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Tango

Das Rosa Cama in Buenos Aires
von

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Der dreizehnte Tanz

Ich weiß, ich habe lange gebraucht.

Und es tut mir leid, aber ich konnte einfach nicht weiterschreiben, bis ich mir nicht halbwegs klar über das Ende war, da die Geschichte nun doch dem Ende entgegengeht.

Aber das versprochene Kapitel mit Ramón kommt noch, macht euch keine Sorgen =)

Also nun viel Spaß beim Lesen, es ist länger als gewöhnlich =D
 


 

Seine Glieder schmerzten. Er hatte viel zu lange in der Kutsche zugebracht; zwar war diese durchaus gut gepolstert, doch hatte er keinen Tag der letzten Woche an ein und demselben Ort verbracht und diesen Tag saß er schon seit fünf Uhr in der Früh in der Kutsche, sie hatten lediglich hin und wieder kleine Pausen eingelegt, um die Pferde zu versorgen und sich die Beine zu vertreten.

Von seinen Begleitern war er wenig angetan, reden hatte er mit ihnen nicht können und auch keinen Schritt ohne seine Wachen tun können. Obwohl er doch froh gewesen war; wenn sie in dunklen Wäldern neben ihm her ritten, gab es ihm doch ein Gefühl von Sicherheit.

Wenn er an die folgenden Stunden dachte, so begann ihm auch der Kopf weh zu tun. Es würde erst hektisch werden, dann nervenaufreibend und schlussendlich affektiert. Und erst dann, nach Stunden des aufgesetzten Lächelns, würde er sich in sein Bett fallen lassen können, erst dann konnte er zur Ruhe kommen.
 

Die Sonne war schon gänzlich hinter dem Horizont verschwunden und der Westen, der Norden und der Süden waren schon in Dunkelheit getaucht, nur über dem Osten glühte noch ein blasser Streifen des Abendrots. Bis er bei seinem Heim ankam, würde es gänzlich dunkel werden, wie seine Zukunft.

Er lehnte sich aus dem Fenster hinaus und rief zu einer der Wachen: „He! Komm mal heran!“ Der Reiter, den er angesprochen hatte, lenkte sein Pferd neben die Kutsche und fragte ehrerbietig: „Was gibt es, Herr?“ Der wiederum fragte: „Wie lange ist es denn noch hin, bis zur Ankunft?“ Der Reiter blickte sich kurz um und entgegnete dann: „Wohl kaum lange, die Gegend ist schon vertraut, aber genau weiß ich es nicht, da müsste ich den Kutscher fragen.“

„Ist schon gut, lass nur. Ich danke dir für die Auskunft.“ Mit diesen Worten ließ er sich wieder zurückfallen und griff sich in den Nacken. Konnte man denn nichts Komfortableres zum Reisen erfinden? Diese elenden Kutschen waren der Tod eines jeden Rückens.

Seufzend beschloss er, dass er noch einmal versuchen würde zu schlafen, lehnte sich auch gegen die Seitenwand, verschränkte die Arme vor der Brust, streckte die Beine aus, zumindest soweit er es konnte, und schloss die Augen.
 

Er hatte nicht schlafen können, dennoch fühlte er sich ein wenig entspannter, als ein Page die Tür öffnete, ihn auszulassen. Sich streckend und dehnend kletterte er hinaus und sah den Palast an, sein Heim und heute Abend ebenso der Ort seiner Niederstreckung. Er drehte sich um, um die Kirchturmuhr zu sehen, es war zehn Minuten nach der sechsten Abendstunde, das bedeutete, dass der Ball in einer Stunde begann.

Wie er Bälle hasste.

Wenn er sich eilte, hätte er vielleicht noch Zeit seinen Bruder zu sehen, bevor sie hinter ihren Masken verschwanden. Er war gerade in der Eingangshalle, da kam ihm sein Vater entgegengestürmt, mit offenen Armen und schloss ihn in eine Umarmung.

„Sohn!“, rief er. „Sohn, wir vermissten dich schmerzlich während deiner Abwesenheit! Heute ist dein Abend, mein Sohn! Heute wirst du öffentlich verlobt! Ich bin so stolz auf dich!“ Er hielt noch immer einen Arm um die Schultern Julios, drehte sich aber zur Treppe und rief: „Ramón! Weib! Mein Sohn ist wieder da! Kommt her und begrüßt ihn angemessen!“
 

Carmen saß Ramón gegenüber in einem Sessel in Julios Gelass. Die Größe und der Prunk all seines Habens hatten ihr die Fassung genommen. Nun saß sie stumm wie ein Fisch dem jüngeren der Brüder gegenüber und wusste nichts Besseres zu tun als diesen anzustarren.

Der Hellhaarige zuckte unwillkürlich zusammen, als er die schallende Stimme seines Vaters vernahm. Er warf Carmen einen leidenden Blick zu, erhob sich dennoch, der Aufforderung seines Vaters Folge zu leisten.

Einen Moment lang blieb Carmen regungslos sitzen, doch dann beschloss sie dem Prinzen zu folgen, sie wollte ihren Julio so früh als möglich sehen.

Am oberen Treppenabsatz, der zur Eingangshalle führte, kauerte sie sich hinter ein Geländer und beobachtete die Szene, die sich ihr darbot.

Als erstes kam Julios Mutter auf ihn zugestürmt, sie schloss ihn in ihre Arme und schluchzte leise in seine Schulter: „Mein lieber Junge, ich vermisste dich so sehr!“ Doch Julio schob sie gefühlskalt beiseite und sah zu seinem Bruder. Dieser grinste ihn schief an, klopfte ihm auf die Schulter und fragte: „Na Julio? Hast du deine letzten Tage in Freiheit genossen und noch einmal ein paar Frauen verführt?“ Der Bruder lächelte ihn nachsichtig an und umarmte ihn, doch der Vater riss den Hellhaarigen zurück, gab ihm eine Schelle und blaffte ihn an: „Ungezogener Flegel! Dass du dich nicht schämst! Es ist nicht jeder wie du und deine elende Mutter! Lass meinen Sohn mit solchen Geschichten in Ruhe, Ramón!“

„Vater, lass…“, murmelte Julio und legte seine Hand auf das Handgelenk des Mannes, der Ramón am Kragen gepackt hatte und ihn hasserfüllt anstarrte. Der Jüngere der beiden Prinzen hatte die Kiefer fest aufeinander gepresst, sich schwörend kein Wort über seine Lippen kommen zu lassen, keinen seiner niederträchtigen Gedanken jemals auszusprechen.

