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Move me

Teil VII der "Späte Erkenntnis"-Reihe
von

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verkehrte Welt

Hi... es dauert momentan lange, bis ich was zu Stande bringe, und es wird definitiv in der nächsten Zeit noch länger dauern... Aber ich schreib immer noch gerne *g*... Ich wünsche viel Spaß beim Lesen, das Kapitel hat nämlich einige Lacher auf Lager
 

Kopfschüttelnd blickte April ihrem Freund hinterher, wie dieser abhob und auf den kleinen Balkon hinaustrat. Mit zusammengezogenen Augenbrauen kommentierte sie den Klingelton des Kuhhirten: „Das Lied vom Tod. Wie passend.“

Fireball zog die Schultern an, was anderes hatte er von Colt eigentlich nicht erwartet. Der hing an seinem Wildwestklischee, und was würde da besser passen, als ein solcher Klingelton? Der Titel war grade in dem Moment vielleicht nicht angebracht, aber dafür konnte der Anrufer nichts.

Auch Saber hob eine Augenbraue skeptisch an. Der Schotte fand das grad auch nicht übertrieben komisch. Dem beruflichen Tod waren sie nämlich sehr nahe. Aber wie das in solchen Situationen immer war, grade dann schien alles zusammen zu passen. In dem Fall auch der Klingelton. Gespannt verfolgte er Colts Bewegungen. Wer ihn wohl grade angerufen hatte? So schnell verschwand der Kuhhirte normalerweise wegen eines einfachen Telefonats nicht nach draußen.
 

„Bist du schon fertig, mein Spatz?“, Colt zog die Balkontür hinter sich wieder zu, dieses Mal wollte er keine ungebetenen Zuhörer haben. Er machte sich unendliche Sorgen um seine Frau und sollte bei der Untersuchung nun rausgekommen sein, dass ihr und dem Kind was fehlte, musste er das zuerst mit sich ausmachen, bevor er es seinen Freunden erzählen konnte. Colt drehte dem Wohnzimmer also bewusst den Rücken zu.

Die Stimme am anderen Ende der Leitung klang allerdings nicht ganz so aufgewühlt oder traurig. Nein, Robins Stimme klang irgendwie sogar fröhlich, als sie Colt mitteilte: „Nein, noch nicht ganz, Schatz. Aber ich wollte dir unbedingt etwas sagen.“, sie holte tief Luft und brachte hervor: „Es werden zwei.“

Colt zog die Augenbrauen zusammen: „Zwei was? Golden Redriver?“

Übermütig bekam er zur Antwort: „Bin ich etwa ein Golden Redriver?! Colt! Es werden zwei. Wir kriegen Zwillinge.“

Robin hörte nur noch ein Knacksen in der Leitung, die Reaktion blieb Colt ihr schuldig. Und zwar, weil er einfach umgefallen war. Die Nachricht hatte ihn im wahrsten Sinne des Wortes umgehauen. Dabei fiel er gegen die Glasscheibe und verursachte einen Höllenlärm.

Alarmiert sprangen April und auch Saber sofort auf und rannten auf den Balkon hinaus zu Colt. Der Schotte konnte sich jedoch ein kleines Wortspiel nicht verkneifen, als er sich zu Colt hinunterbeugte, und ihm wieder hoch half: „Egal, was du grade erfahren hast, es muss wirklich umwerfend gewesen sein, Kumpel.“

April griff indes nach dem Telefon und sprach mit demjenigen, der Colt aus dem Konzept gebracht hatte. Sie konnte Robins Stimme, die sich besorgt überschlug, ganz deutlich ausmachen: „Colt? Hallo? Was ist mit dir?“

Die Blondine beruhigte ihre Freundin sofort wieder: „Hey, Robin. Colt kann grad nicht. Er ist wie ein Vogel gegen die Scheibe gepatscht. Was hast du ihm denn bloß erzählt?“

Die eine Blondine weihte die andere ein, während der Schotte Colt wieder auf die Füße zog. April blickte fragend zu Colt. Eine Antwort blieb sie Robin vorerst schuldig, dafür aber konnte sie nun verstehen, was Colt auf dem Boden gewollt hatte. Bevor Colt nach dem Telefon greifen konnte, beglückwünschte sie Robin doch noch: „Echt? Das ist ja… großartig.“

Die Lehrerin bat nach ihrem Mann, sie hätte ihm noch etwas mitzuteilen. April drückte Colt das Telefon wieder in die Hände und verschwand mit Saber wieder nach drinnen. Erst, als die Balkontür zu war, brachte Colt wieder etwas heraus. Völlig überrumpelt stammelte er: „Ist das wahr?“

„Freust du dich denn nicht?“, die Euphorie hatte bei Robin nicht lange gehalten. Colt klang nicht glücklich darüber. Das machte ihr Angst, immerhin war er der Vater des Doppelpacks. Gespannt horchte sie nun auf eine bessere Antwort.

Colt nickte eifrig, obwohl er genau wusste, dass Robin es nicht sehen konnte. Aber wie sollte er seine Worte sonst unterstreichen, als er geplättet zurückgab: „Doch. Doch! Ich freu mich wahnsinnig. Ich bin die Grinsekatze, bin ich“

Der Viehtreiber war im Augenblick nicht Herr seiner Sinne. Er wusste nicht, wie ihm gerade geschah. Seine Frau erzählte ihm einfach am Telefon, dass sie Zwillinge erwartete. Zwei kleine Lebewesen, seine Kinder. Dass das die simple Erklärung für Robins Kraftlosigkeit war, konnte sich Colt nicht zusammenreimen.

Robin atmete tief durch, nun war sie wieder beruhigt. Sie hatte das leichte Zittern in Colts Stimme gehört. Das gleiche freudige Zittern, das seine Stimme auch gehabt hatte, als sie ihm die Schwangerschaft mit Jessica gebeichtet hatte. Also war alles in ihrer kleinen Welt noch in Ordnung. Mutiger gestand die blonde Lehrerin nun: „Eins muss ich dir noch sagen, Schatz. Ich hoffe, du freust dich dann immer noch. Der Arzt hat ein Ultraschall gemacht.“, Robin hielt einen Moment lang den Atem an, ehe sie hervorbrachte: „Es werden zwei Jungs.“

Wieder knackste es in der Leitung und kein Ton von Colt.
 

