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Assoziatives Schreiben

von

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Satz 10: Eisentanz

Er gab sich ernsthaft Mühe und schien nicht zu begreifen, was für einen lächerlichen Anblick er bot, als er die ungelenken Beine und Hüften in verzweifelter Bemühung anmutig zu bewegen versuchte. Das Schwarzlicht und der stroboskopische Flackerschein tanzen um ihn herum, genau wie die sich mechanisch weich wiegende Menschenmasse, der es im Gegensatz zu ihm mit offenbar spielerischer Leichtigkeit gelang. Auch der Boden und die Wände tanzten zitternd im Rhythmus des großen Generators, doch er schaffte es nicht recht die Schwingungen aufzunehmen und wieder unverfälscht abzugeben, denn er versuchte sie zu verstehen, statt sie durch sich hindurch fließen zu lassen. Alles um ihn herum war wandlungsfähige Luft oder ein Vakuum, während er wie ein Prisma mittendrin schwebte.

Ein Frauenkörper, halbnackt bis auf wenige dunkle Flächen und phosphoreszierende Linien und nur ein Schemen im Dunkel, pendelte ihren Körper im Takt der Oszillation umher und durchschnitt den Raum wie ein menschliches Glühwürmchen. Andere Leiber im großen Uhrwerk, unterschiedlich wie Dämonen und Blumen, zeichneten neben ihr und um sie herum ihre Bahnen und sie kreisten umeinander im System einer Struktur, die ihm fremd und erstaunlich war.

Als er versuchte die Laufrichtung der einzelnen Zahnräder zu verstehen, um selbst eins zu werden, stieß er noch ungeschickter mit der bebenden und behänden Routine der anderen zusammen. Einzelne abfällige Blicke, wie ein Knirschen in der Mechanik, bevor er resignierend die Tanzfläche verließ und sich in die tieferen Schatten zurücklehnte. Mit einem bestiefelten Fuß an die Wand gestützt, sortierten seine Augen die Bewegungen, welche aus der Distanz nicht minder systematisch wirkten, als aus unmittelbarer Nähe der Berührung. Immer wieder drehten sich Menschen als neue Elemente in den Kreislauf hinein und passten, als wären sie an eben dieser Stelle so dringend nötig gewesen. Es schien Leerläufe zu geben, die er nicht erkennen konnte, so sehr er sich auch bemühte.

Als das Stechen seiner Gedanken begann zu Kopfschmerzen zu werden, gab er die Analyse auf und sank gegen die Wand nieder und hinein ins Schauen. Wie die Minuten verstrichen waren, konnte er sich kaum noch erinnern, als sein aufsaugender Blick die fließende Starre des Gebildes, flüssigem Stahl gleich, in sich aufnahm. Verloren hinter den eisernen Gitterstäben seiner gefangenen Augen, tanzte sein Blick mit den wispernden Falten der Röcke und dem demütigen Kreisen der Hüften, bis hinauf zu den schlängelnd sich räkelnden, unberührten Armen. In diesem großen, lebendigen Körper war jeder einzelne Körper ein Organismus, unterworfen unter die gewaltige Anziehungskraft, und behielt doch selbst eine eiserne Gravitation.

Er versank Stunden im Bestaunen der kosmischen Symmetrie, ohne wieder einen Versuch zu wagen, sich darin einzupassen, bis die innere Uhr ihm befahl, dass bald der Morgen grauen würde und die monochrome Ordnung mit seinen klärenden Strahlen zerreißen. Er hob sich auf die tauben Beine und schüttelte den Staub von der Kleidung, bevor die Füße ihn in weitem Bogen am Rand des Ziffernblatts entlang um das große Uhrwerk herum trugen und er sich unbemerkt zur Tür ins Freie hinausstahl.
 

Abschließend-unqualifizierte Äußerungen:

Nicht viel zu sagen dieses Mal. Sehr kurz, sehr assoziativ. Ein Klumpen meiner Erinnerungen schwimmt auch in der Brühe und löst sich langsam darin auf.
 

Falls jemand den Drang verspüren sollte irgendetwas hineinzuinterpretieren - was ich nicht befürworten kann -, möchte ich keine Themen wie "Außenseitertum", "Diskrepanz zwischen dem Selbst und der Gesellschaft" oder "Kritik an der Goth-Kultur" hören ;) Das wäre etwas zu einfach.



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Kommentare zu diesem Kapitel (4)

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Von:  Black_Taipan
2008-12-28T21:19:43+00:00 28.12.2008 22:19
Ich stimme meinen Vorrednern zu.
Die Beschreibungen und der speziele Schreibstil machen diese Geschichte echt zu etwas Speziellem. Ich hab noch nie erlebt, wie jemand diese Szene so treffend beschrieben hat und es auch noch schaffte, den Vergleich mit einem Uhrwerk oder Maschinen so treffend rüberzubringen. Die Geschichte hat was Fesselndes, Packendes, obwohl es eigentlich nur Eindrücke sind.
Viel mehr dazu sagen kann ich eigentlich nicht, die Idee finde ich klasse. ^^
Liebe Grüsse
taipan
Von:  Ito-chan
2008-12-21T19:06:53+00:00 21.12.2008 20:06
Nein ich interpretiere nichts rein.
Ich find es einfach nur genial beschrieben und man hat direkt eine Situation vor Augen. Wahrscheinlich ist es gerade das, was ich so toll an der Story finde.
Der Stil ist wie üblich gehoben schön, gibt dem ganzen wie so oft etwas Kontroverses und gefällt mir wie immer sehr gut.
Die ganze Idee ist echt schön ^^
Super gemacht ^^
Von:  Chimi-mimi
2008-12-21T13:30:53+00:00 21.12.2008 14:30
Sehr schöner Stil und auch schön zu lesen.
Die Beschreibung, da stimme ich MichiruKaiou zu, waren wirklich außergewöhnlich und haben mir gut gefallen.
Insgesamt gut gelungen ^.^

Chimiko
Von:  MichiruKaiou
2008-12-21T09:08:24+00:00 21.12.2008 10:08
Hier muss ich jetzt mal sagen, dass ich deine Beschreibungen sehr genial finde. Irgendwie ist nur die Geschichte stimmig, sondern schon dein Stil an sich. Das war einfach nur gut zu lesen, ich kann das gar nicht besser beschreiben.


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