Probezeit beendet
Wie lange willst du noch auf deine Kristallsanduhr starren, kleine Artemis? Ich war mir der besorgten, goldgelben Augen bewusst, die mich bereits seit einer Weile beobachteten. Er ist längst in der Anderswelt.
„Ich weiß.“, erwiderte ich. Die Anwesenheit war schon seit einiger Zeit verschwunden. Aber ich fragte mich die ganze Zeit, warum es so kommen musste.
Artemis …
„Hast du es gewusst?“, endlich riss ich mich vom Anblick des Anhängers los und sah Seidenpfote fest in die Augen: „Wusstest du das er der Besessene war?“
Sie wich meinem Blick nicht aus als sie antwortete: Ja, von Anfang an.
„Warum hast du es mir nicht gesagt?“
Weil du dich ihm dann nie gestellt hättest.
„Natürlich nicht! Aber warum musste er es sein? Warum?“, in meiner Stimme lag ein flehender Unterton. Ich musste die Antwort unbedingt wissen.
Weil er derjenige sein wollte, der dich testet. Er wollte mit eigenen Augen sehen, wie du zum wahren Druiden wirst. Und wenn du es nicht geschafft hättest, dann wollte er derjenige sein, der dich verabschiedet.
„Wie konnte er nur-“
Weil er dich liebt, Artemis. Du bist schließlich sein einziges Kind. Seine teure Tochter. Natürlich wollte er es nicht zulassen, dass ein anderer dich hinüberschickt, falls du versagt hättest. Oder, dass er deinen Triumph nicht miterlebt.
Ich schwieg. Was sie sagte ergab durchaus Sinn, aber trotzdem … konnte ich nicht glauben, dass mein Vater mich gezwungen hatte ihn zu exorzieren.
Mit ruhigem Blick betrachtete ich die kleine Katzengöttin: „Kannst du mir eine weitere Frage beantworten?“ Ich machte mir nicht die Mühe ihr die Frage zu stellen. Sie wusste ohnehin was ich wollte.
Es stimmt. Jeder Besessene war einmal ein Druide. Sie existieren nur um die lebenden Druiden ihrer letzten Prüfung zu unterziehen. Schaffen sie es nicht, fängt er ihre Seelen und schickt sie in die Anderswelt, wo sie auf ihre Wiedergeburt warten. Er selbst wartet so lange bis er diese Seele erneut prüfen kann. Bestehen sie die Prüfung, darf auch er wiedergeboren werden.
„Und wenn es soweit ist, ergreift er Besitz von einem Säugling?“
Genau. Es gibt nur eine begrenzte Anzahl von Druidenseelen. Und es ist ihnen vorbestimmt mit wem sie verwand sind. Selbst nach vielen Wiedergeburtzyklen werdet ihr noch immer Vater und Tochter sein, meine Kleine.
Ich nickte langsam: „Also werden Anton und seine Eltern auch immer zusammen sein?“
Liebe, Verwandtschaft, Freundschaft und Feindschaft … Es sind immer dieselben Seelen, nur in anderen Körpern. Sie finden immer zueinander. Das heißt aber auch, dass du immer eine menschliche Mutter haben wirst.
„Das macht nichts.“, das Lächeln war in mein Gesicht zurückgekehrt: „Wahrscheinlich ist es besser so. Wissen die anderen das auch alles?“
Seidenpfote schüttelte ihr Köpfchen: Nein, sie wissen nur, dass die Besessenen einmal Druiden waren und die finale Prüfung bilden. Sie zwinkerte mir zu ehe sie hinzufügte: Erzähl es nicht weiter, ja?
„Aber niemals.“
Meine Mutter rief mich von unten. Anton warte draußen auf mich. Wir müssten uns beeilen damit wir nicht zu spät kämen. Ich kraulte meine kleine Freundin hinter den Öhrchen, bevor ich aufsprang und nach unten eilte.
Mein Verbündeter erwartete mich bereits. Ein schiefes Lächeln zog sich über sein Gesicht: „Du bist reichlich spät. Ist das ’ne Gewohnheit?“
Ich schnitt eine Grimasse: „Ach, sei doch still!“
Wir setzten uns in Bewegung. Unterwegs neckten wir uns noch gegenseitig. Von unseren Wunden war nichts mehr zu sehen. Antons Eltern hatten uns sofort gefunden und geheilt und sich auch um Achilles gekümmert. Der hatte auch gleich eine gesündere Hautfarbe bekommen. Inzwischen war er wieder ganz er selbst.
Als wir das Schulgebäude sehen konnten, musste ich mir ein Lachen verkneifen. Wir Besessenen hatten schon ein eigenartiges Leben. Aber ich war mir sicher, dass die kleine Katzengöttin und mein Verbündeter mir auch im nächsten Leben zur Seite stünden. Schließlich hatte Seidenpfote es selbst gesagt: Die Verbindungen der Seelen halten auf ewig.
