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Days of Horror

Bomben auf der Christopher Street
von

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Samstag - 15. Oktober

~~~~ Apartment der MacLane’s ~~~~
 

Dee war heute am Samstag mit dem Entschuss aufgewacht, dass er es lange genug hinausgezögert hatte. Vor drei Tagen war er dort gewesen, dort in dieser Kammer. Dort, wo Ryo so misshandelt worden war. So sehr, dass er sich jetzt verbarrikadierte, nur um Dee nichts von seiner Pein sagen zu müssen.
 

Der jüngere MacLane hatte die Nase voll. Schon am Donnerstag hatte er ihn bis zur Apartmenttür geführt, aber dann waren die Schritte von Ryo immer kleiner geworden, bis er gänzlich stehen geblieben war. Fast meinte Dee, in den dunklen Iriden so was wie Panik auflodern zu sehen, doch da dies nur ein Aufflackern gewesen war, wusste er nicht, ob er sich das nur eingebildet hatte.
 

Am Freitag, gestern, hatte er ihn das erste Mal aus dem Apartment geführt. Hatte leise mit ihm geredet, dass es gut sei, wenn er sich bewegte, wenn er sich nicht nur in dem Zimmer aufhielt. Langsam war er vorgegangen. Nun musste er es schaffen. Entweder in den Aufzug oder die Stufen runter. Egal wie, und wenn er ihn tragen musste.
 

Heute würde er entschlossen vorgehen. Ryo vertraute ihm, hörte auf ihn. In den vergangenen Tagen war auch sonst keiner hier gewesen.
 

Lediglich Black hatte angerufen, wollte hören, ob er sein Vorhaben noch in die Tat umsetzten wollte. Dee berichtete ihm lediglich, dass Ryo blockte, sobald sie rauswollten. Black brauchte nicht die Wahrheit zu wissen, nein, er hatte genug verbockt. Nun war er selbst dran, etwas zu tun.
 

Es gab ja nur zwei Möglichkeiten. Entweder es half, oder es half nicht. Selbst wenn es schlimmer werden würde, so war es kein Leben für Ryo. Dahinvegetieren, nein, das passte nicht zu dem lebenslustigen Mann, den er kennen und lieben gelernt hatte. Er wollte seinen Ryo zurück. Egal ob mit oder ohne Narben. Solange er ihn nicht mehr so glanzlos anblickte. Dann eher voller Hass.
 

Nachdem er ihn geduscht und angezogen hatte, denn bei beidem brauchte er inzwischen Hilfe, machte er für sie beide ein leichtes Frühstück. Immerhin aß Ryo. Wenn auch wenig, aber er aß und brauchte nicht künstlich ernährt zu werden.
 

Sara war nur eine Nacht geblieben. Sie wollte anscheinend nur Gewissheit haben, dass es ihren Eltern gut ging. Oder jedenfalls einem von beiden. Doch die Stille und das Desinteresse von ihrem Daddy hatte ihr wohl schon danach gereicht. Ohne aufzumüpfen war sie am nächsten Tag von Mick abgeholt worden. Obwohl es den beiden mehr Arbeit aufhalste, nahmen sie die Kleine gerne bei sich auf.
 

Ryo wollte sich nach dem Frühstück, wieder ans Fenster setzen, dort, wo er immer saß. Sein Blick glitt dann rüber zu den anderen Häusern. Erneut stellte sich Dee die Frage, ob er diese überhaupt sah, oder ob er dort nur die kahlen, nackten Wände seines Gefängnisses sah.
 

Dee seufzte, räumte ab und ließ Ryo eine Weile gewähren. Dieser trostlose Blick, diese Hilflosigkeit schnürten ihm täglich mehr ein Stück Luft ab.
 

Es wurde Zeit, entschloss er und holte für Ryo die Schuhe und eine Jacke. Nachdem er sie ihm angezogen hatte, spürte er den Blick von seinem Mann auf sich ruhen. Nicht fragend, nicht verwundert, selbst ein Hauch Interesse wäre schon ein Wunder gewesen. Nur gestört sah er ihn an, so als ob er sagen wollte, lass mich doch endlich in Ruhe. Geh und lebe und lass mich.
 

Der Schwarzhaarige zuckte zusammen, als er eine Träne über die Wange seines Mannes perlen sah. Das war das erste sichtbare Zeichen, dass sein Mann dort irgendwo in seinem Körper gefangen war und Hilfe wollte. Raus wollte, aber es alleine nicht konnte. Wusste Ryo, was Dee vorhatte? Vermutlich nicht, aber er würde ihm zustimmen, es gab keine andere Lösung.
 

„Komm, Ryo. Ich helfe dir!“ sagte er bestimmt und fest.
 

Nein, er würde sich nicht umstimmen lassen, von wem denn auch. Es wusste ja keiner von seiner Idee und es wusste schon kaum einer, wo diese Zelle war, die Ryo noch immer nicht losließ.
 

Mit langsamen, fast zögerlichen Schritten ging Ryo neben Dee her. Seine Augen blickten leer nach unten. Diesmal ging er weiter. Aus dem Apartment, in den Aufzug. Denn es war nur ein weiterer Raum, der ihn umgab. Der Ryo, der rauswollte, wäre womöglich nicht eingestiegen, aber der Ryo, der in sich gefangen war, wusste nicht, wo er war. Selbst als sie auf die Straße traten, folgte er brav den Anweisungen von Dee. Ryo ließ sich im Wagen anschnallen und schaute seitlich nach vorne.
 

„Alles wird gut... vertrau mir,“ sagte Dee zu seinem Mann und hoffte aus tiefstem Herzen, dass er mit seiner Vermutung recht hatte.
 

