Zum Inhalt der Seite

Valentine - überarbeitet

Kaiba im Wald
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Kapitel 3.2.3 – Surprising Survival

Kapitel 3.2.3 – Surprising Survival
 

So, der letzte Teil des Kapitel-Trios. Wenn ihr dieses Kapitel gelesen habt, habt ihr euch durch einige Seiten gequält :-D (hab ja gesagt, dass es länger wird - aber zwei, drei Absätze sind drin :-D) Baku ist weg - da gehört die Rettung dazu! Hier kam es emotional zur schwierigsten Szene: sich in Kaiba reinzuversetzen, wie er den Tod seiner Mutter und Schwester als Bakura erlebt, mit all den Details, der Ohnmacht ... sich das vorzustellen, da ist mir doch das ein oder andere Tränchen runtergekullert, auch wenn es reine Fiktion ist. Also noch ein paar Taschentücher. Dafür wird das nächste Kapitel chillie-chillig wie Chillie-Schoki - ziemlich lecker, aber nicht ohne Würze :-D
 

Doch genug gequatzscht - viel Spaß beim Lesen!!!
 

yu
 

Ich wusste nicht, was ich tun sollte und hatte das dringende Bedürfnis aufzustehen. Was war hier eben gerade passiert? War das hier eben wirklich passiert? Warum war all das hier passiert?, fragte ich mich, während ich versuchte mit die Situation zu vergegenwärtigen:

Ich liege im Gras und schlafe halb.

Bakura kommt und wir reden.

Bakura erzählt mir von seinem Vater, der in Ägypten verschollen ist, und wirft mir vor, das nicht verstehen zu können.

Ich erzähle ihm von meinen Eltern, die vor vielen Jahren bei einem Autounfall ums Leben kamen.

Er erzählt mir von seiner Mutter und seiner Schwester, die ebenfalls durch einen Autounfall gestorben sind.

Er steigert sich immer mehr in seine Verzweiflung und auf einmal erscheint ein Mann namens Yami Bakura.

Yami Bakura erzählt, dass Bakuras Körper zwischen ihm und Ryou, den ich als Bakura kenne, aufgeteilt ist und dass sich Ryou versteckt hat und nicht hervorkommen will.

Yami Bakura wirft mir außerdem vor, dass ich nie darauf achte, was meine Worte für Folgen haben.

Ich widerspreche, doch er ist genervt und verschwindet.
 

Ich glaubte zu träumen. Das passte nicht in meine logische Welt. Es war überirdisch. Sowohl die Tatsache, dass die Menschen, die uns am meisten bedeuteten, beide durch einen Autounfall starben, als auch die, dass sich zwei Seelen einen Körper teilten. Das konnte nur ein Traum sein. Das war einfach zu viel! Zu viel für diese eine Nacht. Und ausgerechnet ICH! Wo ICH überhaupt nicht an diesen Zauber-Kram glaube. Das kann doch nicht sein! Und schon wieder dieses Wort: FOLGEN! Warum ich nicht verstünde, wie ich andere verletze! Warum versteht denn keiner, dass auf diese Welt nun mal jeder für sich allein kämpfen muss? …Soviel Unglück, soviel Unglaubliches, das kann nur ein Traum sein!, sagte ich innerlich zu mir selbst. Doch ein kühler Windhauch, der mir plötzlich durch das Haar blies, sagte mir, dass es nicht so war. Und auf einmal fiel mir noch etwas ein: während ich so dagestanden und mich selbst bemitleidet hatte, war von Bakura nichts zu hören. Wie war das wohl ohne Seele? Ich wusste ja noch nicht einmal, wo er stand, ob er überhaupt stand, sich womöglich in Luft aufgelöst hatte!

„Bakura? Bakura!?“, rief ich in die Dunkelheit, doch du antwortetest mir nicht. Natürlich nicht, wenn er ohne Seele ist, wird er mich wohl kaum hören können. Mist. Ich lief vorsichtig umher, in der Hoffnung dich irgendwo zu finden. Ich sah nicht, wo ich lang lief, aber irgendwann prallte ich gegen etwas. Es war lauwarm, nicht unterkühlt aber auch nicht auf Körpertemperatur und es trug Klamotten. Ich hob meine Hände und betastete es vorsichtig. Ich fühlte deine wuschligen Haare und strich dir behutsam über das Gesicht. Ich fühlte dichte Augenbrauen, kurze Wimpern, tiefe Augenhöhlen. Eine Nase, einen kleinen Flaum an der Oberlippe und weiche Lippen. Eine Jacke, ein T-Shirt, eine Hose.