Saber lehnte sich demonstrativ in seinen Stuhl zurück, verschränkte breit die Arme vor der Brust und schüttelte den Kopf: „Ich sammel die fette Taube sicherlich kein zweites Mal vom Boden auf.“, grinsend deutete er nun auf Fireball: „Du bist dran, Kumpel.“

Der Rennfahrer, der mit dem Rücken zum Balkon saß, drehte sich um und lehnte sich gegen die Rückenlehne. Instinktiv zog Fireball ein Bein auf die Sitzfläche und schob die Fußsohle unter seinen Hintern. Skeptisch beäugte er das Szenario auf Sabers Balkon, ehe er sich wieder halb zu seinem Boss drehte. Seinen rechten Arm ließ Fireball auf der Lehne, mit der Hand deutete er locker hinter sich: „Die fette Taube krieg ich doch nie im Leben hoch. Da braucht’s schon einen Lastenkran.“

April stieß Fireball leicht den Ellbogen in die Rippen: „Idiot!“

„Immer wieder gern, Süße.“, mit einem frechen Grinsen drehte sich Fireball wieder dem Balkon zu und beobachtete, wie sich Colt doch selbst wieder aufraffen konnte. Trotz Colts Geheimniskrämerei war die Situation für alle vier Freunde eine entspannte. Zumindest wieder. Colts zweimalige unfreiwillige Slapstickeinlage hatte alles aufgelockert. Nun waren die drei Freunde gespannt, was Colt tatsächlich aus dem Gleichgewicht gebracht hatte.
 

Mühsam rappelte Colt sich wieder auf. Verkrampft hielt er sich an der Balkonbrüstung fest und stammelte seiner Frau ins Telefon: „Das ist nicht dein Ernst? Zwei Jungs? Kleine Cowboys?“, Robin durfte nun auf keinen Fall mit seinen Gefühlen spielen. Außer sich warnte er seine Liebste: „Robin, treib ja keine Späße mit mir.“

Die Lehrerin lachte herzlich auf. Sie hätte Colt in dem Moment am liebsten gesehen, sein Gesichtsausdruck musste einfach göttlich sein. Sie versicherte ihm: „Das tu ich nicht. Der Arzt ist sich ganz sicher. Zwei kleine, gesunde Racker.“, sie konnte es sich einfach nicht verkneifen: „Die sind jetzt schon so anstrengend wie du, Cowboy.“

Der Kuhhirte strahlte mit einem Mal übers ganze Gesicht. Endlich verstand er Robins Worte, endlich waren sie angekommen. Ungestüm jauchzte er, nur um gleich darauf einen Freudensprung zu machen. Übermütig fragte er: „Wann soll ich dich holen, Schatz?“

Robin gab Colt noch eine ungefähre Zeit durch, wann sie mit den nächsten Untersuchungen fertig sein würde. Ihr Mann würde sich sofort auf den Weg machen, sie kannte ihren Beschützer doch.
 

Mit einem seligen Lächeln im Gesicht trat Colt wieder durch die Balkontür ins Wohnzimmer zu seinen Freunden. Er lief wie ferngesteuert auf den Sessel zu, auf dem jetzt Saber saß, und blieb davor stehen.

Fireball runzelte die Stirn und deutete auf Colt. Er sah dabei April und Saber fragend an: „Was hat er denn?“

Die simple Antwort von April folgte auf dem Fuße: „Er wird Vater.“, dabei lächelte sie in Richtung des Kuhhirten. Colts Familienglück schien perfekt zu sein. April freute sich für die drei, die in wenigen Monaten zu fünft sein würden. Es war kein Geheimnis, dass Colt nun erst so richtig aufblühen würde.

„Ist er doch schon.“, Fireball brach angesichts dieser Worte nicht in Freudentaumel aus. Colt war schon Vater einer bezaubernden kleinen Tochter, er würde in wenigen Monaten ein zweites Kind mit Robin bekommen. Das war nun wirklich schon ein alter Hut. Das riss Fireball absolut nicht vom Hocker.

Saber schüttelte leicht den Kopf. Daran erkannte man eben doch, dass Fireball der jüngste im Freundeskreis war und mit Kindern bisher noch nichts zu tun gehabt hatte. Er war bei keiner Geburt dabei gewesen, hatte sowohl die ersten Monate von Jessica als auch die von seinem Sohn Matthew verpasst. Dieses Mal würde Fireball es aber sehr wohl erleben und hoffentlich auch seine Meinung diesbezüglich etwas ändern. Der Schotte schmunzelte leicht.

Die Blondine hingegen half Colt dieses Mal. Sie liebte Kinder ungemein und die Nachricht, die ihr Robin vorhin am Telefon gesteckt hatte, konnte man nun getrost fallen lassen, immerhin war Colt nun auch im Raum. Sie grinste breit: „Es werden zwei.“

Nun runzelte auch Saber erstaunt die Stirn und Fireball blieb die Spucke weg. Das war mal ein guter Grund, wie ein nasser Sack gegen eine Fensterscheibe zu fallen. Oh, das würde er Colt von heute an bei jeder Gelegenheit unter die Nase halten. Der Schotte hingegen fragte amüsiert: „Wie hast du das nur hingekriegt?“

Das glückliche Strahlen verging dem Viehtreiber nicht. Es wurde nur noch breiter, als er dem Highlander auf die Schulter klopfte: „Da es zwei Jungs werden, schätze ich, hab ich es so wie du gemacht, nur besser!“

Auch Saber grinste nun. Ein bisschen fies stichelte er: „Jetzt wird’s für euch zwei aber auch mal Zeit.“

Colt gluckste amüsiert. Nachdem Saber das so schön trocken hervorgebracht hatte, waren die Gesichter ihrer zwei Freunde feuerrot angelaufen, vor allem die Ohren. Fireball senkte den Kopf und nuschelte verlegen: „Ich hab keine Gesundschreibung.“

Das war mittlerweile sein Allheilrezept. Egal, worum es ging, die fehlende Gesundmeldung konnte man überall als Grund vorschieben. Zumindest hoffte es Fireball, dem plötzlich heiß geworden war. Er war noch nicht einmal richtig mit April zusammen gezogen, da kamen die beiden Schlauberger schon auf die Idee, dass sie Kinder haben sollten. In welcher Welt lebten die zwei bitte? Alles, wofür Fireball jetzt Nerven hatte, aber dafür sicherlich nicht. Zuerst gehörte sein Leben mit April geordnet und geregelt. Erst, wenn sich zwischen ihnen alles prächtig entwickeln sollte, konnte er sich vorstellen, irgendwann an eine Familie zu denken.