„Ja“, erwiderte der Herzog und ließ langsam von Ramón ab. „Ja, du hast Recht, mein Sohn. Aber du musst dich beeilen, wenn du noch rechtzeitig fertig werden willst, also geh nun hinauf dich richten.“ Julio leistete der Aufforderung seines Vaters umgehend Folge und ging in Richtung Treppe, Ramón mit sich ziehend, ihm etwas zuflüsternd. Dieser rückte sich den Kragen und die Rüschen zurecht und folgte Julio die Treppen hinauf.

Erschrocken bemerkte Carmen, dass es wohl kaum von Vorteil sein konnte, wenn Julio sie hier entdeckte, so erhob sie sich und wollte zurück in sein Gelass schleichen, doch das war leichter gesagt, als getan, denn sie hatte keine Ahnung, wo zur Hölle das lag. Dieser Palast war so groß, dass man sich wahrhaftig darin verlaufen konnte.
 

Leicht in Panik verfallend eilte sie die Gänge hinauf und hinunter und fand doch nicht das Zimmer wieder. Als sie um eine Ecke hastete, rannte sie in Ramón hinein, der hielt sie fest und hinderte sie so am zu Boden Fallen.

„Was machst du denn hier?“, fragte er erstaunt.

„Ich habe mich verlaufen“, entgegnete Carmen und versuchte einen gleichgültigen Blick aufzusetzen. Er sollte nicht bemerken, dass sie ihnen nachspioniert hatte. Doch Ramón hob lediglich eine Augenbraue und meinte: „Soso… Soll ich dich zu seinen Kammern bringen?“ Carmen nickte und folgte ihm schweigend, als er ebenso wortkarg voraus lief.

Der junge Prinz klopfte lediglich an die Tür und drehte sich dann um, pfeifend den Flur entlang schlendernd, die Hure sich selbst überlassend.

Ihr Herz schlug ihr bis zum Hals. Wie würde er wohl auf ihr Kommen reagieren? Sie musste das Zittern ihrer Beine unterdrücken. Warum wurde ihr nur auf einmal so schlecht?

Wahrscheinlich lag das an dem Korsett, Emilie hatte es wohl doch zu eng geschnürt.

„Herein“, vernahm sie plötzlich seine warme Stimme von innen. In dem Moment war ihr, als müsse sie sich gleich übergeben. Sie konnte nicht hineingehen zu ihm! Was sollte sie ihm denn sagen?

Doch ehe sie umdrehen konnte, hatte sie schon die Türe geöffnet und war eingetreten.

Der Raum war von Kerzenlicht erfüllt, das eine warme und entspannte Atmosphäre brachte. Aber Carmen fühlte sich alles andere als entspannt! Ihr brach beinahe der kalte Schweiß aus, als sie aus dem Schlafzimmer erneut seine Stimme hörte: „Wer da?“

„Ich“, hörte sie sich sagen, „Ich bin es.“

Auf einmal erschien er im Türrahmen, ohne Schuhe, ohne Strümpfe, ohne Hemd, nur in der Culotte. „Car-…“, setzte er an, doch als er sie sah stockte er. „Wer seid Ihr?“, fragte er schließlich, einen Schritt auf sie zutuend, die Augen starr auf sie gerichtet.

„Das sagte ich doch: Ich bin es, Carmen!“, wiederholte sie und bemerkte, wie ihre Stimme zitterte. Julio war ihr nun ganz nahe, ihr noch immer beständig in die Augen sehend. Sie hatte sich noch keinen Millimeter gerührt.

„Du siehst aus…“ Er streckte seine Hand aus und berührte vorsichtig ihr Gesicht. „Wie sie.“

„Sie?“, fragte Carmen. Was meinte er mit „sie“?

„Wie all die Frauen, die keinen wahren Geist in ihren Körpern haben, all die Adeligen.“

„Und dennoch bin ich es“, erwiderte sie.

Julio lächelte sie, verloren in einer Erinnerung, an und im nächsten Moment legte er seine Lippen auf ihre.

Vollkommen glücklich legte sie ihre Arme um ihn und zog ihn näher an ihr Herz.
 

Aber plötzlich stieß er sie von sich weg, fuhr sich mit dem Handrücken über den Mund und keuchte: „Was tue ich hier? Dies ist der Abend meiner Verlobung! Was tust du hier?“ Er wich noch einen Schritt zurück und ein Windstoß, der durch die geöffneten Fenster drang, brachte die Kerzen gefährlich zum Flackern und zum Rauchen. Ihr Licht warf nun bedrohliche und wirre Schatten auf das Gesicht ihres Geliebten. „Du kamst nicht, als ich es dir auftrug, es bedeutet, dass du mich nicht liebst! Weswegen bist du nun also hier? Oder bist du gar eine Erscheinung?

Nein! Zu echt! Zu echt war dieser süße Kuss, der Geschmack nach Kirschen! Ich will dich nicht sehen! Geh! Verschwinde aus meinem Blick!“

„Julio! Geliebter Julio!“ Sie tat einen Schritt auf ihn zu, einen Arm ausstreckend, ihre Hand beruhigend auf seine Wange zu legen.

