A wonderful gift
23. December – every single year again
Setos Sicht
Da saß ich nun wie üblich in meiner Firma vor meinen PC und der vielen Arbeit, die sich um Weihnachten herum eben immer ansammelte. Auf meinem Schreibtisch stapelten sich die Dokumente und schienen mit jedem Tag ein bisschen mehr zu werden. Auf meinem PC waren mehr E-Mails als meine drei Postfächer vertragen konnten und auf dem Schreibtisch meiner Sekretärin sammelten sich die Einladungen für etwaige Weihnachtsfeiern oder Galaveranstaltungen. Einige von ihnen stammten von bedeutenden Geschäftsleuten und duldeten eigentlich keine Ablehnung. Aber wer wollte zu Weihnachten schon auf einer steifen Party mit dutzenden Geschäftskollegen sitzen?
Die meisten dieser Geschäftsleute hatte ich persönlich anrufen oder gar besuchen müssen, um ihnen zu sagen, dass ich – zu meinem Bedauern – ablehnen muss, weil ich meiner Frau versprochen habe, dass wir dieses Jahr Weihnachten in trauter Zweisamkeit zuhause verbrachten.
Das war nicht einmal so wirklich gelogen. Ich hatte Ishizu wirklich versprechen müssen, dass wir dieses Jahr auf keinen Fall auf eine Weihnachtsparty von Geschäftskollegen gehen. Allerdings war auch dieses Jahr von trauter Zweisamkeit nicht die Rede. Wir waren nämlich diejenigen, die eine Weihnachtsfeier gaben.
Ishizu hatte die Gästeliste gemacht und keinerlei Wiederspruch von mir geduldet. Das Einzige, was ich tun durfte, war dafür zu sorgen, dass alles so eingerichtet war, dass die Gäste mit einer Limousine abgeholt und auch schlussendlich wieder zurückgeschafft wurden. Aber gut, Gott sei Dank hatten wir ja fünf davon und auch zu Weihnachten würden sich sicher noch gute Chauffeure finden lassen. Alles kein Problem.
Selbst ihre Familie, welche bereits heute Abend einflog, würde von einem meiner Angestellten mit einer Limousine vom Landeplatz abgeholt und zu uns nach Hause gefahren werden. Meiner Meinung nach hätte es auch ein einfaches Taxi getan, aber was tat man nicht alles, damit seine Frau zu Weihnachten keine ewigandauernde Schnute zog?
Doch eigentlich hatte ich ganz andere Sorgen, denn immerhin hatte ich noch immer kein passendes Geschenk für sie gefunden. Ich hatte gerade noch einen Tag Zeit und noch immer war ich ohne eine vernünftige Idee. Hinzu kam ja auch noch, dass ich wirklich jedem unserer anderen Gäste etwas besorgt hatte – natürlich in Absprache mit Ishizu und Mokuba – nur für meine Frau hatte ich nichts.
Dieses Problem hatte ich nicht zum ersten Mal. Schon in dem Jahr, als wir zusammen gekommen waren, hatte ich am Ende Marik fragen müssen, was sie sich wohl wünschte, weil ich einfach nicht weitergewusst hatte und die Jahre danach wurde es nur noch schwieriger, weil selbst Marik und Odion irgendwann nichts mehr eingefallen war. Immerhin war sie eine der reichsten Frauen Japans, seit sie mich geheiratet hatte.
Die letzten zwei Jahre hatte ich sie immer mit sündhaft teurem Schmuck vertröstet, aber eigentlich lag ihr gar nicht so viel daran und sie hatte ja auch genug. Also war das dieses Jahr keine Option. Ich hatte an so vieles anderes gedacht, vielleicht eine besondere Spieluhr, oder irgendetwas, was ich speziell für sie anfertigen lassen könnte, aber mir fiel absolut nichts ein, was ihr gefallen würde.
Es war wirklich zum Verzweifeln und wenn ich mir meine Arbeit so ansah, dann würde ich wohl auch heute nicht die Gelegenheit bekommen weiter darüber nachzudenken oder gar einfach einmal in die Stadt zu fahren und nach etwas zu suchen...
23. December – Happy Christmas days
Ishizus Sicht
Ich spazierte durch die verschneiten Straßen von Domino und ertappte mich dabei, wie ich erneut über das ganze Gesicht zu grinsen begann. Wahrscheinlich hielten mich die Leute auf der Straße für verrückt, immerhin war es nur noch ein Tag bis Weihnachten und niemand hatte jetzt mehr so recht die Zeit sich über irgendetwas zu freuen, schon gar nicht, wenn er durch die Stadt rannte und noch immer verzweifelt nach einem Geschenk suchte.
Doch ich hatte allen Grund zu grinsen, denn heute Morgen ist mir endlich klar geworden, was ich dem reichsten Mann Japans zu Weihnachten schenken konnte. Gut, ohne seine Mithilfe hätte ich jetzt wahrscheinlich immer noch tränennasse Augen, weil ich wieder einmal keine Ahnung gehabt hätte, was ich ihm schenken sollte, aber ich denke nicht, dass ihn das stören wird.
Die letzten Jahre hatte ich ihm immer selbst gemachte Gutscheine schenken müssen. Gutscheine, die ihm ein paar Zugeständnisse machten oder eine kleine belanglose Freude versprachen, wann immer er sie wollte. Zum Beispiel liebte es Seto, wenn man ihm sachte den Kopf massierte, nur war das wesentlich anstrengender, als es sich zunächst anhörte und so würgte ich ihn meistens ab, wenn er sich mal dazu herabließ, darum zu bitten. Zu Weihnachten bekam er dann halt einen Gutschein von mir, auf dem ich ihm drei Kopfmassagen zugestand, wann immer er sie wollte. Wenn ich ehrlich bin, bin ich echt froh, dass ich dieses Jahr auf ein solches Geschenk verzichten kann.
