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Days of Horror

Bomben auf der Christopher Street
von

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Freitag - 6. August – etwas später

~~~~ Diner of Love ~~~~
 

Gedankenversunken schlenderte Chris durch die Straßen. Noch immer sah er vor sich das tränenüberströmte Gesicht von Robin. War es richtig gewesen, was er gemacht hatte? Zweifel kamen wieder in ihm hoch. Auch in ihm tobte ein Sturm. Er wusste, dass er Robin mochte. Vom ersten Augenblick an, als er ihn gesehen hatte. Aber dennoch wollte er ihn nicht mit seiner Vergangenheit belasten. Es war einfach nicht gut, wenn man sich mit ihm einließ. Er brachte nur Unglück. Egal wem, egal wann. Jeder, der mit ihm zusammen gewesen war, hatte ihn allein gelassen.
 

»Es ist besser für ihn, auch wenn es verdammt weh tut... hätte ich gewusst, dass ich dort jemanden treffe, der mir unter die Haut geht, wäre ich Dee nie dorthin gefolgt... Fuck! Ich hoffe, er kommt darüber hinweg...«
 

Jackson schob seine Hände in die Jacke, achtete nicht auf seinen Weg. Egal wohin, es führte ihn sowieso von Robin weg. Immer weiter ging er, langsam, unaufhörlich trugen ihn seine Füße voran.
 

Eine Explosion in seinem Rücken ließ ihn herumfahren. Da hatte er gedacht, er wäre bereits meilenweit gelaufen, doch stattdessen waren es nur gut 500 Meter, die er zurückgelegt hatte. Sein Blick flog umher, suchte den Explosionsherd, den er vernommen hatte, und dort sah er ihn.
 

Seine Hand glitt wie von selbst in seine Jacke, zückte das Handy und wählte den Notruf. Rasch gab er alle Daten durch, während er sich im Eilschritt auf das Gebäude zubewegte, welches in die Luft geflogen war. Der Bomber hatte wieder zugeschlagen.
 

Aus dem Augenwinkel nahm er wahr, dass Dee und Patrick ebenfalls auf die Straße rannten, um sofort Hilfe zu leisten.
 

Er stoppte vor dem Laden, sah sich einer Feuerwand entgegen, die ihn daran hinderte, hineinzugelangen. Doch etwas verwirrte ihn. Denn hinter dem Brandherd schienen Leute aufgeregt herumzulaufen und zu schreien.
 

„Alles okay da drin?“ schrie er aus Leibeskraft. Doch anscheinend immer noch nicht laut genug, dass ihn einer hören konnte. Seine Gedanken flogen. Immer wieder hatte der Bomber sie mit etwas Ungeahntem überrascht. Er hielt sich einfach nicht an das Profil, das sie entworfen hatten. Weder das nächstmögliche Ziel, noch was für eine Bombe er anwenden würde.
 

»Warum wieder Feuer... warum im Eingangsbereich? Will er die Zahl der Opfer klein halten? Nein?! Warum dann? Denk nach, Chris... verdammt...«

Seine Gedanken jagten einander, drehten sich im Kreis, als er auch schon Dee neben sich auftauchen sah.
 

„Kommen wir rein?“
 

„Nein! Von hier nicht... Irgendwas stimmt nicht! Dee... irgendwas ist anders,“ erklärte er und konnte einfach nicht den Finger auf den Punkt legen. Sah durch die Feuerwand, wie sich immer mehr Menschen vor dem Eingang einfanden. Da fiel ihm der Dime.
 

„Fuck! Wir müssen rein... eine Verbindung... die müssen vom Eingang weg... Das ist eine Falle!! Hast du die Nummer von der Sauna??“ fragte er und drehte sich zu seinem Partner um.
 

„Nein... Ach du Scheiße!“ Auch Dee schien es nun aufzugehen.
 

Patrick stand ein wenig ratlos daneben. Schnaubte und schaute auf die Uhr. Wohl weil er damit rechnete, dass jeden Augenblick die Sirenen der nahen Feuerwehr zu hören sein müssten, doch noch war alles ruhig. Auch wenn es schnell ging, fliegen konnten die Jungs nicht.
 

„Was meinst du, wie viel Zeit haben wir?“ Dee schaute ebenfalls auf die Uhr.
