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Shard

von

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Am nächsten Tag erwischte sich Kizu dabei, wie er sich förmlich in die Schule stahl und sich alle fünf Minuten nervös nach Naoru umsah. Er hatte nicht wie gewöhnlich vorm Schultor auf ihn gewartet und auch zur ersten Stunde erschien er nicht. Ebenso wenig wie zur nächsten oder übernächsten. Irgendwann gab er die Hoffnung ihn am heutigen Tag noch zu sehen ganz auf und hing seinen Gedanken nach. Der gestrige Abend schwirrte immer noch in seinem Kopf umher. Er konnte das leichte Kitzeln von Naorus Bartstoppel praktisch immer noch auf seiner Haut spüren. Die Erinnerung war für seinen Geschmack viel zu real… Obwohl er reichlich Zeit gehabt hatte, hatte er es immer noch nicht geschafft seine Gedanken völlig zu ordnen. Es war kompliziert. Er mochte Naoru wirklich sehr. Er fühlte sich auf eine Weise wohl bei ihm, die er von Sakito nicht mal ansatzweise kannte. Dennoch liebte er Sakito. Zumindest glaubte er das. Wenn Naoru also wirklich in ihn verliebt wäre, wüsste er nicht, was er tun sollte. Schließlich wollte er ihn nicht verlieren. Er war glücklich, solang Naoru an seiner Seite war, aber dafür Sakito zu verlassen? Er wusste, dass sein Freund ohne ihn aufgeschmissen war. Wenn nicht gefühlsmäßig, dann zumindest finanziell, so sehr ihn dieser Gedanke auch schmerzte. Sakito und er waren schon eine halbe Ewigkeit zusammen und mit der Zeit völlig abhängig voneinander geworden. So schlecht er ihn auch behandelte, Kizu kam immer wieder zu ihm zurück. Für ihn hatte er alles aufgegeben. Ohne ihn stand er alleine da. Dies waren Fakten, die Kizu schon lange als solche akzeptiert hatte. Mit Jemand wie Naoru hatte er dabei noch nie gerechnet. Er würde wohl noch etwas Zeit brauchen um sich darüber klar zu werden, wie genau er zu dem Älteren stand…

Kizu war so sehr in Gedanken vertieft, während er auf seiner Bank saß, dass er nicht bemerkte, dass es zur Pause klingelte und der Raum sich um ihn her leerte. Ja, er vergaß sogar völlig, wo er hier eigentlich war. Nagi verpasste natürlich nicht die Gelegenheit ihn daran zu erinnern. Dies tat er, indem er ihn im Vorbeigehen am Schopf packte und an den langen Haaren schmerzhaft nach hinten zog, so dass Kizu beinahe von seinem Stuhl gefallen wäre. „Na? Wo haben wir denn unsern Bodyguard heute gelassen?“, zischte er ihm gehässig ins Ohr, ohne seinen Griff zu lockern. „Verzieh dich, Nagi!“, knurrte Kizu lediglich, woraufhin der Blonde ihn zu seinem großen Erstaunen los ließ. Augenblicklich sprang Kizu von seinem Platz auf um nicht unbedingt ein all zu gutes Opfer für den Anderen zu bieten. „Du scheinst in letzter Zeit zu vergessen, dass ich hier den Ton angebe. Schließlich bin ich es, der über dein kleines Geheimnis Bescheid weiß…“, versuchte Nagi so bedrohlich wie möglich zu sagen, doch Kizu wirkte relativ unbeeindruckt. „Ich weiß absolut nicht wovon du sprichst.“, erklärte er und stemmte protestartig die Hände in die Hüfte. Nagis Augenbraue schoss in die Höhe. „Verarsch mich nicht, du Schwuchtel. Du weißt genau, dass ich von dir und deinem kleinen ‚Nebenjob’ spreche…!“, fauchte Nagi nun sichtlich wütend. „Nebenjob, hm? Ich kellnere in einer Bar, falls du das meinst.“, erklärte Kizu grinsend. Nagi lief nun sichtlich rot an und gerade, als er auf Kizu zustürzen wollte, der zur Sicherheit seinen Schultisch zwischen sie gebracht hatte, hechtete der Kleinere um ebendiesen herum und stürzte aus dem Klassenraum. Er schaffte es wieder mal erfolgreich weg zu laufen, obwohl dies seit er Naoru an seiner Seite hatte schon lange nicht mehr nötig gewesen war, und verschnaufte im Schulgarten, wo sie für gewöhnlich gemeinsam ihre Pausen verbrachten. Wie er betrübt feststellte, war auch hier von Naoru keine Spur.