~~~~ Untersuchungsgefängnis ~~~~
 

„Holen Sie mich hier endlich raus,“ keifte Patrick seinen Anwalt, Justin Timber, an.
 

Dass dieser Ausbruch irrational war, wusste Patrick nur zu gut, aber er saß hier schon lange genug und ein Gerichtstermin stand angeblich auch noch nicht fest. Für wen oder was hielten die sich eigentlich?
 

Der Anwalt war solche Ausbrüche gewohnt. Schließlich verteidigte er nicht zum ersten mal einen Verbrecher. Auch wenn es eine Art Premiere war, einen FBI-Agenten zu vertreten, waren dessen Zorn und die Wutausbrüche, die sich bisher zwar in Grenzen gehalten hatten, in den letzten Tagen nun aber merklich angestiegen. Vermutlich lag es auch daran, dass Timber noch immer nichts über einen möglichen Handel gesagt hatte.
 

„Bewahren Sie bitte Ruhe, Mr. McNear. Ich bin hier, weil mir die Staatsanwaltschaft endlich mitgeteilt hat, dass sie zu Gesprächen bereit sind. Wenn sie - ich sage ‚wenn’ - sie mit den Informationen, die Sie bieten, einverstanden sind, lassen sie die Mordanklage fallen.“
 

„Was?“
 

„Mr. McNear. Seien Sie doch realistisch. Bei dem, was sie Ihnen vorwerfen und dem, was sie beweisen können, sollten Sie froh darüber sein...“
 

„Papperlapapp... das ist doch... Welchen Mord?“
 

„Gary Logan!“
 

„Das können sie mir nicht anhängen.“
 

„Mr. McNear. Sie sollten sich die Beweislast vor Augen führen. Die Fotos, die Sie gemacht haben, fand man auf Ihrem Computer. Selbst wenn MacLane die Schnitte durchgeführt hat, wird man Sie unweigerlich des Mordes überführen.“
 

Noch ein Fehler, wie er sich unweigerlich eingestand. Da hatte er jahrelang über die Täter gelacht, wenn er sie erwischt hatte. Diese Kleinigkeiten zogen einen recht tief in die Scheiße. Aber nein, er hatte ja gedacht, dass sie ihm nie auf die Schliche kommen würden. Das hatte er nun davon, schimpfte er mit sich. Wieder einmal. Nur eins lernte er draus. Beim nächsten Mal würde er es besser machen. Keine Spielchen mehr. Nein, das nächste Mal würde er gerade heraus handeln.
 