 

„Weiß nicht... wenn ich es wäre... ich würde ein oder zwei Minuten warten, bis fast alle Gäste oben sind... Gibt es nicht einen Hintereingang?“
 

Dee deutete mit dem Zeigefinger auf Chris und rannte los, dicht gefolgt von seinem Partner. Dass sie damit ihr eigenes Leben aufs Spiel setzen, schoben sie ganz weit nach hinten in ihre Gedankenwelt. Denn für Angst war jetzt der falsche Augenblick. Das Adrenalin schoss ihnen in alle Poren und beschleunigte ihre Schritte. Dennoch blieb es Chris nicht verborgen, dass sämtliche Gäste des Diner sowie deren Besitzer sich auf der Straße versammelt hatten und mit offenem Mund und regungslos auf das Tropical blickten.
 


 

Patrick hörte Dee’s Worte und kümmerte sich sofort darum. Teilte die Officer ein, die hier in der Christopher Street vermehrt Streife fuhren und soeben mit ihren Wagen ankamen. Sperrte die Straße weiträumig ab, was gar nicht so einfach war, wie er feststellte, denn immer neue Schaulustige drängten sich voran. So überließ Patrick McNear es der Streife, hier für Recht und Gesetz zu sorgen und ging zu dem Braunhaarigen, der wie wild nach ihm rief.
 

„Wo ist er... wo ist Chris?“
 

„Mach dir keine Sorgen, Kleiner.“
 

„Scheiße, er ist doch da hinten rumgerannt... ist er...“
 

„Bleib ruhig, Robin!“ kam Mark Patrick zu Hilfe und wollte seinen Bruder von der Straße wegholen, doch so einfach war das nicht.
 

„Nein! Mark, lass mich... ich muss wissen, ob er okay ist...!“ Flehend legte er seine Hände auf Marks Kragen, knäulte diesen praktisch zusammen.
 

„Okay, aber du gehst mir nicht näher ran...“
 

Patrick blieb bei den beiden Brüdern stehen, schaute sich ständig um. Nein, hier konnte er nicht helfen. Sein Blick irrte wieder zur Uhr. Es waren gerade mal dreißig Sekunden vergangen. Er selbst musste sich bremsen, um nicht hinter Dee herzurennen. Da er sich hier nicht auskannte, wäre er womöglich nur irgendwo falsch abgebogen. Also blieb er vor Ort. Delegierte und machte sich wichtig. Das war es, was er gut konnte.
 


 

Dee rannte vor Chris um die Ecke. Hier musste doch irgendwo der Hinterausgang sein. Noch eine Ecke weiter. Dee betete innerlich, dass sie nicht zu spät kommen würden. Schließlich sah er vor sich eine Treppe. Diese führte zu einer tieferliegenden Tür, die aber auch nicht mehr gerade in ihrer Angel hing. Eine weitere Explosion, die sie wohl überhört hatten, war Schuld daran, dass diese Tür so schief hing. Doch dadurch konnten sie einen weitern Brandherd ausmachen.
 

„Dieser...“ knurrte Dee und blickte sich hektisch um, ob es nicht noch eine Möglichkeit geben würde, um hinein zu gelangen.
 

„Das Dach?!“ fragte Chris und deutete hinauf.
 

Das Nachbargebäude, wohl ein Stundenhotel, hatte eine Feuerleiter und von dort konnten sie leicht auf das angrenzende Gebäude, in dem es brannte, gelangen.
 

Sie dachten nicht weiter nach, griffen hinauf, zogen die Leiter runter und begannen diese hochzuklettern, doch weit kamen sie nicht. Eine Druckwelle erfasste sie, schleuderte sie von der Leiter und ließ sie hart auf den kalten Betonboden in der Gasse aufschlagen, dass ihnen die Luft aus den Lungen fuhr. Trümmer regneten auf sie herab und sie versuchten hektisch, wenigstens ihre Köpfe vor den herumfliegenden Trümmern zu schützen. Erst dann hörten sie den Knall der Explosion.
 


 

Die Feuerwehr war gerade eingetroffen, vermummt mit Masken und Sauerstoffflaschen versuchten bereits die ersten, sich einen Weg durch den brennenden Eingang zu den hysterischen Besuchern der Sauna zu erkämpfen, als sie die Druckwelle erfasste. Sie flogen zurück auf die andere Straßenseite, rissen einige Schaulustige mit ihren Körpern um und blieben benommen liegen. Die Welle erfasste alle, schlug sich auf ihre Ohren und ließ die Glasfronten der im näheren Umfeld stehenden Gebäude schlagartig explodieren. Ein Glasregen fiel auf die Menschen, die sich versammelt hatten, nieder, Scherben gruben sich in die Haut, rissen Wunden. Doch das war nichts zu dem, was diese Bombe noch an Energie freisetzte. Der Knall, der folgte, war ohrenbetäubend, als ob man direkt neben einem Düsenjet die Ohrenschützer abgenommen hätte. Flammen schlugen aus dem gesamten Gebäude, selbst das Schreien verstummte schlagartig, als die Wände der Sauna dem Druck nachgaben und das gesamte Gebäude in sich zusammenfiel.