 

Und auch in den nächsten zwei Wochen war von dem Älteren kein Lebenszeichen zu erwarten. Kizu wurde zunehmend deprimierter. Er gab sich selbst die Schuld daran, dass Naoru nicht mehr zur Schule kam. Er fragte im Modoki und sogar in der Gärtnerei, in der er arbeitete, nach ihm, doch niemand konnte ihm sagen, wo er steckte. In diesen paar Tagen in denen sie sich nicht sahen, bemerkte Kizu bald, wie sehr er eigentlich an Naoru hing. Er hatte gar nicht bemerkt, wie schnell er sich daran gewöhnt hatte, dass er immer bei ihm war. Er hatte nicht richtig realisiert, wie wichtig er ihm über die Zeit geworden war. Doch so sehr er sich auch danach sehnte, wieder mit ihm zusammen zu sein, mit ihm zu lachen, seine Nähe und Wärme zu spüren… er konnte einfach nicht den Mut aufbringen ihn anzurufen. Er befürchtete, Naoru würde seine Anrufe ignorieren. Wie konnte er wissen, ob er nicht eigentlich wütend auf ihn war, weil er so ein Theater nach dem Vorfall am Fluss gemacht hatte und sich so dumm anstellte? Bei dem bloßen Gedanken wurde ihm zwar schon schlecht, aber was, wenn er ihn nun hasste und nicht wieder sehen wollte?

Und überhaupt! Selbst, wenn Kizu ihn erreichen würde… was würde er sagen? Er wusste einfach nicht, wie er sich von nun an Naoru gegenüber verhalten sollte. Wenn es denn ein „von nun an“ gab. Schließlich meldete sich Naoru ja nicht mehr. Vor lauter Sorge darüber, dass er ihn vielleicht nicht wieder sehen würde, weinte er sich oft in den Schlaf. Es war frustrierend. Das ganze zog ihn derartig runter, dass sogar Sakito bemerkt hatte, wie trübsinnig er war. „Zieh nicht so ‘n Gesicht. Du verdirbst mir die Laune.“, hatte er zu ihm gesagt. Und es stimmte wirklich, er zog alle mit herunter. Bei der Arbeit ließ er ständig irgendwelche Gläser fallen, nachts konnte er nicht mehr richtig schlafen und, wenn er wachte, dann konnte er über nichts anderes mehr als Naoru nachdenken. Er verfiel sogar zurück ins Ritzen. Etwas, das er seit dem Tag, an dem Naoru ihn vor Nagi beschützt hatte, nicht mehr getan hatte. Und das lag immerhin schon mehr als einen Monat zurück… In den ersten Tagen nach Naorus Verschwinden fing er jedenfalls wieder an. Doch sobald er den ersten Schnitt gesetzt hatte, ließ er die Scherbe sinken und begann wieder zu weinen. Er fühlte sich Naoru gegenüber schuldig, schließlich wusste er, dass dieser es nie gutgeheißen hatte, wenn er sich schnitt. Er hatte ihm versprochen für ihn da zu sein… und wo war er jetzt?