Offenbar hatte April dieselben Gedanken, denn die blickte gedankenverloren zum Fenster hinaus, weg von den Jungs. Ihre Ohren funkelten und glühten feuerrot, jede Ampel würde vor Neid erblassen. Wie konnten Saber und Colt bloß auf solche Gedanken kommen? Konnten sie es sich wirklich vorstellen? Die Blondine blinzelte zu den beiden Familienvätern hinüber. Sie konnten und sie taten es auch! Offenbar gingen sowohl Saber als auch Colt davon aus, dass April und Fireball gute Eltern waren. Aber noch nicht. April konnte es sich noch nicht vorstellen, es passte noch nicht in ihr Leben hinein. Deshalb murmelte auch sie verlegen: „Später mal, ja?“

Colt lachte noch breiter als zuvor. Er fand das ganze herrlich. Fies teilte er noch einen aus. Was Saber konnte, konnte der Viehtreiber auch, sogar noch besser. Verräterisch zuckten Colts Augenbrauen nach oben, als er brüllte: „Kumpel, dafür brauchst du keine Gesundschreibung. Ich weiß, was du alles mit einem verrenkten Rücken kannst.“

In dem Moment wäre Fireball am liebsten im Erboden versunken. Warum konnte Colt nicht endlich aufhören, das breitzutreten, was er in Tokio gesehen hatte? Fireball rutschte auf dem Sofa tief nach unten und verschränkte die Arme vor der Brust, ehe er Colt anfunkelte: „Haha. Sonst noch Schmerzen?“

Auf diesem Schlachtfeld konnte Fireball keinen Sieg erringen, denn die nötige Rückendeckung von April oder Saber fehlte. Die Blondine saß neben ihm und glühte wie Feuer. Colts anzügliche Sprüche trieben ihr soviel Farbe ins Gesicht wie sonst nichts und machten sie obendrein noch sprachlos. Es war ihr offensichtlich peinlich, wobei Colt sie damals erwischt hatte, mehr noch als Fireball. Und der Schotte setzte nur ein viel sagendes Lächeln auf. Also hatte Colt ihn schon ausführlich darüber informiert, wie aus ihm und April doch noch eine Partnerschaft geworden war. Fireball hätte Colt gerne den Hals umgedreht, so sauer war er plötzlich auf den Freund. Und April würde es ausbaden müssen, auch wenn sie noch nichts davon wusste.

Kopfschüttelnd machte sich Colt nun auf den Weg. Er zog sich im Flur die Schuhe an und die Jacke, während Saber aufgestanden war und ihn zur Tür begleitete. Sie verabschiedeten sich mit einer kurzen Umarmung. Saber gab seinem Scharfschützen noch mit auf den Weg: „Fahr vorsichtig, Colt.“

„Ich bin die Vorsicht in Person, bin ich. Du kennst mich doch, Säbelschwinger.“, lachte der Kuhtreiber munter auf und stieß die Wohnungstür auf. Der errungene Sieg nach Punkten beflügelte den werdenden Vater von Zwillingen zusätzlich.

Saber schüttelte amüsiert den Kopf und wies nach drinnen: „Eben deshalb. Ich kenn da auch noch einen gewissen Profirennfahrer und deshalb ist Vorsicht auch die Mutter der Porzellankiste.“, Saber grinste verstohlen, ehe er Colt auftrug: „Richte Robin unsere Glückwünsche aus, ja?“

Mit einem Nicken verschwand Colt schließlich und der Schotte drehte sich wieder den verbliebenen Gästen zu.
 

Colts dämliche Sprüche hatten wohl einen unangenehmen Nebeneffekt zu den roten Ohren gehabt, wie Saber verwundert feststellte, als er sich wieder auf dem Stuhl niederließ. April saß an einem Ende der Couch und Fireball quasi am anderen. Fireball hatte locker die Beine zu einem Schneidersitz auf die Sitzfläche gezogen und lehnte sich halb auf die Armlehne zurück. Seine Augen beobachteten aufmerksam was sich in der Wohnung tat, vor allem aber, was mit April los war.

April und Saber begannen sich über Laura zu unterhalten. Die Blondine wollte wissen, wann sie an diesem Abend nachhause kommen würde. Sie interessierte sich sehr für das Leben beider, immerhin zählte sie mittlerweile auch Laura zu ihrem Freundeskreis. Die Asiatin hatte zwar noch nicht den selben Stellenwert, den die Jungs oder auch Robin hatten, aber sie näherte sich ständig ein Stückchen an. Seit sie Laura davon in Kenntnis gesetzt hatten, dass sie und Fireball zusammen zogen, fand man die junge Rechtsanwaltsgehilfin noch weniger in der Wohnung vor. Dafür aber verbrachte sie viel Zeit mit dem Recken, vor allem die freien Abende.

Saber wollte keine rechte Auskunft geben. Laura war noch ein Problem auf seiner elendslangen Liste von Schwierigkeiten. Er genoss ihre Nähe, liebte es sich mit ihr zu unterhalten und ein Glas Wein dabei zu trinken. Und genau da lag das Problem und das war der Grund, weshalb neben April ein Kopfkissen und eine Decke auf der Couch lagen. Laura blieb oft bis spät nach Mitternacht hier, weil sie die Zeit ganz einfach übersahen. Saber wollte sie dann nicht mehr alleine nachhause schicken, deshalb schlief sie meistens bei ihm. Und dann siedelte der Schotte von seinem Bett auf das Sofa. Aber lange hielt er es dort nicht aus. Wusste er, dass Laura im Nebenzimmer lag, konnte Saber kein Auge zutun. Immer wieder schlich er ins Schlafzimmer hinüber und beobachtete sie beim Schlafen. Saber betrachtete sie stundenlang, fragte sich oft, wo sie so lange gewesen war und warum das Schicksal sie erst so spät zusammen geführt hatte. Saber wollte es sich nicht eingestehen, er durfte es ganz einfach nicht. Er war immer noch mit Synthia verheiratet, er brachte es nicht fertig, die Scheidung einzureichen. Immer noch hoffte er, dass sie sich wegen Matthew wieder vertragen würden, aber seit der letzten Mission war das nur noch ein vager Strohhalm, an den sich Saber klammern konnte. Laura verkörperte, ohne es zu wissen, Sabers Sehnsüchte. Er wollte so viele Dinge ausleben, durfte es aber nicht. Seine Auffassung und seine Erziehung ließen es nicht zu.

