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Der Baum am Meer

Gedanken eines Blinden
von

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Paraplegie

Wir waren eine Woche in Saintes Maries de la Mer, die wir sichtlich genossen.

Auf der Rückreise machten wir in einigen anderen Städten halt, die sich Oscar anschauen wollte. Wir bewunderten alte Bauwerke, die Menschen die ganz anders waren als die in Paris, und natürlich auch das Militär.

Es war zu sehr in Oscar’s Seele verankert als das sie es einfach hätte los lassen können.

Während sie sich also mit Soldaten unterhielt sah ich mich weiter um und entdeckte eine Gruppe alter Damen die an einem Marktstand Hand gefertigte Puppen verkauften, sich dabei unterhielten und Kaffee tranken. Ich schlenderte an dem Stand vorbei und nahm einer der Puppen in die Hand und war etwas in meiner Gedankenwelt versunken, als eine der Damen mich ansprach.

„Gefällt sie Ihnen?“, ich sah erschrocken auf. „Ähm...ja sehr Hübsch.“, ich sah wieder auf die Puppe und wollte sie weg legen, als die Dame meine Hand zurück drückte und meinte: „Ich schenk‘ sie Ihnen.“, ich fragte wieso und meinte das ich sie nicht annehmen könne.

„Wissen Sie.... Ich habe in meinem Leben schon viele Menschen gesehen die genauso dreinschauten wie Sie es tun. Sie sind Verliebt. Sie wünschen sich eine Familie, deswegen nehmen Sie sie mit und schenken sie die Puppe Ihrem Kind.“

Ich konnte der Dame nicht widersprechen denn sie hatte recht. Ich war verliebt und ich wollte eine Familie haben. Aber wann dieser eine Wunsch in Erfüllung ging das wusste ich nicht. Ich nahm die Puppe also dankend an und machte mich wieder auf den Weg zurück zu Oscar. Glücklicherweise hatte ich einen Beutel dabei in dem ich die Puppe verschwinden lassen konnte. Die Menschen hier waren viel freundlicher, dachte ich.
 

Nachdem wir auf das Anwesen der Jarjayes zurück gekehrt waren mussten wir mit entsetzen feststellen das Teile der Scheune und des Stalles fehlten und die Trümmer der Dächer auf dem Hofe verteilt waren. Meine Großmutter sagte zu mir das, als wir fort waren, ein Unwetter gewütet hatte, eines der stärksten des Jahres, und in der Nacht alle von lautem Gepolter und Pferde wiehern geweckt wurden.

Selbstverständlich machte ich mich einige Tage später daran den Arbeitern auf dem Hofe zu helfen, und Oscar konnte es nicht lassen sie ein wenig herum zu kommandieren.

Ich ging an dem halb abgerissenen Stall entlang, blieb stehen und übersah alles um mich herum. An diesem Tage fühlte ich mich unglaublich gut, weil mein Auge kaum Probleme machte, ich konnte fast ganz klar sehen, abgesehen davon das es nur ein kleiner Punkt war und der Rest sich in einem Grauschleier verlor.

Ich sah Oscar wie sie, Engels gleich, in dem Tumult stand und wild die Arme herum schwang weil jemand etwas nicht so gemacht hatte wie sie es sich vorgestellt hatte.

Ihr blaues Kleid wiegte sich im Wind leicht hin und her. Eine ganze Weile hatte ich sie lächelnd betrachtet, bis sie mir zu winkte. Ich hob ebenfalls meine Hand und winkte kurz, ehe ich meinen Blick von ihr ab wand und weiter umher schaute.

Im Fenster des Hauses sah ich Oscar’s Vater wie er uns beobachtete. Aus reiner Höflichkeit hob ich auch ihm zum Gruß die Hand und drehte mich darauf auch gleich wieder weg und ging weiter.

Von über mir hörte ich etwas, was sich anhörte wie wenn zwei harte Gegenstände aufeinander reiben. Als ich hochsah, war ich etwas Perplex denn einige der Dachpfannen hatten sich gelöst und rutschten das Dach herunter und krachten ein paar Meter neben mir in den Boden ein. Ich sah prüfend noch mal nach oben und meinte das man die lockeren Pfannen alle herunter holen sollte, bevor noch etwas passieren würde.

Danach ging ich auf Oscar zu, um ihr zu sagen das sie lieber etwas abstand halten sollte, als ich direkt neben mir ein Krachen vernahm. Eine der Stützen, die man notdürftig aufgestellt hatte, war weg gerutscht und das Dach drohte einzustürzen.

Meine schritte wurden schneller und ich rief laut das alle weg gehen sollten da das Gebäude wohl jeden Moment in sich zusammen brechen würde.

Als ich bei Oscar angelangt war und zu ihr sagte sie solle bitte vom Stall weg gehen, drehte ich mich wieder um, da hinter mir Holz splitterte.