„Bakura?“, flüsterte ich, doch du antwortetest nicht. Was ist mit ihm los?, fragte ich mich. Ich legte meine Hand auf deine Brust. Dein Herz schlug gleichmäßig, langsam, als schliefest du. Ich atmete innerlich auf: du warst nicht tot. Ich hob deine Hand, um zu fühlen, ob du mir Widerstand leistetest, doch sie war schlaff. Ich ließ sie los und sie schwang nach hinten. Ich wusste einfach nicht, was mit dir los war. Was soll ich tun?, fragte ich mich erneut. Ich drückte meine Hände in das feuchte Gras und fuhr dir über das Gesicht. Manche Leute wachen durch den Kältereiz auf, aber du nicht. Ich beschloss dich in die Villa zu tragen, es war kalt und ich wollte nicht, dass du dir eine Erkältung holst. Du kamst mir sehr leicht vor, beängstigend leicht, als du in meinen Armen lagst. Glücklicherweise war das nur eine Folge deines Aussetzers, in Wirklichkeit warst du sogar relativ kräftig. Es war schwierig, vom Garten in die Villa zu gelangen. Wenig war zu sehen, der Weg kam mir so unendlich lang vor, und die Treppenstufen, die ich nicht sah und deren Höhe ich nicht abschätzen konnte, machten meinen Weg noch beschwerlichen und gefährlicher. Es wunderte mich, dass ich kein einziges Mal gestolpert war, als ich über die Türschwelle trat und dich auf das Sofa legte. Genau das Sofa, auf dem ich vor zwei Tagen meine erste Nacht verbracht hatte. Nun warst du an der Reihe. Du warst in Sicherheit, zumindest dein Körper, aber wie sollte es weitergehen? Ich dachte nach … das Einfachste wäre sicherlich, ihn schlafen zu lassen… aber wenn sich seine Seele verkrochen hat, wird sie sicher nicht herauskommen, nur weil die Sonne am nächsten Morgen durch das Fenster scheint … Außerdem … Yami Bakura hat Recht: ich habe ihn in diese Situation gebracht, also muss ich ihn auch wieder herausholen. Es fiel mir zwar schwer, aber letztendlich musste ich mir eingestehen: ich fühlte mich für dich verantwortlich. In den zwei Nächten, die wir uns kennengelernt hatten, warst du mir irgendwie vertraut geworden. Es gab Berührungspunkte zwischen uns, unsere Vergangenheit, auch unsere Unterschiedlichkeit oder … ich konnte es in diesem Moment nicht erklären, heute ist das anders: langsam tauchten Gefühle in mir auf, die ich vorher vergessen hatte, und ich hatte auch vergessen, dass Gefühle nur bedingt erklärbar sind.
 

Du lagst also vor mir und ich grübelte und grübelte und auf einmal geschah etwas unheimliches: der Vollmond schien durchs Fenster. Wo kommt der plötzlich her?, fragte ich mich, Gestern war er nicht mal am Himmel zu sehen … Heute deute ich es als ein Zeichen, auch wenn es mir noch immer schwer fällt, daran zu glauben, aber nachdem, was danach passierte, gibt es für mich keine andere Erklärung: Ich kniete mich auf das Sofa, genau über dich, und beugte meinen Kopf nach unten, bis er nur noch wenige Zentimeter von deinem entfernt war. Ich sah dir tief in deine leeren Augen und flüsterte: „Bakura! Bakura!, Bakura! Bakura!, Bakura! Bakura!“, immer und immer wieder, doch du antwortetest nicht. Ich rückte näher. Unsere Nasenspitzen berührten sich. „Bakura! Bakura, wach auf!, Bakura! Bakura, wach auf!, Bakura! Bakura, wach auf!“, flüsterte ich erneut. Immer und immer wieder. Doch noch immer erschein kein bisschen Glanz in deinen Augen. Die ständige Wiederholung versetzte mich in einen Trancezustand, in dem ich meine Lippen zwar spürte, aber ihr Handeln nur verfolgen, nicht beeinflussen konnte. Vorsichtig kam ich dir noch ein Stückchen näher. Meine Lippen waren deinen jetzt so nah, dass sie sich manchmal berührten, während ich sprach:

„Bakura, Freund und Gebieter, Feind und Geliebter, Wacht auf! Bakura, Sohn des Ra und eurer Mutter, Bruder der Diebe und ihr Beschützer, Wacht auf! Bakura, Diener des Pharaos und seiner Untertanen, Retter der Menschen und derer, die waren, Wacht auf!“

Heute kommt mir dieser Text wie ein Auszug aus einer Schriftrolle des alten Ägypten vor. Vermutlich hat mein Gehirn einige Passagen einer Alexander-der-Große-Dokumentation entnommen und neu zusammengefügt, vielleicht war es anders, ich weis es nicht. Ich wiederholte die Sätze immer und immer wieder. Meine Lippen streiften deine, ich versank in deinen Augen, das Bild vor mir verschwamm zu einem weißen Nebel. Ich sah nichts. Doch plötzlich fühlte ich mich leicht, schwerelos, als flöge ich irgendwo umher. Nach einer Weile klärte sich der Nebel und ich fand mich in einem seltsamen Raum wieder. Es war düster, nur ein Fackelschein erhellte die Dunkelheit. An den Wänden erkannte ich Ziegel, ich musste in einem sehr alten Gebäude sein. Aber wo? Auf einmal hörte ich fröhliches Kindergeschrei. Es kam aus einem dunklen Gang, den ich bis jetzt nicht wahrgenommen hatte. Ich hatte Angst, doch ein Gefühl sagte mir, dass ich dorthin gehen sollte. Ich nahm die Fackel aus der Wandhalterung und ging vorsichtig den engen Gang entlang. Das Geschrei wurde immer lauter und irgendwann befand ich mich in einem weiteren Raum. Auch er war durch eine Fackel erleuchtet. Ein Kind spielte dort mit einer alten Frau und einem jungen Mädchen ein Spiel, das ich nicht kannte. Das Kind hatte weiße Haare und lachte fröhlich. Die Mutter lachte mit ihm. „Verloren!“, jauchze das Kind und lächelte die alte Frau an. Sie erwiderte seinen Blick und sagte gütig: „Ich muss in die Küche, das Nudelwasser kocht. Schließlich will ich nicht, dass ihr beiden verhungert!“ Dann ging sie zu einer Wand und löste sich in Luft auf. Das junge Mädchen und das Kind spielten weiter. Sie wirkten sehr vertraut, wie Geschwister. Ich sah ihnen eine Weile zu. Es war so harmonisch. Es erinnerte mich an meine Kindheit, wie ich mit meinem Bruder und meinen Eltern Memory oder Mensch-ärgere-dich-nicht oder Hoch-die-Leiter spielte. Es kam zwar selten vor, aber wir haben immer viel gelacht. Heute wundert es mich, dass ich nicht schon in diesem Moment realisierte, wer das war. Doch dann rief das Mädchen: „Gewonnen!“ und der Junge antwortete gleichzeitig belustigt und trotzig: „Das war reines Glück, beim nächsten Mal gewinne ich! Komm, lass uns noch eine Runde spielen!“ Doch das Mädchen erwiderte: „Ryou, tut mir leid, aber ich muss noch lernen! Morgen schreibe ich eine wichtige Klausur…“ RYOU? RYOU! Ryou Bakura! Jetzt begriff ich: dieser Junge war Bakura und die Frau seine Mutter, das Mädchen seine Schwester. Aber sie sind tot … könnte es sein, dass das eine Erinnerung ist? Aber wenn das eine Erinnerung ist, dann bin ich in Bakuras Kopf, ich bin in seiner Seele. ICH HABE ES GESCHAFFT! ICH HABE IHN GEFUNDEN!!! „Bakura! Bakura!“, rief ich erfreut, doch plötzlich löste sich das Mädchen in Luft auf, der Tisch und das Spiel verschwanden, der Raum wurde schwarz und dann hörte ich ein Reifenquietschen und einen Knall. Dann war alles still. Es war dunkel und still. Nichts. Ich war starr vor Schreck. Es passierte alles so plötzlich. Ich stand wie gebannt im nirgendwo und fühlte nichts. Irgendwann hörte ich ein Schluchzen. Die Konturen des Jungen wurden langsam sichtbar. Er saß in einer Ecke des Raumes und hatte den Kopf auf die Knie gelegt. Das warst du. Ich trat mit meiner Fackel, die unbemerkt aus und dann wieder angegangen war, näher und fragte:

„Bakura? Bakura!“, doch du antwortest mir nicht.