Während ich durch die Straßen der Stadt ging, entdeckte ich auch hier und dort in den Schaufenstern noch Sachen, die wir für unsere Weihnachtsparty brauchten und so hatte ich – lange bevor ich Setos Geschenk gekauft hatte – die Hände voller Tüten.
Hier kam dann wieder mein persönlicher Chauffeur zum Einsatz, der mit einer Limousine kam und mir alle Einkäufe abnahm. Ich musste schon zugeben, dass das Leben als Frau von Seto Kaiba durchaus seine Vorteile hatte. Immerhin hätte mir früher niemand beim Tragen und Transportieren der Weihnachtseinkäufe geholfen. Natürlich hatte es auch den Nachteil, dass man um Weihnachten herum ständig auf irgendwelche Weihnachtsfeiern und Galaveranstaltungen musste, aber damit hatte ich zu leben gelernt und außerdem hatte ich Seto dieses Jahr dazu bringen können, fast alle Einladungen zu solchen Feierlichkeiten abzusagen. Das allerdings nur unter der Bedingung, dass wir nächstes Jahr umso mehr davon besuchen würden, aber damit konnte ich leben. Hauptsache dieses Jahr war einmal nur für uns, unsere Freunde und unsere Familien.
Ein Blick auf die Uhr verriet mir, dass ich mich auch ein klein wenig beeilen musste. Zwar kamen meine Brüder und ihre Familien erst heute Abend an, aber Mokuba würde schon einige Stunden eher zuhause seien und nachdem er so lange weg war, hatte er es verdient, wenigstens von mir empfangen zu werden, wenn sein Bruder sich schon nicht nach Hause bequemte.
Mokuba studierte seit einigen Jahren Jura in Amerika und kam nur noch sehr selten nach Hause, nicht zuletzt auch deswegen, weil er natürlich in Amerika auch neue Freunde gefunden hatte, mit denen er lieber die Feiertage verbrachte. Aber dieses Jahr hatte er zugesagt, wenn auch nur unter der Bedingung, dass seine Freundin mitkommen durfte, aber dagegen hatte ich nichts. Immerhin würden sie ja alle mit ihren Familien und Partnern kommen. Seto hatte ich gar nicht erst gefragt, was er darüber dachte. Die Organisation der Party und die Gästeliste oblagen nämlich allein meiner Verantwortung und ich hatte ihm bereits gesagt, dass er gar nicht erst versuchen sollte mir da irgendwo reinzureden.
Irgendwie war meine Vorfreude dieses Jahr nicht zu bremsen. Vielleicht lag es auch an dem besonderen Geschenk für Seto oder daran, dass wir dieses Jahr so ein wundervolles Fest haben würden, aber auf jeden Fall konnte ich sagen, dass ich so glücklich war wie lange nicht mehr.
Die letzten drei Jahre waren für Seto und mich sehr hart gewesen, so oft hatte ich weinen müssen in dieser Zeit und so oft war auch Seto einfach nur noch verzweifelt und mit den Nerven am Ende gewesen. Trotzdem hatten wir uns immer auf all diese Geschäftsfeiern gezwungen und dort eine zufriedene Miene aufgesetzt.
Auch unseren Freunden und Angehörigen gegenüber hatten wir unser Leid immer verbergen wollen; gerade auch um die Feiertage herum, wenn man hier und da zum Kaffeetrinken eingeladen war oder wenn wir meine Familie in Ägypten besucht hatten. Doch dieses Jahr würde es anders sein. Dieses Jahr würden auch Seto und ich glücklich sein, dafür würden ich und mein Geschenk schon sorgen.
Ich war so in Gedanken gewesen, dass mir beinahe entgangen wäre, dass ich bereits vor dem großen Kaufhaus stand, welches ich gesucht hatte und von welchem ich wusste, dass ich hier das Geschenk finden würde, welches ich für Seto wollte...
23. December – Christmastime is the time of secrets
Setos Sicht
Obwohl ich lediglich den kurzen Weg von der Garage bis zum Haus gelaufen war, waren meine Haare und meine Kleidung schon wieder voller Schnee und wenn ich bedachte, wie unnütz und nervig dieses weiße Zeug eigentlich war, dann musste ich mich fragen, wieso so viele Leute sich zu Weihnachten so unbedingt Schnee wünschten.
Aber ich würde nichts dazu sagen, weil ich wusste, dass Ishizu, obwohl sie bereits so lange mit mir in Domino lebte, sich doch immer wieder wie ein kleines Kind über die weiße Pracht freute und wer konnte diesem Glitzern in ihren Augen schon wiederstehen?
Als ich die Haustür öffnete, hörte ich, nicht zum ersten Mal in den letzten Tagen, die schrecklichsten Weihnachtslieder aus der Küche kommen. Teilweise waren es solche Schnulzen wie ‚Last Christmas’ und manchmal waren es auch Klassiker wie ‚Oh Tannenbaum’. Jedes Mal, wenn ich diese Lieder hörte, wurde ich erfolgreich an all die vielen Gründe erinnert, die mich Weihnachten verfluchen ließen, aber auch hier würde ich mir nichts anmerken lassen. Immerhin war Ishizu das erste Mal seit drei Jahren wieder glücklich zu Weihnachten und ich war der Letzte, der wollte, dass sich daran etwas änderte.
