Disclaimer : Projekt Weiß
Erklärung : die Ausgangs-Szene war vorgegeben, nicht der Verlauf
Warnung : die Deutung mit Happy-End schaffen nur professionelle Optimisten
Widmung : kissos
Kreuzfeuer
Atemzüge zeugen von Leben. Aber hier sind sie unregelmäßig, durchsetzt von mühsam unterdrücktem Stöhnen. Bauchschüsse sollen die Hölle sein. Hoffentlich
hat der Lange es bald geschafft. Eine reelle Überlebenschance hätte er nur in einem OP. Und dazu müsste ein Wunder geschehen.
Ken lässt Yohji nicht aus den Augen, während er sein zusammengeknülltes Hemd auf dessen Wunde drückt. Selbst von der Seite kann ich sehen, wie hilflos wütend er ist.
Er wollte einen Ausfall wagen, die beiden Schützen ablenken, versuchen, Hilfe zu holen… irgendwie.
Erstaunlich kraftvoll, unglaublich selbst beherrscht, hatte Yohji ihn am Arm festgehalten. Hastig hervor gepresste Worte. Und dann fiel sein Kopf zurück und seine Hand löste sich, um sich kurz darauf in das blutgetränkte Stoffknäuel auf seinem Bauch zu krallen.
Aber er hat sein Ziel erreicht. Ken blieb in Deckung. Hätte keinen Sinn gemacht, den Helden zu geben. Sinnlose Selbstopferung, ohne Yohjis Situation zu verbessern.
Die Schützen haben Standortvorteil, leicht erhöhte Position. Und so bleibt nur, sich dicht an die halbzerfallene Mauer zu drücken.
Wenn der letzte Kontaktversuch über Headset angekommen ist, dann bekommen wir Hilfe. Sollte wenigstens für Ken und mich noch reichen. Für Yohji wird es knapp, verdammt knapp.
Mauerwerk spritzt dicht neben meinem Kopf durch die Gegend. Zu dicht.
Ken schaut ruckartig zu mir. Ich zeige nach rechts, er nickt. Blindes Verstehen.
Mindestens einer der Schützen hat seinen Standort gewechselt.
Der Einschlag lag hinter mir, aber seitlich. Wenn der Typ noch weiter rum kommt, kann er uns von der Seite abknallen, während sein Kollege von vorn Scheibenschießen üben kann.
Kens Augen fixieren mich. Tief hab ich abgeduckt. Wieder war der Winkel noch bedrohlicher, der Einschlag noch näher. Nur noch wenige Meter und er erwischt mich. Dann Ken. Und vielleicht ist noch genug Leben in Yohji für einen Gnadenschuss.
Wie lange mag es dauern? Klettert er vorsichtig über die Trümmer? Und bleibt selbst in Deckung? Oder ist er sorglos und verlässt sich auf die Rückendeckung seines Kollegen?
Kens Blicke sind intensiv. Selbst wenn ich wollte, ich könnte nicht wegschauen.
Und ich weiß, er hat Recht. Eine echte Chance auf Überleben haben wir nicht, wenn wir ausbrechen.
Aber hier hocken und abwarten, wann die erste Kugel trifft… nicht unser Ding.
Hätte was von Resignation, devotem Ergeben ins Schicksal. Und so haben wir nicht gelebt, so werden wir nicht sterben.
Langsam senke ich einmal meine Lider, gebe so mein Einverständnis. Und dann schaue ich in seine warmen Augen. Er lächelt noch einmal. Drückt Yohjis blutverschmierte Hand. Ein Abschied für immer, nur fraglich, wer zuerst geht.
Dann grinst er mich an. So jung, so fertig, so… bereit.
Sein Mund formt das Wort. Los. Und noch während sein Schrei bei mir ankommt, sehe ich seinen Sprung über die Mauer. Bin schon in der Drehung, nach rechts….
Und ich höre den nächsten Schuss. Und ich höre Ken….