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Definition Wirklichkeit

Eine Wettbewerbgeschichte
von

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Hallo alle miteinander ^^
 

Diese kleine Geschichte habe ich mal zu einem Wettbewerb geschrieben. Das Thema war "Potential und Wirklichkeit". Da das Ergebnis, ebenso wie die Seite nicht mehr auffindbar sind (ehemals www.textcontest.de) habe ich mich schlussendlich entschlossen sie doch mal auf animexx on zu stellen. Von mehrern hundert Geschichten war sie in der engeren Auswahl (25). Sollte jemand doch noch etwas über den Wettbewerb wissen, meldet euch bitte. Danke ^^

Und nun viel Spaß beim Lesen!
 

Definition 'Wirklichkeit'
 

Mein Spiegelbild starrt mich an. Unverhohlen, wohlgemerkt.

Ich hasse es, wenn es mich so ansieht, denn es blickt auf alle meine Mängel, weist auf jeden Fehler im System hin. Es ist von blasser Gestalt, die Augen in dem schmalen Gesicht liegen tief in den dunkeln Höhlen und beobachten mich unerbittlich, grausam. Ich glaube, ich gehe wieder ins Bett.

"Mama!"

Eine Hand legt sich auf meine Schulter. "Hast du Angst?"

Mirrors Stimme erklingt leise an meinem Ohr. Ich will abwehren, aber der Trotz kommt nicht hervor, schafft es einfach nicht, auszubrechen, wie bei einem kleinen Kind. Ihn alleine kann ich nicht anlügen. Dabei bin ich, nur damit es nicht falsch verstanden wird, allgemein ein schlechter Lügner. Aber niemand scheint es zu bemerken. Sie alle ignorieren es, lachen sich hinter meinem Rücken mit Sicherheit ins Fäustchen. Mirror verdreht die Augen, wenn er meine Gedanken mitbekommt.

Als ob ich tatsächlich selbstsicher wirken würde und mein Wissen gut mitteilen könnte. Ich kann es nicht, das ist mein Problem und deshalb stehe ich hier auch.

Eigentlich, ja eigentlich müsste ich jetzt in die Schule und einen Test schreiben. Es ist kein besonderer, aber ich weiß, dass ich ihn vermasseln werde. Der Junge im Spiegel schwitzt und sieht fiebrig aus.

Mir wird wieder die Wärme der Hand auf meiner Schulter bewusst, als Mirror weiterspricht: "Ich wusste es doch. Du kannst es nicht leugnen."

Einen Moment schweigt er. Ich kann sein Gesicht nicht sehen, aber ich weiß, dass er auf seiner Lippe kaut, wie er es immer macht, wenn er nachdenkt. Das Blut der bereits aufgerissenen Lippe schmecket metallisch.

"Du wirst hingehen.", sein Griff wird stärker, hält mich fest, "Wenn du heute fliehst, fliehst du auch das nächste Mal. Dabei kannst du es. Du hast die Fähigkeit es zu schaffen, denn du bist nicht dumm. Deine Angst ist nicht Wirklichkeit, sie ist lediglich Illusion. Wenn du jetzt weitergehst bist du einen Schritt weiter in deinem Leben, in deiner Wirklichkeit."

"Ich kann nicht!", begehre ich auf, als er mich mit einem Mal loslässt. Eine Sekunde später öffnet sich meine Zimmertür und meine Mutter schiebt ihren Kopf durch den Spalt: "Was gibt es?"

Eigentlich wollte ich weiter mit Mirror reden, aber dieser ist verschwunden. Und nach dem Auftritt dieser Frau wird er so schnell nicht wieder auftauchen.

'Deine Angst ist nicht wirklich.'

Aber wenn sie nicht wirklich ist, was dann? Ich wende meinen Blick von meinem Spiegelbild. Ich kann es nicht mehr ertragen.
 

"Es ist nichts, entschuldige bitte. Ich habe nur etwas gesucht."