„Und wenn ich zustimme...“
 

„Freiheitsberaubung und Körperverletzung. Maximal 25 Jahre, ohne Bewährung.“
 

„25 Jahre?“ schnaubte Patrick, knallte die Faust auf den Tisch und erregte somit die Aufmerksamkeit des Wächters draußen vor der Tür, der diese auch gleich aufschloss und hereinschaute.
 

„Alles in Ordnung, Officer,“ hob Justin Timber die Hand, um den Polizisten an Maßnahmen zu hindern.
 

Nachdem die Tür wieder geschlossen war, setze sich der Anwalt und wartete darauf, dass sich sein Mandant auch wieder niederließ.
 

Timber ließ McNear Zeit zum Überlegen. Blieb ruhig, mit den Händen auf der Tischplatte, sitzen und beobachtete seinen Mandanten, dem man in dem jetzigen Zustand die Gemütsregung voll ablesen konnte.
 

„Was verlangt die Staatsanwaltschaft...“ kam es leise, nachdenklich von McNear.
 

„Daten zu ihren V-Männern. Alles, was sie haben.“
 

„Und dafür bekomme ich 25 Jahre!“ schnaubte er erneut auf.
 

„Das oder die Todesstrafe.“
 

Ja, genau darauf hatte Patrick gewartet. Genau das war der Punkt, der ihn nun zustimmen ließ.
 

„Gut, dann werden wir noch kurz den Ablauf bei Gericht durchsprechen.“
 

„Gericht? Ich dachte... Wir klären das so?“
 

„Wie gesagt, die Anklage besteht immer noch wegen...“
 

„Ach... ja, ich weiß.“
 

Das hatte Patrick doch glatt verdrängt. Aber egal. Lange würde er sowieso nicht im Knast bleiben, denn er hatte gestern einen Besuch gehabt. Einer von der Sorte, die einem das Leben auf einmal wieder lebenswert erscheinen ließen.
 

Gestern...
 

„Mr. McNear?“
 

„Wer sind Sie?“ fragte der Angesprochene. Denn eigentlich hatte er seinen Anwalt erwartet, als man ihn hierher gebracht hatte.
 

„Das spielt keine Rolle. Ich soll Ihnen lediglich Grüße von Goro bestellen und dass Sie sich keine Gedanken um Ihre Haft machen sollen.“
 

„Bitte?“ Patrick verstand nicht ganz.
 

„Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Tag.“ Damit war der Unbekannte aufgestanden und war gegangen.
 

Erst nach einer Weile, in der er auf die geschlossene Tür geschaut hatte, waren ihm die Worte im Kopf gekreist, bis er lachend aufstand.
 

„Gut... ich mache mir keine Sorgen.“
 

Jetzt...
 

„Sie bekennen sich schuldig in allen Punkten und bekommen 25 Jahre,“ schlug der Anwalt vor. Powder hatte erst eben mit ihm telefoniert und die Beweislast war erdrückend. Aber da beide gegen die Todesstrafe waren, obwohl Powder diese fordern würde, wollte er auf den Handel eingehen. Immerhin bekam Powder somit Zugang zu ungeahnten Möglichkeiten.
 

„Toller Handel,“ maulte Patrick und stand auf, ging zu dem kleinen, viel zu hoch angebrachten Fenster und lehnte sich darunter gegen die Wand. “Wenn ich diesen ausschlage?“
 

„Mr. McNear?“
 

„Was?“ grummelte er, so unwirklich aus seinen Gedanken gerissen.
 

„Die Staatsanwaltschaft möchte noch heute eine Antwort.“
 

„Damit ich es richtig verstehe, Timber... Die Sache geht vor Gericht. Die Geschworenen sprechen mich schuldig und ich gehe für 25 Jahre ins Gefängnis?“
 

Innerlich seufzte Justin auf. Wie konnte man so einen Mann nur zum DCI bestimmen. Noch nicht einmal ein wenig Grips schien dort in dessen Kopf zu hausen.
 