 

Patrick reagierte am schnellsten, drehte sich um, warf dabei die Steward-Brüder um, bevor die Welle sie erfasste. Staub, Trümmer und Glasregen fiel auf sie nieder, genauso wie auf die anderen, die jetzt alle flach auf dem Boden lagen. Er war es auch, der sich als erster wieder aufrappelte. Seine Sorge galt Dee, doch das musste er zurückstecken. Hier herrschte das pure Chaos, wie er feststellte. Die Menschen erhoben sich, starrten sich stumm an, erst dann kam der Schock. Sie sahen Blut aus ihren Wunden laufen. Meist nur kleine, von den Scherben verursachte Kratzer. Aber nach dem eben Erlebten war das mehr, als sie anscheinend verkraften konnten. Einige schrieen, andere hielten stumm ein Stück ihrer Kleidung auf die Wunde, oder übersahen sie einfach. Aber alles rannte durcheinander.
 

Der Feuerwehrwagen, der eben noch vor dem Tropical gestanden hatte, war umgekippt, hatte einige der dort stehenden Feuerwehrleute unter sich begraben. Patrick reagierte nur noch, sah sich zu den Brüdern um, doch durch den dichten Staub konnte er nichts erkennen. Er hoffte nur, dass es ihnen gut ging.
 

Sirenen näherten sich aus der Ferne. Er sah, wie ein weiter Feuerwehrzug sich einen Weg durch das Chaos bahnte, wischte sich über das Gesicht, um seinen Blick zu schärfen und den Staub wegzuwischen, der sich auf ihn niedergelegt hatte, doch es war zwecklos, sogleich spürte er, wie sich neuer auf ihm breit machte. Er rannte quer über die Straße, wich den Steinen, die hier rumlagen, aus und informierte die Neuankömmlinge über das Geschehen.
 

Patrick sah den Schock in den Augen der Männer, als sie zu ihren Kollegen und dem ungestürzten Zug blickten. Noch wussten sie nicht, wer sich darunter befand, aber das war auch egal, sie waren ein Team. Nichtsdestotrotz mussten sie jetzt mit der Situation klarkommen. Hier galt es noch, Menschen zu retten. Das Feuer musste gelöscht werden. Sie mussten ihrem Job nachgehen.
 

Patrick fand einen Officer, der wie er auch nichts abbekommen hatte, und scheuchte ihn zu den Verletzten auf der Straße. Er sollte diejenigen, die nicht laufen konnten oder zu schwer verletzt waren, finden und dann die Rettung für sie organisieren. Der Staub senkte sich langsam und so konnte er sich endlich einen Überblick verschaffen. So etwas hatte er noch nie gesehen. Seine Hand flog wieder einmal an seine Stirn, blieb dort liegen, während er von einer Straßenseite zur anderen blickte. Menschen rannen hin und her, brüllten. Bluteten und taumelten auf dem Weg zu den Sanitätern, die sich jetzt ankündigten und in einiger Entfernung, wohl aus Sicherheitsgründen, stehen blieben. Erst jetzt, wo alles so weit organisiert war, fiel ihm Dee wieder ein. Ein kalter Schauer lief ihm über den Rücken und er wollte sich erst gar nicht ausmalen, was ihn erwartete, wenn er sich auf die Suche nach ihm machte.
 

Mark kniete neben seinem Bruder, der sich wieder krampfhaft an ihm festkrallte.
 

„Chris... Chris...“ schluchzte Robin auf.
 

Sein Bruder hingegen hatte ein andres Problem, denn er versuchte Robin nicht nur zu beruhigen, sondern auch die Blutung zu stoppen. Doch egal, was er auf die Wunde am Hals drückte, das Tuch war gleich durch. Er schrie nach einem Sanitäter, doch keiner schien ihn zu hören und diesen Cop, den Dee mitgebracht hatte, konnte er auch nicht ausmachen. Obwohl er langsam Panik bekam, dass sein kleiner Bruder neben ihm verbluten konnte, versuchte er diesen zu beruhigen.