Ihr Blick, mit dem sie mich ansieht, ist weich und liebevoll. Vertrauen spricht aus ihm und ich komme mir unwürdig vor. Ich kann nichts, bin ein Nichts, und trotzdem glauben alle an mich. Mirror, meine Familie und meine Lehrer. Wieso?

Mein blasses Bild kommt mir wieder in den Sinn. Das ist nicht die Wirklichkeit, das, dieses Leben, ist Illusion. Und irgendwann werde ich aufwachen. Mit blutendem Herzen und Kopfschmerzen. Und ich werde mir wünschen, wieder in die Illusion flüchten zu können.
 

Bevor ich es mir anders überlege wende ich mich ab und verlasse mein Zimmer. Es kommt mir so vor, als würde Mirror zufrieden lächeln. Das gibt mir Mut. Wenn auch nicht sonderlich lange.
 

Kaum stehe ich vor meinem Klassenzimmer, in dem bereits einige meiner Mitschüler sitzen, schleicht sich Panik in meinen Verstand, verweigert mir jegliches klares Denken. Immer nur diese Fehlermeldungen.

Ein Stoß in den Rücken lässt mich durch die Türe stolpern. Na gut, Mirror braucht wohl seinen Spaß. Ich will ihn ihm lassen. Schnell rappele ich mich auf und haste zu meinem Tisch. Grüße werden mir von allen Seiten entgegengebracht, die ich kaum erwidere.

Mit einem Mal liegt das Aufgabenblatt vor mir, der Lehrer sitzt hinter seinem Pult, die Zeitung aufgeschlagen und meine Mitschüler schreiben bereits eifrig. Wieso eigentlich immer ich? Denke ich zu viel nach? Schlafe ich? Oder wache ich? Wache über das Chaos, das in meinem Kopf herrscht.

Ich glaube, ich denke zu viel. Definitiv.
 

Der Minutenzeiger geht unerbittlich weiter, Stück für Stück, während ich untätig auf mein Blatt starre. Ich wusste es. Ich wusste es einfach. Wieso lasse ich mich immer wieder von Mirror überreden? Es bringt nichts, hat es nie.

Eine graue Jeans versperrt mein Sichtfeld, da sich der dazugehörige Körper mitten auf mein Pult gesetzt hat. Mirror legt den Kopf schief, sieht mich an und lässt die Beine baumeln. Er wartet, aber auf was? So kann ich das Blatt nicht sehen und er lenkt mich ab. Natürliche schaffe ich letzteres locker alleine, aber ich brauche ein Ausrede. Ich will nicht mit ihm reden.

Als hätten wir alle Zeit der Welt, was bei ihm ja durchaus zutrifft, zieht er das Angabenblatt unter seinem Hintern hervor, besieht es sich einen Augenblick, ehe er es mir vor die Nase hält. Kaum halte ich es in den Händen, steht er bereits hinter mir, legt mir eine Hand auf die Schulter: "Du schaffst das, da bin ich mir sicher." Seine Stimme ist angenehm warm und flößt mir Sicherheit ein. Meine Sicht klärt sich, Buchstaben fügen sich zu Worten, Worte zu Sätzen und Sätze zu einem Text.

Es ist eine Definition:
 

'Das deutsche Wort Wirklichkeit wurde von Meister Eckhart als Übersetzung des lateinischen "actualitas" eingeführt. Es bezeichnet den Seinsmodus, der von Möglichkeit und Notwendigkeit abgegrenzt ist. Dem Begriffspaar Wirklichkeit/Möglichkeit (Akt/Potenz) steht das anders akzentuierte Begriffspaar Realität/Idealität gegenüber (siehe auch Realismus und Idealismus).
 

Der Begriff "Wirklichkeit" erklärt im Unterschied zum Begriff Realität reale Dinge als Dinge, die eine Wirkung haben oder ausüben können. Insofern sind auch subjektive innere, z.B. emotionale Zustände der Wirklichkeit zugehörig, da auch sie Wirkung zeigen. Dies kommt etwa in der Definition des Gestaltpsychologen Tammo Lewin zum Ausdruck: "Wirklich ist, was wirkt."'(1)
 

Aufgabe: Betrachten Sie, von dieser Definition ausgehend, den Verwirklichungsversuch und die Realität von Hitlers Vision im Bezug auf die Judenvernichtung.
 