„Wie Sie schon sagten: es geht vor Gericht. Sie bekennen sich schuldig und der Richter wird das Urteil sprechen. 25 Jahre Haft ohne Aussicht auf frühzeitige Entlassung. Dadurch sparen Sie sich und auch dem Steuerzahler viel Geld. Hinzu kommt noch die Option, Sie mit den Bomben in Zusammenhang zu bringen. Doch sobald Sie diesen Handel eingehen, wird die Staatsanwaltschaft nicht weiter gegen Sie ermitteln. Nun, was sagen Sie?“
 

Viel Auswahl blieb Patrick da nicht. Wenn selbst der eigene Anwalt eher auf dieses Angebot eingehen würde, als es zur Verhandlung kommen zu lassen.
 

“Rufen Sie den Kerl an und sagen Sie ihm, dass ich zustimme.“
 

Genau damit hatte Timber gerechnet. Genau darüber hatte er auch schon mit seinem indirekten Boss gesprochen. Und genau deswegen holte er nun ein Schriftstück hervor und legte es auf den Tisch vor sich. Einen Kuli, der noch nie benutzt worden war, legte er daneben.
 

„Bitte würden Sie mir dieses Dokument unterschreiben?“ fragte Timber nicht, sondern forderte es förmlich von seinem Mandanten.
 

„Was ist das?!“
 

„Nur Ihre schriftliche Einwilligung. Ich könnte der Staatsanwaltschaft alles mögliche erzählen. Ohne dass ich Ihre Unterschrift hier habe, wird nichts aus dem Handel,“ erklärte Timber und wartete.
 

Patrick nahm den Kuli, drehte ihn zwischen den Fingern und klopfte sich sogar damit gegen den Mund, bevor er das Schriftstück aus der Folie holte und es sich genau durchlas. Schließlich wollte er hier nicht über den Tisch gezogen werden. Nachdem er alles durchgelesen hatte, legte er es wieder auf den Tisch und setze seinen Namen darunter.
 

Timber nahm das Dokument und schob es in die Folie zurück.
 

Dann erhob er sich und packte wieder alles in seine Tasche. Es war besser gelaufen, als er es sich gedacht hatte. Gut, was anderes hatte er auch nicht erwartet.
 