April fand immer neue Fragen, mit denen sie Saber löchern konnte, während Fireball schweigend daneben saß. Er beobachtete aufmerksam, sein Gesichtsausdruck blieb dabei aber eher teilnahmslos. Als April mit den Fragen eine unsichtbare Grenze überschritten hatte, reckte sich Fireball und rieb sich den Bauch: „Säbelschwinger, wie schaut’s in deinem Kühlschrank aus? Gähnende Leere?“

Verwirrt zog Saber eine Augenbraue nach oben, er hatte gerade über eine unverfängliche Antwort nachgedacht. Er wollte April nicht verletzen, aber preisgeben wollte er auch nichts. Nun hingen seine blauen Augen an Fireball. Er nickte bedächtig: „Hast du bei mir schon mal Hunger leiden müssen? Ich war erst heute Vormittag einkaufen. Es ist alles da, Fireball.“

Nun nickte Fireball mit einem bittenden Blick zu April: „Na, wenn das so ist… Süße, willst du uns schnell was zaubern?“

Ohne Widerworte stand April auf, bedachte Fireball dafür aber mit einem mahnenden Blick. Sie drückte sich an den beiden Männern vorbei und schlich in die Küche. April verstand nicht, weshalb Fireball sie ab diesem Zeitpunkt nicht mehr bei sich haben wollte. Was war so dringlich, wichtig und obendrein noch Männersache, dass April nicht einmal bei ihnen sitzen bleiben durfte? Wollte Fireball am Ende mit Saber über sie beide sprechen? Mürrisch schüttelte April den Kopf, als sie den Kühlschrank öffnete. Nein, Fireball würde nicht mit Saber über seine Beziehung sprechen, Shinji nicht. Es grenzte ja schon an ein Wunder, wenn er mit ihr darüber redete, da würde er wohl kaum einen Dritten um Rat fragen.
 

„Sehr höflich, dass du ihr nicht in den Hintern getreten hast.“, Saber neckte seinen ehemaligen Piloten. Fireball hatte sich äußerst ungeschickt angestellt, April aus dem Zimmer zu bekommen, es wäre auf das selbe hinausgelaufen, wenn er sie direkt gefragt hätte, ob sie die beiden Männer fünf Minuten alleine lassen könnte.

Der Japaner hingegen konnte Saber gerade nicht folgen. Ein unhöfliches wie fragendes „Was?“ verließ deshalb seinen Mund. Mit seinem braunen Augenpaar haftete er an Sabers Gesichtszügen. Der Schotte gefiel ihm nicht. Schon seit sie hier angekommen waren. Manche von Sabers Blicken erschreckten Fireball beinahe zu Tode, weil er darin erkannte, was ihm damals die Lebensfreude genommen hatte.

Der Schotte schüttelte verständnislos den Kopf. Der Rennfahrer war manchmal wirklich ein ungehobelter Klotz. Aber er konnte es Fireball auch nicht verübeln, denn immerhin sah Saber, dass seinem jungen Freund etwas auf der Seele brannte. Um Tadel kam er jedoch nicht herum: „Du hättest sie auch höflich bitten können, uns ein paar Minuten alleine zu lassen, Kleiner.“, spätestens jetzt brannte Saber allerdings die Neugierde unter den Fingernägeln: „Was willst du denn mit mir besprechen?“

Der Schotte kam auf keine brauchbare Idee, was Fireball alleine und unter vier Augen besprechen wollen könnte. Die Geheimniskrämerei war doch seit dem vorletzten Ausflug mit Ramrod abgehakt worden, zumindest hatte Colt das rigoros so entschieden. Saber musterte Fireball aufmerksam, aber er kam trotzdem auf keinen Gedanken. Auf alle Fälle war es jedoch etwas, das nicht einmal April wissen sollte, ansonsten hätte Fireball neben ihr zu reden angefangen.

Fireball linste noch einmal in die Küche, ehe er tief durchatmete und seine Aufmerksamkeit wieder Saber galt. Unschuldig lächelnd zuckte er mit den Schultern: „Wieso? Ich war doch höflich.“

Sabers Lippen umspielte ein kleines Lächeln. In der Hinsicht war bei Fireball Hopfen und Malz verloren. Der junge Rennfahrer mochte hochsensibel sein, aber feinfühlig war er deswegen noch lange nicht immer. Fireball stellte sich ungeschickt an, obwohl er es vielleicht nett meinte. Zum Glück verstanden seine Freunde diese Art, jeder andere wäre sich herumgeschubst vorgekommen.

„Meinst du, es wird so eine nette große Runde, wie beim letzten Mal?“, Fireball verzog das Gesicht, es war deutlich, dass er keine fremden Zuhörer mehr dabei haben wollte. Die nächste Anhörung wurde garantiert brisant, gespickt mit pikanten Details.

Sabers Augenbrauen stießen beinahe zusammen, so verzagt zog er sie zusammen. Diesen sprunghaften Gedanken musste er erst einmal folgen. Wovon sprach Fireball gerade? Saber kniff die Augen zusammen und dachte angestrengt nach. Die Lösung fiel ihm jedoch ziemlich schnell ein. Der Rennfahrer war auf den eigentlichen Grund ihres Besuches zurückgesprungen, dort hakte er noch einmal ein. Saber schob sich im Stuhl leicht nach vor und stützte seine Arme auf den Oberschenkeln ab. Er richtete den Blick zu Boden. Sie beide hatten definitiv den schwarzen Peter gezogen, ob sie es gewollt hatten, oder nicht.

Leise versuchte er, Fireball das aufkeimende Unbehagen zu nehmen: „Die Anhörung wird wohl eher hinter verschlossenen Türen stattfinden. Das ist ihnen zu heikel. Dabei wollen sie bestimmt keine Zuhörer mehr.“

Doch allzu groß konnte das Unbehagen auf Fireballs Seite nicht gewesen sein. Der Rennfahrer lehnte sich wieder zurück und schnaubte: „Da waren andere Sachen heikler!“, das war mal Fakt. Egal, wie sie es drehten und wendeten, Endergebnis würde eine Anhörung am Montag Vormittag sein, so wie es den Anschein hatte, hinter verschlossenen Türen. Aber trotzdem hatte Fireball damit keine Freude. Okay, das Debakel mit fremden Zuhörern war ziemlich sicher ausgeschalten, aber die unangenehmen Themenbereiche blieben. Und das machte den jungen Japaner unruhig und zugleich wütend. Nach all den Jahren wusste Fireball, wie das Oberkommando zu Entscheidungen kam, wer die Fäden hinter dieser riesigen Organisation zog und warum die Wahrheit nicht immer helfen würde.