Er wich lediglich noch weiter vor ihr zurück, die Finger durch die Haare gleitend und sich darin verfangend und keuchend: „Nenn mich nicht so! Nie wieder! Vom heutigen Abend an gibt es nur eine Person, die mich so nennen darf! Verschwinde!“

„Julio, ich bitte dich! Hör mich an!“, flehte sie, kniete vor ihm nieder, warf sich zu seinen Füßen auf den Boden, seine Knöchel ergreifend.

Der Prinz jedoch machte noch einen Satz zurück und rief: „Warum tust du nicht, was ich dich heiße? Verdammt! Warum machst du es noch schwerer für mich? Denkst du, es ist keine Bürde für mich, eine Frau zu heiraten, die ich nicht liebe? Die ich bestenfalls ausstehen kann?“

„Ich liebe dich, Julio und wenn du mich nur noch ein bisschen liebst, so hör mich an! Nur das! Nicht mehr! Nur dein Ohr sollst du mir leihen, ich bitte dich!“ Mühsam richtete sie sich wieder auf und sah ihn an.

Er schien hin und her gerissen, verlagerte unruhig sein Gewicht vom einen aufs andere Bein und wieder zurück, spielte abwesend mit seinen Fingern, hatte jede Faser seines Körpers gespannt.

„So sprich denn“, sagte er endlich, machte aber keinerlei Anstalten ihr einen Platz anzubieten, sondern ließ sich selbst auf einen Sessel fallen, auf ihren Rocksaum starrend. Carmen ihrerseits holte tief Luft, griff in ihre Tasche und umschloss Emilies Rosenkranz. Dann sammelte sie all ihren Mut und sagte: „Dass ich an jenem Tag nicht kam lag nicht an mir…“

„An wem dann, wenn nicht an dir?“, fuhr er ihr scharf ins Wort und beobachtete sie.

„Julio, bitte.“ Er schien ihre Bitte zu verstehen, denn im nächsten Moment schwieg er und ließ sie weiter sprechen: „Dein Abgesandter, er erpresste mich. Er sagte, er würde mir vorlesen, was in dem Brief stünde, würde ich ihm eine Bettrangelei gewähren. Ich stimmte also zu, schließlich habe ich nie gelernt zu lesen.“

„Was hat das mit unserem Treffen zu tun? Du hättest danach kommen können, hättest du es gewollt, doch anscheinend hast du dich lieber mit ihm vergnügt.“ Enttäuschung und Verbitterung klangen in seiner Stimme, doch Carmen fiel ihm ins Wort: „Vergnügt? Glaub mir, es war wahrlich kein Vergnügen! Denn er schleppte mich hoch in meine Kammer! Und er kam erst nach fünf! Glaub mir, ich wäre gekommen, aber als er mit mir fertig war, warst du schon längst weg, wieder in deinem trauten Heim!“ Daraufhin schwieg Julio. Er erinnerte sich an seine Unterredung mit Alejandro Insida an jenem Tag. Vermutlich sagte sie die Wahrheit.

„Aber was bringt dir das nun?“, fragte er, was ihm in den Sinn kam. „In einigen Stunden werde ich verlobt sein, die ganze Stadt wird es wissen und dann werde ich ohnehin nicht mehr zu dir kommen können.“ Niedergeschlagen ließ Carmen den Kopf hängen und murmelte: „Du hast recht.“ Damit drehte sie sich um und schlich zur Tür. „Ich wollte nur, dass du es weißt und auch, dass ich dich auf immer lieben werde. Mein geliebter Julio“, fügte sie hinzu und wollte gerade die Tür öffnen, da vernahm sie, wie er aufsprang und zu ihr eilte, bis er schließlich von hinten seine Arme um sie schloss und sein Gesicht in ihrem Nacken barg.

„Geh nicht weg“, flüsterte er und küsste ihren Hals. „Ich will diese Person nicht heiraten! Ich liebe niemand anderen so sehr wie ich dich liebe, du bist das Wichtigste in meinem Leben! Bleib noch hier, geleite mich in meinen Untergang, auf dass ich stolz fallen kann, gleich einem Mann!“

In Gedanken schalt er sich selbst einen hoffnungslosen Taugenichts; nicht einmal seine eigenen Vorsätze konnte er halten.

Er hatte doch standhaft sein wollen, wenn er sie sah, er hatte doch beherrscht sein wollen, wenn sie an ihm vorbei ging!

Und nun dieses Desaster!

Alle seine Prinzipien über den Haufen geworfen in dem Augenblick, da er es fast geschafft hatte!

Aber es war zu süß, zu wohlig dieses Gefühl des Glücks in ihrer Nähe, des Verständnisses.

Sanft drehte er sie zu sich um und sah ihr in die Augen.

„Sogar deine Augen sind geweitet, wie ihre!“ Er lächelte mild und sie erwiderte sein Lächeln. „Wer brachte dich hierher? Ramón, der Schelm?“ Doch in diesem Moment verflog ihr Lächeln wieder.

Er nahm die Veränderung in ihrem Blick wahr, in ihrer ganzen Gestik und Mimik, sie wirkte in sich gekehrter, etwas eingeschüchtert; völlig untypisch für die Frau, die er kannte. Hatte er denn etwas Falsches gesagt? Irgendetwas, das sie hätte verletzen könnte?

In Gedanken ging er noch einmal seine letzten Bewegungen und Worte durch, bis er, wenn auch ungläubig, fragte: „Es hat doch nichts mit Ramón zu tun? Oder? Er hat dir doch nichts angetan?“

Carmen schwieg darauf und führte ihn an der Hand zu den Sesseln, dann flüsterte sie: „Du solltest dich besser setzen, Julio.“ Verwirrt tat er wie ihm geheißen, ließ ihre Hände jedoch nicht los, auch als sie sich in den Sessel neben ihm niederließ. Vergeblich suchte er nach Blickkontakt und erkundigte sich schließlich: „Es ist also wegen Ramón?“

„Ich“, begann Carmen und stockte, als sie in seine wissbegierigen Augen sah. Doch er lächelte ihr sanft zu und nickte kaum merklich, so holte sie tief Luft und fuhr fort: „Ich hatte eine Abmachung mit Ramón, damit er mir hilft hierher zu kommen und dich zu sehen.“

„Eine Abmachung?“, fragte Julio und musterte sie ungläubig, dann verfinsterte sich seine Miene etwas und er knurrte: „Warum schließt du denn mit allen Leuten Abmachungen? Lernst du denn nicht aus deinen Fehlern? Was war die Abmachung? Eine Nacht mit ihm? Oder auch diesmal nur eine kurze Balgerei?“ Er hatte die Stimme erhoben und hatte ihre Hände losgelassen.