 

Es war ein Samstagabend, als Kizu mit hängendem Kopf nach Hause kam. Er war wiedermal zu müde und in Gedanken verloren, als dass er auf den Weg geachtete hätte und lief deshalb mitten im Treppenhaus, während er in seiner Hosentasche nach dem Haustürschlüssel kramte, in Jemanden hinein. Die Person trug einen offenbar schweren Karton und geriet beinahe aus dem Gleichgewicht, fasste sich jedoch schnell wieder und blickte fluchend um die Kiste in seinen Armen herum, um dem Grund für all dies ins Gesicht zu blicken, machte jedoch fast einen Satz Rückwärts als er ihn erkannte. Kizu – ebenso erstaunt – brachte erst kein Wort heraus, dann mit Tränen in den Augen fiel er ihm um den Hals, so dass der andere völlig perplex den Karton fallen ließ und erstarrt dastand. „Naoru!“, schluchzte Kizu immer wieder, „Naoru…“. Der Ältere war erst völlig verblüfft, schlang dann jedoch die Arme um den Kleineren, der völlig in Tränen aufgelöst war und strich ihm beruhigend über den Rücken. „Shhh…ist ja gut.“, murmelte er ihm leise zu, doch Kizu weinte und schluchzte nur noch heftiger. „Wo zur Hölle warst du die ganze Zeit! Ich hab mir solche Sorgen gemacht…Ich…ich…“, doch weiter kam er nicht, da die Tränen ihm die Stimme erstickten. „Komm erst mal mit rein.“, sagte Naoru gefasst und führte Kizu den Gang entlang, an seiner eigenen Haustüre vorbei, drei Türen weiter, zu einem offen stehenden Apartment. Die kleine Wohnung sah ähnlich aus wie die Kizus, nur wirkte sie irgendwie, trotz der unzähligen Umzugskartons, aufgeräumter und sauberer. Naoru bugsierte Kizu zu einem sperrigen Sofa, das mitten im geplanten Wohnzimmer stand, und setzte sich zusammen mit ihm darauf. Kizu schniefte immer noch und wischte sich mit dem Ärmel über seine verheulten Augen. „Du machst Sachen…“, murmelte Naoru schmunzelnd und strich Kizu durchs seidige Haar. Dieser blickte ernst drein. „Das ist überhaupt nicht lustig!“, klagte er. „Nein, tut mir leid.“, fügte Naoru sofort hinzu und fuhr fort ihn zu Streicheln bis Kizu sich allmählich beruhigte. Wie sehr hatte er dieses Gefühl vermisst! „Wo warst du die ganze Zeit über?“, fragte Kizu sofort und blickte Naoru mit großen, blauen Augen an. „Ich…hab ’n bisschen Zeit gebracht um meinen Kopf frei zu kriegen.“, erklärte er ihm nach kurzem Zögern und sah dabei sehr ernst aus. „Und?“, fragte Kizu zaudernd, da er nicht sicher war, was Naoru nun, da er darüber reflektiert hatte, für einen Entschluss gefasst hatte, dennoch lag neben der Spannung eine deutliche Spur hoffnungsvoller Neugier in seiner Stimme. „Nun….zuallererst einmal: Es tut mir Leid. Ich hatte mich letztens nicht ganz unter Kontrolle… Ich kann verstehen, wenn du mich jetzt hasst oder...“, begann er entschuldigend und mühte sich Kizus Blick zu meiden, doch er stockte, als dieser ihn abermals mit seinen dünnen Armen umschlang. Naoru spürte deutlich, wie sehr er zitterte und war betrübt zu sehen, dass der Kleinere schon wieder weinte. „Nein, mir tut es Leid! Von mir aus küss mich sooft du willst! Wenn du willst dann schlaf meinetwegen mit mir! Ist mir ganz gleich – Hauptsache du lässt mich nicht mehr allein!“, schluchzte er und schüttelte wild den Kopf. Naoru war fassungslos. Einiges hätte er erwartet, aber das-? „Red keinen Unsinn.“, sagte er schließlich, als er seine Stimme endlich wieder gefunden hatte. „Natürlich bleib ich bei dir.“, fügte er an und strich Kizu durchs Haar. „Naoru…ich bin einfach…verwirrt, verstehst du?“, erklärte der Kleinere nach einer Weile verzweifelt aufgrund seiner Ratlosigkeit. „Wegen Sakito und dir…das ist mir einfach alles zu viel im Moment….“, nuschelte er in die Schulter des Schwarzhaarigen hinein, während er ihn umklammerte, als fürchtete er der andere würde sich in Luft auflösen, wenn er ihn los ließe. Naoru sah sich außer Stande etwas anderes zu tun als ihn zu halten. „Ist okay. Ich versteh schon.“, erwiderte er und lächelte traurig. „Danke, Naoru...