine Flunder sein. Ich bin schon gespannt.

In der Crew liegt etwas in der Luft. Luffy benimmt sich wie immer, aber ich rieche, dass etwas nicht stimmt. Meine Nase hat mich noch nie getäuscht und du weißt ja, dass wir Tiere Stimmungen tatsächlich riechen können. Ich glaube, Luffy ist sauer, weil Zoro nicht da ist. Er meinte mal, unser Abenteuer wäre nun in einer Sackgasse. So was habe ich von Luffy noch nie gehört. Er ist ja sonst immer durch und durch Optimist und über jedes Abenteuer froh. Je länger es dauert, desto besser.

Hoffentlich taucht Zoro bald wieder auf. Vielleicht sucht er uns schon, hat sich aber wieder einmal verlaufen. Hast du nicht irgendetwas von ihm gehört?
 

Liebe Grüße von uns allen, Chopper“
 

Tatsächlich staunte Tashigi zuvor nicht schlecht, als in den frühen Morgenstunden am Ende einer Vollmondnacht Choppers Brief auf ihrem Fenstersims lag.

Und nun saß sie hier, versuchte ein paar Zeilen zu Papier zu bringen und gleichzeitig den Innenhof im Auge zu behalten. Nicht auszudenken, wenn ihr jemand über die Schulter schauen würde.

Letztendlich schrieb sie dann alles und nichts in den Brief, denn Schreiben war nie ihr Ding gewesen. Sie wusste selbst nicht, was es sie einst mal angetrieben hatte, ihre Reise mit den Strohhüten in ein Tagebuch zu schreiben. Das Tagebuch. Das hatte sie damals Zoro übergeben. Dafür waren seine Schwerter bei ihr geblieben. Welch sonderbarer Tausch. Nun standen sie oben in dem hintersten Winkel ihres Schrankes in eine dicke Wolldecke gehüllt, damit niemand sie zu Gesicht bekommen würde. Nur wenn alles in der Marinestation zu schlafen schien, dann holte sie diese hervor, prüfte ihren gepflegten Zustand und schwelgte in Erinnerungen. Manchmal saß sie nächtelang auf ihrem Bett, beobachtete Taiyokos Schlaf und hielt dabei Wadôitchimonji im Arm. Hoffend, dass Zoro eines Tages wieder auftauchen würde. Pingelig pflegte und polierte sie die Schwerter, doch Wadôitchimonji hatte seinen magischen Glanz verloren. Er war ebenso wie sein Besitzer spurlos verschwunden.

Sie dachte an vieles, bis die Gedanken Karussell mit ihr fuhren. Manchmal dachte sie schon selbst von sich, sie würde depressiv. Dann konnte sie stundenlang nur still vor sich herweinen und gab sich der inneren Unruhe hin, die einfach nicht verschwinden wollte. Es nagte schwer an ihr, allein ohne große Unterstützung ihr Leben meistern zu müssen. Auch mit der Arbeit geriet sie zunehmend in die Bedrängnis. Still bewunderte sie Frauen, die Arbeit und Kindererziehung unter einen Hut bekamen. Sie konnte das nicht und fühlte sich heillos überfordert, verlor mehr und mehr den Respekt, den die Truppe ihr entgegenzubringen hätte, und macht dienstliche Fehler, die selbst sie wohl früher nicht begangen hätte.

Vielleicht war dieses genau der richtige Zeitpunkt, etwas ganz Neues zu machen. Aber was? Sie versuchte, durch das Niederschreiben ihrer Gedanken etwas Klares darin zu finden.
 

„Hallo Chopper,

ich bin so froh, dass es euch gut geht. Hier ist tagein tagaus dasselbe. Die Kirschbäume haben geblüht und nun steht alles schon in einem satten Grün, als wäre es Sommer. Das solltest du wirklich mal sehen. Es wird nicht mehr lange dauern und der Raps wird blühen. Der ist dann oft so grell, dass man beim Spaziergang durch die Felder die Augen schließen muss.

Taiyoko entwickelt sich prächtig und ist immer guter Laune. Beim nächsten Mal werde ich ein Bild beilegen. Ich habe ja noch die magische Kamera, aber ich traue mich nicht, sie zu benutzen. Du weißt: Die Kamera macht Dinge sichtbar, die das normale Auge nicht sieht. Und ich habe Angst, bei irgendetwas zu entdecken, was ich lieber nicht entdecken will. Ich muss mir mal eine normale Kamera ohne Spuk besorgen.