So ging ich also in die Küche und fand, wie erwartet, meine Frau dort vor, die sich eine äußerst lächerliche Weihnachtsschürze um die Hüften gebunden hatte und überall voller Mehl war. Wie die Küche aussah, wage ich gar nicht zu beschreiben und da ich wusste, dass der Großteil dieser Schweinerei von meiner Haushälterin Maja beseitigt werden würde, war es nur richtig, dass ich ihr dieses Jahr zu Weihnachten eine Gehaltserhöhung schenkte.
Ich begrüßte Ishizu mit einem kurzen „Hallo“ und drückte ihr dann einen Kuss auf die mehlige Wange und bemerkte, dass das gar kein Mehl war, sondern Puderzucker.
„Hallo“, grinste sie und bemühte sich, den Plätzchenteig gut durchzukneten. Obwohl sie voller Mehl und Puderzucker war, ihre Haare ihr wild ins Gesicht hingen und auf ihren Wangen ein leichter Rotschimmer lag, empfand ich sie im Moment als besonders hübsch.
„Warum bist du denn schon zurück?“, erkundigte sie sich schließlich und begann den Teig mit dem Nudelholz auf der Küchenzeile auszurollen.
Ich zuckte nur die Schultern. „Ich hatte die Nase voll“, erklärte ich und setzte in Gedanken hinzu, dass ich mir außerdem noch etwas Kraft für diesen anstrengenden Weihnachtsabend aufheben wollte. „Ist Mokuba schon da?“, wollte ich dann wissen, lehnte mich gegen den Küchentisch und verschränkte die Arme vor der Brust, während die Weihnachtsmusik fröhlich weiter dudelte.
Ishizu nickte. „Ja, er ist vor zwei Stunden angekommen. Aber er und seine Freundin Claire waren so müde, dass sie sich erst einmal etwas ausruhen wollten. Du wirst also bis heute Abend warten müssen, um sie zu begrüßen.“ Sie wischte sich mit der Hand über ihre Stirn und hinterlies dort einen kleinen Mehlstreifen. „Und ich möchte, dass du nett zu Claire bist, Seto“, fügte sie dann noch hinzu, während ich bemüht war, nicht darüber zu lachen, dass sie offenbar nicht einmal bemerkte wie ulkig sie aussah.
„Das kann ich nicht versprechen“, meinte ich schließlich und schluckte meinen Lachanfall mit Gewalt hinunter.
Sie drehte sich zu mir und sah mich mit strenger Miene an. „Oh doch, du kannst!“ Sie stemmte die Hände in die Hüften und färbte nun auch den Rock ihres Kleides in Mehlweiß. „Ich weiß, dass du es Mokuba immer noch nachträgst, dass er ihretwegen nicht zu deinem Geburtstag gekommen ist, aber es ist Weihnachten, das Fest der Liebe und der Vergebung, also wirst du deinem Bruder vergeben und nett zu seiner Freundin sein. Ist das klar?“ Der Ton, in dem sie sprach, war schon fast beängstigend, also nickte ich seufzend und sagte nichts weiter dazu.
Mit einem zufriedenen Nicken wandte sie sich wieder ihrem Teig zu. Ich drehte mich um und begutachtete die Plätzchen etwas genauer. „Wieso machst du dir eigentlich solche Mühe? Wir können doch auch Plätzchen kaufen“, bemerkte ich dann.
„Das ist aber nicht dasselbe“, entgegnete sie und begann die Plätzchen auszustechen. „Oder schmecken sie dir etwa nicht?“ Sie sah mich nun wieder an und erneut überkam mich der Wunsch über ihr Aussehen zu schmunzeln, doch auch dieses Mal unterdrückte ich diesen Wunsch.
„Doch, sicher“, winkte ich ab. „Sie sehen zwar nicht sehr ansprechend aus, aber lecker sind sie.“ Ich wandte mich einem der Bleche zu. „Aber es ist eben eine Menge Arbeit.“ Schließlich griff ich nach einem der Plätzchen und verbrannte mir prompt die Finger daran.
Ishizu schüttelte grinsend den Kopf „Es macht mir eben Spaß“, meinte sie, nahm eines der Plätzchen aus einer der Schüsseln und hielt es mir vor dir Nase. „Hier, die sind schon abgekühlt“, meinte sie und wartete, bis ich nach dem Plätzchen geschnappt hatte, bevor sie wieder zu ihrem Teig und den Ausstechformen zurückkehrte.
Ich blickte die vielen Plätzchen an und rechnete die dazu, die sie in den letzten zwei Tagen gebacken hatte. „Das sehe ich.“ Aber es stellte sich mir doch eine Frage: „Aber wer soll die alle essen?“, wollte ich wissen und schnappte mir das nächste Plätzchen.
„Die werden schon alle, mach dir keine Sorgen, ich habe alles genau durchdacht“, lächelte sie nur und ich wusste, wenn sie das sagte, dann würden am Ende entweder noch dutzende Plätzchen übrig oder aber zu wenige da sein. Dieses Jahr tippte ich auf ersteres. Doch ich verkniff mir diesen gefährlichen Beitrag.
Ich schluckte auch das nächste Plätzchen runter und fragte schließlich. „Sag mal, haben wir auch wirklich alle Geschenke?“ Es wäre immerhin irgendwie blöd, wenn uns erst am Weihnachtsabend auffallen würde, dass ein Geschenk fehlt.