Unvermittelt flüsterte er Saber entgegen: „Du weißt, dass ich auch lügen würde, Säbelschwinger.“

Wieder war Fireball von einem Gedanken zum anderen gesprungen und Saber hatte wirklich alle Mühe damit, seinem Piloten folgen zu können. Als er die Bedeutung seiner Worte jedoch verstand, schüttelte Saber vehement den Kopf. Nein, sie durften nicht lügen. Auch, wenn der Schotte seinen Rauswurf schon sehen konnte, so durften sie dennoch nicht die Wahrheit verdrehen. Es würde ihnen nur im ersten Moment helfen. Und es war zweifelhaft, ob eine derart große Lüge nicht doch auffallen würde und schlussendlich in einem noch größeren Desaster endete, als es die ganze Angelegenheit ohnehin tat. Außerdem wollte Saber nicht, dass sich ausgerechnet Fireball für ihn einsetzte. Eher sollte es umgekehrt sein, wie Saber schluckend feststellte. Er hätte Fireball helfen und ihn unterstützen müssen, vor Jahren schon. Er würde am Montag lediglich die Strafe für seine Nachlässigkeit und seine Gutgläubigkeit kassieren. Ja, in erster Linie war es Commander Eagle gewesen, der Fireball all das angetan hatte, aber Saber war nur unwesentlich weniger schuld. Er hätte es sehen müssen. Saber hätte es merken müssen. Immer wieder drangen diese Vorwürfe noch nach oben, besonders laut und schmerzlich waren sie jedes Mal wieder, wenn Saber seinen Freund vor einem neuerlichen Abgrund stehen sah. Er würde es sich niemals verzeihen können, einen seiner Freunde derart im Stich gelassen zu haben.

Traurig hob Saber den Kopf. Egal, was er tun und lassen würde, er konnte es nicht mehr rückgängig machen. Und gerade diese Tatsache bescherte Saber neuerdings Bauchschmerzen. Er begann sich immer öfter zu fragen, was wohl geschehen wäre, wie es wohl jetzt um die Star Sheriffs stehen würde, wenn er besser auf den Heißsporn aufgepasst hätte.

Saber war wortkarg geworden. Fireball fiel es deshalb auf, weil sein Boss ansonsten zumindest ‚Ja’ oder ‚Nein’ hervorbrachte. Saber war niemals der Typ Mensch gewesen, der Angebote einfach im Raum stehen ließ, ohne eindeutige Anweisungen zu geben oder zumindest seinen Standpunkt klar zu machen. Es missfiel Fireball, ganz eindeutig. Diese resignierende Haltung an Saber machte ihn beinahe krank vor Sorge. Deshalb versuchte nun Fireball den Schwertschwinger zu beruhigen und ihn aufzubauen: „Naja, wie auch immer. Ich seh zu, dass ich von Dr. Perry meine Gesundmeldung noch bekomme und alles weitere werden wir beide schon ausbaden.“

Wieder quittierte Saber Fireballs Worte mit Schweigen. Ausbaden. Ja, einer würde den Kopf hinhalten müssen. Und die Chancen konnte Saber an einer Hand abzählen. Die hohen Herren im Oberkommando würden mit Sicherheit nicht auf Fireball losgehen. Der Junge hatte weder Rang noch fixen Arbeitsplatz im Oberkommando, wofür wollten sie ihn schon großartig bestrafen? Und Commander Eagle würde für seine netten Umgangsformen eine Strafe erhalten. Aber was auf Ramrod passierte, lag einzig und allein in Sabers Verantwortungsbereich und dafür würde er gerade stehen müssen. Saber hatte keine Angst vor diesem Montag, er stand nach wie vor hinter seinen Entscheidungen. Aber er hatte nicht rechtens gehandelt und hatte viele Dinge einfach verabsäumt. Dafür würde er am Montag seine EDM abgeben müssen und das akzeptierte Saber. Er hatte aufgegeben. Seine Frau hatte ihn verlassen, entzog ihm seinen Sohn, warum sollte er dann nicht auch seinen Job verlieren? Saber stand auf und ging zum Fenster. Gedankenverloren richtete er seine Augen auf den kleinen Garten, in dem Kinder spielten. Würde er seinen Jungen aufwachsen sehen können?

Besorgt erhob sich auch Fireball. Noch einmal riskierte er einen Blick in die Küche, April sollte nicht allzu schnell wieder im Wohnzimmer stehen. Das hier war zu wichtig. Fireball konnte spüren, wie Saber unter der Last schier zusammenbrach. Nur noch ein Tropfen und das volle Fass würde brechen. Oh, wie gut konnte er Sabers Lage nachvollziehen. Bei ihm waren alle Dämme gebrochen, für ihn wäre es damals beinahe zu spät gewesen. Aber für Saber war es noch nicht zu spät. Der blonde Highlander hatte ihm etwas Entscheidendes voraus. Er war von seinen Freunden umgeben. Fireball blieb hinter Saber stehen. Der dunkelhaarige Japaner wusste nicht, wie er es formulieren sollte, deshalb wählte er die einfachsten Worte, die er finden konnte: „Lass es nicht so weit kommen, Saber. Du bist nicht allein, du musst da nicht alleine durch.“, die folgenden Worte brachte Fireball kaum hervor, niemals hatte er darüber gesprochen: „Sei nicht so dumm wie ich. Mach nicht den Fehler, der mich beinahe mein Leben gekostet hätte.“

Solche Töne spuckte der Rennfahrer selten bis gar nicht. Wenn Saber genauer darüber nachdachte, so hatte er so etwas bisher noch gar nicht von Fireball gehört. Verwirrt und auch verdattert drehte er sich dem Japaner wieder zu und musterte ihn. Er hatte so ernst wie leise gesprochen, Saber bezweifelte, dass Fireball nur die Schwierigkeiten im Oberkommando gemeint haben könnte. Fragend hob er deswegen eine Augenbraue.