Oscar hatte abstand genommen, ich wollte ebenfalls die Gefahrenzone verlassen als das Unglück schon geschah. Balken brachen wie Zahnstocher durch und Pfosten knickten zur Seite um. Ich wollte wegrennen doch stolperte ich über eine Karre die hinter mir stand, während über mir alles zusammen brach und mich schließlich begrub.
 

Um mich herum war alles schwarz.

Die Luft war trocken, genau wie mein Mund, es roch Modrig, es war heiz und entsetzlich Finstern. Ich bin mir nicht sicher wie viele Tonnen Schrott auf mir lagen. Ich wollte nur noch dort raus weil ich die Enge um mich nicht ertragen konnte.

Ich dachte ob ich nun tot sei und meine Seele versuchte meinen Körper zu verlassen, oder was sonst geschehen war. Ich dachte, du Dummkopf. Du hast so viel Glück in deinem Leben, wieso fängst du nicht etwas damit an! Ich wollte noch so viele Dinge machen.

Ich wollte noch so viel Erleben, mit der Frau die ich liebte. Doch nun würde ich das wohl alles nicht mehr haben, weil ich wohl tot war, denn ich spürte meinen Körper nicht mehr.

Von der Anderen Seite hörte ich dumpfe Stimmen, jemand der meinen Namen rief, aber aus meinem Mund kam nichts. Ich schrie aber ich bekam keinen Ton heraus.

Ich dankte Gott das ich noch lebte und bettete darum das Oscar nichts passiert war.

Ich musste kurz das Bewußtsein verloren haben denn als ich die Augen wieder öffnete, sah ich wie jemand über mir hing und mich unter dem Haufen hervor zog.

Als man mich herein trug, war alles wie in Watte gepackt.

Dann hüllte sich erneut alles in schwarz.
 

Später weckten mich zwei Stimmen die sich neben mir unterhielten.

Ich konnte dem Wortlauf nicht folgen, nur einzelne Brocken drangen in mein Bewußtsein hindurch. Glück – schlimm aus – jedoch – schon wieder. Das war alles.

Ich stöhnte leise als die helle Decke meines Zimmers die Sonne reflektierte und mir grell in die Augen schien. Neben mir lies sich etwas auf das Bett nieder und eine Hand berührte vorsichtig mein Gesicht.

Es war Oscar die Platz genommen hatte.

„Oh, André. Endlich bist du wieder wach...“, hörte ich sie leise sprechen.

„André mein Junge!“, hörte ich noch jemanden rufen. Meine Großmutter. Sie war auch hier, überlegte ich. Irgend etwas musste passiert sein, aber so sehr ich mich bemühte mich zu erinnern mir viel es nicht ein.

„André, du hattest einen Unfall. Kannst du dich noch erinnern?“, fragte Oscar. Ich dachte nach. Ja! Ja nun wusste ich es wieder. Der Stall war eingestürzt.

„Ja.... ist... bist du in Orndung?“, fragte ich sie. Oscar nickte. „Ja mir ist nichts passiert, André. Ich stand weit genug weg. Du hast uns allen das Leben gerettet, André.“

„Und ich?“, ich wollte wissen was mit mir war weil mir plötzlich alles weh tat.

„Du warst verschüttet. Wir haben eine weile gebraucht bis wir alles bei Seite geräumt hatten ohne das es weiter in sich zusammen stürzte.“, sie machte eine kurze Pause.

„Du hast ein paar Knochenbrüche, aber sonst ist alles in Ordnung mit dir.“, sie sah nicht sehr überzeugt aus als sie mir das sagte, aber ich nickte ihr zu.

„Ich bin müde.“

„Natürlich. Schlaf erst einmal. Ich sehe später nach dir.“, sie gab mir einen Kuss auf die Stirn und verließ zusammen mit einem Mann und meiner Großmutter das Zimmer.

Meine Großmutter hatte sich in der Tür noch mal zu mir gedreht und sah mich mit sorgenvollen Blick an.

Irgend etwas stimmte nicht, dachte ich. Mir tat zwar alles weh doch meinte ich meine Füße nicht spüren zu können.
 

Mittlerweile war es Abend geworden und ein Klopfen an der Tür riß mich aus meinem Traum.

Großmutter kam mit einem Tablett in mein Zimmer und stellte dieses auf einem kleinen Tisch ab. Dann kam sie auf mich zu und setzte sich auf die Bettkante.

Ich lächelte sie schwach an. Sie erwiderte es.

„Ach André... Du hast wirklich viel Glück.“, meinte sie und musste anfangen zu weinen.

Ich war es zwar gewohnt das sie immer sofort in tränen ausbrach, wenn ich einen Kratzer hatte aber in diesem Moment wusste ich nicht wie ich reagieren sollte.

Schwerfällig hob ich meine Hand und griff nach eine der Ihrer und sah sie tröstend an.

„Mach dir keine Sorgen um mich, Großmutter. Ich bin doch noch am leben.“, sie nickte und viel mir schluchzend an den Hals.

Nach fünf oder zehn Minuten hatte ich sie endlich beruhigt und sie stand auf um den Teller auf dem Taplet zu holen. „Ich dachte vielleicht hast du Hunger.“, meinte sie und zog noch einen Stuhl herbei. Ich nickte, als Bestätigung.
 