“. Er umarmte ihn noch ein wenig fester als zuvor. Die Gewissheit zu haben, dass Naoru wieder an seiner Seite war, beruhigte ihn unglaublich. Als er den Älteren endlich losließ und die Hände auf die Knie legte, betrachtete Naoru diese einen Moment lang. Dann seufzte er kurz und griff schließlich ohne Vorwarnung nach Kizus linker Hand und begann an den vielen Armbändern herum zufummeln und sie den Arm hoch zuschieben um sein Handgelenk frei zu legen. Kizu machte erschrocken den Ansatz einer zurückweichenden Bewegung, als wolle er wegrennen, verharrte aber letztendlich in seiner Position halb auf Naorus Schoß sitzend. Dieser betrachtete nun düster dreinblickend Kizus Arm und fuhr vorsichtig über die neuen Schnitte darin. „…Wie geht es dir eigentlich? Hat dieser drogensüchtige Dreckskerl dich gut behandelt, während ich weg war?“, wollte er besorgt wissen und strich Kizu durchs Haar. Dieser fühlte sich schuldig und legte die Arme erneut um Naorus Nacken. Er platzierte seine Stirn an der seinen und murmelte ein „Jetzt geht’s mir jedenfalls wieder gut!“. Sie kuschelten ein wenig, dann blickte Kizu Naoru mahnend an und fügte hinzu: „Und außerdem ist Sakito nicht drogensüchtig! Es ist mehr eine… schlechte Angewohnheit… als eine Sucht!“, verteidigte er ihn, obwohl er selbst nicht glaubte, was er da sagte. Naoru schmunzelte ergeben und sah einfach mal über diese offensichtliche Lüge Kizus hinweg. „Was machst du überhaupt hier? Besuchst du wen?“, fragte er nach einer Weile, in der sie aneinander geschmiegt auf der Couch verharrt hatten und blickte nun den Kleineren fragend an. „Ehm…naja…ich wohne hier?“, erklärte Kizu leicht verwundert über die Frage. „Was, du wohnst hier?! Aber das ist doch das letzte Loch!“, empörte sich Naoru und wies mit einer ausladenden Geste auf die baufällige Wohnung. „Du musst gerade reden! Wer ist denn hier bitte schön im Begriff in dieses ‚Loch’ einzuziehen?!“, lachte Kizu auf und stupste sein Gegenüber mit dem Finger vor die Brust. „Aber nur, weil ich mir zurzeit nichts Besseres leisten kann.“, erklärte der Dunkelhaarige mit hochgezogener Augenbraue. „Ich geh schließlich noch zur Schule und meine Mutter ist zu knapp bei Kasse, als dass ich sie bitten könnte mir Unterhalt zu zahlen…“. Kizu betrachtete ihn ernst, dann hellte sich sein Gesicht auf. „Zumindest kannst du jetzt nicht mehr einfach abhauen ohne, dass ich es merke!“, grinste er breit, obwohl immer noch letzte Tränen in seinen Augen funkelten. Naoru schmunzelte und fuhr mit seinem Daumen über die Augen Kizus, um die salzigen Perlen heraus zu wischen.
 

Wenig später verließ Kizu Naorus frisch bezogenes Appartement auch schon wieder und schloss die Tür zu seinem eigenem auf. Er fand Sakito in der Küche vor. Der Ältere saß in aller Seelenruhe auf dem Küchentisch und erhitzte über einem Feuerzeug sein Heroin. „Muss das sein?“, fragte Kizu und warf ihm einen besorgten Blick zu. „Wo hast du das Zeug überhaupt schon wieder her?“, fügte er hinzu, als Sakito zur Antwort lediglich ein Knurren von sich gab und weiterhin konzentriert den Löffel in seiner Hand betrachtete. „Das geht dich nen Scheißdreck an.“, erwiderte er nun und kramte in seiner Jackentasche nach einer Spritze. „Ist die wenigstens sauber?“, hakte Kizu besorgt nach und deutete auf das Ding in Sakitos Hand, während er eine Flasche Wasser aus dem Kühschrank nahm. „Natürlich. Alles clean…“, grinste Sakito sich selbst zu, während er ein wenig zittrig nach einer geeigneten Ader auf seinem Arm suchte. „Wenigstens etwas im Haus, das clean ist.“, murmelte Kizu sich selbst leise zu, doch Sakito hatte ihn offenbar gehört. „Was war das!?“, schrie er ihm nach, da Kizu sich ins Wohnzimmer begab. „Nichts!“, rief er ihm als Antwort zurück. Aus der Küche war ein verächtliches Schnauben zu hören. „Das will ich auch für dich hoffen…“, knurrte sein Freund leise, aber bedrohlich, gerade so laut, dass Kizu ihn noch verstehen konnte.