„Ich melde mich wieder bei Ihnen.“
 

Damit verabschiedete sich der Anwalt und McNear wurde wenige Minuten später auch zurück in seine Zelle geführt. Auf dem Weg dorthin fing jedoch seine linke Hand etwas zu jucken an. Doch darüber machte sich der FBI-Agent keine Gedanken.
 

~~~~ Battery Park ~ Castle Clinton ~~~~
 

Dee parkte so nah wie möglich an seinem Zielort. Die ganze Fahrt über hatte Ryo genauso geschwiegen wie im Apartment. Selbst der Blick hatte keine Regung gezeigt. Nichts hatte sich geändert. Aber damit hatte der Jüngere auch nicht gerechnet, wenn er ehrlich zu sich selbst war. Doch von dem, was er noch beabsichtigte, erhoffte er sich etwas. Entweder zum Guten oder zum Schlechten, das wusste er noch nicht. Aber bald würde er es wissen.
 

Er half Ryo beim Aussteigen und dieser ließ sich, nun da er draußen war, genauso leicht führen wie sonst in der Wohnung. Stur folgte er Dee’s Hand. Wich alleine auch Steinen aus, aber ansonsten zeigte sich nichts auf dem so ebenmäßigen Gesicht.
 

„Dee!“
 

Als dieser hinter sich seinen Namen hörte, drehte er sich rasch herum. Wer konnte schon wissen, dass er hier war?
 

„Mick?!“
 

Was machte der denn hier? Er hatte ihm doch nichts gesagt.
 

„Tu das nicht, Dee!“
 

„Hab ich eine Wahl?“ konterte Dee, führte Ryo weiter auf den geheimen Eingang zu.
 

„Was ist, wenn es schlimmer wird? Wenn er überhaupt nicht mehr reagiert?“ versuchte Mick, an Dee’s Vernunft zu appellieren.
 

„Und wenn es hilft?“
 

„Dee... denk an Ryo!“ bat Mick eindringlich.
 

„Deswegen bin ich hier. Geh mir aus dem Weg,“ forderte er ernst den Mitarbeiter von Black auf.
 

„Du machst einen Fehler... Ryo hat das nicht verdient,“ baute sich Mick demonstrativ weiter vor der Tür auf, die ins Innere führte.
 

„Das ist meine Sache.“
 

„Ist es eben nicht.“
 

Mick ging einen Schritt auf Dee zu, wollte ihm erklären, in aller Ruhe erklären, was alles dabei falsch laufen konnte, und deswegen sah er die geballte Faust zu spät. Voll traf sie sein Kinn und er sackte in die Knie. Rasch hob Dee seins an und schlug es Mick erneut gegen das Kinn, so dass dieser nun nach hinten fiel und dort auch liegen blieb.
 

„Tut mir leid... aber ich habe keine Wahl,“ sagte er entschuldigend zu dem Ohnmächtigen und öffnete dann die Tür, um mit Ryo an seiner Seite die vielen Treppen hinab zu steigen.
 

Unbeteiligt hatte Ryo das Geschehene mitverfolgt und ließ sich nun von Dee durch den engen dunklen Gang führen. Doch seine Schritte wurden langsamer, träger, und als sie die Vorhalle ereichten, auch wenn er sie nie gesehen hatte, stockten seine Schritte. Nur Dee’s direkte Aufforderung, ihm zu vertrauen, ließ ihn nicht zurückweichen.
 

Etwas Schweres legte sich auf Ryo’s Brust. Etwas, das er nicht benennen konnte und das mit jedem Schritt schwerer wurde. Nach einem langen Gang sah er eine Tür vor sich. Eine, die ihm vertraut vorkam. Auch wenn diese hier vor ihm einen Griff hatte. Mit einem Mal blieb er stehen.
 

Dee schaute Ryo an, kannte er etwa etwas von hier? Aber Steve und Mick hatten gesagt, dass er halb ohnmächtig gewesen war, als sie ihn gefunden hatten. Und dass Patrick Ryo hier wach herein gezerrt hatte, glaubte Dee auch nicht. Er ging davon aus, dass Ryo ohnmächtig oder betäubt gewesen war. Deswegen wunderte er sich nun doch, dass dieser stehen blieb. Dee redete wie eben schon leise auf seinen Mann ein. Wirkung erzielte er damit aber jetzt nicht mehr. Ryo stand still und rührte sich für einige lange Augenblicke einfach nicht mehr. Obwohl seine Augen noch immer dieses trübe und nichtssagende aufwiesen.
 