Wirklichkeit? Wirklich ist, was wirkt?

Ein letztes Mal spüre ich den Druck Mirrors auf meiner Schulter. Ich meine noch zu hören, wie er ein 'Na, das passt doch.' vor sich hinmurmelt und sich an die Beobachtung meiner Mitschüler macht. Vielleicht sieht er ja andere, die ihm ähnlich sind. Ich weiß, dass Mirror von niemandem außer mir gesehen werden kann. Er ist Wirklichkeit, aber nicht Realität. Er ist so wichtig für mich, wie die Luft zum Atmen. Ohne ihn käme ich nicht sonderlich weit. Ohne ihn wäre ich nie bis zu diesem Zeitpunkt gekommen und wäre auch nicht weitergegangen.

Mein Füller fliegt wie von selber über das ehemals weiße Blatt Papier, während meine Gedanken im Rad der Zeit stecken bleiben, weiter im Kreis laufen und erst am Ende der Stunde sich befreien können.

Erleichtert lehne ich mich zurück, blick mich nach Mirror um. Aber die einzigen Gesichter, die ich erkennen kann, sind die meiner Mitschüler. In ihnen sehe ich mein Spiegelbild. Aber dieses Mal lächelt es mir zu, übersieht meine kleinen Fehler und Mängel.
 

Das ist jetzt einige Jahre her und die Hand auf meiner Schulter habe ich noch oft gespürt. Ich werde meine Angst nicht los, aber mit Mirror komme ich wenigstens schrittweise vorwärts. Zu dumm nur, dass ich oft ganze Kilometer rückwärts gehe. Dann spricht er manchmal einen Tag lang nicht mit mir, oder sieht mich traurig an. Ich kann das nicht ertragen, also strenge ich mich an.

Und hier stehe ich nun. Es ist meine erste Bewerbung, zu der ich gehe.

Die Schule habe ich abgeschlossen, das Studium für Geschichtsforscher habe ich auch hinbekommen. Und irgendwie habe ich es geschafft bis zu dieser Türe vorzudringen. Meine Haustür.

Ich lebe alleine und kann so meine Eltern nicht rufen, um mich zu entschuldigen. Es gibt kein Alibi, keine Ausrede. Niemanden, der bei meiner unnatürlichen Blässe erschrickt und mich ins Bett schickt. Niemand außer Mirror, der mit verschränkten Armen neben mir an der Wand lehnt.
 

"Du willst mir jetzt nicht sagen, dass du deine Bewerbung versäumen willst?!"

Seine Stimme klingt ungläubig. Ich bleibe stumm, starre durch das massive Holz, das den Eingang meines Hauses versperrt, durch. Was soll ich auch antworten?

"Wie wäre es mit 'Ja'? Dann bist du wenigstens ehrlich."

Ich wende mich ab, blicke meinem Spiegelbild in das Gesicht und komme nicht mehr los. Es sieht zittrig, fiebrig aus, es ist nicht gesund. Die Armbanduhr, überdeutlich an seinem Handgelenk erkennbar, tickt gnadenlos. Wenn ich noch länger warte, komme ich zu spät. Will ich das wirklich? Will ich mir meine Zukunft verbauen?

Blut läuft meinem Spiegelbild aus dem Riss an der Lippe. Es kaut unberührt weiter.
 

"Wovor hast du Angst?"

Ich möchte auflachen, aber es geht nicht. Mein Hals gleicht einer Wüste. Die Blässe meines Ebenmannes strahlt ungewöhnlich hell, blendet mich. Die Zeiger der Uhr gehen unerbittlich weiter vor, schränken meine Zukunft ein.