Fireball atmete tief durch. Es war nicht der richtige Zeitpunkt um schüchtern zu sein und manche Dinge unausgesprochen zu lassen, auch, wenn man sie unter normalen Umständen unter den Teppich gekehrt hätte. Dafür machte sich der verhinderte Rennfahrer zu viele Sorgen um seinen Freund und ehemaligen Vorgesetzten. Fireball fühlte sich, als würde er in einen Spiegel sehen, wenn er Saber in die Augen sah. Ein Spiegel in die Vergangenheit. Das Tor in eine Zeit, in der er am liebsten gestorben wäre, weil er es nicht mehr verkraften hatte können, weil ihm jeglicher Halt gefehlt hatte. Fireball wollte und konnte nicht tatenlos dabei zusehen, wie Saber vor einem ähnlichen Scherbenhaufen seines Lebens niederkniete und aufgab. Er bedachte den Schotten mit einem tröstenden Blick, als er schließlich leise hervorbrachte: „Ich weiß, dass du Matt momentan nicht sehen darfst. Das geht vorbei, Saber. Es wird alles gut, das weiß ich. Weil du nicht alleine bist. Du hast deine Freunde um dich.“, mit einem sanften, aber neckenden Lächeln fügte er hinzu: „Und du hast Laura.“

Verlegen drehte sich der Schotte wieder weg. Laura. Was war sie für ihn? Saber schloss die Augen. Er konnte es nicht zuordnen. Sie war da. Sie war da, als die ersten Anzeichen für das Ende seiner Ehe an der Tür geschrieben standen. Laura war ein Schatten, hielt sich immer höflich im Hintergrund und war dennoch da, wenn Saber oder sonst jemand sie brauchte. Seufzend stieß der blonde Highlander die Luft zwischen den Zähnen aus. Warum nur kam sie ihm immer dann in den Sinn, wenn das einzige, was er wollte, eine zärtliche Umarmung war? Er blickte wieder zum Fenster hinaus. Unbewusst legte Saber die flache Hand auf die Scheibe. Alles Gute war so fern im Moment. Mit belegter Stimme zerschlug er schließlich Fireballs unausgesprochenen Ängste: „Ich weiß. Mach dir keine Sorgen, Fire.“

Die Antwort hatte zu lange auf sich warten lassen, um noch ehrlich oder glaubwürdig zu sein. Fireball hielt es für unklug, es gelten zu lassen. Wie oft hatte er seinen Freunden diesbezüglich ins Gesicht gelogen, nur weil er niemandem an seinem Schmerz teilhaben lassen wollte, ihn niemanden sehen lassen wollte? Alle Anzeichen standen bei Saber auf Sturm, und der Schotte schien noch nicht mal eine Schwimmweste mit an Board genommen zu haben. Wieder rang sich Fireball dazu durch, etwas auszusprechen, was er sonst niemals freiwillig ausgeplaudert hätte. Er legte behutsam eine Hand auf das Fensterbrettchen neben Saber und richtete seine braunen Augen aufmerksam auf den Schotten, als er ihm anriet: „Du weißt, dass ich mir nicht grundlos um etwas Gedanken mache, Saber. Bitte“, eindringlich blickte er nun in Sabers Augen: „bitte tu dir selbst den Gefallen und lass dir helfen. Das heißt ja nicht, dass du jedem erzählen musst, weshalb du Hilfe brauchst. Wir helfen dir auch ohne einen ausgesprochenen Grund.“

Die gewünschte Reaktion von Saber blieb allerdings aus. Bekümmert schüttelte Fireball den Kopf. Wieder riskierte er einen kurzen Blick zu April. Das sollte sie nun wirklich nicht hören. Fireball deutete auf sich: „Sieh mich an, Saber, und sag mir, dass du so enden willst, wie ich.“, Fireballs Blick wurde plötzlich bittend: „Niemand, vor allem aber nicht du, sollte alleine durch eine solche Hölle auf Erden gehen. Also bitte fahr in die Box, bevor dir der Reifen platzt. Sei nicht so blöd, wie ich es war!“

Eindringlicher und gleichzeitig schockierender hätte Fireball seine Angst nicht formulieren können, denn Saber zuckte merklich zusammen. Der kleine Japaner hatte Saber deutlich vor Augen geführt, was unweigerlich auf ihn zukommen würde, wenn er weiterhin versuchen würde, alle Probleme allein bewältigen zu wollen. Fireball hatte niemals bewertet, was ihm widerfahren war, aus seinen Erzählungen war man nie wirklich schlau geworden. Das hatten alle irgendwann einsehen müssen. Doch nun hielt Fireball ihm eine Tür in die Zukunft auf. So würde seine Zukunft aussehen, wenn er weiterhin alles alleine regeln wollte, niemanden um Hilfe bat. Auch Saber würde vor einem Abgrund stehen und wenn er Pech hatte, entschied er sich für den Sprung in die Tiefe.

Er musste seine Lage offensichtlich zur Schau gestellt haben, denn sonst hätte Fireball keine Angst um ihn bekommen. Saber straffte seine Haltung, versuchte seine Fassade wieder aufzubauen. Mit einem kleinen Lächeln im Gesicht, versuchte er ein weiteres Mal Fireballs Sorgen zu zerschmettern: „Ich werde nicht das selbe durchleben, wie du.“, milde und dankbar legte er Fireball seine Hand auf die Schulter: „Ich weiß, dass ich mich auf meine Freunde verlassen kann. Ich weiß, dass ihr da seid, wenn ich euch brauche.“

Fireball nickte Saber lediglich kurz zu. Die Nachricht war angekommen. Seit New Witchita hatte sich vieles geändert, wie Fireball neuerlich feststellte. Saber und er waren gute Freunde. Doch mehr noch als die berufliche Zusammenarbeit verband sie mittlerweile die Tatsache, dass sie beide nicht immer sagten, was sie tatsächlich meinten. Vor allem nicht, wenn es um persönliche Anliegen und Ängste ging. Der Rennfahrer und der Schotte waren in vielerlei Hinsicht nicht so verschieden, wie es oft den Anschein hatte.

Saber schmunzelte leicht. Diese kindliche Unbeholfenheit, die Fireball in diesen Dingen eigen war, machte es dem Schotten unmöglich, ihn nicht ernst zu nehmen. Denn auch, wenn Fireball nicht wusste, wie er manche Themen ansprechen oder formulieren sollte, gerade dadurch wurde seine Sorge und Fürsorge offensichtlich. Saber schätzte sich glücklich, in Zeiten wie diesen seine Freunde um sich zu haben.
 