Anstatt vorwärts zu gehen, tasteten Ryo’s Füße rückwärts. Sein Instinkt riet ihm zu fliehen, doch die Hand, die sich urplötzlich um sein Gelenk gelegt hatte, hinderte ihn daran.
 

„Ryo... Ryo... lauf nicht mehr weg. Vertrau mir... Ich bin bei dir... Ich war immer bei dir...“ sagte er leise und tatsächlich stockte der Rückwärtsgang von Ryo.
 

Auch wenn sein Atem flog, sich seine Brust schneller hob, und seine Augen nicht mehr ganz so starr blickten wie in den letzten Wochen, oder Minuten, verharrte Ryo nun fast wie festgenagelt an diesem Punkt.
 

„Komm... Nur noch ein Stück...“ forderte Dee leise.
 

Seine Hände legten sich nun um die Mitte von seinem Mann und führten, nein drückten ihn immer weiter voran.
 

Obwohl der Hellhaarige eigentlich nicht vorwärts wollte, weil er instinktiv ahnte, dass es dort nur Schmerz geben würde, gab er dem Drücken nach und ließ sich vorantreiben.
 

Als sie direkt vor der Tür standen, öffnete Dee diese rasch. Selbst wenn er noch nie hier gewesen wäre, wäre das, was man auf den ersten Blick sehen konnte, genug gewesen.
 

Schlagartig erkannte Ryo, wo er war.
 

Harsch schlug er um sich, wollte weg von hier, rennen, fliehen, doch diese Hände hielten ihn fest, ließen ihn nicht los, verhinderten seine Flucht.
 

„Komm... lauf nicht weg...“ verlangte Dee energisch und zog ihn, obwohl er seinem Mann damit wohl weh tun würde, in das Zimmer und schlug die Tür zu. Selbst wenn Dee den Riegel nicht manipuliert hätte, hätte er die Tür wohl zugeschlagen. Denn er wusste, dass Mick sie nie hier lassen würde. Auch wenn dieser es für falsch hielt, was er hier tat.
 

Ryo wimmerte, seine Augen flackerten auf, als er die Tür zuschlagen hörte. Gehetzt sah er sich um.
 

„Hier hast du gelitten... Wegen mir... Hier hast du Schmerzen erduldet... Wegen mir... Nun bist du wieder hier... Mit mir... Ryo... komm zurück... komm zurück zu mir...“ sagte er leise und ging auf seinen Mann zu.
 

Ryo’s Augen suchten einen Ausweg. Er sah und hörte Dee’s Worte nicht. Für ihn war ein Alptraum war geworden. Sein Peiniger war zurück. Würde das vollenden, was er nicht vollendet hatte. Er würde ihn töten, Sara töten...
 

“DEE!“ schrie Ryo gepeinigt auf, dann sackte er in der Ecke mit den Kleiderfetzen zusammen.
 

Gerade rechtzeitig schaffte es Dee, seinen Ehemann aufzufangen, sonst wäre er nur unsanft gelandet.
 

Dee setzte sich auf das Lager, auf dem Ryo so lange gelegen hatte, und hielt seinen geliebten Ryo in seinen Armen. Noch immer war er ohnmächtig, aber sein Puls schlug normal und die Atmung schien auch in Ordnung. Sanft fuhr er ihm über den Rücken, murmelte leise, beruhigende Worte und nach einer Viertelstunde kam der Blonde wieder zu sich.
 

Doch kaum hatte er die Augen offen, schloss er sie wieder.
 

Er war zurück.
 

„Es ist alles in Ordnung... Ryo... Ich bin bei dir,“ erklärte Dee ruhig, als er spürte, dass Ryo zusammengefahren war.
 

Würde nun alles besser werden?
 

Hatte es Ryo geholfen, herzukommen?
 

Oder hatte er damit nun alles noch schlimmer gemacht?
 

„Dee!“ hauchte Ryo, und der Angesprochene hätte allein schon bei diesem Wort vor Freude die Welt umarmen können.
 

„Ich bin hier... Keiner tut dir mehr weh...“ seufzte er glücklich.
 

Ryo klammerte sich an seinen Mann, öffnete dann die Augen und nun sah er sich mit dem konfrontiert, dem er so gerne ausgewichen wäre.
 

„Wo...woher... weißt du?“
 

„Mick! Er hat dich zusammen mit Steve hier rausgeholt. Ich dachte, ich bringe dich hierher zurück, denn du warst zwar frei, aber deine Seele war nicht mit dir frei. Jedenfalls nicht für immer...“ erklärte Dee immer noch ruhig und leise. Denn jedes laute Wort würde hier nur widerhallen.
 