 

Nach Stunden, wie es ihm vorkam, kam ein Officer angerannt, erkannte die Situation sofort.
 

„Bleiben sie ruhig, Sir. Ich hole Hilfe.“
 

Damit verschwand er wieder und tatsächlich tauchte er nur wenige Augenblicke später wieder mit einem Sanitäter auf.
 

Er warf nur einen Blick auf Robin, dann handelte er.
 

„Drücken sie fester zu, Officer, heben Sie ihn hoch und bringen Sie ihn sofort rüber zur Basis. Die Arterie muss abgeklemmt werden, dann schafft er es,“ erklärte er und schickte Mark und den Polizisten zu den wartenden Krankenwagen.
 

Björn, der hilflos daneben gestanden hatte, als der Sanitäter die beiden wegschickte, sah sich um. Erblickte Patrick, der sich anscheinend eben dazu entschlossen hatte, in die Gasse zu gehen, in der er Dee und Chris vermutete. Ohne zu zögern schloss er sich ihm an.
 

„Sie werden Hilfe brauchen,“ erklärte er nur.
 

Ihre Schritte wurden schneller. Würden sie sie überhaupt finden? Hatten sie eine Chance gehabt? Waren sie vielleicht sogar im Gebäude gewesen, als es einstürzte? Björn hoffte nicht. Hoffte es für seinen ‚Schwager’ in spe und für den vermissten Ryo.
 

Sie umrundeten die letzte Ecke und blieben stehen. All die Hoffnung, die sie gehegt hatten, schien mit einem Schlag wie ausgelöscht.
 

„Das...“
 

Ungläubig schaute Björn sich das vor ihm ausbreitendes Schlachtfeld an. Denn nichts anderes war es. Die Wucht der zweiten, denn von der hinteren Bombe wussten die beiden nichts, Explosion schien die Rückwand komplett zerfetzt zu haben. Kein Stein saß mehr richtig auf dem anderen. Die schmale Gasse, in der sie standen, war halb voll mit Geröll und in der Luft hing der verbrannte Staub und erschwerte das Atmen mehr als vorne auf der Hauptstraße.
 

Patrick war starr. Die Wände der angrenzenden Gebäude waren ebenfalls in Mitleidenschaft gezogen worden und eine davon musste wohl abgerissen sein. Doch kein Zeichen von Dee. An Chris verschwendete er wie gewöhnlich keinen Gedanken.
 

„Das kann keiner...“
 

„Ruhe!“ fiel Patrick Björn ins Wort. Er wollte nichts davon hören. Nein, Dee war am Leben. Irgendwo eingeklemmt, aber am Leben. Daran musste er glauben. Er liebte ihn doch.
 

„CHRIS? DEE!“ rief Björn. Lauschte! Doch die Geräusche, die von vorne und von dem Tropical selbst ausgingen, ließen keinen leisen Ton durch. Unterdrückten ihn. Das Prasseln des Feuers, das noch immer wütete, das Geknirsche der morschen Wände und das Nachrutschen der obersten Etage, all dies verhinderte, dass sich jemand, sollte er das Inferno überlebt haben, melden konnte. Oder eher gesagt, gehört wurde.
 

„Der Eingang müsste hier gewesen sein... wenn es gebrannt hat, haben sie vielleicht...“ grübelte Patrick laut. Er wollte nicht das Schlimmste annehmen. Noch nicht.
 

„Das Dach? Vielleicht wollten sie...“
 

„Gute Idee!“ lobte er seinen Begleiter. „Aber... das...“
 

„NACHBARGEBÄUDE!“ dachten und sagten sie gleichzeitig.
 

Gemeinsam bahnten sie sich einen Weg über die Trümmer. Halfen sich gegenseitig und schließlich hatten sie ihr Ziel erreicht. Doch das Ergebnis blieb das gleiche. Trümmer, wohin sie auch blickten. Sie konnten sich nicht das Ausmaß vorstellen, mit welcher Wucht die Bombe dieses Chaos angerichtet haben musste. Diese Gewalt, die in so einem kleinen Kasten schlummerte, war enorm und diese hier war gewaltig gewesen.
 

Erneut versuchte Björn es mit Rufen, aber immer wieder wurde er durch Hustenanfälle gebremst. Inzwischen hatten sie sich Tücher vors Gesicht gebunden und sahen aus wie früher die Bankräuber, aber lustig fanden sie ihr tun nicht.
