Zum Inhalt der Seite

Ich bin nicht schwul!

Die intersubkulturelle WG
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Spielchen

Schon seit gut und gerne einer dreiviertel Stunde gurkte ich durch die endlose Welt der Kriegskunst. War schon verrückt, wie viel Zeit und Geld man in etwas investieren konnte, das irgendwie gar nicht als notwendig erschien. Aber, hey, Kunst war auch nicht notwendig, und wie viel Geld ging jährlich auf irgendwelchen Auktionen für mit Farbe bespritzte Leinwände über den Tisch?

Und für Leute wie mich war WoW notwendig. Lebensnotwendig.

Nein, ich war keiner von den spießigen Nerds, die nichts anderes tun, als vor ihrem PC zu hocken und das Spiel mit der Realität verwechseln, bevor hier irgendwer falsche Vermutungen anstellte. Aber ich war schon irgendwo abhängig. Das gab ich ganz offen zu und das war mir auch nicht peinlich. Computerspiele waren meine Zigaretten. Ab und zu hatte ich es eben nötig, genau wie ein Gelegenheitsraucher seinen Glimmstängel, um eine bestimmte Situation zu verarbeiten. Und WoW war mein Fernseher, meine sinnlose Reality-Talkshow. Jemand, der noch nie ein MMOG gezockt hatte, konnte nicht erahnen, wie wunderbar das sein konnte und welche kommunikativen Möglichkeiten sich neben dem eigentlichen Spiel eröffneten. Ich meine, wo außer im Internet war es möglich, gemeinsam mit einem Kanadier, zwei Israelis, drei Amis, einem Mexikaner, Ukrainer, Italiener, Japaner, Südkoreaner und einem Deutschen zusammen auf freundschaftlicher Basis Scheiße zu bauen und gemeinsam in den Krieg gegen ultrafiese Bösewichte zu ziehen?

Gestaltete sich in der realen Welt meiner Ansicht nach etwas schwierig.

In WoW bildeten wir eine Gilde, waren ein Zockerherz und eine Zockerseele, hielten fest zusammen und griffen einander ohne zu fragen unter die Arme. Auch in privaten Dingen, so hatte ich mich zum Beispiel per Chat um unseren kanadischen Nachtelfen gekümmert, als der im realen Leben Probleme mit seinen Eltern hatte, die sich gerade trennten. Das Internet war nicht so böse, wie alle immer taten. Es erzog uns nicht zu Amokläufern und auch nicht zu emotionalen Krüppeln, die zu keinen zwischenmenschlichen Kontakten fähig waren. Wer sagte denn, dass zwischenmenschliche Kontakte zwingend mit physischer Präsenz verknüpft waren? Klappte auch prima ohne. Jedenfalls meiner Meinung nach, und ich musste es wissen.
 

Eine Chatnachricht riss mich aus meinen Gedanken.

Ich wanderte gerade über eine weite, mit wenigen Büschen bewachsene Wiese, als ein altbekannter Charakter meinen Namen über das Gebiet schrie.

Mehr war nicht nötig. Ich grinste und setzte mich in Bewegung. Ich wusste genau, was er wollte.

Nur Sekunden später tauchte am Bildschirmrand Terac auf, ein Tauren-Schamane auf Level 39. Ich lächelte, und obwohl ich ihn ja nicht sehen konnte, war ich mir sicher, dass er das auch tat. Mit ein paar Befehlen schickte ich meinen Zwergenkrieger in den Angriff, und Gnarl stürzte sich todesmutig auf den riesigen Stierschädel.

So wie schon bestimmt dutzende Male zuvor. Terac und ich standen uns häufig gegenüber, uns verband eine Art freundschaftliche Feindschaft. Wir zogen uns gegenseitig auf, griffen uns immer wieder gegenseitig an, egal ob in den Player-vs.-Player-Landschaften wie jetzt oder in den Arenen als Teil von gegnerischen Teams. Und wir waren uns absolut ebenbürtig. Beide kannten wir Schwächen und Stärken unserer Charaktere und wussten sie genau zu nutzen. Jeder hatte die Situation voll im Griff, und keiner von uns konnte wissen, ob er heute Sieger oder Verlierer sein würde.

Kurz, es war eine Freude, sich mit ihm zu duellieren.

Jedes Mal aufs Neue.

Und das hier war auch der einzige Punkt, in dem ich von meiner Gilde keine Hilfe wollte. In Kämpfe mit Terac ging ich grundsätzlich ohne Rückendeckung. Es war Ehrensache.
 

Während ich gerade damit beschäftigt war, einem seiner Zauber auszuweichen, hörte ich mit dem Ohr, das nicht vom Headset blockiert war (immerhin musste ich für meine Leute immer erreichbar sein, egal ob die im Spiel oder die in der Realität), wie es unten an der Tür klingelte. Sekunden später schallte Gias Stimme durch die WG, so durchdringend, dass ich trotz Spielgeräuschen und geschlossener Zimmertür jedes Wort verstand.

„Wulf! Deine abnormen Freunde sind da!“

Aha. Unser Hopper hatte Besuch. Na, hoffentlich gingen die zusammen irgendwohin, es gab doch bestimmt irgendeine Party oder irgendein Autorennen, meinetwegen auch irgendwas Illegales, das sie nicht verpassen durften. Hauptsache, sie gingen.

Denn wenn sie da waren, war es immer entsetzlich laut, sie waren einfach so erdrückend präsent, wie ein ungeliebter, tyrannischer Eroberer. Auch wenn ich häufig das Gefühl hatte, dass eher ein unterentwickeltes Ego und ein krankhaftes Geltungsbedürfnis Ursache dieses unmöglich intoleranten Verhaltens waren.