Wovor ich Angst habe? Davor, dass ich auf der Schwelle oder während des Gespräches ohnmächtig werde, meinem Gegenüber irgendetwas antue, aber vor allem, dass er mich ansieht und sofort sagt, dass sie mich nicht brauchen können. Meine Noten sind zu schlecht, mein Gesicht passt ihnen nicht, ich sehe zu schwach aus oder ich bin völlig fehl am Platz.
 

Ein harter Stoß in den Rücken lässt mich ein paar Schritte vorwärts gehen. Ich stehe draußen, die Sonne scheint warm auf mein Gesicht.

"Wir reden im Auto." Obwohl ich ihn nerve, wie es scheint, ist Mirrors Stimme wieder weich und umschmeichelnd. Die Wolken weichen dem Licht ein wenig.

Aber wir reden nicht. Wir schweigen und ich fahre. Mein Kopf ist leer und ich sehe die Straße klar vor mir, denke jedoch nicht daran. Wohin führt der Weg, den ich gehen werde? Den ich fahre? Hat er ein Ende oder ist er unendlich? Wenn er irgendwann aufhört, ist es ein schlechtes oder gutes Ziel? Was ist Wirklichkeit und was Illusion? In welche der Kategorien kann ich meine Fähigkeiten und mich einschieben?

Mirrors Hand liegt warm auf meinem Oberarm und bleibt auch dort. Beim Aussteigen, werde ich wieder nervös. Meine Zähne klappern laut aufeinander und ich weiß, dass meine Augen immer größer werden. Wie soll ich das überstehen, Mirror?

"Indem du gehst. Denn wenn du gehst hast du den nächsten Schritt getan. Du weißt dann, ob du eine Chance hast, oder nicht. Und wenn du mich fragst, hast du eine. Aber auf mich hörst du ja nicht."

Ich will protestieren, denn das stimmt ja gar nicht. Wegen wem sonst stehe ich denn hier?

Aber da führt er mich auch schon weiter, immer mehr in Richtung des Instituts, in welchem ich mich wohl bald zum Affen machen werde. Aber ich werde unerbittlich weitergeschoben. Hat denn niemand Mitleid mit mir? Ich stolpere. Nein, niemand ist da, um mir zu helfen. Um mich von der Hand, die mich sanft hält, zu befreien.
 

Ich durchschreite die massive Eingangstür und stehe in einer beeindruckenden Vorhalle. Völlig aus hellem Stein und mit vielen, großen Fenstern, in den meterhohen Wänden, ist sie mir sofort sympathisch, lässt mich meine Angst ein klein wenig vergessen.

Ich suche einen Anhaltspunkt, der mich weiterbringt, selbst wenn ich diesen Ort nicht verlassen möchte. Das dezente Schild der Information sticht mir ins Auge und ich begebe ich mich dorthin. Hinter der Theke sitzt eine junge Frau. Das locker geflochtene, braune Haar gibt ihr einen kindlichen Eindruck. Als sie den Kopf hebt und mich ansieht, sind ihre Augen warm und freundlich.

Das kleine Schild an ihrer Bluse weist sie als Laura Jung aus.
 

"Sie sind der Bewerber heute, stimmt's?"

Ich spüre, wie mir die Röte in den Kopf schießt. Meine Angst und Nervosität dringt wieder in mich ein. "Woher wissen Sie das?"

Habe ich gestottert? Habe ich geflüstert? Das Mädchen lacht.

"Sie sind der einzige Bewerber seit Wochen und da hier nicht sonderlich viele neue Gesichter auftauchen, müssen Sie es einfach sein."

"Ah ja." Ich komme mir dumm vor. So dumm. Wie soll ich die Arbeit denn bekommen, wenn ich nicht einmal logisch nachdenken kann?

"Weshalb wolltest du denn an die Information?"

Mirrors Stimme reißt mich aus meinen Gedanken und führt mich zurück auf den Weg.

"Also, können Sie mir sagen, wohin ich muss?"

Ich zwinge mich, ihr in die Augen zu blicken. Sie blitzen in einem fröhlichen Grün auf. Ihr Blick ist direkt und fest. Als könne kein Sturm das Schiff zum Wanken bringen. Was soll ich tun angesichts solch einer Übermacht?