 

Ihre Blicke schweiften über die Steine und Hölzer, die hier herumlagen. Beide machten sich ihre eigenen Gedanken. Björn war der erste, der sich etwas von dem Mittelpunkt entfernte und weiter die Gasse hinunterging, dort, wo es weniger gab. Er hatte sich die Wucht vor Augen geführt, hatte sich erinnert, wie weit der Feuerwehrmann geflogen war. Was, wenn Dee und Chris auch so einer Druckwelle ausgesetzt gewesen waren? Sie konnten nicht direkt nach hinten geschleudert worden sein, aber seitlicher?
 

„HEY!“ rief er zu Patrick, da er dessen Namen nicht kannte. Er hatte etwas gesehen.
 

„Was?“
 

„HIER! Hier liegt jemand!“ sagte er und sofort begann er damit, das Geröll von der Hand, die er gesehen hatte, wegzuräumen.
 

Als Patrick bei ihm war, half er ihm, die Eisenleiter, die quer über dem Cop lag, wegzudrücken und Jackson freizulegen. Sofort kniete Björn neben ihm nieder. Fühlte den Puls und atmete erleichtert auf, als er diesen vernahm.
 

„Chris? Chris?“ Björn wollte ihn nicht unnötig bewegen, aber er musste ihn wach bekommen, musste hören, wo Dee war.
 

Mit einem Stöhnen schlug der Weißhaarige, dessen Haare nun eher ein ungesundes Grau angenommen hatten, die Augen auf.
 

„Bist du okay? Wo ist Dee?“
 

„Mein... mein Bauch...“ stöhnte er und als Björn darüber fuhr, schrie Chris auf.
 

„Innere Verletzungen. Wir brauchen eine oder besser zwei Tragen... rufen Sie Hilfe, ich bleibe hier bei ihm,“ sagte Björn und ließ keinen Zweifel daran, dass er es auch notfalls mit Gewalt durchsetzen würde.
 

Tatsächlich zückte Patrick nur sein Handy und stellte fest, dass er es nicht gebrauchen konnte. Entweder war der Akku leer, was er sich nicht erklären konnte, oder aber diese Bombe hatte einen elektromagnetischen Impuls ausgesandt, der alle Mobiltelefone außer Kraft gesetzt hatte.
 

„Suchen Sie weiter nach Dee...“ sagte er und rannte wie von Furien gehetzt nach vorne, um Rettung zu holen. Eins sagte er sich dabei immer, wenn Dee gefunden werden würde, dann war gleich jemand da, der ihn versorgen konnte.
 


 

Mark blieb bei seinem Bruder, der nun nach einer Injektion schlief. Die Halsschlagader, die eine Scherbe aufgerissen hatte, war versorgt. Sie war nicht ganz gerissen, denn dann wäre es schwieriger gewesen, es vor Ort zu richten. Nun lag Robin weiß wie eine Wand auf dem weißen Laken und an seiner linken Seite war alles rot vor Blut. Aber er war okay, er würde durchkommen. Gleich sollte der Wagen mit ihm in die Klinik gefahren werden. Sie wollten nur noch zwei weitere leicht Verletzte mitnehmen.
 

Noch immer konnte Mark es nicht verstehen, was da passiert war. Dieser Irre. Er tötete ohne Sinn und Verstand. Er zog Unschuldige mit in seine Verdammnis. Menschen, die ihm nie etwas getan hatten. Menschen, die ihn noch nicht einmal kannten.
 

Er war diesem Cop dankbar gewesen, sie geistesgegenwärtig zu Boden zu werfen, aber wäre das auch passiert, wenn sie später, vielleicht von der Druckwelle erfasst, zu Boden gegangen wären? Wäre dann... Mark grübelte, fühlte sich schlecht. Ihm wurde fast übel bei dem Geruch nach Blut, der an ihm haftete. Deswegen war er auch von der Armee weg. Er konnte es nicht ertragen, Menschen leiden zu sehen. Er hasste es, auf Menschen zu schießen und war schließlich, nachdem er sich mit seinem Vorgesetzten angelegt hatte, unehrenhaft entlassen worden. Aber das war ihm egal. Jedenfalls brauchte er nicht in den Krieg zu ziehen. Zahlreiche Freunde und Bekannte hatte er bereits verloren im Irak-Krieg, hatte gehofft, dass er das alles hinter sich gelassen hatte, aber nein. Dieser Bomber holte all seine Erinnerungen zurück. All das, was er verdrängen wollte, was er gedacht hatte, vergessen, verarbeitet zu haben.