Die Arbeit setzt mich zusehends unter Druck. Ich komme einfach nicht mehr in diesen Marine-Trott hinein. Es füllt mich nicht mehr aus. Zwar möchte ich immer noch alle edlen Schwerter auf der Welt suchen und sammeln, jedoch ist die Marine wohl dafür nicht mehr der richtige Platz. Zumindest nicht für mich.

Aber ich weiß auch noch nicht, was ich sonst tun soll. Ich muss mich ja irgendwie über Wasser halten und ein Kind ernähren.

Ich bin echt verzweifelt und wünschte manchmal, ich wäre noch auf der Sunny.

Ich habe auch keine Ahnung, wo Zoro steckt. Ich wünschte ja selber, der würde mal auftauchen. Neulich kam eine merkwürdige Nachricht durch den Marineticker. Die Akte habe ich erstmal kassiert. Da gab es neue Suchmeldungen nach Verbrechern. Eine Meldung handelte von einem Massaker auf der nördlichen Redline im Gebirge der gelben Eisvulkane. Angeblich soll einer der beiden gesuchten Täter Teufelskräfte haben und der andere ein perfektionierter Schwertkämpfer sein. Klar, da habe ich mir gleich eingebildet, es könnte ein Lebenszeichen von Zoro sein. Aber was sollte er dort getrieben haben und wer war die andere Person? Leider kam über den Ticker zu dem Fall nichts Neues. Wenn da mal etwas Wichtiges durch die Leitung kommt, dann würde ich euch das sofort sagen.

Tut mir leid, dass der Brief vielleicht so traurig und verzweifelt klingt. Aber mir geht es echt beschissen.
 

Liebe Grüße, Tashigi“
 

Zum Ende des Wonnemonats Mai kletterten die Temperaturen sprunghaft an. Trockene Hitze dörrte die eben noch so grünen Landschaften aus und machte die Menschen träge. Die Touristenschwemme setzte pünktlich zur Sommersaison ein, belagerte mit ihren Strandkorbburgen und Handtuchmeilen den großen Badestrand und gab ihre Ausdünstung von Schweiß, Sonnenmilch und Strandsnacks an die Umwelt ab. Das Gewimmel von großen und kleinen Badelustigen klang wie ein großer Bienenschwarm, der nur in der Nacht zur Ruhe kam.

Die Mittagssonne war unerträglich und so zog Tashigi samt Kinderwagen schon in den frühen Morgenstunden an der Strandpromenade entlang, beobachtete den letzten weichenden Nebel der vergangenen Nacht und betrachtete andächtig, wie die Sonne über einen ruhigem, türkisfarbenen Meer empor klomm. Der Anbruch eines wunderschönen Sommertages.

Es war just der Zeitpunkt, zu welchem es wie jedes Jahr im Sommer Meldungen über zunehmende Unruhen und Piratenüberfällen kam und sie wunderte sich, dass sich das allgemeine Volk daran noch nicht gewöhnt hatte: Sobald ein Schiff am Horizont erschien, rief es von irgendwo her „Piraten!“ und die Badegäste stürmten einer Stampede gleich vom Strand weg hinauf in die Innenstadt. Sie konnte darüber nur den Kopf schütteln, denn obwohl Piraten schon oft Loguetown angesegelt hatten, war die Stadt doch noch nie überfallen worden. Da mussten leider in der Vergangenheit immer die Nachbarinseln daran glauben. Es mochte an Loguetowns ehrfürchtigem Ruhm liegen: Die Stadt des ehemaligen Piratenkönigs wurde nicht geplündert. Vielleicht galt diese Tat unter den Piraten als Blasphemie Gol D. Roger gegenüber.

Noch drei Stunden, bis sie wieder im Marinequartier an ihrem Schreibtisch sitzen musste. Dann würden auch schon die ersten Touristen am Tresen stehen und sich über Taschendiebe und Trickbetrüger am Strand beklagen und langatmig jammern.

„Lass uns mal zum Hafen runtergehen. Da kommt heute ein Konvoi an, um unsere Marineflotte zu verstärken“, schlug sie Taiyoko vor, die sich aber ungeachtet der Worte ihrer Mutter nur einmal herzhaft in ihrem Kinderwagen streckte, um sogleich wieder in einen Schlummerschlaf zu versinken.