„Julio, es ist nicht so, nun hör doch…“, setzte sie an, doch Julio fuhr fort sie anzublaffen: „Leugne es nur nicht! Ich weiß doch, wie mein Bruder ist!“ Er war aufgestanden und stapfte wütend auf und ab, wild gestikulierend. „Er würde niemals etwas für andere tun, ohne selbst einen Nutzen daraus zu ziehen! Er ist ein Taugenichts und Tunichtgut! Ein fauler Pelz, der nicht bereit ist Konsequenzen aus seinem Handeln zu ziehen. Dieser verdammte Lüstling! Wie konnte er mir das antun? Dabei habe ich ihn eben noch vor Vater verteidigt, dieser Schelm! Und wie kannst du mir das antun? Du hättest es doch anders beschaffen können, als dich ihm zu versprechen, ist es denn nicht genug, dass ich weiß, dass du mit meinem Diener schliefst? Muss es nun auch noch mein Bruder sein? Mein elender Bruder, der Bastard?“

„Nun reicht es!“ Carmen war ebenfalls aufgestanden, hatte ihn bei den Handgelenken gepackt und brüllte ihn an: „Ich lasse es nicht zu, dass du so von deinem Bruder redest! Sprich und denk von mir was du magst, aber dein Bruder liebt dich über alles, Julio! Er hat nichts dergleichen von mir verlangt! Rein gar nichts! Wie kannst du so etwas von ihm denken? Weil er oft zu uns Huren kommt? Weil er gerne Frauen bei sich im Bett liegen hat? Wie kann es sein, dass du deinen Bruder so schlecht kennst? Und ihn auch noch einen Bastard schimpfst; Wie kannst du nur? Er vertraut dir, vertraut dir blind, würde alles für dich tun, weil er glaubt, dass du ihn ebenso liebst wie er dich, doch ich werde wohl zu ihm gehen und ihm erzählen müssen, dass sein Bruder ihn verhöhnt und das trotz der Tatsache, dass sein Vater ihn ins Militär nach Europa schickt! Sag nur ein Wort mehr dergleichen und gehe ihm Bericht erstatten!“

Mit offenem Mund starrte Julio sie an.

Was hatte sie da gesagt?

„Europa?“, fragte er leise und suchte vergeblich in ihrem Blick zu lesen, dass er sich verhört hatte, dass es nur ein Streich seines Bruders war oder wenigstens ein böser Traum. Es war ihm gleich, was es war, nur durfte es nicht wahr sein!

Doch Carmen erwiderte bitter: „Ja, du hast es schon recht verstanden. Dein Bruder, den du noch gerade einen Bastard, einen Lüstling, einen Schelm und was noch alles geschimpft hast, muss nach Europa, in die harte Schule des Militärs. Er bat mich dir diese Nachricht zu übermitteln, da er selbst es nicht konnte.“ Julio wandte den Blick gen Boden, den Mund noch immer ungläubig geöffnet und ließ sich langsam in den Sessel sinken.

„Europa“, wiederholte er noch einmal. „Ramón, mein kleiner Bruder Ramón in Europa, tausende Meilen von mir entfernt, in der alten Welt.“ Er legte seine Hand an die Stirn und dann vor den Mund. Sein Blick wanderte rastlos durchs Zimmer, keinen bestimmten Punkt fixierend. „Woher weißt du es?“, fragte er mit tonloser Stimme.

Carmen stand vor ihm, wusste nicht wohin mit Händen und Armen, fühlte sich unwohl in ihrer Haut und antwortete dennoch: „Ich war bei ihm, als er wiederkam, nachdem euer Vater ihn gerufen hatte. Er war außer sich vor Wut und Trauer. Er hatte ein solch schlechtes Gewissen dich allein zu lassen, mit Esperanza.“ Sie war von sich selbst überrascht, dass sie diesen Namen nicht ausgespuckt hatte, als sei er giftig. Jedoch schien es an Julio vorbeizugehen.

„Hast du ihm Trost gespendet? Hast du ihn in den Arm genommen und ihn gefragt, was er braucht? Dich um ihn gekümmert?“ Mit glasigem Blick sah er ihr in die Augen. „Ich muss zu ihm!“, rief er plötzlich und sprang auf. „Ich muss zu ihm gehen und ihn fragen, ob es die Wahrheit ist!“ Er stürmte schon los, da hielt Carmen ihn zurück, zog ihn mit aller Kraft, die sie aufbringen konnte, in ihre Arme und unterdrückte so gut es ging seine Versuche aus dieser unfreiwilligen, lästigen Umarmung freizukommen.

Ihn festzuhalten erwies sich schwerer als geahnt; nie hätte sie gedacht, dass ein so zärtlicher Liebhaber so unglaublich stark sein konnte. Und sie hatte letztlich das Gefühl, dass er sich auch nur halbherzig wehrte, denn schließlich gab er nach, presste sie an sich und suchte seinerseits Trost in ihrer Umarmung. Beruhigend streichelte sie ihm über den Rücken.

„Es war nicht so gemeint!“, sagte er mit heiserer Stimme. „Ich habe all diese Beschimpfungen nur im blinden Zorn dahergeredet, nichts davon ist so gemeint! Ich konnte es ja nicht ahnen!“

Wie ein kleiner Junge hatte er das Gesicht an ihrer Schulter geborgen, die Finger in den Stoff ihrer Watteaufalten gekrallt.