„Was ist mit dir los?!“, sagte ich mitfühlend mit der Strenge meines anderen Ichs. Die Frage kam mir sinnlos vor, weil ich die Antwort wusste, aber mir fiel komischerweise nichts anderes ein. Immer noch in deinen Knien vergraben sagtest du:

„Geh weg!“

„Was ist mit dir los?“, fragte ich erneut, diesmal etwas sanfter. Doch du erwidertest wieder nur:

„Geh weg! Verschwinde!“

„Es tut mir leid“, sagte ich, auch wenn ich nicht wusste, wofür ich mich entschuldigen sollte, aber manchmal bewirken diese Worte etwas. In der richtigen Situation verwendet lösen sie die Starre, in die Menschen verfallen, so wie auch du. Aber das war nicht die richtige Situation.

„HAST DU NICHT VERSTANDEN: GEH WEG!“, riefest du und klangst dabei wie ein kleines Kind, „Wegen dir sind sie alle weg! Wir waren gerade so schön am Spielen, aber du hast alles kaputt gemacht! Geh weg und bring mir meine Mami und meine Schwester zurück!“

„Bakura, das ist nur eine Erinnerung! Deine Schwester und deine Mutter sind bei einem Autounfall gestorben. Sie werden nicht wiederkommen.“, erklärte ich dir ruhig.

„Du lügst! Sie waren gerade da, beide, ich habe sie doch gesehen!“, schriest du trotzig.

Ich verzweifelte langsam. Anscheinend wollte dieses kleine Kind alles verdrängen, es ungeschehen machen. Für es war nie etwas passiert. Aber irgendwo musste auch der erwachsene Bakura sein, der es realisiert hatte.

„Bakura, tief in dir drin weist du, dass es passierte, du hast es mir selbst erzählt. Bitte Bakura, du musst mit mir wieder in die reale Welt kommen!“, bat ich.

„Ich muss gar nichts! Ich bleibe hier, für immer, bei meiner Mami und meiner Schwester!“

„Aber was ist mit der Mission, von der du mir erzählt hast?“, versuchte ich es erneut. Ja, plötzlich war es mir eingefallen: bei unserem ersten Gespräch hattest du erzählt, dass es deine Aufgabe ist die Menschen zu bestehlen und dass du ihnen damit sogar helfen würdest. Ich dachte, das wäre das einzige, was dich vielleicht umstimmen würde, aber das war ein Irrtum:

„Meine Mission? Die kann Yami auch erledigen!“, sagtest du.

„Yami hat aber keine Lust!“, erwiderte ich genervt.