„Ja~“, seufzte sie genervt. „Ich habe heute Morgen extra noch ein zehntes Mal nachgezählt. Es sind alle da, bis auf eines und das holt Mokuba wie geplant am Weihnachtsmorgen ab.“ Ich wusste, dass ich sie damit verrückt machte, dass ich dauernd wissen wollte, ob alle Geschenke da waren, aber ich wollte ja auch, dass dieses Fest perfekt wird. Immerhin war es das erste Fest seit drei Jahren, an dem Ishizu endlich einmal wieder glücklich war und da durfte einfach nichts schief gehen.
„Gut“, nickte ich schließlich und schob mir noch ein Plätzchen in den Mund. Zwar misslangen Ishizu grundsätzlich die Formen und auch das Rezept war immer irgendwie anders, aber ich war mir sicher, dass sie bei keinem Bäcker besser schmecken würden. „Und? Brichst du dieses Jahr wieder in Heulkrämpfe aus, weil du kein Geschenk für mich hast?“, fragte ich schließlich.
„Nein“, grinste sie zu meiner Überraschung. „Dieses Jahr hab ich ein Geschenk für dich und ich bin sicher, du wirst es lieben.“ Sie wirkte so fröhlich, während sie das sagte, dass ich mir sicher war, dass sie wirklich etwas Besonderes hatte und das machte es für mich nur noch schlimmer.
„Du sagst mir nicht zufällig, was es ist?“, fragte ich schmunzelnd. Vielleicht würde ich ja dann auch eine Erleuchtung erhalten.
Aber sie grinste nur weiter und meinte: „Nein, sonst wäre es ja keine Überraschung mehr.“ Hatte ich schon erwähnt, dass das Warten an Weihnachten für mich so ziemlich das Schlimmste war?
Ich legte den Kopf leicht schief. „Bekomme ich wenigstens einen kleinen Tipp?“ Es konnte doch nicht sein, dass sie die letzten Jahre immer anfing zu weinen, weil ihr einfach nichts einfiel und dieses Jahr grinste sie siegessicher vor sich hin.
Sie ließ die Schultern sinken und drehte sich – mit gespielt genervter Miene – zu mir um. „Also weißt du, Seto. Man möchte kaum glauben, dass du mit deinem IQ von über 300 noch immer nicht die Bedeutung von ‚Überraschung’ kennst.“ Als ich nichts weiter tat, außer einer Miene zu verziehen, wandte sie sich, immer noch grinsend, wieder ihren Plätzchen zu. „Oder suchst du nur verzweifelt nach etwas, was du mir schenken kannst?“ Sie hatte den Nagel auf den Kopf getroffen.
„Irgendwie schon“, gab ich seufzend zu. Zu einem perfekten Weihnachtsfest gehörte nun einmal auch das perfekte Geschenk, doch das wollte sich einfach nicht finden lassen und die Zeit war so knapp, dass ich am Ende derjenige sein würde, der dieses Jahr mit selbstgemachten Gutscheinen ankam.
„Seto, du musst mir nichts schenken!“, lächelte Ishizu mir zu, während sie die nächsten beiden Bleche in den Ofen schob. „Ich habe schon alles, was ich brauche“, fügte sie noch hinzu und machte sich daran die abgekühlten Plätzchen mit Zuckerguss zu beschmieren.
Ich verschränkte die Arme vor der Brust „Du schenkst mir etwas, also muss ich dir auch etwas schenken.“ Ich konnte damit nicht leben, wenn mir jemand etwas Gutes tat und ich mich nicht irgendwie dafür erkenntlich zeigte. Dabei spielte es absolut keine Rolle, von wem ich etwas Gutes erhalten hatte.
Sie drehte sich wieder kurz zu mir. „Du hast mir erlaubt die Feier zu machen und du hast alles Nötige organisiert. Das war alles, was ich mir für dieses Jahr gewünscht habe.“ Ich ließ die Schultern sinken. Mir kam das nicht gerade wie ein tolles Geschenk vor.
„Na schön“, seufzte ich schließlich. „Jetzt bekomme ich ja sowieso nirgends mehr ein Geschenk.“ Ich wollte gerade aus der Küche trotten und noch ein wenig in mein Arbeitszimmer verschwinden, als mir noch etwas einfiel. „Schatz?“, fragte ich vorsichtig und sie sah prompt zu mir auf.
Sie wusste natürlich, wenn ich ‚Schatz’ sagte, dann kam dabei nie etwas Gutes raus, daher hob sie schon mit einem äußerst missmutigen Gesichtsausdruck die Brauen und zischte mir ein ahnendes „Was?“ entgegen.
Ich kam nicht drum herum zu schlucken, bevor ich kleinlaut antwortete. „Naja, weist du... ich... müsste morgen noch mal für eine Weile in die Firma.“ Ich sah schon wie sich ihr Blick verfinsterte, also warf ich hastig ein: „Nur bis Mittag! Dafür bin ich dann auch die Feiertage ganz für dich da.“ Ich hatte noch einiges zu erledigen und das konnte einfach nicht bis nach Weihnachten warten.
Sie ließ die Schultern sinken, was für mich Entwarnung bedeutete. „Na gut, meinetwegen“, seufzte sie schließlich „Aber wehe dir, wenn du nicht pünktlich zum Mittagessen da bist.“
Ich drückte ihr noch einmal schnell einen Kuss auf. „Keine Sorge“, meinte ich noch und verschwand dann doch endgültig aus der Küche.
24. December – Oh Christmas tree
Ishizus Sicht
Es war richtiger Trubel im Haus. Wir hatten dieses Jahr drei Weihnachtsbäume; einen großen, der in der Eingangshalle stand, wo auch der Großteil unserer Weihnachtsfeier stattfinden würde, einen in der Etage, wo die Zimmer von Seto, Mokuba und mir waren und einen in der Etage mit den Gästezimmern.