„Ich weiß, dass du es nicht so meintest, Julio. Es ist in Ordnung.“ Es fiel ihr schwer ihn zu trösten, denn auch sie wünschte sich jemanden, der ihr nun Halt gab, kurz vor der Bekanntgabe seiner Verlobung mit Esperanza Maladie.

Und ihren Geliebten nun so zu sehen versetzte ihr einen Stich im Herzen, so trat sie wieder einen Schritt von ihm zurück und sagte mit weicher Stimme: „Du musst deine Fassung behalten, Julio, du wirst doch bald 25, bist schon ein Mann, dann auch vollmächtig. Du musst es schaffen dich zusammenzureißen.“ Für den Bruchteil einer Sekunde sah er sie verständnislos an; wer hatte ihn denn in diese Umarmung gezwungen?

Doch dann setzte er eine unnahbare Miene auf und trat einige Schritte von Carmen weg.

„Du hast Recht“, entgegnete er mit gefasster Stimme. „Verzeih, ich hätte mich nicht so gehen lassen dürfen. Du hast Recht, es geziemt sich nicht für einen Mann meines Alters und meiner Stellung sich so gehen zu lassen.“

Die junge Hure seufzte. So hatte sie es nicht gemeint. Sie hatte nicht gewollt, dass er ihr gegenüber die Maske seiner aristokratischen Autorität aufzog.
 

„Wie lange gedenkst du eigentlich zu bleiben?“, fragte er und setzte sich wieder in den Sessel. Unschlüssig setzte auch Carmen sich wieder, die Hände in den Schoß gelegt und antwortete: „Es ist gleich, wie lange ich bleibe. Der Hurenwirt denkt, ich läge krank ich meinem Bett. Du musst wissen, dass ich mich hinaus geschlichen habe.“

„Hinaus geschlichen also? Wie hast du das angestellt mit dem Kleid?“, fragte Julio und lächelte. Aufgesetzt.

„Ich bin ausgestiegen, durch ein Fenster.“

„Aber doch nicht durch deines, oder? Da würdest du doch auch ohne Kleid nicht durchpassen.“ Carmen schnappte nach Luft, eine solche Beleidigung hätte sie ihm nicht zugetraut. Bissig entgegnete sie: „Nein, durch das Fenster einer anderen, das war gerade groß genug.“ Verwundert sah er in ihr empörtes Gesicht und realisierte offensichtlich erst jetzt, was er gerade gesagt hatte.

Er hielt sich die Hand vor den Mund und blickte ihr erschrocken in die Augen, dann murmelte er: „Verzeih, ich… ich wollte damit nicht sagen, dass… Du weißt, dass ich dich liebe, über alles, du bist mir das Wichtigste auf dieser Welt. Und du weißt doch auch, dass ich dich wunderschön finde.“ Damit lehnte er sich zu ihr und küsste sanft ihre Lippen.

„Es ist in Ordnung, Julio. Ich liebe dich auch.“ Carmen schlang ihre Arme um seinen Hals und legte ihre Stirn an seine. Schließlich atmete sie tief durch und sagte: „Er wird zurechtkommen. Auch in Europa gibt es Huren.“ Julio lachte daraufhin gequält auf und nickte. Die Augen hatte er geschlossen und lauschte nur ihrer Stimme. „Mach dir keine Sorgen um ihn, er ist zäh und wird sich schon durchschlagen. Und einen Freund, mit dem er durch die Gassen ziehen kann wird er sicherlich auch schnell gefunden haben. Du kennst ihn ja am Besten, er ist eine Frohnatur.“

Julio seufzte, erwiderte aber nichts. Auch Carmen schwieg, kraulte ihm lediglich den Hinterkopf, gewillt ihn zu beruhigen, denn sie konnte sich vorstellen, dass er innerlich noch immer mit sich rang, diese Nachricht zu akzeptieren

Nach einigen Minuten des Schweigens löste er sich allerdings von ihr mit den Worten: „Ich muss mich beeilen, damit ich rechtzeitig zu den Festlichkeiten erscheine.“ Carmen nickte und wollte in diesem Raum auf ihn warten, doch er hatte sie an der Hand genommen und zog sie sanft mit sich in sein Schlafgemach.

„Was wirst du auftragen?“, fragte Carmen, als er sie zu seinem Bett geführt hatte und sie sich darauf niederließ.

„Ich dachte an ein dunkles Bordeaux-rot mit einer sanft-gelben Weste.“ Er hielt sich die besagten Stücke an und fragte mit einem leichten Lächeln: „Steht es mir?“ Zurücklächelnd entgegnete Carmen: „Es umschmeichelt deinen Teint ungemein.“
 

Er hatte gerade die weißen Socken noch einmal gestrafft und die Schnallen der Hose geschlossen, da vernahmen sie ein Klopfen.

Das Gespräch, das sie geführt hatten, erstarb mit einem Mal und sie warfen sich einen verwirrten Blick zu.

Als der Prinz nicht antwortete, begann die Person vor der Tür zu sprechen: „Julio? Ich bin es, Esperanza. Darf ich eintreten?“ Nun wurde Julios Blick leidend und als er wieder nicht antwortete, fragte sie: „Julio? Bist du denn da?“

„Ja!“, rief er da schnell. „Ja, ich bin da, komm nur herein.“ Carmen presste die Kiefer aufeinander, aus Angst, sie könnte einen giftigen Kommentar von sich geben und sie somit verraten. Julio seinerseits warf sich das Hemd über, als er die Tür aufgehen hörte, packte Carmen dann an den Handgelenken und zog sie grob vom Bett, sich hastig umsehend. Eilig öffnete er die Türen seines Kleiderschrankes und bedeutete ihr, hineinzugehen. Sie sah ihn jedoch nur verständnislos an und schüttelte den Kopf; sie würde sich doch nicht wie ein zweitklassiger Liebhaber im Kleiderschrank verstecken.