Als er in seiner Hand spürte, wie Robins Finger sich regten, wischte er sich seine Tränen aus den Augen, beugte sich über seinen jüngeren Bruder, strich ihm eine Strähne seines blutverschmierten Haares aus dem Gesicht.
 

„Ich bin bei dir, Brüderchen... du bist in Sicherheit.“
 


 

Björn blieb bei Chris. Viel mehr konnte er auch nicht tun. Alleine lassen wollte er ihn nicht. Denn er konnte sich ausmalen, wie es in dem Älteren aussah.
 

„Dee?!“ fragte Jackson gerade in diesem Augenblick und brachte Björn um die Ruhe, die er bisher ausgestrahlt hatte. Sollte er lügen oder sollte er ihm die Wahrheit sagen?
 

„Ich weiß es nicht, Chris. Ich weiß es nicht.“
 

„Er... er war... über mir... auf... auf der Leiter...“ schaffte er noch zu sagen, bevor eine Ohnmacht ihn von dem Schmerz in seinem Inneren vorläufig erlöste.
 

Erneut tastete Björn nach dem Puls. Der noch immer gleichmäßig, aber ein wenig flacher vor sich hin pumpte. Ein Zeichen, dass Chris zwar in Gefahr schwebte, aber wenn bald Hilfe auftauchte, überleben würde.
 

Wenn er noch länger zögern würde, könnte es für Dee das Aus bedeuten, es kam ja auch darauf an, wo oder wie er lag. Er zog seine Jacke aus und legte sie über Chris, damit sein Körper nicht auskühlte. Bei der Hitze, die hier herrschte, wohl kaum möglich, aber für ihn war es nun mal so.

Dass er über Chris gewesen war, hieß nicht automatisch, dass er weiter als Chris geflogen war. Aber die Leiter hatten sie auf Chris gefunden. Demnach ging Björn der Schlussfolgerung nach, dass Dee weiter weg liegen musste. Bei jedem Schritt, den er tat sah er auf den Boden, suchte, drehte Steine um. Schmiss Holz zur Seite. Doch von Dee fand er nichts. Rein gar nichts. Kein Hemdzipfel schaute aus dem Geröll heraus. Ständig rief er nach MacLane. Brüllte sich die Seele aus dem Leib. Ständig blickte er sich nach Chris um. Schätzte ab, wie weit er bereits gegangen war. Die Gasse war nicht lang, sie war eng. Nicht so ausgestattet wie bei ihnen mit einem Hinterhof. Er wollte gerade die Suche aufgeben, wollte zurück zu Chris, um nach ihm zu sehen, als er glaubte etwas zu hören. Erneut schrie er und diesmal war er sicher, dass er sich das ‚hier’ nicht eingebildet hatte.
 

Er rief erneut und folgte dem einzelnen Wort wie eine Fährte im Wald. Die Gasse endete hier und machte einen Knick, um dann weiter zu führen, und dort an der Hauswand sah er Dee. Erneut kniete er sich bei einem Verletzten nieder. Der Puls flog nur so. Dee’s Atem kam rasselnd und abgehackt.
 

„Chris?!“ war das erste, was er fragte.
 

„Er ist okay. Er kommt durch... ich hab ihn schon gefunden... wie geht’s dir? Kannst du aufstehen?“

Dee schüttelte träge den Kopf, neigte diesen dann, so dass Björn ebenfalls seinen Blick senkte und aufkeuchte.
 

„Dee!“ kam es leise, fast wimmernd als er das Stück Metall sah, welches seitlich in Dee’s Brustkorb steckte.
 

Er wusste, er musste etwas sagen, ihn beruhigen, aber der Anblick hatte ihm den Rest gegeben. Björn, der sonst die Ruhe in Person war, fing unkontrolliert an zu zittern. Es dauerte zwar nur einige Sekunden, bis er sich wieder unter Kontrolle hatte, aber dann versuchte er, wie gewohnt ruhig und sachlich zu bleiben.
 

„Dein Freund holt Hilfe, ich hab ihn zurück geschickt... Die Rettung müsste gleich eintreffen.“
 

Dee blieb ruhig. Sein Körper fühlte sich an, als sei er aus Eis. Er konnte unterhalb seines Halses kaum etwas fühlen. Sein Rücken brannte von der Wucht des Aufschlages, daran konnte er sich erinnern, aber wie und warum er diese Stange in sich hatte, das wusste er nicht mehr.
 

„Sara... Ryo...“ hauchte Dee, als sein Kopf plötzlich und ohne erkennbaren Hinweis zur Seite kippte.