„Du musst es ja wissen, du lebst ja auch mit ihm unter einem Dach!“
 

Ich begann langsam zu verzweifeln, und das mittlerweile schon mindestens das dritte Mal. Argumente helfen bei diesem kleinen Kind rein gar nichts. Also sollte ich noch einmal ganz von vorne anfangen: erster und wichtigster Punkt des Management-Seminars – sich in den Gegner hineinversetzen. Ich stellte mir vor, wenn ich in so einer Situation wäre. Das hätte eigentlich kein Problem für mich sein sollen, weil wir ja beide das gleiche erlebt hatten, aber ich hatte es verarbeitet, er nicht. Trotzdem: ich stellte mir vor, wie ich mit verstopfter Nase und einer großen Packung Taschentücher im Bett lag, auf dem Nachttisch eine Hühnersuppe. Meine Schwester, die ich sehr liebe, verabschiedet sich von mir, ich nehme ein Buch und lese… Moment - wird er wohl kaum getan haben, vermutlich hat er geschlafen. Ich schlafe also und als ich am nächsten Morgen wach werde, klingelt das Telefon. Ich wundere mich, warum keiner rangeht, weil die beiden ja schon wieder da sein müssten. Das ungute Gefühl eines Kindes, das immer spürt, wenn etwas nicht so ist wie es sein sollte, beschleicht mich. Nachdem das Telefon eine Weile geklingelt hat, nehme ich den Hörer ab und die bemüht gefasste Stimme einer Frau bittet mich ins Leichenschauhaus zu kommen … oder? …Naja, mir wird klar, dass das Schlimmste passiert war, was passieren konnte, die unwahrscheinliche Hoffnung treibt mich und ich renne los. Immer noch im Pyjama renne ich so schnell ich kann über Straßen, Ampeln, an schimpfenden Fußgängern vorbei, doch sie interessieren mich nicht. Die Straßenverkehrsordnung ist für mich nicht mehr existent. Ich keuche, aber ansonsten spüre ich nichts: keine Erkältung, keine verstopfte Nase, nur Angst, pure Angst vor dem was passiert ist. Als ich im Leichenschauhaus ankomme breche ich fast zusammen, die Angst hält mich auf den Beinen. Erschöpft erreiche ich die Rezeption und frage, wo meine Schwester und meine Mutter sind. Die Frau am Empfang fragt nach: „Bakura Kaiba?“ und ich antworte nach Atem ringend „Ja!“ Ob er keine Verwandten hat, die ihm die Nachricht überbringen und ihm beistehen?... Nein, er hatte sie alle als heuchlerisch bezeichnet. Also ist er ganz allein … Ich gehe mit der Frau in einen Raum. Es ist kalt, doch ich friere nicht. Dort liegen sie. Beide. Etwas bläulich, blutverschmiert. In sich tragen sie die furchtbaren Erlebnisse der vergangenen Nacht, doch sie werden nie mehr nach außen dringen. Die Frau fragt mich routinemäßig: „Sind das Ihre Mutter und Ihre Schwester?“ und ich antworte tonlos: „Ja.“ Dann fragt sie noch, ob sie irgendwelche Verwandten oder Freunde anrufen sollte. Ich verneine. Bevor sie geht, legt sie mir noch einmal die Hand auf die Schulter und sagt: „Du kannst so lange hier bleiben, wie du willst. Wenn irgendetwas ist, ich bin vorne. Tut mir echt leid, Kleiner.“ Ich stehe da und … ich fühle mich leer… vermutlich … Ich durfte die Leichen meiner Eltern nicht sehen, Mari hat sie identifiziert, sie meinte, es sei kein guter Anblick für Kinder. Aber Bakura musste sie sehen. Ich fühle mich leer. Mein Leben steht still. Ich weis nicht, was ich damit anfangen soll. Ich kenne die Vergangenheit, aber keine Zukunft. Mein Verstand sagt, dass sie nie wieder kommen, aber meine Seele erwartet sie zu Hause. Ich habe das Gefühl weinen zu müssen, aber ich kann nicht. Ich renne. Ich renne nach draußen. Ich muss hier raus. Raus aus diesem Raum. Ich brauche Freiheit. Ich renne. Ich renne ziellos durch die Stadt. Wieder ist die StVo nicht existent. Ich sehe nicht, wohin ich renne, nur mein Verstand warnt mich vor Straßenschildern, Litfasssäulen und Bordsteinkanten, über oder gegen die ich fallen könnte. Ich sehe nur meine Gedanken. Was interessiert mich die Welt – hat sie ihren Tod verhindert? Was interessieren mich die Menschen – holen sie sie zurück? Was interessiert mich die Schule – es ist egal, wie viel wir wissen, unseren Todeszeitpunkt können wir im Grunde nicht beeinflussen! Und ihr, auf den Fußwegen, auf den Straßen, ihr seid doch an allem schuld! Ihr wollt es vielleicht nicht, aber IHR bringt euch gegenseitig um! Weil ihr immer nur an euch denkt, an euren Spaß, ohne Rücksicht! Weil ihr aus Spaß Leute tötet! Ich kenne das, ich kenne das sehr gut. Ich habe mich stundenlang in meinem Zimmer eingeschlossen und gelesen. Ich habe nichts gegessen und es erstmal verdrängt. Bakura muss stundlang durch die Stadt gelaufen sein. Bis er irgendwann vor Erschöpfung zusammengebrochen ist. Ich wache im Krankenhaus wieder auf. Die Ärzte murmeln etwas wie „Glück gehabt …“ „… schwere Erkältung …“ „… kalter Boden …“ Langsam mache ich die Augen auf. Der Arzt fragt mich, wie es mir geht, doch ich antworte nicht, ich starre ihn nur verwundert an. Ich fühle mich schwach, meine Knochen schmerzen, meine wieder verstopfte Nase meldet sich laufend zu Wort, mein Kopf tut weh. Ich will schlafen. Ich denke nicht DARAN. Bis mich die Krankenschwester fragt: „Soll ich irgendwelche Verwandten anrufen?“. Dann kommt alles wieder hoch. Die blutverschmierten Gesichter, die Kälte, die Frau im Leichenschauhaus. Ich werde wütend. Soweit es meine heisere Stimme zulässt brülle ich sie an: „NEIN! Meine Mutter und meine Schwester sind TOT! Verstehen Sie das? TOT!!! Können Sie sie holen? Aus dem Himmel? Nein, können Sie nicht! Also lassen Sie mich in Ruhe und verschwinden Sie!“ Ich bleibe ein paar Tage im Krankenhaus, meine Erkältung war lebensgefährlich. Egal. Als ich wieder zu Hause bin, durch die leere Wohnung gehe, fühle ich mich wieder schwerelos, orientierungslos. Ich lebe, irgendwie, aber etwas fehlt. Es ist so ruhig, die Stille quält mich, ich bin wie gelähmt. Dann kommt die Beerdigung. Und er war die ganze Zeit allein. Allein. Ich hatte Mokuba, um den ich mich kümmern musste. Ich verstand ihn besser als Mari. Ich musste nach vorne sehen. Ich war von der Rolle des Bruders in die des Vaters gerutscht. Ich hatte keine Zeit mich in meiner Trauer zu verkriechen, ich musste sie überwältigen. Ich erinnerte mich daran, wie unsere Eltern uns erzogen hatten. Ich versuchte es umzusetzen. Unsere Eltern waren tot, aber sie hatten uns etwas hinterlassen, nicht nur Gene, sondern Charakter. Ich sah nach vorn. Die Zeit bei Gosaburo hat mich ruiniert, aber nicht der Tod meiner Eltern. Aber Bakura hatte nichts. Keinen Bruder. Das Leben hat ihn vorwärts gedrängt, aber ein großer Teil seines Ichs blieb stehen. Wir sind doch sehr verschieden.
 