Es sollte ein kurzfristiges Glück sein, welches ihr Zuteil wurde, als sie schon aus einiger Entfernung das Einlaufen der Schlachtschiffe in den marineeigenen Hafen sah. Die ersten Schiffe hatten bereits angelegt und sich nebst Ladung auch Besatzung aus dem Bauch der Schiffe entleerten.

Ein komisches Gefühl machte sich in ihrer Magengegend breit. Es hing ein Geruch in der Luft, der ihr vertraut und seltsam bekannt vorkam. Instinktiv blieb sie an der letzten Gebäudeecke stehen und spähte auf die von Bord gehenden Menschen. Ihre Augen weiteten sich entsetzt und sie wusste nicht, ob das, was sich dort abspielte nun gut oder schlecht sein sollte. Es würde nun wohl ihr Leben wieder einmal in eine ganz andere Richtung werfen.

Ruckartig drehte sie den Kinderwagen und machte sich durch die Straßen der Stadt davon.
 

„Hallo Chopper,

du glaubst ja gar nicht, was hier passiert ist. Wie zu jedem Sommer wird unsere East Blue Flotte durch weitere Marinekonvois verstärkt, da es vermehrt zu Übergriffen durch Piratenbanden kommt. Ich war unten im Hafen und habe geschaut, welche Schiffe uns das Hauptquartier diesmal entsandt hatte. Und wer ging da von Bord, als wäre alles normal? Admiral Smoker!

Ich war so platt, dass ich mich erstmal unbemerkt aus dem Staub gemacht hatte. Den ganzen Weg habe ich gegrübelt, was ich wohl erzählen werde, wie ich zu diesem Kind kam. Aber die Mühe hätte ich mir gar nicht machen brauchen.

Er weiß es …“
 

Tatsächlich trug es sich unausweichlich zu, dass sich die beiden im Marinehauptquartier antrafen. Sie nickte nur, als Smoker sie in seiner üblich ruppigen Art anblaffte: „In der Mittagspause in mein Büro!“

Es blieb ihr nichts anderes übrig, als die Höhle des Löwen zu betreten.

„Nun denn“, begann der Admiral, als er sich von ihr die aktuelle Ausgangslage dieses Stützpunktes hatte berichten lassen. „Wie stellst du dir das eigentlich alles vor? So mit Kind und Kegel? Ich meine, die Kleine hat zwar nicht viel Ähnlichkeit mit ihrem Vater, aber ein Piratenkind in der Marine ist nicht sonderlich optimal. Denk mal darüber nach. Ich gebe dir nun einen Monat Zeit, dich nach einer Lösung umzusehen.“

Nach einer Lösung „umsehen“. Sie war also nicht nur aufgeflogen, sondern das Ende ihrer Marinekarriere war nun wohl gekommen. In einem Monat war sie, so wie es klang, aus dem ganzen Betrieb raus.

„Das werde ich“, gab sie geknickt zurück und verließ das Zimmer. Klar hatte der Tag irgendwann kommen müssen, doch nun war es urplötzlich und einem Schock gleich. Es war ein Moment, dem sie hätte gern stark gegenüber gestanden, doch nun fühlte sie sich zertrümmert wie heruntergefallenes Porzellan.

Der Admiral sah ihr nachdenklich nach. Hätte er ihr erzählen sollen, was er auf seinem Weg hierher gehört und gesehen hatte? Seine Zweckgemeinschaft mit dem Piraten war bis zur letzten Minute nichts gewesen, woran er sich jemals hätte gewöhnen können. Dennoch war es für beide Parteien nützlich gewesen und hatte zu persönlichen Aha-Erkenntnissen geführt. Nur zu gut erinnerte er sich an eines ihrer sehr selten Gespräche, als sie dazumal das vergessene Königreich in einer Nussschale von Boot verließen und die Redline ansteuerten. Roronoa war kein typischer Pirat. Das hatte er schon mehrmals feststellen können. Da musste trotzdem einmal nachgehakt werden.

„Wie kam es eigentlich, dass du Pirat geworden bist. Immerhin hattest du dir doch schon einen Namen als Kopfgeldjäger im East Blue gemacht, oder irre ich mich?“ bohrte Smoker mit gespielt gleichgültiger Miene. Bloß kein Interesse zeigen! Man wollte sich später auf gar keinen Fall nachsagen lassen, man würde mit einem Piraten sympathisieren.

Der Angesprochene schwieg eine ganze Weile und starrte dabei auf das öligtrüb wirkende Meer, als müsse es ihm eine geschickte Antwort auf einem Silbertablett präsentieren.