Ihre Wegbeschreibung geht an mir vorbei, klingt lediglich wie das Säuseln des Windes.

"Danke."

Mit sicheren Schritten wende ich mich ab und folge ihren Anweisungen. Woher mein Körper wohl weiß, wo ich lang muss?

Jede Sekunde, während jedem weiteren, zurückgelegten Meter spüre ich Mirrors Anwesendheit hinter mir, an meiner Seite und vor mir. Mit ihm kann ich es schaffen. Vielleicht.
 

Mit einem Mal stehe ich vor der passenden Tür, blicke lange unbewegt auf das Schild, das daneben angebracht worden ist. Der Name der Frau, der ich mich vorstellen soll, ist in klaren, schwarzen Buchstaben in die Marmorplatte eingeritzt worden. Wie lange sie wohl schon in diesem Zimmer sitzt? Tagein, tagaus, arbeitend, den Eingang beobachtend. Habe ich mich richtig entschieden? Kann ich das auch?

Wieder einmal benötige ich einen Schub Mirrors in die richtige Richtung. Das dunkle Holz schwingt auf. Hinter einem großen Schreibtisch blickt eine Frau auf. Die grauen Haare sind locker zusammengebunden. Sie hat Lauras Augen.

"Sind Sie der Bewerber von heute?"

Ich nicke und wünsche mir Mirrors Hand auf meine Schulter. Prompt spüre ich die vertraute Wärme.

"Setzen Sie sich doch."

Sie lächelt mich an, ich lasse mich auf einem der Sessel nieder. Er scheint mich zu verschlucken. Was wird sie wohl fragen?

Ihr Lächeln weilt immer noch auf ihrem Gesicht, lässt kleine Fältchen erkennen.

"Sie haben ihre Abschlussarbeit an der Universität über ‚Ideen, Verwirklichungen und Realität von Diktatoren in der Geschichte’ geschrieben. Möchten Sie mir nicht etwas darüber erzählen?"

Die schwere Tür fällt hinter mir ins Schloss. Mirrors Hand ist verschwunden und ich fange an zu erzählen.
 

Ob man es mir nun glaubt, oder nicht, ich habe den Platz bekommen. Seit einem halben Jahr arbeite ich an diesem Institut als Geschichtsforscher. Seit einem halben Jahr sehe ich täglich Frau Jung, Lauras Mutter und Laura selber. Morgens winkt die mir, wenn ich das Gebäude betrete. Mittags bringt sie mir einen Kaffee und unterhält sich mit mir. Abends verabschiedet sie sich von mir mit einem Lächeln. Seit einem halben Jahr will ich sie einladen, sie nach einem Treffen fragen. Seit einem halben Jahr grüße ich zaghaft zurück und verschwinde hastig.

Aber heute, heute werde ich meine Angst besiegen. Mirror musste lange genug auf mich einrede. Immer wieder hat er mir einen Ruck gegeben, mich weiter zu öffnen, einen weiteren Schritt zu gehen.

Seine Nähe ist beruhigend, lässt mich Stärke fühlen, die ich nicht besitze, um Dinge zu tun, die ich normalerweise lassen würde. Aber so bin ich und so gehe ich durch das Leben.

Mirror wirkt, aber er ist nicht real. Lebe ich also in einer Illusion? In Realität oder Wirklichkeit?
 

Heute Morgen habe ich sie gefragt, ob sie sich abends nach der Arbeit mit mir treffen will. Es war eigentlich mehr dahingenuschelt, aber sie hat angefangen zu strahlen. Ich glaube, für einen Moment hat mein Herzschlag ausgesetzt. War ich jemals wegen einer Prüfung so nervös? Ich glaube nicht.

Nur, dass mein Spiegelbild diesmal rot vor Aufregung ist und mich zweifelnd ansieht. Entdeckst du heute keine Fehler?