 

Björn fasste zu und hinderte den noch schlaffen Körper daran, seitlich wegzukippen und die Verletzung noch zu vergrößern. Er hielt ihn in seinen Armen, ohne ihn jedoch zu bewegen. Betete diesmal innig, dass dieser Kerl bald zurückkommen würde. Dee’s Haut fühlte sich trotz der Hitze kalt und feucht an. Was ihm mehr Angst einjagte war, dass der Puls immer flacher wurde.
 


 

Patrick rannte um die Ecke. Sah, dass sich hier immer noch viel zu viele Menschen aufhielten, aber das Chaos von eben schien sich dennoch langsam zu lüften. Ohne sich um die anderen zu kümmern, jagte er zu den Sanitätern. Schnappte sich den ersten Arzt, dessen er habhaft werden konnte, und berichtete in aller Ruhe und schnell, was er hinter der Sauna gefunden hatte.
 

Brian Foster, der Arzt, den Patrick angesprochen hatte, zögerte keine Sekunde. Rief vier Sanitäter zu sich und orderte zwei Tragen. Dann rannte er los. Aber nicht in die Richtung, in die Patrick zeigte, sondern geradewegs in die andere.
 

Der Doc kannte sich hier aus. Schließlich war er hier Stammgast, und so wählte er die Abkürzung von ihrem Standpunkt aus gesehen. Deswegen erreichte er auch erst Dee.
 

Als Björn Schritte vernahm, rief er nach den Personen und war erleichtert, als er einen Arzt erkannte.
 

„Wie geht’s ihm?“ fragte Foster, fühlte den Puls und wollte Dee gerade in die Horizontale bringen, um ihn dann auf die Trage zu heben, als Björn ihn aufhielt.
 

„Es steckt in seiner Brust... ich weiß, nicht wie lang das Metallstück ist, ich halte ihn nur aufrecht. Dee ist vor einer Minute in Ohnmacht gefallen und...“
 

„Okay...“ Der Doc schaute sich das Metallstück an. Da er nicht wusste, wie tief es in Dee steckte, konnte er es unmöglich einfach so herausziehen. Es konnten Haken, Nieten oder wer weiß was noch dran hängen, obwohl die Eintrittswunde eher gerade und rund aussah. Er folgte, dem Metall bis er an einen Stein ankam, in dem es endete. Also eine Verstrebung der Wände, nahm er mal an. Oder eine Halterung von einer Leiter, alles war möglich.
 

„Sam... wir brauchen eine Drahtschere... groß, wir müssen ihn so mitnehmen...“ erklärte er. Erneut fühlte er den Puls. Ließ sich von dem anderen Sanitäter eine Spritze aufziehen, die er Dee sofort verabreichte.
 

„Der andere?“
 

„Er liegt gut 200 Meter von hier, ich habe meine gelbe Jacke über ihn gelegt. Scheint innere Verletzungen zu haben. Sein Puls war eben noch okay. Wir haben ihn freigelegt, war mit Trümmern übersät.“
 

„Okay, Sie bleiben hier bei Dee. Halten Sie ihn weiter ruhig. Wir kümmern uns erst um den anderen,“ erklärte er und rannte dann zu Chris. Stellte fest, dass Björn mit seiner Mutmaßung recht hatte. Chris war schnell geborgen und als sie ihn an Dee vorbei trugen, tauchte Sam mit dem gewünschten Handwerkszeug auf.
 

„Okay. Sam... Cooper, und Sie bitte auch, haltet ihn ruhig. Es kann sein, dass er trotz der Spritze Schmerzen hat,“ erklärte Foster, bevor er das Metallstück von dem Stein mit der Drahtschere durchtrennte. Zum Glück blieb Dee ruhig, schien nicht aus der Ohnmacht aufzuwachen. Langsam und gleichmäßig hoben sie ihn auf, legten ihn auf die Trage.
 

Ein Schrei erfüllte plötzlich die Gasse. Ein Schrei, der einem durch Mark und Bein ging, doch gleich herrschte wieder Ruhe, als Dee seinen Schrei beendete und erneut bewusstlos wurde.
 

„W... was... w... war das?“ stammelte Björn, der so was noch niemals zuvor gehört hatte.
 

Da sie nicht schnell gehen konnten, um den Körper nicht noch mehr zu belasten, blieb Björn und Brian ein wenig Zeit zum Reden.
 

„Ich habe damit eher gerechnet, aber egal. War er bei Bewusstsein, als Sie ihn fanden, hat er was gesagt?“
 

Noch immer war jegliche Farbe aus Björns Gesicht gewichen.