Ein paar Tage später bekam ich ein Gespräch, was im Nebenzimmer gehalten wurde, mit. Mehr zufällig, aber ein klein bisschen gelauscht habe ich schon.

Es war der Arzt der Jarjayes und Oscar, die sich unterhielten.

„Er sagte letzte Woche als wir verreist waren, das er das Gefühl habe sein Auge würde besser werden.“

„Das kann möglich sein. Es kommt immer auf die Luft an und man sagt das daß Salz des Meeres was in der Luft ist, manche Dinge heilen kann. Es kann aber auch nur Einbildung sein und man fühlt sich einfach besser und gesünder. Aber sagt wie geht es euch?“

Wieso fragte er sie so etwas, Oscar war doch gar nicht krank.

„Ja auch mir geht es besser. Ich habe in der Zeit als wir am Meer waren nicht einmal Blut gespuckt.“

Blut? Was hatte Oscar? Ich nahm mir vor sie später zur rede zustellen.

„Bitte sagt mir die Wahrheit. Was ist mit André? Wird er.... wird er...“, der Arzt viel ihr ins Wort. „Natürlich. Ich gehe davon aus. Mit Eurer kraft wird er es schaffen, dessen bin ich mir ganz sicher.“

Oscar bedankte sich und dann hörte ich das klacken der Schuhe und eine Tür die ins Schloss viel.

Eine halbe Stunde später kam Oscar in mein Zimmer und setzte sich lächelnd an mein Bett.

Ich sah sie etwas misstrauisch an, und dann zum Fenster. Es war bereits am dämmern.

„Warum hast du mir nicht gesagt das du Krank bist, Oscar?“, fragte ich sie direkt.

Sie schwieg eine weile.

„Weil ich nicht wollte das du dir meinetwegen Sorgen machst.“, das war gelogen, das wusste sie selbst besser als ich.

„Wie lange schon?“

„Ich weis nicht. Ein paar Monate. Der Arzt meinte wenn ich auf das Land verreise wird es mir in einem halben Jahr wieder besser gehen.“

Ich sagte darauf nichts mehr, denn ich wollte nicht das wir uns deswegen stritten.

„Und was ist mit mir? Sag mir die Wahrheit, Oscar? Wieso weis ich nicht ob meine Füße warm oder Kalt sind?“, ich sah wie ihr lächeln verschwand und ihre Augen Glasig wurden.

„Ich weis nicht wie ich dir das sagen soll...“

„Sag es einfach. Ich habe bis jetzt alles überlebt also werde ich die Wahrheit auch überleben.“

Oscar fasste all ihren Mut zusammen und antwortet mir: „Du wirst wohl nie wieder laufen können.“



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Kommentare zu diesem Kapitel (4)

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Von: abgemeldet
2008-10-01T08:40:41+00:00 01.10.2008 10:40
Ja es wird wirklich dramaisch. Furchtbar wie sehr Andre leiden muss. Hier in diesem Kappi wird sehr deutlich, warum Oscar ihr Leben so radikal verändert hat. Sie wußte zu diesem Zeitpunkt ja schon, dass sie nicht lange mehr leben würde. Und deswegen wollte sie die letzten Monate noch mit Andre verbringen. Ohne ihn das wissen zu lassen. Wie traurig, dass Andre nun auch noch ein weiters Unglück ertragen muss. Nicht mehr laufen zu können. *schnief*

Dein Schreibstil ist auch hier wieder super!! Es läßt sich sehr angenehm lesen, wie auch Kajuschka und Yvaine geschrieben haben.
Von: abgemeldet
2008-05-07T10:13:02+00:00 07.05.2008 12:13
also deine ff ist toll und so traurig. ich hatte mühe nicht gleich los zu heulen. bitte schreib schnell weiter!!!!!
ich bin schon so gespannt auf die fortsetzung.

lg
Von:  Yvaine
2008-04-14T19:02:41+00:00 14.04.2008 21:02
Das is ja so dramatisch, könnte heulen. Ich mag die Art wie Du schreibst, hatte schon beim lesen einen Kloß im Hals. Bin wahnsinnig gespannt, wie´s weitergeht.
Von:  Kajuschka
2008-04-06T12:35:15+00:00 06.04.2008 14:35
So, endlich komme ich auch mal dazu, deine neuen Kapitel zu lesen.
Also ich muss sagen, besonders dieses Kapitel ist sehr dramatisch.
Der Erzählfluss ist angenehm zu lesen und ich fühle mich sehr schön in die Szenen hineinversetzt. Kleinere Vertipper oder Ähnliches stören nicht so sehr, da es zum Glück nicht viele sind.
Ich hab nur was kleines zu meckern. Damals sagte man auf keinen Fall "OK". Soweit ich weiß, ist diese Abkürzung frühestens im 19. Jh. das erste mal benutzt worden. ^^
Auf jeden Fall bin ich sehr gespannt, wie es weiter geht. :)


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