Überall wurden die Bäume von jemand anderem geschmückt. Oben im Gästezimmerflur schmückten ihn die Kinder von Marik und Odion mit Hilfe ihrer Mütter. Im Flur unserer Etage schmückten ihn Mokuba und seine Freundin Claire. Der in der Halle wurde von Marik und Odion geschmückt, die sich zwischenzeitlich darüber stritten, ob man dem Baum chaotisch oder nach System schmücken sollte.
Ich war in der Zwischenzeit damit beschäftigt, ein elftes Mal die Geschenke nachzuzählen und zu kontrollieren, ob auch alle richtig verpackt waren. Dann sah ich noch einmal nach einem besonderen Geschenk, welches in meinem Arbeitszimmer hauste, bis es heute Abend einer unserer jüngeren Gäste erhalten würde.
Auf dem Weg in die Halle hörte ich wie Mokuba zu seiner Freundin sagte: „Ich hab in der Garage ein Auto gesehen. Es war verpackt wie ein Weihnachtsgeschenk. Ich denke, das ist für mich.“
Ich trat an die Beiden heran „Ach, du wolltest ein Auto, Mokuba? Na, so ein Mist aber auch“, sagte ich mit ernster Miene. „Das ist Rolands Weihnachtsgeschenk. Dir haben wir ein Jahresticket für LaAlwar-Airlines gekauft, damit du uns immer besuchen kannst.“ Ich sah wie Mokubas Grinsen verschwand und zu einer entgeisterten Miene wurde. Fast musste ich darüber lachen, aber ich blieb stark und behielt meine ernste Miene bei, als ich hinzufügte: „Aber keine Sorge, es ist ein Doppelticket. Ihr könnt also immer zusammen kommen.“
„Du willst mich doch bloß ärgern, oder?“, erkundigte sich Mokuba mit hoffnungsvoller Miene bei mir, während auch Claire ganz entgeistert drein schaute.
Doch ich schüttelte den Kopf. „Nein. Wir haben gedacht, du freust dich, wenn du uns öfter besuchen kannst. Etwa nicht?“ Noch immer fiel es mir schwer nicht zu grinsen.
„Ehm...doch. Natürlich“, seufzte Mokuba geknickt und wandte sich wieder dem Baum zu, während Claire aufheiternd über seinen Rücken streichelte.
Ich kehrte den Beiden den Rücken zu und grinste vor mich hin. Es war irgendwie lustig, wie leicht man die Leute zu Weihnachten täuschen konnte. Joey glaubte ja auch ganz fest daran, dass wir ihm einen Hund schenkten, stattdessen bekam er eine kleine finanzielle Starthilfe für sein Haus von uns. Aber umso größer war dann ja am Ende die Überraschung.
Als ich unten in der großen Halle ankam, strahlte mir der fertige Weihnachtsbaum entgegen. Ich konnte zwar nicht wirklich sagen, ob sie ihn nun chaotisch oder systematisch geschmückt hatten, aber auf jeden Fall war er wunderschön. Der Weihnachtsschmuck war dieses Jahr eisblau und wir hatten an nichts gespart. Es hingen nicht nur kleine und große Kugeln an dem Baum, es waren auch kleine Eiszapfen, Tannenzapfen, Glocken und Schleifen zu finden. Absoluter Hingucker war allerdings die lange, eisblaue Perlenkette, die um den Baum geschlungen war und ihn irgendwie edel aussehen ließ.
„Das habt ihr toll gemacht“, lobte ich meine Brüder, die mich ansahen als warteten sie nur darauf, dass ich mich beschwere.
Umso verdutzter war Marik auch als er fragte: „E-Er gefällt dir?“
Ich nickte. „Natürlich, er ist wunderschön.“ Wahrscheinlich sogar so schön, dass er selbst Seto gefallen würde – und das sollte schon etwas heißen.
„Fragt sich nur, ob wir Mokubas Viper (Dodge Viper ist eine Spezielle Automarke) darunter verstauen können“, lachte Odion und nun betrachtete er den Baum doch irgendwie mit einer zufriedenen Miene.
Marik grinste nur, zupfte noch einmal an der Kette und wandte sich schließlich an mich: „Wie sieht es mit dem Geschenk für Kaiba aus, Ishizu? Passt es darunter?“ Ich fragte mich, was Marik dachte, was ich meinem Göttergatten wohl schenkte.
Doch die Antwort war schwer zu geben. Ich wiegte den Kopf leicht hin und her. „Naja, das eigentliche Geschenk können wir da definitiv nicht drunter legen, aber das Hinweisgeschenk passt schon drunter“, meinte ich schließlich und verschwand dann in die Küche, wo die Angestellten noch alles Nötige vorbereiteten. Den fragenden Blick meiner Brüder ignorierte ich.
Ich verabschiedete mich von allen, gab ihnen eine Tüte voller Kekse mit und wünschte ihnen schöne Feiertage. Heute Abend würden hier nur Leute von einem ganz bestimmten Weihnachtsservice arbeiten und unsere Angestellten – die von mir natürlich ein fettes Weihnachtsgeld erhalten hatten – hatten dieses Jahr frei und konnten mit ihren Familien feiern.
Ich hatte mich gerade von dem letzten Dienstmädchen verabschiedet, als ich endlich den Porsche vorfahren hörte. Sofort stürmte ich zur Eingangstür und kam Seto ein paar Schritte entgegen. Es war weit nach Zwölf und für um Zwölf hatten wir eigentlich das Mittagessen angesetzt.