 

„Ja... ich denke, das Metallstück steckt in seiner Lunge. Sein Atem kam rasselnd, so als ob die Lunge nicht dicht wäre.“
 

„Okay. Das war eine prima Leistung von ihnen,“ lobte Foster den Diner-Besitzer.
 

„Wird er durchkommen?“
 

„Ich hoffe es. Ich werde gleich mit ihm fahren. Wollen Sie mit?“
 

Björn zögerte erst gar nicht sondern nickte nur.
 

Patrick stand die ganze Zeit daneben, als ob er nicht dazu gehörte. Hier war eine Gemeinschaft und niemand kümmerte sich darum, wie es ihm ging. Jeder sorgte sich um Dee und Chris. Aber niemand... um ihn! So war es schon immer gewesen. Daran würde sich wohl nie etwas ändern. Mit bleichem Gesicht sah er Dee nach, wie er sich mit Björn und dem Arzt im Krankenwagen weiter von ihm entfernte.
 

~~~~ Ryo’s Gefängnis ~~~~
 

Ryo wachte auf. Irgendwas hatte ihn aus seinem tranceähnlichen Schlaf gerissen. Sein Körper schmerzte. Es gab keinen Fleck an ihm, den sein Peiniger gestern, »War es gestern gewesen?« ausgelassen hatte.
 

Seine Wange brannte von dem Schlag an der rauen Wand, die sie aufgerissen hatte. Seine Schultern schmerzten, fühlten sich an, als ob sie ihm fast ausgerissen worden wären, doch am schlimmsten war sein Rücken.
 

Noch immer vermeinte er die höhnischen Worte von diesem Kerl zu hören. Jedes Mal, wenn die Peitsche sich tief in seinen Rücken fraß. Ryo wusste nicht, wie viele Schläge er ausgehalten hatte, bis er bewusstlos geworden war. Wie oft ihm der Kerl Wasser ins Gesicht geschüttet hatte, um ihn wieder wach zu bekommen, nur um mit dem Auspeitschen weitermachen zu können. Es fühlte sich an, als ob ihm die Haut in Fetzen vom Rücken hing. Das letzte, was er noch wahrgenommen hatte, war gewesen, wie der Kerl einen Eimer mit Salzwasser über ihm entleert hatte. Danach wusste er nichts mehr.
 

Nun lag er wieder auf dem Tisch. Gefesselt wie bei seinem ersten Aufwachen. Das Gesicht jedoch gen Boden gerichtet und nicht gegen die Decke. Ryo konnte sich nicht rühren, so fest waren seine Fesseln. Doch wieder waren es geschützte. Weiche, die ihm nicht in die Gelenke schnitten. Er sollte ja nur leiden, wenn der andere sich auch daran erfreuen konnte.
 

Ryo versuchte ruhig zu atmen, doch das war nicht so leicht. Seine Halskette war eng geschnallt. Fast zu eng, wie er fand, denn das Atmen bereitete ihm enorme Schwierigkeiten. Erneut versucht er, sich daran sich zu erinnern, was ihn geweckt hatte. Doch nichts hörte er. Da war rein gar nichts.
 

Er schloss seine Augen und suchte in seinen Gedanken nach Dee und Sara. Dem einzigsten, was ihn in dieser Zeit noch am Durchhalten hielt.
 

***** TBC



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  JounouchiKatsuya
2008-04-08T04:44:33+00:00 08.04.2008 06:44
Brutal
ô.ô'
Das war jetzt 'nur' eine Bombe XD'
Da habe ich schon schlimmeres gelesen xP Solange es nicht Folter ist was ich so derpst lange lesen muss is mir der rest so schnurz piepen egal ^^ Das les ich nämlich gerne *_*
Ich mags eben Brutal und hart :D Nur Folter und SM sind nit so mein ding xD'
Alsu, das Kapitel war wieder spitze :D und wie ich dich kenne wird es Dee dennoch knapp, aber wie immer schaffen *grinst*
Sonst wäre die Story ja schnell zu Ende XD'
Von:  Momolein
2008-04-07T16:13:28+00:00 07.04.2008 18:13
Booooah..
bin sprachlos...
diesmal warste aber derbst brutal >.<
Gemetzel ohne Ende!
*fiepz*
Hättest mich ja vorwarnen können
>_________________<
das ist so traulich...diesmal hats ja fast jeden getroffen außer den sack patrick ey -.-


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