„Es war nie meine Absicht gewesen, ein Pirat oder ein Kopfgeldjäger zu sein. Es kam halt so dazwischen.“

„Dazwischen?“ Smoker zog die Augenbrauen hoch. Nun musste man doch bohren, wie man es als Marineangehöriger aus etlichen Verhören von Straffälligen gewohnt war.

„Dazwischen“, gab sein Gesprächspartner nur trocken zurück.

„Du brauchst nicht wortkarg zu sein. Ich habe Tashigis Heft gelesen. Sonst säßen wir wohl noch immer im Eis fest“, konterte der Admiral.

Für einen Bruchteil der Sekunde erstarrte Zoro. Doch Smoker hatte im Grunde recht: Er wusste mehr, als es ihm selber lieb war und jemals preisgegeben hätte. Doch was sollte er tun? Er hegte keine Freundschaft für seinen Mitreisenden. Eher hatte er stets das Gefühl bespitzelt zu werden. Feind blieb Feind, auch wenn es gerade kaum eine andere Lösung gab. Zumindest waren sie auf dem Gebiet der gegenseitigen Lebensrettungsaktionen quitt. Er hatte einst Smoker aus dem Wasser in Alabaster gezogen. Dieser hingegen hatte seine Erinnerungen zurückgeholt und einen Stillstand der Welt verhindert.

„Ins Wasser…“, dachte sich Zoro. „Wenn er nervt, schmeiße ich ihn einfach vom Boot.“

„Dann weißt du schon alles aus dem Heft“, warf er nun dem Qualmer an den Kopf und blickte ihn dabei drohend an, endlich die Fragerei zu belassen.

„Hey, pass auf! Dein Leben geht mich nichts an. Es ist mir auch vollkommen egal, was du nach unserem letzten Auftrag noch machst. Aber Tashigi ist mir sehr wichtig, denn ich kenne sie nun schon viele, viele Jahre. Ich fühle mich für sie verantwortlich. Sie war ein guter Leutnant und hätte echt gute Chancen gehabt, in der Marine etwas zu werden, um so für ihr weiteres Leben abgesichert zu sein. Bis du aufgekreuzt bist. Glaubst du, sie kann nach alledem noch in der Marine bleiben?“

„Darüber habe ich schon nachgedacht“, log er. Nein, über nichts hatte er nachgedacht. Nur darüber, wie sie nun Kivis Auftrag erledigen sollten. Alles andere musste widerwillig warten.

„Ahja?“

„Ja!“

Und damit war das Gespräch beendet. Irgendwann sollte die Redline vor ihnen auftauchen. Der Admiral schlug vor, auf dem North Blue zu bleiben und dem Küstenverlauf in sicherem Abstand nach Norden zu folgen. Dieses wäre ein schnellerer Weg, als sich zu Fuß bis zum Gebirge der gelben Eisvulkane durchzuschlagen. Ohne Widerworte gab der Hanyô dem Antrag statt.

Sie brauchten ganze drei Tage, dann änderten sich die steilen roten Felsen der Redline in dreckiges, gelbes Berggestein, der sich aus dem Meer erhob und oberhalb unter Eis und Wolken verschwand.

„Halt dich fest. Ich fliege uns hoch“, bot Smoker seinem Mitreisenden an. Gesagt, getan. Der Qualm hob sie in die Höhe und setzte sie an einem Wegesrand ab. Ohne sie zu beachten strömten skurrile Gestalten an ihnen vorüber und hetzten sich in ein und dieselbe Richtung. Kaum waren einige an ihnen vorbeigezogen, kam schon ein neuer Pulk dieser Monsterparade um die Ecke und rannte wie in Panik den Weg weiter. Smoker versuchte einen am Arm zu packen und aufzuhalten, doch der Angehaltene riss sich erschrocken los oder besser gesagt: Der Raucher sollte ihm nächsten Moment nur noch einen verwesten, abgerissenen Arm in der Hand halten. Der Körper rannte erschrocken weiter. Angewidert warf Smoker den Arm ins nächstbeste Gestrüpp.

Wortlos folgten sie den Heerscharen und es sollte eine gute Wahl gewesen sein. Viele Meilen später hinab durch steile, dunkle Schluchten und hinauf über windige Bergpässe, kamen sie dem Ziel ihrer Reise näher.

„Die rasen tatsächlich alle zur Kröte. Dort unten sind sogar die schwarzen Panzerreiter. Sie bewachen die große Vulkanburg“, stellte der Hanyô fest. Und blickte auf ein riesiges Heer an Fußvolk in Rüstungen und Rittern mit ihren Pferden.