Ich wurde traurig. Jetzt wieder alles vor Augen zu haben, war schwer. Ich musste aufpassen, dass ich nicht in Bakuras Sog und in meinen hineingezogen wurde, in diesen Sog der Traurigkeit. Ich setzte mich neben dich an die Wand und streichelte dir vorsichtig über das Haar.

„Es ist ok“, sagte ich ruhig, „Es ist in Ordnung, dass du weinst. Hier, in diesen dunklen Kammern kann man sich gut verkriechen. Aber die Realität braucht dich, Bakura, nein, Ryou.“

„Nein, tut sie nicht.“, antwortest du knapp.

„Doch. Ist dir aufgefallen, dass du genauso wuschlige Haare hast wie deine Mutter?“

„Woher weist du das?“, fragtest du immer noch weinend.

„Ich habe sie gesehen, mit dir und deiner Schwester, ihr habt zusammen gespielt. Ich glaube, sie war ein sehr gütiger Mensch, sie hat sich gut um euch gekümmert…“

„Wir waren ihr wichtiger als alles andere …“

„Und so bist du auch. Du riskierst dauernd dein Leben, um anderen zu helfen. Solche Menschen braucht die Welt. Es gibt viele Leute, die sich nicht um sich selbst kümmern können. Die sich überschätzen und von sich selbst zu viel verlangen. Solche Menschen brauchen jemanden wie dich, der ihnen hilft.“, erklärte ich ruhig.

„Meinst du damit dich?“, fragtest du mit kindlicher Unschuld und, so denke ich, einem komischer Unterton, der sagte: Ich hatte doch Recht!.