Stumm formulierte Julio das Wort „Bitte“ und flehte sie mit seinem Blick an.

„Julio? Bist du in deinem Schlafgemach?“, erklang wieder die Stimme seiner Verlobten.

Julios Kopf wandte sich zur Tür und sofort darauf mit noch dringlicherem Blick wieder zu ihr. Nun gab Carmen doch auf und stellte sich, mit einem stummen Seufzen, in den Kleiderschrank. Julio küsste sie noch einmal flüchtig, flüsterte ihr ein Wort des Dankes ins Ohr und schloss die Tür.

So stand sie nun also im dunklen Kleiderschrank ihres Geliebten, weil seine Verlobte sie überrascht hatte. Welch eine Ironie.

„Ja, ich ziehe mich gerade an“, vernahm sie seine Stimme gedämpft von außerhalb des Schrankes.

„Darf ich eintreten?“, ertönte wieder die liebliche Stimme Esperanzas und Carmen knirschte missgelaunt mit den Zähnen, als Julio sagte: „Wenn du es wünschst.“

„Versteh es nicht falsch, Julio, ich will dir nicht zu nahe treten, ich möchte nur wissen, was du trägst, damit ich dich auch wieder erkenne, sollten wir uns auf dem Ball verlieren.“

Vorsichtig öffnete Carmen die Tür einen Spalt breit und was sie sah ließ sie aufjapsen und eine Schritt zurückwanken, doch gleich darauf presste sie sich ihre Hände auf den Mund, denn Esperanza fragte skeptisch: „Was war denn das gerade für ein merkwürdiges Geräusch?“

„Geräusch?“, fragte Julio und seine Stimme war in dem Moment ungewöhnlich hoch, weswegen er sich räusperte und fast schon übertrieben ruhig fortfuhr: „Ich habe nichts gehört.“ Esperanza jedoch ließ noch einmal argwöhnisch den Blick durch den Raum streifen, bis sie sich aus Carmens Blickfeld entfernte und sich wahrscheinlich auf das niedrige Fensterbrett setzte.

Doch Carmen war in Gedanken noch immer bei dem Anblick, der sich ihr gerade eben geboten hatte.

Esperanza war wunderschön, anders ließ es sich nicht beschreiben! Carmen verstand nicht, warum Julio nicht toll vor Vorfreude auf die Ehe wurde, bei diesem Antlitz.

Seine Verlobte war klein, zierlich und ihre Proportionen schienen perfekt, soweit die Robe à la Francaise es zuließ, diese zu erkennen. Doch der Ausschnitt schien von einem Meister für sie gemacht zu sein, denn alles passte perfekt. Und erst ihr Gesicht und die Haare!

Was hätte Carmen darum gegeben solch glattes und seidig glänzendes Haar zu haben? Stattdessen war ihres strohig und kraus.

Nun hasste sie diese Person noch mehr als zuvor.

Zwar wusste sie genau, dass sie nur eifersüchtig war, aber diese Tatsache ließ sie nur noch wütender werden.

Angestrengt lauschte sie ihren Stimmen.

„Ach Julio, ich freue mich so, dass es schon heute Abend offiziell gemacht wird! Dann müssen wir auch nicht mehr lange warten, bis wir verheiratet sind. Und vielleicht werde ich dir schon bald darauf einen Sohn gebären, denn meine Mutter sagte immer zu mir, ich hätte ein gebärfreudiges Becken. Und dann werden wir…“

„Esperanza!“, unterbrach Julio sie ruppig. Carmen hatte sich, während Esperanza gesprochen hatte, aus Zorn so sehr auf die Lippe gebissen, dass es begonnen hatte zu bluten, doch nun nahm sie etwas Druck von der Wunde, als Julio das Frauenzimmer so anfuhr. „Hör auf damit! Ich will es nicht hören und schon gar nicht jetzt! Ich habe andere Dinge im Kopf als meine Zukunft mit dir zu planen! Wenn du nur wissen wolltest, was ich anziehe, so hast du es nun gesehen und kannst getrost wieder gehen!“ Unmutig stopfte er sich das Hemd, dessen Knöpfe er eben beinahe abgerissen hätte, in die Hose, als Esperanza zu ihm kam, seine Hände festhielt und selbst Hand anlegte.

Carmen spürte, wie ihr das Blut in den Kopf schoss. Wie konnte dieses Weib es wagen ihren Julio an diesen Stellen zu berühren? Woher zum Henker nahm sie diese Anmaßung?

Auch Julios Wangen färbten sich rot und Carmen konnte ihm ansehen, wie unwohl er sich in seiner Haut fühlte, außerdem schielte er immer wieder zu ihr.

„Ich wollte aber mit dir zusammen gehen, Julio“, sagte sie leise.

Nun blickte Julio ganz offensichtlich bestürzt zum Kleiderschrank, in dem noch immer Carmen stand und sie beobachtete.

„W- Wieso das denn?“, stotterte er, weiterhin den Blick auf dem Kleiderschrank ruhend.

„Weil dies der Abend unserer Verlobung ist und ich mit dir zusammen sein will.“ Sie hielt plötzlich inne, die Hände unter seinem Bauchnabel, am Hosenbund. „Julio, ich liebe dich.“

Carmen schnappte erschrocken nach Luft und wieder zeigte Julio die gleiche Reaktion.

„Aber- Aber du kannst mich nicht lieben… Ich meine, du kennst mich doch gar nicht!“, stotterte der junge Prinz und wankte einige Schritte zurück, gewillt Abstand zwischen sich und sie zu bringen.

Im Schrank lehnte sich Carmen für einen kurzen Moment an die Rückwand des Schrankes und atmete tief durch. Bisher war sie die einzige Frau gewesen, die diese Worte zu ihm gesagt hatte!

Aber sie lehnte sich sofort wieder nach vorne und spähte weiterhin nach draußen, sie wollte - musste - sehen, was sich nun zutrug.