„Ich... ich wollte nicht, dass du... dass du...“
 

„...dass ich erfahre, was er dir angetan hat?“
 

Weinend nickte Ryo, krallte sich noch fester an Dee, vergrub sein Gesicht an dessen Halsbeuge.
 

„Ach, Ryo... Wenn ich könnte, würde ich dir diese Last abnehmen... Du musst hier furchtbare Zeiten erlebt haben. Es tut mir so leid, dass ich dich bedrängt habe, aber ich hatte keine Ahnung. Nun, wo ich all das hier sehe... Selbst jetzt kann ich mir deine Leiden nicht ausmalen...“ Dee verstummte, wollte nicht, dass Ryo nun was sagte, aber er wollte auch nicht so schnell reden. Schließlich war Ryo eine lange Zeit in sich gefangen gewesen. Durch zu viel Reden wollte er ihn nicht wieder dorthin zurückjagen.
 

„Ich... ich...“
 

„Sht! Es tut mir leid, Ryo. Ich hätte dir mehr Zeit lassen sollen. Ich hätte mich niemals darauf...“
 

Dee’s Worte erstarben, als er einen Finger an seiner Lippe spürte.
 

Ryo hob seinen Kopf, sah Dee mit tränenverhangenen Augen an.
 

Viel zu viel ging dem Blonden durch den Kopf, eine Unzahl von Wörtern, von Fragen und Antworten, doch er konnte keine stellen, nichts kam geformt von seinen Lippen, so sehr er es auch versuchte.
 

„Ryo?“ Besorgt sah Dee ihn an. Fürchtet das schlimmste, auch wenn dieser eben bereits etwas gesagt hatte.
 

„Dee... ich... es... es tut mir leid,“ brachte er schließlich klar hervor, nachdem er sich für etwas entschieden hatte.
 

Der dunkelhaarige MacLane lächelte seinen Mann sanft an, legte eine Hand an die feucht geweinte Wange und fuhr sacht mit dem Daumen über die Haut.
 

„Du kannst nichts dafür, Ryo... du am allerwenigsten.“
 

„Doch!“ blieb dieser jedoch hartnäckig. Schüttelte dann nicht nur die Hand von Dee ab, sondern auch die Tränen. “Ich hätte auf dich hören sollen. Das tu ich ab jetzt... Dee.“
 

„Ich möchte dich, so wie du warst... nicht anders...“ sagte Dee und hielt Ryo fest, der selbst im Sitzen durch die rasche Kopfbewegung die Haltung verlor.
 

„Dee?“
 

„Ja!“
 

„Du verstehst mich nicht... habe ich Recht? Ich werde nie wieder so sein, wie ich mal war. Ich habe Narben... sichtbare...“
 

„Und unsichtbare... Und diese möchte ich, gemeinsam mit dir, heilen, Ryo.“
 

„Dee...“
 

„Ich sage es dir, so oft du es hören musst. Ich höre dir zu, wenn du reden willst, ich schweige, wenn du Ruhe möchtest und ich liebe dich, weil du so bist, wie du bist. Nichts hat sich für mich geändert. Du magst Narben davongetragen haben, aber wenn du mir nicht gestattest, dir zu helfen, dann wird dieser Bastard gewinnen. Möchtest du das, Ryo?“ fragte er ernst und sah ihm in die Augen, die nach Wochen wieder einen Hauch Leben zeigten.
 

Stumm schüttelte Ryo den Kopf.
 

„Es waren nicht... nicht die Peitschenhiebe, nicht die Demütigungen, die dieser Kerl mich hat spüren lassen... Es war die Hilflosigkeit, nicht bei dir sein zu können.“
 

Fragend schaute Dee Ryo an.
 

„Er zeigte mir das Bild... von dir und ihm... ich weiß es nicht... Er zeigte mir Zeitungsausschnitte von dem Bomber, von Toten... von deinem Unfall... Ich hatte Angst... Angst um dich... Und ich... Ich war nicht da, als du mich gebraucht hast...“ sagte er tonlos.
 

Kaum waren seine Worte in dem kahlen Zimmer zu vernehmen, als er sich langsam zu Dee umdrehte, seine Hand hob und diese unterhalb von Dee’s Herz legte. Dort, wo diese Stange ihn aufgespießt hatte. Wo nur noch eine kleine runde Narbe an diesen schicksalsschweren Tag erinnerte.
 