„Äh … nein … ja …naja…“, deine Neugier brachte mich ins Stottern, ich wollte deine These nicht bestätigen und dich trotzdem nicht verletzen, damit wir endlich wegkamen, „Wie ich schon sagte, viele Menschen. Yami, Yugi, die Leute, denen du etwas stiehlst … Was ich damit sagen will ist, dass du die Eigenschaften deiner Mutter in dir trägst. Deine Mutter ist nicht verloren, deine Schwester auch nicht, auch wenn das total kitschig klingt, aber … ganz banal betrachtet sind nur ihre Körper tot, nicht ihre Seelen.“

„Aber ich vermisse sie so sehr!“, sagtest du und hobst langsam den Kopf und deine kleinen Augen guckten in meine Richtung.

„Ich vermisse meine Eltern auch. Besonders, früher, wenn ich ein Problem hatte, wünschte ich mir manchmal, dass die Tür aufgeht und meine Mutter reinkommt, um mir zu sagen: ‚Du schaffst das, Seto!’. …“

„Ja, das geht mir auch oft so. Jemand, der da ist, der einem hilft.“

„Aber dann habe ich gemerkt, dass ich nur Angst hatte. Ich hatte Angst, mein Leben zu leben und dachte, ich brauche jemanden, der mir die Entscheidung abnimmt, mir hilft. Doch ich schaffe es auch ohne sie. Sie sind in mir, sie haben mir vieles beigebracht, aber mein Leben, das habe ich allein gelebt.“

„Und wie hast du das geschafft?“

„Ich habe einfach Pro- und Kontra-Argumente gegeneinander aufgewogen …“

„Was?“

„Ich habe überlegt, was besser ist. Du hast das doch auch gemacht: du hast dir ein Leben aufgebaut, du lebst immer noch, du hast dir einen Ruf als Weißer König erarbeitet, und das alles ohne deine Schwester und deine Mutter.“

„NEIN, habe ich nicht, ich habe sie nicht vergessen!“, riefest du, drehtest dich weg und versuchtest, dich noch weiter in der Ecke zu verkriechen, was leider nicht ganz funktionierte. Eine Weile war es still. Du überlegtest. Dann sagtest du:

„Du hast Recht. Aber, ich will sie nicht vergessen!“

„Das musst du nicht, das kannst du gar nicht. Es ist gut, wenn man jemanden in seinem Herzen behält, meistens jedenfalls. Du kannst jederzeit hierher kommen, solange du wieder zurückkehrst. Ich werde nämlich glücklicherweise nicht immer da sein, um dich hier raus zu holen! Also:“, ich stand auf und steckte meine Hand aus, „Kommst du?“

Du blicktest mich erstaunt an, nahmst meine Hand und sagtest lächelnd: „Wenn du noch Bitte sagst, gern!“ Deine Stimme klang wieder normal und ich hätte gern etwas erwidert, aber plötzlich kam der Nebel und trug uns fort …



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (2)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  -Amalthea-
2009-05-11T12:44:04+00:00 11.05.2009 14:44
Ein sehr esoterisches Kapitel... Die beiden gefallen mir... Bin gespannt, wie das weitergeht! ^^
Von:  Varlet
2009-05-09T19:37:17+00:00 09.05.2009 21:37
Hallo,
ich muss sagen, das Kapitel war recht interessant geschrieben. Ich fand es auch gut, wie du dich in Kaiba hineinversetzt hast, aber manche Stellen waren doch holprig und komisch für mich, weil ich zwar selber mir so sagen konnte, dass er zwar so sein kann, aber es ist doch immer noch komisch, wenn es jemand Anderes schreibt, als man selber xD ich denke, deswegen hab ich auch nicht so viel Emotionen gespürt, wie du beim schreiben und mir sind auch keine Trnen runter gekullert, sorry.

Was icha uch noch sagen wollte, ich find die Sache mit dem 'weißen König' recht interessant. Am Anfang dachte man ja, das Bakura noch einer der gaaaaaaaanz bösen ist, was zwar immer noch irgendwie da ist, aber nun sieht man ihn auch teilweise als Helfer, zumindest tu ich das. Das find ich schons chön, dass du so eine Verwandlung eines Charas aufschreiben konntest.

Das Kapitel ist dir wieder einmal gut gelungen, hin und wieder aber ein wenig komisch, wenn Kaiba so...menschlich ist, aber ist ja auch okay.




Zurück