„Nun, wer dort ankommt, soll vor dem Eis sicher sein. Ich schlage vor, mitten rein, Prisma holen und abhauen. Die Kröte wird eh längst wissen, dass wir da sind.“

„Sehe ich eben so.“

Der Weg hinab zum Eingangstor verlief steil am Felsen entlang. Um Kräfte zu sparen, zog Smoker unterwegs sein Seesteinschwert, während Zoro ein leichtes daran hatte, den flüchtenden Monstern das eine oder andere Katana abzujagen.

In einem nun folgenden, in der Geschichte der Redline noch nie dagewesenen Massaker, kamen beide schnell voran. Der Admiral stoppte die Angreifer in verfestigten Wolken, während der Pirat auf seinem geradlinigen Wege durch die Massen alles kurz und klein schlug ohne Rücksicht auf alles und jedes. Es dauerte nicht lang und sie hatten den großen Saal gefunden, in welchem ihr Opfer residierte. Nur noch ein großes Tor lag zwischen ihnen.

Noch einmal tief durchatmend schoben sie das Tor auf und gingen langsam einen langen Gang entlang. In dem Saal herrschte Hochbetrieb. Einer Freak-Show gleich feierten hier die skurrilsten Gestalten eine große Party und die fette Kröte feierte kräftig mit und ließ sich von seinen obskuren Fans anhimmeln und vergöttern. Schon seltsam muteten die schwarzen Panzerreiter an, die wie überdimensionale Steinstatuen regungslos umherstanden und Wache hielten.

Die die Stimmung kippte sofort mit dem Eintreffen der beiden Neulinge. Umgehend wurden Waffen gezogen und Teufelskräfte aktiviert.

Ebenso hüllte Smoker alle Angreifer in Qualm, der sie festhielt und Zoro brauchte nichts weiter zu tun, als mit dem nächstbesten Schwert sich seinen Weg zu bahnen. Das ging schnell und war effektiv. Die wenigen Schritte vom Tor bis zum thronförmigen Platz Sammakkos waren blutbadend zurück gelegt worden, was beim Hanyô ein diabolisches Grinsen zauberte und beim Admiral die Bestätigung brachte, er würde nicht mit einem menschlichen Piraten, sondern tatsächlich mit dem leibhaftigen Teufel ziehen. Daran konnte nun kein Zweifel mehr bestehen. Zwar hatte der Qualmer schon viele heftige Schlachten gesehen, doch das vorgehen seines Mitstreiters war dermaßen ruhig, gleichgültig und eiskalt, dass es negativ beeindruckte. Immerhin waren hier eben in dem Saal bei gefühlten tausenden Kreaturen in Sekunden die Lebenslichter erloschen, noch bevor sie überhaupt ihren Feind gesehen haben mochten. Kein Wunder, dass diesem Roronoa der Ruf über die Blues eilte, eine blutrünstige Killerbestie zu sein.

Smoker überlegte, ob ihm Übelkeit die Speiseröhre emporstieg. Doch er verqualmte seine eigene Sicht, um das Blut nicht mehr sehen zu müssen. Zoro und Sammakko standen sich nun gegenüber. Da sollten nun mal zwei Prismenträger selbst miteinander ausdiskutieren, befand der Admiral.

Doch zu einem Wortwechsel sollte es gar nicht kommen. Smoker sah nur noch ein grellrotes und ein grellgelbes Licht, dass er geblendet die Augen schließen musste. Und als er sie kurz darauf wieder öffnete, saß er mit dem Hanyô wieder in der Nussschale von einem Boot mitten auf dem Meer.

„Was war das denn!“ blaffte der er Zoro an.

„Ich war schneller.“

„Wie schneller?“

Smoker verstand kein Wort.

„Keine Ahnung. Der Spuk hat sich verselbständigt.“

Nun war der Admiral nicht schlauer als vorher. Doch sein Gegenüber war wortkarg. Da wäre nichts Weiteres an Informationen herauszuholen. Er zog einmal kräftig an seiner Zigarre, was einem Seufzer gleichkam.

Dennoch wollte er wissen, wie sie beide denn hierher gekommen wäre.

„Das Prisma bringt seinen Träger überall hin. Wusste ich vorher auch nicht.“

Smoker traf dieses wie einen Schlag. Dafür hatten sie den ganzen, beschwerlichen Weg zurückgelegt, obgleich sie beide es hätten einfacher haben können?