Das werde ich alleine schaffen. Ich spüre Mirror neben mir, aber ich rufe ihn nicht, auch wenn ich es gerne machen würde. Die Turmuhr in der Ferne zeigt mir, dass ich zu früh bin. Aber die braunen Haare erkenne ich von weitem. Sie lächelt. Ich mache einen Schritt.

Eine Hand auf meiner Schulter hält mich zurück. Er steht vor mir, eines der wenigen Male, und sieht mich forschend an. Nach einem kurzen Moment lächelt er: "Ab hier schaffe ich es alleine. Ich brauche dich nicht mehr. Mach's gut."

Mir den Rücken zuwendend, geht er grüßend auf Laura zu, umarmt sie spontan und nimmt ihre Hand. Sie lässt es zu, scheint sich zu freuen. Mich sieht sie nicht an.
 

Moment. Was hat er damit gemeint? er braucht mich nicht mehr? Er ist nicht real, aber ich bin es. Wieso wird dann er von Laura umarmt und nicht ich? Wieso sieht sie ihn an? Wieso beachtet mich niemand mehr? Ein Arm greift durch mich hindurch, ich sehe an mir hinab.
 

Ich löse mich auf!
 

Wieso löse ich mich auf? Bin ich nicht real? Bin ich Mirror? Bin ich Fiktion?

Die Schwärze um mich herum begrüße ich erleichtert. Das ist dann wohl das Ende.
 

Aber wenn es das Ende ist, wieso höre ich dann Stimmen? Wieso wird es wieder heller?

"Er ist wach."

Wollen mir meine Augenlider noch nicht gehorchen, oder bin ich bereits tot? Nein, ich lebe definitiv. Licht dringt durch einen Spalt. Mit einem Mal wird es laut um mich herum. Menschen stehen um mein Bett herum, bewegen meinen Körper, ehe ich wieder in der Dunkelheit versinke.
 

Stunden später, oder doch nur ein paar Minuten?, kommt das Licht zurück. Und diesmal schaffe ich es, meine Augen zu öffnen und meinen Arm zu heben, mich aufzurichten. Das Zimmer in welchem ich liege ist unangenehm hell und strahlt trotz alledem Ruhe aus. Aber es ist nicht mein Zimmer. Medikamente liegen auf meinem Nachttisch. Ich bin also in einem Krankenhaus? Aber wieso? Ich bin doch nicht real. Mirror hat mich verstoßen. Ihn hat Laura gewählt, nicht mich. Gibt es ein Krankenhaus für Geister? Schmerz durchzuckt mein Bein, als ich versuche es zu bewegen. Nein, ein Geist hat mit Sicherheit nicht solche Schmerzen.

Wieder werden Stimmen laut und ich blicke mich das erste Mal richtig um. Da ist noch ein weiteres Krankenbett. In diesem liegt ein Mann, vielleicht ein bisschen jünger als ich, und eine Frau. Sie ist sein weibliches Ebenbild und er ihr männliches. Zwillinge? Sie diskutieren miteinander. Trotzdem gehen sie normal miteinander um, lachen zwischendurch und ärgern sich. Geschwister, ganz klar.
 

Mit einem Mal bemerken sie, dass ich noch lebe und aufgewacht bin.

"Hi. Wie geht es dir?"

Während sie zu meinem Bett kommt, ist es ihm anscheinend nicht möglich. Eine Schlinge um sein Bein hindert ihn an jeglichen Ausbruchversuchen. Seine Schwester scheint ihm nicht helfen zu wollen. Die beiden werden mir immer sympathischer.

"Gut. Danke."

Die Worte kommen wie von selber über meine Lippen. Ich brauche Mirror nicht. Ich brauche ihn nicht.

"Und wie heißt du?"

Die dunklen Augen der Frau blitzen neugierig. Ich grinse.
 

"Tom. Tom Spiegel."
 

Es wird Zeit in der Realität zu leben.
 

Ende
 

(1) entnommen bei ww.wikipedia.de
 

Vielen Dank fürs Lesen!

Ich hoffe es hat euch gefallen =)



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