Ziemlich bald danach war Sakito auch schon aus dem Haus verschwunden. Auf seinem High zog er immer lieber mit Freunden um die Häuser als zu Hause bei Kizu zu bleiben. Sakito behauptete immer Kizus Anblick würde ihn sogar auf Drogen noch deprimieren. Den Jüngeren störte das allerdings nicht sonderlich. Er war beinahe dankbar Sakito für diese wenigen Stunden los zu sein. Denn dieses gehässige Grinsen, das sich nach dem fixen immer auf sein Gesicht schlich, jagte Kizu jedes Mal irgendwie Angst ein. Sakito wirkte dann einfach nicht wie er selbst. Spät in der Nacht - Kizu war beim Fernsehgucken auf dem Sofa eingenickt - erwachte er, als er das Geräusch eines sich im Türschloss drehenden Schlüssels vernahm. Er rieb sich verschlafen die Augen und warf einen Blick auf die Digitaluhr auf dem Couchtisch, deren Ziffern im Dunkeln leuchteten und die ihn in neongrünen Lettern begreiflich machte, dass es fünf Uhr morgens war. „Sakito?“, flüsterte Kizu heiser und blinzelte, als dieser das Licht einschaltete und den Raum somit hell erleuchtete. „Kizuuu~“, schnurrte Sakito und krabbelte zu ihm auf die Couch. Ehe er irgendetwas sagen konnte, befanden sich die Hände seines Freundes auch schon unter seinem T-Shirt, während er an seinem Ohr knabberte. ‚Nicht schon wieder.’. „Sakito wir haben doch erst gestern…“, murmelte Kizu, der ziemlich ergeben unter dem Größeren lag, müde. „Na und?“, brummte dieser lediglich und gab ein seltsames Lachen von sich. „Du bist ja immer noch high!“, bemerkte der Kleinere schockiert, als er ihm in die Augen sah. „Was soll’s?“, ließ er jedoch nur verlauten und fuhr fort sich küssender Weise an Kizus Hals herunter zu arbeiten, als wolle er die Zärtlichkeiten so schnell wie möglich abhaken um mit dem interessanten Teil zu beginnen. An einer Stelle hielt er jedoch einen Moment länger inne, um dem Kleineren ein dauerhafteres Zeichen aufzudrücken als nur die vielen Küsse und saugte sich leicht fest. Kizu jedoch mühte sich ab ihn von sich herunter zu schieben, woraufhin Sakito genervt aufstöhnte und aufblickte. „Was ist denn jetzt schon wieder los?“, fragte er hitzig. „Sakito ich bin müde.“, klagte Kizu. „Was interessiert mich das?“, fragte der andere wiederum erstaunt. „Lass mich einfach heute mal in Ruhe.“, bat er, während er Sakito immer noch auf Abstand hielt. „In Ruhe lassen?“. Sakitos Ton war plötzlich derartig scharf, dass Kizu ein regelrechter Schauer über den Rücken lief. „Ich bin heute einfach nicht in Stimmung, okay?“, versuchte er ihm vorsichtig beizubringen, doch der Versuch ging so ziemlich nach hinten los. Sakito holte aus und schlug ihn mitten ins Gesicht, so dass Kizu von der Couch hinunter auf den Boden fiel. „WAS ZUR HÖLLE IST EIGENTLICH LOS MIT DIR?“, schrie sein Freund ihn augenblicklich an, noch ehe Kizu auch nur den Ansatz machen konnte irgendetwas zu sagen oder zu tun. Stattdessen saß er wie gelähmt auf den Boden und blickte hinauf zu Sakito, der sich über ihn beugte und den Frust der letzten Wochen aus sich heraus schrie. „Du machst mich noch wahnsinnig! In letzter Zeit bist du wie ausgewechselt! Und ständig diese scheiß Stimmungsschwankungen! Entweder du bist so furchtbar gut gelaunt, dass es kaum zu Ertragen ist, oder du heulst rum und seufzt den ganzen Tag wie blöde! Es ist nicht zum Aushalten! Mir reicht es langsam!