Esperanza hatte die Distanz zwischen Carmens Geliebtem und sich geschlossen und ihn bei den Händen genommen. Zu ihm aufsehend sagte sie leise, aber bestimmt: „Bitte gewähre mir am Abend unserer offiziellen Verlobung einen Kuss. Noch nie zuvor hat ein Mann mich geküsst und ich will dieses Gefühl einmal erleben, bevor ich heirate.“

„Aber du heiratest doch ohnehin mich, was macht es für einen Unterschied, ob ich dich jetzt küsse, oder am Tage unserer Hochzeit?“ Er tat noch einen Schritt zurück und fand sich an einer Wand wieder.

„Eben das will ich wissen. Es heißt, dass ein Kuss vor der Hochzeit anders ist, als einer danach.“ Mit diesen Worten stellte sie sich auf die Zehenspitzen und ihre Lippen näherten sich den Seinen langsam. Verzweifelt sah Julio sich mit weit aufgerissenen Augen um, nach einem Fluchtweg suchend. Er schien zur Salzsäule erstarrt.

Aber endlich bewegte er sich wieder.

Nur gefiel Carmen gar nicht, was sie sah.

Julio schlang seine Arme um seine Verlobte und drückte sie an sich. Nun zitterte Carmen vor Wut. Sie wollte nicht, dass dieses Frauenzimmer ihrem Julio so nahe war. Sie hasste es, dass sie nun die Arme um seinen Nacken gelegt hatte und ihre Wange an seine schmiegte!

„Mehr kann ich dir leider nicht geben, Esperanza“, sagte Julio schließlich, als er sie losließ. „Ich liebe dich nicht und kann dich darum nicht küssen. Bitte verzeih.“

„Es ist in Ordnung“, lächelte sie und entblößte dabei ihre strahlenden Zähne.

Beruhigt lehnte Carmen sich wieder gegen die Wand des Schranks. Es war ja so offensichtlich, dass Julio nur sie allein liebte! Da hatte er eine so wunderschöne Frau vor sich und die Gelegenheit diese auch noch zu küssen und er lehnte es ab.

Ein Lächeln glitt über Carmens Lippen und ihr Pulsschlag, der bei dieser Umarmung in unermessliche Höhen geschnellt war, beruhigte sich ebenfalls wieder.
 

Bis Julio sich fertig angekleidet hatte, schwiegen die Verlobten und es war Julio, der die Stille durchbrach, als er sich den Degen umschnallte, und sagte: „Geh doch schon voraus, Esperanza, du musst nicht auf mich warten. Der Ball wird nicht so groß sein, wir werden uns in jedem Falle wieder finden, mach dir keine Gedanken.“

Die Angesprochene seufzte und fragte: „Was ist nur los mit dir? Wüsste ich es nicht besser, würde ich denken, du verheimlichst mir etwas und willst mich darum loswerden. Aber wenn du mich nicht in deiner Umgebung wünschst, so gehe ich. Eine Dame weiß, wann es an der Zeit ist das Feld zu räumen.“ Somit ging sie aus seinem Schlafgemach und Carmen wartete noch, bis sie die Tür zum Flur zugehen hörte. Dann stürzte sie aus dem Schrank und Julio in die Arme, als hätte sie ihn über Jahre hinweg nicht gesehen.

Sie bedeckte sein Gesicht mit Küssen und blieb an seinen glühenden Lippen hängen. Keuchend erklärte sie: „Julio… Ich dachte, du… würdest sie… jetzt küssen… und ihr… dann sagen… dass du sie… liebst!“ Sie unterbrach sich immer wieder, um ihm einen neuen Kuss auf den Mund zu drücken.

Ihre Finger waren in den Stoff seines Hemdes gekrallt und sie zitterte, hing förmlich an ihm, nicht fähig selbst zu stehen. Julio lächelte nachsichtig, hatte seinerseits die Hände in ihre Taille gelegt und sagte ruhig: „Wie könnte ich ihr sagen, dass ich sie liebe, wenn doch du die Frau bist, der mein Herz gehört?“

Er geleitete sie zu seinem Bett, auf dem sie sich mit zittrigen Knien niederließ. Dann beugte er sich zu ihr hinunter, nahm ihr Gesicht in seine Hände, küsste ihre Stirn und fragte: „Wo hast du deine Maske?“

Erschrocken sah sie zu ihm auf und keuchte: „Nein!“ Verwirrt hob Julio seine Augenbrauen und sagte: „Du kannst mir doch nicht erzählen, dass…“

„Nein! Das darf doch nicht wahr sein!“, fuhr sie ihm ins Wort und legte das Gesicht in ihre Hände. „Nun bin ich so weit gekommen und an einer Maske soll es scheitern? Julio, mein Liebster, bitte sage mir, dass du noch eine zweite bei dir hast, bitte sag es mir!“ flehend spähte sie zwischen ihren Fingern zu ihm hinauf. Er hatte sich aufgerichtet und schüttelte ungläubig den Kopf.

„Ich habe keine zweite“, erwiderte er und schien angestrengt zu überlegen, wie er die Situation doch noch zum Guten wenden konnte. Doch ihm schien nichts einzufallen, denn einige Zeit schwieg er, bis Carmen zögerlich fragte: „Kannst du denn nicht Ramón fragen? Er wird dir sicher eine zweite geben!“

„Nein, er hat auch nur eine, die einzige, die zwei Masken hat ist meine Mutter und die wird mich fragen wozu ich die zweite brauche. Außerdem kennt sie ihre Masken und du trägst schon ein Kleid von ihr, nicht wahr? Es ist doch ihres?“ Sie nickte. Niedergeschlagen setzte er sich neben sie und ließ den Kopf hängen. Carmen aber nahm seine Hand, lächelte milde und sagte: „Es gibt sicherlich eine Lösung für dieses Problem, mach dir nur keine Gedanken. Glaub mir, es…“

„Sarah!“, unterbrach er nun sie. Verwirrt blickte sie in seine glänzenden Augen und fragte: „Sarah? Wer ist Sarah? Und was ist mit ihr?“

„Sie ist Dienstmädchen und hat schon seit jeher alten Plunder gesammelt, den wir wegwerfen wollten. Sie hat sicher eine!“ Euphorisch sprang er auf und zog sie hinter sich her in Richtung Tür, doch sie widersprach ihm: „Ich kann aber nicht hinaus, nicht jetzt! Was, wenn mich jemand sieht? Wenn Esperanza noch auf den Gängen herumgeistert?“ Abrupt stoppte er, sodass sie beinahe auf ihn gelaufen wäre, doch sie schaffte es noch rechtzeitig anzuhalten. Julio hatte sich wieder zu ihr umgedreht und die Stirn in Falten gelegt.