„Ich hab gehört, meine Arbeitserlaubnis würde bei Ihnen auf dem Tisch liegen, Sir.“, Fireball hatte die Tür zu Commander Eagles Büro noch geschlossen, bevor er etwas gesagt hatte. Momentan hatten sogar die Wände im Oberkommando Ohren, da musste man nicht noch mehr Risiko eingehen.

Wieder stand der ehemalige Pilot im Büro und fühlte sich sichtlich unwohl. Erinnerungen suchten ihn in diesem Zimmer heim, Angst einflößende Erinnerungen. Obwohl sein letzter Besuch bei Aprils Vater durchaus positiv verlaufen war, stand Fireball nun unschlüssig neben der geschlossenen Tür und wusste nicht recht, ob er nicht doch gleich wieder gehen sollte. Nachdem sie mit Saber und auch mit Laura, die endlich mal wieder pünktlich aus der Arbeit gekommen war, zu Abend gegessen hatten, hatte Fireball seine Freundin noch gebeten, ihn zum Oberkommando zu fahren. Fireball wollte die Arbeitserlaubnis und die Gesundmeldung noch vor dem Wochenende erledigt wissen.

Der Commander nickte müde und bot Fireball einen Platz an: „Setz dich, Shinji. Ich muss sie erst suchen.“

Charles arbeitete die letzten Berichte seiner Schützlinge auf, er wollte alles erledigt wissen. An diesem Vormittag war man an ihn herangetreten, er war am Montag ebenfalls zur Befragung eingeladen worden. Aprils Vater wusste nicht, wie lange er noch an diesem Schreibtisch sitzen würde. Aber er wusste, dass er seinem Nachfolger keine unaufgearbeiteten Fälle liegen lassen wollte. Er war müde geworden. Mittlerweile hatte sich Charles damit abgefunden, was ihm als letzte Konsequenz aus den letzten Jahren blühen könnte. Und es wäre nur fair. Deshalb war er diese Arbeit nun leid. Nach Jahren ging Commander Eagle mit Klarheit und Sachlichkeit an seine Aufgabengebiete heran und das war es, was ihn resignieren ließ. Charles schloss den Stift und sah zu Fireball auf.

Die Star Sheriffs, seine Kinder, hatten nicht unrecht gehandelt. Sie waren die beste Einheit im Oberkommando. Niemand durfte sich das Recht herausnehmen, und diese vier jungen Menschen verurteilen. Charles schluckte schwer. Nichts anderes hatte er über all die Jahre mit Fireball gemacht. Aber nun, da er es endlich einsah, fragte er sich unweigerlich, um wie vieles besser die vier wohl gearbeitet hätten, wenn er Fireball wie den Sohn seiner Freunde behandelt hätte und nicht wie den Mitschuldigen an einem Mord. Die vier hatten immer hervorragende Arbeit geleistet, sogar jetzt taten sie es noch, obwohl sie es zum Teil nicht mehr durften.

Charles dachte an das kürzlich geführte Telefonat mit General Whitehawk zurück. Der Ausbilder des Oberkommandos war nicht minder überrascht gewesen, als Commander Eagle ihn darum gebeten hatte, Fireballs Arbeitserlaubnis nachträglich zu verlängern und die erste Version zu vernichten. Er hatte dem alten Indianer angesehen, dass er Fragen hatte. Es war fraglich, ob General Whitehawk noch lange stillschweigend alles hinnehmen würde. Aber vorerst hatte er ohne zu fragen die neu ausgestellte und verlängerte Versetzungsurkunde für Fireball ausgestellt. Irgendwo musste sie doch sein. Charles begann in seinen Akten zu suchen, die Unterlage hatte er vor einigen Minuten doch noch in Händen gehabt. Dieser verdammte Papierkram. Immer wieder verschwanden Zettel spurlos, nur um später in einem anderen Akt wie von Zauberhand wieder aufzutauchen.

Fireball setzte sich unterdessen doch auf den angebotenen Platz. Er sah dem Vater seiner Freundin dabei zu, wie er in einem Berg von Zetteln nach einem ganz bestimmten forschte, ihn aber bislang nicht auffinden konnte. Die Stille im Büro behagte Fireball nicht sonderlich. Er war im Augenblick wieder angespannt, nicht nur die Sache mit Saber machte ihm zu schaffen, auch das berufliche und private Niemandsland, in dem sich Fireball derzeit befand, stellte eine enorme Unsicherheit für den Japaner dar. Die unangenehmen Fragen am Montag machten es auch nicht besser, wie Fireball grummelnd feststellte. Als Commander Eagle im Begriff war, über die Arbeitserlaubnis einfach drüber zu schauen, schnellte Fireballs Hand nach vor und schob sich zwischen die Schriftstücke. Er zog den Zettel hervor und lächelte: „Hab sie schon.“

Erstaunt ließ Charles von dem Stapel ab und musterte Fireball. Anerkennend nickte er schließlich: „Du hast gute Augen, Junge.“

Fireballs Lächeln hielt nicht lange an. Verunsichert ließ er den Blick über die Fläche des Tisches gleiten, während er das Papier faltete und in der Hosentasche verschwinden ließ. Es war für den ehemaligen Rennfahrer immer noch mit einem schalen Beigeschmack behaftet, was Commander Eagle sagte. Er konnte kein Lob und keine nett gemeinten Worte von Charles annehmen. Auch, wenn seine Vernunft dazu appellierte, so saß ihm doch immer noch ein Knoten auf der Brust, wenn er vor Aprils Vater treten musste. Eigentlich konnte er nun wieder gehen. Er hatte von Commander Eagle bekommen, was er gebraucht hatte. Doch Fireball war unschlüssig. Er stemmte sich bereits mit den Händen gegen die Stuhllehnen um wieder aufzustehen, doch er war nicht dazu in der Lage, gleich wieder zu gehen. Ernst erklärte er Eagle dann doch noch: „Saber steckt in der Klemme, Commander Eagle.“

„Du steckst genauso in der Klemme, Shinji.“, dabei wies Charles auf die Hosentasche, in der sich die Arbeitserlaubnis befand. Sie war verlängert worden, ohne nachzufragen. Und offenbar hatte auch der Sohn von Hiromi und Shinji völlig vergessen, was diese Bestätigung für ihn bedeutete. Nicht nur Saber stand am Montag auf der Abschussliste im Oberkommando. Auch Fireball. Die Arbeitserlaubnis war hochoffiziell, also waren auch Fireballs Verfehlungen im Dienste des Oberkommandos offiziell. Aber vor Sorge um den Freund hatte Fireball das aus den Augen verloren.