“, fuhr er ihn wütend und vor allem lautstark an, so dass Kizu, der ohnehin wegen des plötzlichen Schmerzes und des Schrecks zitterte, heftig zusammenzuckte. „Tut mir Leid, Sakito.“, flüsterte er schließlich mit brüchiger Stimme und wich dem Blick des anderen aus, der lodernd auf ihm lag. „Ach…! Vergiss es, Kizu! Du bist echt erbärmlich…! “, fauchte er und verzog sich immer noch fluchend aus dem Zimmer, jedoch nicht ohne laut mit der Türe zu knallen. Kizu fand sich allein in völliger Stille wieder, die nach dem plötzlichen Schwall an Lautstärke sehr ungewohnt in seinen Ohren klang. Zitternd fuhr er sich über seine schmerzende Wange. „Erbärmlich…?“, wiederholte er leise. Er zog die Knie näher an sich und umschlang sie haltsuchend. Sakito hatte recht…Was war in letzter Zeit nur los mit ihm?
 

Am nächsten Morgen gab Kizu sich alle Mühe, Sakito aus dem Weg zu gehen, was sich ein wenig schwerer als sonst gestaltete, da es Sonntag war. Unter einem Vorwand stahl er sich raus und verbrachte die Hälfte des Tages draußen in irgendwelchen Parks oder durch die Straßen spazierend. Irgendwann am Nachmittag, als er vermutete, dass Naoru gerade Feierabend haben sollte, machte er sich auf den Weg zu der Gärtnerei und wartete davor auf ihn. Tatsächlich kam er wenig später auch heraus und blickte Kizu erstaunt an, als er ihn entdeckte. „Was machst du denn hier?“, fragte er verwundert. „Wonach sieht’s denn aus? Ich hohl’ dich ab!“, lachte Kizu auf. „Nichts Besseres zu tun, hm?“, schmunzelte Naoru. Gemeinsam machten sie sich auf den Heimweg. „Was war da gestern eigentlich bei euch los?“, fragte der Größere nach einer Weile des Laufens bemüht beiläufig. Kizu wiederum blickte erstaunt zu Naoru auf und dann, puterrot, zurück auf den Asphalt vor ihm. „Hast du Sakito etwa gehört?“, fragte er beschämt. „Ich fürchte das ganze verdammte Haus hat ihn gehört…“, grummelte Naoru zur Antwort. Kizu seufzte. „Geht’s dir denn gut?“, fragte Naoru besorgt, woraufhin Kizu stumm nickte und sich in Gedanken über die Wange strich, die gestern für Sakito hatte herhalten müssen. „Schreit der öfter mitten in der Nacht so rum?“, hakte Naoru nach und suchte in seiner Jackentasche nach seinem Feuerzeug. „…Manchmal…“, erwiderte Kizu ziemlich einsilbig. Naoru blickte immer noch prüfend zu ihm herüber, weswegen Kizu ein leises „Frag einfach nicht.“ murmelte. „Ok“, antwortete Naoru daher und steckte sich seine Zigarette an. „Was machst du heute noch?“, fragte er. „Nichts. Hab heute und morgen frei…“, erklärte der Kleinere, während sie sich gemeinsam zur Bahnhaltestelle begaben. „Ich würd dich ja zu mir einladen, aber ich hab noch gar nicht mit dem Auspacken der Umzugskartons angefangen…“, erzählte Naoru ihm und verzog die Mine bei dem Gedanken an all die Arbeit die ihm noch bevorstand. „Ich könnte dir doch helfen!“, schlug Kizu engagiert und ein wenig rot im Gesicht vor. „Würdest du das tun? Wär unglaublich nett von dir! Mir tut schon richtig der Rücken weh von der ganzen Kistenschlepperei.“, jammerte Naoru lauthals. Kizu lachte. „Du hörst dich wie’n alter Mann an!“, stellte er belustigt fest. „Tja bin eben auch nicht mehr der Jüngste, Kleiner!“, grinste Naoru provokativ. Kizu sprang natürlich sofort darauf an. „Nenn mich nicht immer klein!“, rief er rot anlaufend. Naoru konnte sich ein Lachen nicht verkneifen. Kizu war wirklich zu süß!