„Du hast Recht“, murmelte er. „Dann bleibst du also hier und wartest, bis ich wiederkomme und dich abhole.“ Carmen nickte.

„Ich beeile mich“, versprach er, drückte ihr einen Kuss auf die Lippen und drehte sich um, um zur Tür zu eilen, die er geräuschvoll hinter sich zuschlug.

Nun wartete sie also allein in seinem Gelass auf ihn.
 

Es dauerte nicht sonderlich lange, da öffnete sich die Tür wieder und erschrocken suchte sich Carmen hinter einem Sessel zu verstecken, ahnungslos, wer dadurch die Türe kam. Doch als sie hörte, wie die Tür leise wieder geschlossen wurde und Julio mit sanfter Stimme nach ihr rief, da richtete sie sich auf und kam auf ihn zu.

„Hast du dich vor mir versteckt?“, lächelte er und schloss seine Arme um sie. Doch sie schüttelte den Kopf und entgegnete: „Nein, vor jedem außer dir.“ Er lachte leise, hielt sie dann etwas von sich und zeigte ihr die Maske.

Sie war blau, mit Seide überzogen und Stickereien verziert; sie wurde mit einem Band um den Kopf gebunden. Erleichtert seufzte die Hure auf und nahm ihm die Maske aus der Hand.

„Ich danke dir, Julio.“ Dann band sie sich das Tarnobjekt um den Kopf und erhaschte noch einen Kuss von ihm, bevor er ins sein Schlafgemach ging, um seine eigene zu holen; nahezu aus purem Gold!

Noch einmal strich er ihr über den unbedeckten Teil ihrer Wange, dann nahm er sie bei der Hand und verließ sein Gelass mit ihr.
 

Ich hoffe, es hat euch gefallen =)

Tut mir leid, dass ich so sehr ins Romantische abgeschweift bin >__>"

Bis zum nächsten Mal, lG, Terrormopf^^
 

PS: Yay, ab diesem Kapitelkann ich tatsächlich die Zahlen in Ziffern schreiben xD



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von: abgemeldet
2008-03-21T12:40:09+00:00 21.03.2008 13:40
Haaach! Ich liebe diese Story! ^^
Ich muss Pluie Recht geben.
Ich dachte echt schon das sie scheitert.
Das zuviel Tollkirsche in ihren augen ist und sie nix mehr sieht.
Das der Wirt sie beim abhauen erwischt
Das sie einer auf dem Weg zur Kutsche klaut.
Das der Diener der kerl ist, der sie verfolgt und sie verschleppt.
Meine Fantasie ist echt mit mir durchgegangen. XD
Wie gut das sie heil zu Julio gekommen ist. Und Ramón.... er is soo toll!
Ich freu mich schon super doll auf das nächste Kapitel.
Viele liebe Grüße von Vero
Von: abgemeldet
2008-03-14T11:50:09+00:00 14.03.2008 12:50
Ach Mensch... Ich hab dir gestern einen riesenlangen Kommentar geschrieben und genau, als ich auf absenden gedrückt hab, hat das Internet gestreikt. Ich hab gehofft, er stünde doch drin, aber is mal wieder nix. *grummel*
Na gut, dann schau ich mal, inwiefern ich den Kommentar noch zusammenbekomme.^^
Zu allererst mal hat's mir sehr gut gefallen.^^ Ich hab bei den letzten Kapiteln immer mal wieder Leichtsinnsfehler gefunden, aber diesmal wirklich gar nichts. Schon allein vom Formalen her war alles wunderbar leicht, schnell und flüssig zu lesen. Ich hab gar net gemerkt, wie die Seite vor meinen Augen dahingeflogen ist, bis sie plötzlich zu Ende war. >>
Und dann vom Inhaltlichen her war's auch schön.^^ Ich hatte mal wieder eine schlechte Vorahnung nach der anderen. *anklagend anguck* Wieso hab ich bei deiner Geschichte ständig das Gefühl, dass alles den Bach runter geht? Als Carmen sich verlaufen hat, war ich der festen Überzeugung, sie stößt auf Julios Eltern oder rennt in Esperanza oder stolpert über irgendwas und verletzt sich, sodass sie nicht mehr zum Ball kann. Aber dann hat sie Ramón getroffen und er hat sie zu Julio geführt. Nya, was das Treffen von Julio und Carmen betrifft, hast du's vielleicht wirklich etwas übertrieben, aber das muss auch ma sein.^^ xD
Tja, ich glaube, viel mehr fällt mir jetzt nicht mehr ein...
Ach ja, ich hatte mich zuerst gewundert, warum die Sonne im Osten untergeht, bis mir aufgefallen ist, dass wir ja auf der Südhalbkugel sind. >>"
Moment... Das hat mit den Himmelsrichtungen ja gar nix zu tun... oO Die Sonne geht immer noch im Osten auf und im Westen unter. ... Menno, und Erdkunde war mal mein bestes Fach... >> Irgendwie kaum zu glauben. xD Naja, wenn ich da also nix überlesen oder falsch verstanden hab, dann hast du das durcheinander gebracht. Ähm... ja.
So, das war's dann aber auch schon.^^
lG Pluie


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