Fireball drehte sich zur Tür. Nun wurde ihm klar, dass Aprils Vater Recht hatte. Auch er hatte nun ein Problem an den Backen, nicht nur Saber. Allerdings, und so zertrümmerte er die aufkeimenden Ängste, waren die im Gegensatz zu Sabers zweitrangig. Gleichzeitig hieß das aber auch, dass er sich als Kavallerist verantworten musste und Ramrod gar nicht unbefugt geschrottet hatte. Zumindest nicht, solange dem Ausschuss nicht noch andere Dinge einfielen. Er traute sich fast nicht, aber zu guter letzt brachte er es doch noch heraus. Fireball hielt bereits die Klinke in der Hand, als er dem Commander bittend in die Augen sah: „Helfen Sie uns, Commander. Wir haben nichts unrechtes getan.“
 

Colt steckte seine Robin unter eine dicke Wolldecke und zeigte seiner Liebsten somit deutlich, was er von ihr in den nächsten Stunden erwartete. Er hatte sie vom Arzt abgeholt, war ihr auf dem Gang schon um den Hals gefallen und war mit ihr noch in ein nettes Restaurant gegangen. Nun war es an der Zeit, Jessica in die Falle zu bringen und den Tag ausklingen zu lassen. Colt hauchte Robin noch einen Kuss auf die Wange und brachte anschließend seine Tochter in ihr Zimmer nach oben.

Auch die weibliche, kleine Ausgabe des Cowboys wurde unter die Decke gesteckt. Colt setzte sich zu Jessica ans Bett und las ihr noch eine Geschichte vor. Die kleine schmiegte sich dabei an den rechten Arm des Scharfschützen und legte ihren Kopf darauf. Immer wieder blickten die großen Kinderaugen zu ihrem Vater auf. Sie strahlten und gleichzeitig wurden sie mit jedem Aufsehen müder. Colt schenkte Jessica immer wieder ein warmes Lächeln. Er liebte seine Tochter. Sie war ein braves Kind. Klar, sie hatte ihn voll im Griff, aber welches vierjährige Kind hatte ihren Vater nicht im Griff? Diese unschuldigen Blicke, die Jessica ohne weiteres hervorbrachte, wenn sie etwas haben wollte. Die hatte sie eindeutig von ihrer Mutter. Robins Augenaufschlag machte ihn jedes Mal wieder schwach.

Als Jessica eingeschlafen war, legte Colt sein kleines Mädchen so ins Bett, wie es sich gehörte. Aber er stand nicht auf. Er sah der kleinen noch eine ganze Weile beim Schlafen zu. Aber mit den Gedanken war er ganz wo anders. Für den Kuhhirten war dieser Tag aufregend gewesen. Nicht nur, dass seine Frau Zwillinge erwartete, auch dass Saber vor einen Ausschuss treten musste, war für Colt eine Belastung gewesen. Der Scharfschütze war nicht auf den Kopf gefallen. Dem Schotten blühte am kommenden Montag sein blaues Wunder. Und er hatte auch gesehen, dass Saber trotz der Tatsache, seine Freunde in diesem Augenblick alle auf seiner Seite zu haben, nicht ganz so bei der Sache war, wie sonst auch. Ihn bedrückte etwas. Colt nahm sich fest vor, mit Saber nach der Anhörung darüber zu sprechen, denn vor Montag brauchte er nicht damit rechnen, den Säbelschwinger noch einmal zu sehen.

Seine Gedanken wanderten weiter, einen Stock hinunter, zu Robin Seine Frau erwartete zwei kleine Jungs. Colt konnte es noch gar nicht fassen. Robin würde ihm zwei kleine Cowboys schenken. Sie wusste gar nicht, wie glücklich sie ihn damit machte. Klar, er hätte sich ebenso über ein Kind gefreut und auch über ein weiteres Mädchen, aber zwei Jungs waren bombastisch. Leise stand Colt auf und ging zum Fenster. Er blickte nach draußen und dachte über sein Leben nach. Es war so großartig wie niederschmetternd gewesen. Eine einzige Achterbahnfahrt. Colt stützte die Hände auf dem Fensterbrett ab und blickte auf die Allee, die zu ihrem Anwesen führte, hinunter. Die Blätter tanzten im Wind. Im jungen Erwachsenenalter hatte Colt seine Eltern durch die Outrider verloren. Nun aber hatte er selbst eine kleine, glückliche Familie. Sie würden bald zu fünft sein. Seit Colt zu den Star Sheriffs gestoßen war, hatte sein Leben eine glückliche Wandlung genommen. Stetig war es mit dem ehemaligen Kopfgeldjäger bergauf gegangen. Und nun stand er hier und glaubte, alles in seinem Leben erreicht zu haben, wofür es sich zu kämpfen lohnte. Nichts anderes hatte Colt immer gewollt. Er stand mit beiden Beinen im Leben, umgeben von Freunden und Familie.

Glücklich seufzend drehte er sich vom Fenster weg und verließ das Kinderzimmer. Er wollte noch einen gemütlichen Abend mit Robin verbringen. Ob sich die zwei kleinen Racker schon bewegten?



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  Sannyerd
2008-10-23T19:39:17+00:00 23.10.2008 21:39
lol geil geil geil..."die dicke Taube" man ich lag auf dem boden...

klasse
Von: abgemeldet
2008-10-21T16:42:50+00:00 21.10.2008 18:42
Colt ist ja soooooooooo süß. :-)
Wie du seine Reaktion eingefangen hast, hat mir sehr gut gefallen. Da haut´s ihn einfach aus den Socken.

Tolles Kapitl und ich hoffe, das du schön brav weiterschreibst *gg*

Ganz Liebe Grüße
Von:  Sannyerd
2008-10-20T17:53:50+00:00 20.10.2008 19:53
Hy liebes, toll das es weitergeht, ich komme leider heute nicht mehr dazu es zu lesen *heul* aber lass dir ruig zeit mit dem schreiben, das real life ist wichtiger, nicht das ich sagen möcht FFs sind NICHT WICHTIG *nönönö* das soll e snu net heißen...

knuddel schöööön wieder was von dir zu hören, meld mich dann nochmal wenn ich es gelesen habe...

knuddel


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