Der Rest seines Nachmittages verlief wesentlich erfreulicher für Kizu als sein Vormittag. Er half Naoru ein wenig Ordnung in seine neue Wohnung zu bringen und lachte das erste mal seit langem wieder ausgelassen mit ihm. Irgendwann abends, als sie beide erschöpft und müde von der ganzen Arbeit waren, ließen sie es gut sein und machten es sich gemütlich. Kizu ließ sich auf den Teppichboden vor der Couch sinken, auf der Naoru Platz genommen hatte und wischte sich den Schweiß aus der Stirn. „Puu! Jetzt ist es amtlich! Du liest eindeutig zu viel!“, erklärte er und fuhr sich jammernd über seinen Rücken, der ihm inzwischen ebenfalls schmerzte. Er hatte die meiste Zeit dagestanden und Bücher in Regale eingeräumt, während er mit Naoru geplaudert hatte. „Mir tut vielleicht das Kreuz weh!“, erklärte er und streckte sich. Naoru seinerseits lachte laut auf. „Und? Wer ist jetzt der alte Mann?“, grinste er und nahm einen Schluck aus der Flasche Mineralwasser, die er soeben aus der Küche geholt hatte. „Ich seh’s jetzt schon kommen! Morgen hab ich bestimmt nen Mordsmuskelkater!“, klagte Kizu und fing die Wasserflasche auf, die Naoru ihm, nachdem er sie wieder zugeschraubt hatte, zuwarf. „Übertreib mal nicht so…“, grinste er ihn an. Kizu nahm einen kräftigen Schluck und wischte sich mit dem Arm über den Mund, ehe er weiter sprach: „Du hast gut reden! Du schleppst schließlich auch beruflich den ganzen Tag lang Kisten hin und her.“, maulte er, woraufhin Naoru erneut lachte. Kizu legte den Kopf in den Nacken, welcher inzwischen völlig verspannt war und drehte ihn ein paar Mal hin und her. Naoru, der auf der Couch rumlümmelte und dies beobachtete, entdeckte dabei mitten auf Kizus zierlichem Hals, knapp über dem Schlüsselbein, eine rötlich-purpurne Verfärbung, die ihn stocken ließ. Kizu bemerkte, dass Naoru ihn anstarrte und blickte ihn im Gegenzug fragend an. „Was schaust du denn so? Hab ich was im Gesicht?“, fragte er mit hochgezogenen Augenbrauen. Naoru wand sofort den Blick ab und murmelte ein deutliches „Ist schon gut.“. Kizu jedoch fragte sich immer noch, was los war und kletterte daher auf die Couch um über deren Rand hinweg in den großen Spiegel an der Wand dahinter zu blicken. „Was denn? Ich seh ni-“, begann er schon, als er ihn erschrocken entdeckte. Rot, klein, aber nicht zu übersehen – ein Knutschfleck. „Ach, verdammt…“, fluchte er leise und ließ sich geschockt zurück auf die Couch sinken um seinem Spiegelbild so schnell es ging den Rücken zu zuwenden. Wann hatte Sakito ihm denn den schon wieder verpasst? „Das ist …tut mir Leid…ich meine…ich hab nicht…Sakito, er hat einfach-“, stammelte Kizu ebenso zusammenhangslos wie hektisch und wünschte sich immer mehr im Erdboden zu versinken. Er machte das ganze nur noch schlimmer! Warum nur hatte er das Gefühl sich vor Naoru rechtfertigen zu müssen? Ehe er sich noch weiter irgendetwas zusammen stottern konnte, unterbrach der Ältere ihn und wiederholte noch einmal „Ist schon gut. Wirklich.“.