Dee sah ihm in die dunklen Augen, die so von Schmerz und Leere gefüllt waren, dass es ihm selbst jetzt noch kalt wurde. Jedes Mal, wenn er dort hineinblickte. Kein Anzeichen von Wärme, nur Schmerz, Verlust und Angst sprangen ihn jedes Mal an.
 

„Du warst bei mir... hier warst du immer bei mir,“ sagte Dee und legte seine Hand behutsam über Ryo’s, spürte, wie sich dieser unter seinen Finger schon verspannte und senkte die Hand wieder. Dee’s Blick war geschwängert von Sorge.
 

Bisher hatte er keine Besserung festgestellt. Doch nun, hier in diesem Zimmer, wo Ryo gefoltert worden war, wurde es besser. Die Entfernung wurde kleiner. Einer verstand den anderen. Es war nicht die Angst um das eigene Leben, das sie belastete, sonder die Liebe zu dem anderen. Einen geliebten Menschen zu verlieren. Und niemand war hier bei Ryo gewesen, der ihm Trost gegeben hätte. Der ihm versichern hätte können, dass es Dee gut ging. Dass er leben würde. War es da ein Wunder, dass er sich so zurückzog, wo er von dem Menschen, den er am meisten liebte und brauchte, so angefahren wurde.
 

Ryo zog seine Hand von Dee’s Brust und schaute ihn mit hängenden Armen an. Es schien fast so, als ob er etwas sagen würde, doch kein Wort fand den Weg über seine schmalen, etwas blutleeren Lippen.
 

„Lass uns gehen, Dee. Ich möchte nach Hause,“ sagte er schließlich, stand auf und sah sich noch einmal um. “Hier starb Gary Logan. Hier hat mich mein Peiniger misshandelt, gefoltert, gewürgt und fast ertränkt. Hier habe ich Stunden um dein Leben gebangt, Dee. Nur die Liebe und der Glaube an dich haben mich am Durchdrehen gehindert. Hier habe ich Blut vergossen... Ich möchte nur noch nach Hause zu dir und Sara,“ erklärte Ryo ernst, während er zu dem Tisch ging.
 

Der Tisch, der ihm so viele Zeit seines Lebens gekostet hatte. Nein, er würde ihn wohl nie vergessen. Genauso wenig wie all die Qualen, die er hier durchlitten hatte. Aber er hatte auch ein neues Leben geschenkt bekommen. Eines, das er nun angehen würde, zu leben. Ryo drehte sich zu Dee um, fast schon so, als ob das, was hier passiert war, nun für ihn endgültig vorbei wäre. Aber das war wie so vieles nur ein Wunschgedanke und da war sich Ryo sicher. Fertig war er mit dem Durchlebten noch lange nicht.
 

„Ja, lass uns gehen,“ erklärte Dee und legte seinen Arm um ihn.
 

Dass alles so gut ausging, hatte er sich erhofft, auch wenn er mit mehr Geschrei gerechnet hätte, aber Ryo war nun mal ein Mann, der nie das tat, was man von ihm erwartete.
 

„Ich liebe dich...“ hörte Dee leise neben sich und dem konnte er wohl nichts mehr hinzufügen als die gleichen Worte.
 

**** TBC



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Vampire-Hero
2008-07-14T13:32:17+00:00 14.07.2008 15:32
**sprachlos und gerührt zugleich bin**
nein war das süß, wie Dee mit Ryo diesen Versuch gewagt hatte, saß ich nur noch gespannt da und konnte richtig mitverfolgen, wie es passiert. Dabei ist es nicht mal weit hergeholt, dass am Ursprung des Grauens, dieser wieder ausgelöscht werden kann. Es ist wie das Sprichwort, dass man sich seinen Ängsten stellen muss und Ryo war ja nicht alleine da, sondern mit Dee, der ihn **snif** rührend aber bestimmend im Arm gehalten hat, bis sein Mann zu ihm zurückkam. Auch wenn ich mich mal wiederhole, aber... das war süß ^_^

LG
Vampire
Von:  Momolein
2008-06-26T16:24:32+00:00 26.06.2008 18:24
;____;
Endlich....duh hast doch erbarmen
*schnüffz*
Ich les den Teil mit McNear und su immer erst zum Schluss, überspring ihn einfach um sofort mehr über Dee und Ryo zu erfahren..die beiden sind absolut süüüüß
haaachz *seufz*

Aber mit Mcnear hast du noch was vor..ich merk es schon >.<


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