Wut stieg in ihm hoch und so übersah er, dass Zoro hingegen die ganze Zeit in dem Boot nichts anderes getan hatte, als nachdenklich ins Meerwasser zu starren. Es glich einer trüben, öliggrünen Brühe und da war nichts, was sein Spiegelbild oder eine Lichtreflexion preisgab.
 

Genau das war der Zeitpunkt, in welchem sich eine Zweckgemeinschaft auflöste.

Zoro beschloss, zurück zu Kivi zu kehren, um seinen Auftrag zu erfüllen.

Und Smoker beschloss, über die Redline nach Loguetown zurückzukehren.

Auch wenn er wenig Hoffnung hegte, dass es dort auf der anderen Seite der Weltkugel anders aussah als hier: Öde, trist, kalt und dunkel.
 

Smoker zog los, ohne sich noch einmal zu seinem ehemaligen Mitstreiter umzusehen. Je weiter er über die Redline wanderte, desto mehr Gewissheit bekam er, wie es wohl überall sein mochte. Da es ewig dunkel war, konnte er nicht sagen, ob er Stunden oder Tage unterwegs war.

Es begab sich, dass er ein Moor durchstreifen musste, aus welchem Baumleichen meterhoch emporragten und den einzig trockenen Platz boten. Solch einen Platz suchte er hoch oben auf kahlen Ästen auf und blickte über traurige Sümpfe. Irgendwo in der Ferne vermutete er ein Gebirge, welches es zu bezwingen galt, um die Ostküste der Redline zu erreichen.

Es dämmerte. Zuerst nahm der Admiral es nicht wahr. Doch schlagartig wurde ihm klar, dass es nicht die Sonne sein konnte, die dort im Westen die Dämmerung vollbrachte.

Es wurde heller und heller. In Sekundenschnelle brach das Leben über ihm ein. Wärme und Farben tauchten die Landschaft in das, was Smoker kannte.

Er grinste. Was auch immer der Pirat und der Fledermausköpfige getan hatten, irgendetwas hatten sie getan. Und das mit Erfolg.

Und so setzte Smoker seinen Weg fort.
 

All die ganze Geschichte war dem Qualmer durch den blitzartig durch den Kopf geschossen, als er Tashigi dort vor sich stehen sah. Er beschloss, ihr nichts von seiner Reise mit Zoro durchs Eis nach Raftel und dem verlorenen Königreich zu erzählen. Auch was danach geschah, war eine andere Geschichte und sollte ein anderes Mal von anderen erzählt werden. Das war zumindest die Absprache mit dem Piraten gewesen und so sollte es vorerst bleiben. Man hatte seine Gründe, die jedoch derzeit nicht diskutiert werden mussten.
 

Während der Admiral fürs Erste seine Entscheidung getroffen hatte, war Tashigi in ihr Zimmer hinaufgegangen. Sie setzte sich aufs Bett und vergrub ihr Gesicht in den Händen.

Sie sah erst wieder auf, als ein Windstoß durch das geöffnete Fenster Papier rascheln ließ.

In der letzten Nacht war Vollmond gewesen und der Feuervogel hatte ihr einen Brief von Chopper überbracht.

Sie lächelte. Vielleicht könnte sie die Post von einem geliebten Freund aufmuntern. Doch beim Lesen wurden ihre Augen immer größer.
 

„Liebe Tashigi,

deine letzte Post hat mich sehr traurig gemacht.

Aber du glaubst gar nicht, was bei uns los war…“



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  pbxa_539
2012-02-29T13:35:25+00:00 29.02.2012 14:35
Hmm...noch gar kein Kommentar hier?
Dann verfasse ich mal einen, lange genug hat es ja gedauert.
Nur gut, dass du das eh schon von mir kennst xD

So, so, ein Feuervogel überbringt die Briefe.
Das haben die ja clever gelöst, das muss man denen lassen.
Der letzte Brief von Chopper macht mich ja neugierig.
Was war denn los? Wo ist Zoro abgeblieben?
Bleibt Tashigi in der Marine oder nicht?
Fragen über Fragen und bis jetzt keine Antworten...

Ich freu mich aufs nächste Kapitel.
Und ich bin nach wie vor der Meinung, ausführlicher wäre besser als die abgekürzte Version...*soifz
Auch wenn ich weiß, wieso, weshalb und warum du es abkürzt.
Musste das mal gesagt haben.


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