„Ich weiß, ich weiß, ich bin zu spät!“, kam mir Seto direkt entgegen. „Aber das ist nicht meine Schuld. Der Verkehr war die Hölle“, fuhr er gleich fort und gab mir einen hastigen Begrüßungskuss.
Ich blickte ihn ungläubig an, sagte aber nichts dazu. Es lohnte sich einfach nicht, sich deswegen aufzuregen. „Du musst dir unbedingt den Weihnachtsbaum ansehen, Seto!“, begann ich schließlich. „Du wirst begeistert sein.“
Er ließ die Schultern sinken. „Es ist doch nur ein Baum und er sieht jedes Jahr gleich aus.“ So einen Spruch bekam ich jedes Jahr zu hören, ich hoffte aber, dass ich ihn dieses Jahr vom Gegenteil überzeugen konnte.
„Na, wenn du meinst“, grinste ich nur und ging mit ihm nach drinnen.
Wir öffneten die Eingangstür und sofort strahlte Seto der prächtige Weihnachtsbaum entgegen. Tatsächlich blieb er einen Moment wie angewurzelt stehen und musterte den Baum von oben bis unten. Marik und Odion, die rechts neben dem Baum standen, hatten offenbar gebannt die Luft angehalten und warteten auf Setos Reaktion.
„Und? Hab ich dir zu viel versprochen?“, erkundigte ich mich interessiert bei Seto.
Er seufzte grinsend. „Naja, so schlecht sieht er ja dieses Mal gar nicht aus.“ Das war seine Art zu sagen, dass er begeistert war und da ich das wusste, gab ich mich mit dieser Antwort zufrieden.
Seto hatte gerade seinen Mantel abgelegt, als unsere Nichte Tari die Treppen hinunter gestürmt kam, dabei beinahe stürzte und schließlich atemlos vor uns Halt machte. „Onkel Seto! Onkel Seto!“, hüpfte sie auf und ab. „Du und Tante Ishizu, ihr müsst unbedingt kommen und euch unseren Baum ansehen!“, drängte sie und sah Seto bittend an.
Wie üblich konnte er ihrem Kinderblick nicht standhalten – da wünschte man sich doch manchmal Kinderaugen zu haben – und so folgten wir und auch Odion und Marik ihr nach oben. Wir kamen dabei natürlich zwangsläufig an dem Baum von Mokuba und Claire vorbei, der schlicht, aber sehr schön geschmückt war. Allerdings zog Mokuba immer noch eine Schnute, wohl wegen seines Weihnachtsgeschenks. Schließlich waren wir auch im zweiten Stock angekommen und konnten den Weihnachtsbaum der Kinder betrachten.
„Und? Was sagst du?“, wandte sich Tari an Seto.
Seto betrachtete schnaufend den bunt geschmückten Baum, der voller Lametta hing. „Er ist... sehr außergewöhnlich“, grinste er schließlich.
Tari sah ihn eine Weile an, als überlege sie, ob das nun gut, oder schlecht sei, doch schließlich nickte sie lächelnd und meinte: „Ja, etwas ganz Besonderes, nicht wahr?“
„Einmalig!“, nickte nun auch Marik und die ganze Runde begann herzhaft zu lachen.
Wenn Weihnachten so anfing, dann konnte ja eigentlich nur alles gut werden. Wobei sich dieser Gedanke recht schnell wieder in Luft aufzulösen drohte, als ich einen Laut hörte, der mir nur zu deutlich machte, dass irgendwo eine Vase zu Bruch gegangen war – nichts Neues. Nur das Mokuba kurz darauf: „Halt sie auf!“, rief war dann doch etwas ungewöhnlich.
Ich verzog eine Miene. „Wenn das wieder eine meiner antiken ägyptischen Vasen war, dann ist dein Bruder dieses Mal fällig!“ Ich hatte nur fünf dieser außergewöhnlich seltenen Vasen mitgebracht und drei davon waren mittlerweile – allesamt durch Mokuba – nur noch ein Haufen Scherben.
Seto öffnete bereits den Mund, als ein kleines pelziges Etwas die Treppen hinauf gestürmt kam – Mokuba und Claire rannten schnaufend hinterher – welches schließlich einen Satz machte und sich zwischen den Ästen des Weihnachtsbaums versteckte.
„Mokuba!?“ Seto verschränkte die Arme vor der Brust und blickte wütend auf seinen kleinen Bruder – welcher mittlerweile auch nicht mehr wirklich klein war – hinunter.
„Tut mir leid“, grinste dieser ertappt „Ich wollte sie Claire nur noch einmal zeigen und da ist sie mir irgendwie entwischt.“ Deswegen sollte ja auch nicht ständig jemand die Tür öffnen, aber jetzt war es auch nicht mehr zu ändern.
Außerdem hatte Tari das kleine Perserkätzchen bereits entdeckt. Ihre Augen glitzerten vor lauter Freude, als sie das Kätzchen vorsichtig zwischen den Zweigen des Weihnachtsbaumes hervorholte. „Vati! Schau mal! Eine Miezekatze!“ Sie hielt Marik das Kätzchen entgegen während Odions Sohn dem armen kleinen verwirrten Ding das Lametta vom Fell strich.
Marik nickte. „Ich sehe es. Wo kommt die denn her?“ Zuerst blickte Marik das Kätzchen verwundert an und schließlich schaute er mit wütender Miene zu mir auf.
„Tja...“ Seto kniete sich zu Tari hin. „Ich glaube... die hat der Weihnachtsmann schon einmal für dich abgegeben. Weil er sie nicht die ganze Zeit in der Kälte da draußen mitnehmen wollte“, erklärte er lächelnd.