Die Atmosphäre, welche die ganze Zeit danach zwischen ihnen herrschte, war so unerträglich angespannt, dass Kizu sich bald darauf verabschiedete und sich in sein eigenes Apartment verzog. Er hatte über den Vorfall hinweg seinen Plan Sakito aus dem Weg zu gehen völlig vergessen und wurde gleich als er zur Türe hereinkam daran erinnert, dass er nicht alleine lebte. Das erste, was er sah, waren Rechnungen. Nicht weil sie, wie sonst, auf dem Boden neben der Tür lagen, sondern weil Sakito sie ihm ins Gesicht warf, als er zur Türe hereinkam. „Hier hast du’s! Überleg du dir mal schön, wie wir das alles bezahlen!“, schnauzte er ihn sogleich an. Kizu stieg augenblicklich der starke Geruch von Alkohol in die Nase. Offenbar war Sakito betrunken. Der Schwarzhaarige seufzte und bückte sich nach den nun zu Boden gefallenen Briefumschlägen. Auf dem Weg ins Wohnzimmer sah er sie durch. Sakito hatte recht, es würde eng werden diesen Monat. Die Situation hatten sie schon lange nicht mehr gehabt. Als Kizu noch anschaffen gegangen war, hatte er immer mehr als genug Geld mit nach Hause gebracht. „Wie viel haben wir denn noch an Erspartem hier?“, fragte Kizu, als er den letzten Umschlag öffnete und sich all die viel zu großen Ziffern ansah. „Woher soll ich das wissen?“, knurrte Sakito. Kizu runzelte die Stirn. „Schau mich nicht so an! Es ist schließlich unser Geld! Ich kann damit machen, was ich will!“, regte der Ältere sich sogleich auf und gestikulierte wild umher. „Ich hab ja gar nichts gesagt.“, murmelte Kizu nur und wand seinen Blick wieder den Rechnungen zu. „Ich weiß sowieso nicht wie du auf die bescheuerte Idee gekommen bist dir ’nen Job zu suchen!“, lallte sein Freund grimmig. „Sakito…“, bat Kizu, da sie dieses Thema schon ein paar hundert Mal besprochen hatten. „Ist doch wahr. Du machst ein riesen Theater um gar nichts.“, erklärte er und ließ sich plumpsend aufs Sofa fallen. ‚ Also ‚gar nichts’ würde ich Sex mit fremden Leuten eher nicht nennen.’, dachte Kizu sich im Stillen. „Ich seh dein Problem einfach nicht. Die Nummer mit dem Anschaffen hat doch ganz gut funktioniert. Und überhaupt ist das doch auch das einzige in dem du wirklich gut bist…“, maulte sein Freund weiter herum, ohne auch nur im Geringsten bemerkt zu haben, wie der Kleinere bei seinen Worten zusammengezuckt war. Irgendwie hatte er ihm da gerade einen Stich versetzt, der mitten ins Herz getroffen hatte. Kizu war wie benommen. Die Worte hallten in seinem Kopf wieder. Betroffen blickte er Sakito an. Dies wiederum bemerkte er und hob daher skeptisch eine Augenbraue. „Was denn? Ich hab doch recht! Oder nenn mir eine Sache zu der du was taugst! Du stellst dich nun einmal ständig dumm an. Außer zum Vögeln bist du eben zu nichts zu gebrauchen!“, erklärte Sakito mit einer ausladenden Geste und legte seinen Kopf lässig in den Nacken. Kizu wiederum betrachtete schweigend seine Füße. ‚Er ist betrunken. Er ist einfach nur betrunken. Lass ihn reden. Er ist momentan nicht ganz klar im Kopf…’, sagte er sich immer wieder, doch in seinem Hinterkopf war eine Stimme, die ihm deutlich mitteilte, dass gerade WEIL Sakito betrunken war, er ihm sagte, was er wirklich dachte. Kizu war zum heulen zumute und das würde er nur ungern vor Sakito tun, da er befürchtete sich einen weiteren bissigen Kommentar einzufangen. Deshalb erhob er sich ein wenig wacklig auf den Beinen und verkündete mit zitternder Stimme: „Ich geh schon mal schlafen.“. Er drehte Sakito, welcher mit geschlossenen Augen auf dem Sofa saß, den Rücken zu und noch während er mit Tränen im Gesicht den Raum verließ, hörte er ihn murmeln: „Jetzt heulst du wieder, stimmt’s? Scheiße, Kizu, du bist echt so vorhersehbar…“.



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