Tari zwinkerte kurz „Heißt das, die ist für mich?“, fragte sie halb unsicher und halb erfreut. Wir wussten, dass sie sich so ein Kätzchen gewünscht hatte, doch Marik weigerte sich kategorisch ihr eines zu kaufen und da hatte Seto gemeint, wenn wir ihr eines zu Weihnachten schenken würde, könnte Marik ihr das Kätzchen schlecht wegnehmen.
So nickte er also. „Ja, ist sie und ich bin mir sicher, irgendwo hier im Haus ist auch noch ein Kratzbaum und eine Katzentoilette und so etwas versteckt. Vielleicht schaust du mal in Tante Ishizus Arbeitszimmer nach, hm?“ Wenn man Seto so sah, wurde einem immer irgendwie ganz warm ums Herz und so verschwand irgendwie auch Mariks Wut.
Schließlich nickte er seiner Tochter zu. „Na, nun geh schon gucken!“, sagte er zu ihr und somit stand wohl fest, dass sie das Kätzchen behalten durfte.
Zufrieden stürmte sie mit unserem Neffen nach unten. Auch Seto wirkte irgendwie gleich viel zufriedener und entspannter. Er freute sich offenbar, dass seine Idee Früchte trug. Außerdem machte ihn ein glückliches Kindergesicht immer irgendwie weich, wenn auch nur kurz.
Ich sah mich noch eine Weile an seinem zufriedenen Gesichtsausdruck satt und drängte schließlich alle wieder nach unten. Immerhin war bis heute Abend noch Einiges vorzubereiten und die Zeit wurde langsam knapp. Aber eigentlich war ich jetzt mehr denn je davon überzeugt, dass es ein unvergesslich schönes Fest werden würde...
24. December – A wonderful gift
Setos Sicht
Es war bereits nach 22 Uhr, doch noch immer spielten die Kinder fröhlich auf dem großen, weichen Teppich mit ihren neuen Spielsachen, während das Kätzchen auf Mariks Schoss Platz genommen hatte und dort schnurrend ein Nickerchen hielt.
Alle hatten ihre Geschenke bereits erhalten, nur das was Ishizu für mich hatte, lag noch immer unter dem Tannenbaum. Ich selbst und auch die meisten anderen warfen immer wieder einen verstohlenen Blick darauf. Ich war zwar von Haus aus nicht neugierig, doch nun wollte ich doch wissen, was in dem hübschen kleinen Päckchen war, allerdings machte Ishizu keine Anstalten mir zu erlauben, es zu öffnen. Sie war viel zu sehr damit beschäftigt mit Odions kleiner Tochter zu spielen, die gerade mal ein halbes Jahr alt war.
Irgendwie musste ich lächeln. Ich hatte mir erst Sorgen gemacht, weil so viele Leute mit ihren Kindern kamen, dass Ishizu das irgendwie treffen oder traurig machen würde, aber im Gegenteil. Mittlerweile glaubte ich sogar, dass die Kinder der anderen sie ablenkten von unseren Kummer der letzten Jahre. Doch ganz vergessen würden wir das wohl nie. Vor allem, da unser Kummer kurz vor Weihnachten begonnen hatte. Jenes Jahr werde ich wohl nie vergessen können...
Drei Tage vor Weihnachten hatte Ishizu ganz plötzlich über starke Bauchschmerzen geklagt, obwohl es ihr die ganze Zeit zuvor gut gegangen war. Das Ganze ist jetzt drei Jahre her und noch immer ertappte ich mich dabei, dass ich mich fragte, ob wir es nicht hätten verhindern können, wenn wir nur eher zum Arzt gegangen wären. Doch damals hatten wir diese Schmerzen ignoriert. Immerhin hatten wir eine Menge fettiges Zeug gegessen und es war sehr kalt draußen gewesen. Ich hatte gedacht, sie hätte sich einfach nur den Magen verdorben oder sich eine Erkältung eingefangen. Irgendetwas ganz banales eben.
Doch ich hatte mich gewaltig getäuscht. Am Abend war Ishizu dann zusammen gebrochen, weil ihre Schmerzen so stark waren und so riefen wir den Krankenwagen und ließen sie ins Krankenhaus bringen. Dort hatte man uns jedoch nur noch sagen können, dass Ishizu eine Fehlgeburt gehabt hatte. Wir hatten nicht einmal gewusst, dass sie schwanger gewesen war. Es hatte keinerlei Anzeichen gegeben und wir hatten eigentlich fast immer verhütet. Wir hatten in jenem Jahr so viel Stress gehabt und wenn ich gewusst hätte, dass sie schwanger gewesen war, dann hätte ich das doch gar nicht zugelassen. Doch hinterher ist man eben immer schlauer.
Zwar traf der Verlust Ishizu schwer und auch ich war etwas getroffen, doch da ist uns wenigstens klar geworden, dass wir doch endlich ein Kind wollten. Immerhin hatten die meisten unserer Freunde und Verwandten zu dieser Zeit schon ihr erstes Kind oder erwarteten es zumindest. Doch das Schicksal war von Anfang an nicht auf unserer Seite.
Ein Jahr lang hatten wir versucht auf ganz normale Weise ein Baby zu bekommen, doch es hatte nicht geklappt. Das Jahr darauf hatten wir es mit den verschiedensten natürlichen Methoden probiert und im letzten Jahr schließlich hatten wir es mit zwei künstlichen Befruchtungen versucht. Alles erfolglos. Obwohl jeder Test ergeben hatte, dass wir beide absolut fruchtbar waren.
Einige Ärzte meinten, dass es einfach am Stress liege, andere wiederum meinten, dass es selbst bei fruchtbaren Paaren vorkommen kann, dass sie niemals ein Kind bekommen werden. Dass diese drei Jahre die Hölle auf Erden für uns waren, muss ich sicher nicht erwähnen.
Ishizu ging es teilweise so schlecht, dass ich fürchtete, sie zu verlieren. Manchmal da hatte ich Angst, sie würde sich selbst aufgeben oder unsere Beziehung. Doch irgendwie hat sie es geschafft, sich wieder aufzuraffen und unbewusst auch mich damit wieder hochgezogen.
Eine Weile hatten wir auch über Adoption geredet. Doch Ishizu hatte gemeint, dass sie nur ein Kind von uns beiden wolle oder gar keines. Oft sah ich, wie sie die Mütter mit ihren Kinderwagen traurig beobachtete, aber ich konnte es nun einmal nicht ändern.
Mittlerweile hatte sie sich offenbar damit abgefunden. Sie hat zu mir gesagt, dass es ihr reiche, sich um die Kinder ihrer Brüder und unserer Freunde zu kümmern. Das sei zwar nicht ganz dasselbe, aber es mache sie dennoch glücklich und so lange sie glücklich ist, bin ich es auch.
Dieses Jahr war also alles wieder gut. Wir hatten kein eigenes Kind und wir würden wohl auch nie eines bekommen, aber unser Leben ging weiter und eigentlich war es doch ein recht schönes Leben.
„Ishizu!“ Wheelers Stimme schallte in meinen Ohren und holte mich aus meinen Gedanken zurück. „Spann uns nicht länger auf die Folter! Ich will endlich wissen, was Kaibas Geschenk ist!“ Zum ersten Mal seit langem sah ich, wie alle Wheeler zustimmten und insgeheim tat ich das wohl auch.
„Na schön“, seufzte Ishizu grinsend und übergab Odions Tochter an ihre Mutter. Auf Ishizus Gesicht lag ein zufriedenes Grinsen und ich fragte mich, ob das an Odions Baby lag oder daran, dass sie sich ganz sicher war, dass mir ihr Geschenk gefallen würde.
Ich beobachtete Ishizu, wie sie zum Weihnachtsbaum ging, das Geschenk aufhob und doch war ich irgendwie leicht überrascht, als sie schließlich vor mir stand und mir das Geschenk entgegen hielt. „Hier“, mehr sagte sie nicht, doch noch immer strahlte sie übers ganze Gesicht.
Ich wusste nicht, was es war, aber irgendwie zitterten meine Hände vor Nervosität, als ich die Schleife des Päckchens löste und es anschließend öffnete. Ich warf einen Blick hinein. Schloss die Augen kurz und schaute dann noch einmal zweifelnd hinein. Der Inhalt blieb derselbe. Ich blickte zu Ishizu auf. „Bist du sicher, dass das für mich ist?“, fragte ich vorsichtig.
Doch sie nickte. „Ja, ganz sicher. Aber schau doch mal richtig rein! Ganz unten liegt noch etwas, was dir hoffentlich auf die Sprünge helfen wird“, grinste sie und nahm das erste Geschenk aus dem Packet, um mir das zweite zu offenbaren.
„Ha, Kaiba, wahrscheinlich will sie dir damit sagen, dass du dich wie ein Baby benimmst!“, scherzte Wheeler, als er das Geschenk entdeckte, bekam aber bereits von Mai eine heftige Kopfnuss, bevor ich überhaupt etwas erwidern konnte.
„Nun nimm es schon raus!“, drängte mich Ishizu und die anderen männlichen Wesen im Raum nickten zustimmend, während die Damen wissend schmunzelten.
Ich tat wie mir geheißen, nahm den Bilderrahmen heraus und betrachtete skeptisch das Bild darin. Ich brauchte bestimmt zehn Sekunden, bis mir klar wurde, was das überhaupt für ein Bild war und wie es in Verbindung zu dem ersten Geschenk stand. Ich sah zu Ishizu auf. „Ist das etwa...?“
Sie nickte lächelnd. „Das erste Bild von unserem Baby.“ Noch einmal blickte ich das Ultraschallbild an, welches in dem Rahmen steckte, dann warf ich einen kurzen Blick auf den weißen Strampler in Ishizus Händen, welcher mein erstes Geschenk war und schließlich nahm ich Ishizu einfach nur in meine Arme und drückte sie an mich.
Die anderen begannen zu klatschen und zu pfeifen und uns Glückwünsche zuzurufen. Mokuba stellte völlig verdutzt fest, dass er Onkel wird, während Tari und die anderen Kinder begriffen, dass sie bald jemand Neuen zum Spielen haben würden.
Ishizu drückte sich schließlich leicht von mir weg. „Verstehst du jetzt, warum ich kein Geschenk von dir wollte?“, fragte sie glücklich. „Du hast mir schon etwas geschenkt. Du hast mir das wundervollste Geschenk gemacht, dass es gibt.“ Und noch bevor ich irgendetwas erwidern konnte, versiegelte sie meinen Mund mit dem ihren zu einem innigen Kuss.
Ich glaube, dieses Weihnachten werde ich nie im Leben vergessen. Denn es war das wundervollste Weihnachten, was wir je hatten und ich hoffe für uns und unser Baby, dass es noch viele solche wundervolle Feste geben wird.
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Ich wünsche dir, IsisKaiba und natürlich auch allen anderen Lesern der FF ein Wunderschönes Weihnachtsfest.