Ganz schlimm war es, wenn irgendein Fußballspiel im Fernsehen übertragen wurde. Dann trafen sie sich bei irgendwem zu Hause, eingedeckt mit Fanartikeln, Snacks, dem Bestellflyer des Pizzaservices und jeder Menge Bier.

Auch unsere Wohnung hatte unter diesen Fußballbesuchen zu leiden. Dann pflanzten sich gut und gerne bis zu zwanzig Anhänger der HipHop-Szene, die gleichzeitig auch auf Fußball standen, in unser Wohnzimmer vor den großen Fernseher, schrieen, grölten und stöhnten im Chor, dass man meinte, da unten säße ein gigantisches Tier, und nicht eine Gruppe junger Männer, und verpesteten unsere Luft mit ihren Alkoholfahnen. Und mit zunehmendem Biergenuss wurden auch die Kommentare immer unflätiger, sodass Mi es nicht mehr allein im unteren Stockwerk aushielt und verängstigt zu Gia nach oben flüchtete, sobald auch nur zu erahnen war, dass Wulfs Freunde zu Besuch kamen.

Denn wenn sie da waren und blieben, dann ging Sev irgendwohin. Er war zwar auch leidenschaftlicher Fußballgucker, mochte sogar den gleichen Verein, mied aber geflissentlich die Gesellschaft der „abgestumpften Schweine“, wie er sich auszudrücken pflegte.

Mal ganz ehrlich, das größte Schwein hier war doch wohl er?!

Wer sonst schleppte dauernd eine andere Sexgeschichte ab, kümmerte sich nicht darum, ob seine Bettgenossen vielleicht auch Gefühle für ihn hatten, war egoistisch bis zum Letzten und nicht selten ein solches Arschloch, dass mir die Haare zu Berge standen.

So wie vorhin beispielsweise.

Mir wurde immer noch flau im Magen, und ich spürte immer noch die unterdrückte Wut, wenn ich an sein Verhalten vom Abendessen dachte.

„Miese Ratte…“, murmelte ich vor mich hin und versetzte Terac auf dem Bildschirm einen ganz besonders heftigen Schlag mit einer meiner Spezialfähigkeiten.
 

Mit einem leisen Klappen ging meine Zimmertür auf.

„L-linux? Da-darf ich zu dir kommen…? Weil…“

Emily stand in der Türöffnung und druckste herum.

„Setz dich, aber stör mich nicht“, war mein trockener Kommentar.

Ich wusste schon, warum sie jetzt zu mir gekommen war. Gia war nicht in ihrem Zimmer, Severin mit großer Wahrscheinlichkeit getürmt und in irgendeinen Club gegangen, nachdem er von unserem Alphaweibchen in der Küche wegen der Aktion mit mir so zusammen geschrieen worden war, und unten lungerten noch immer die Hopper herum. Und immerhin kam sie mit mir noch ganz gut aus. Na ja, eher gesagt, wir waren im Koexistieren ganz gut.

Mi quietschte freudig, pflanzte sich in Ermangelung eines bequemeren Sitzplatzes (Tschuldigung, aber ich besaß halt kein Sofa) auf meinen zweiten Schreibtischstuhl, knipste die kleine Stehlampe an, die meine Arbeitsfläche beleuchtete, und begann in dem Buch zu lesen, das sie sich mitgebracht hatte.

Ich konnte mir es gerade nicht erlauben, die Augen von der Mattscheibe zu lösen, sonst hätte ich sicherlich einen Blick auf den Titel geworfen. Aber mit Sicherheit war es wieder irgendeine dramatische Romanze, sodass Emily früher oder später eine Packung Taschentücher brauchen würde.

Unten hörte ich, wie Wulf jeden seiner Freunde einzeln mit irgendeiner Abwandlung des Satzes „Yo man, was geht, Alter?“ und einem spezifischen Handschlag begrüßte.
 

Wir schlugen uns nun schon gut zehn Minuten. Bei einer Durchschnittskampfdauer pro Gegner von geschätzten fünf Sekunden bekam man eine ungefähre Ahnung, dass das, was wir hier abzogen, etwas Besonderes war.

Er attackierte, ich wich aus, schickte meinen Zwerg in den Angriff, der geblockt wurde, und so weiter. Es war ein Spiel im Spiel, dem wir in etwa einmal pro Woche frönten. Manchmal auch öfters, dann aber wieder ein paar Wochen gar nicht.
 

Plötzlich machte er kehrt und rannte davon.

Jeder andere hätte das als feigen Versuch, der Niederlage zu entkommen, gewertet und wäre ihm gefolgt. Ich wusste, dass die Flucht unser Zeichen dafür war, dass dem anderen etwas in die Quere gekommen war und er das Spiel verlassen musste beziehungsweise anderswo gebraucht wurde.

So war es auch. Am Bildschirmrand blieb er stehen, hob eine Hand und winkte. Ich winkte zurück, und er raste davon. Ja, in WoW konnte man seinen Charakter winken lassen. Diese so genannten Emotes waren ungemein praktisch, da du dich mit der gegnerischen Fraktion sonst überhaupt nicht unterhalten konntest. Na ja, jedenfalls nicht mitten im Spiel.
 

Ich seufzte und lenkte Gnarls Schritte in die entgegen gesetzte Richtung. Eigentlich hatte ich jetzt gar keine Lust mehr, noch weiter zu zocken, aber ich musste wenigstens nachsehen, ob meine Gilde mich nicht brauchte.

Mi blickte von ihrem Buch auf.

„Was ist denn, Linux?“, fragte sie schüchtern, denn immerhin hatte ich ihr ja gesagt, sie solle mich nicht stören. Aber jetzt störte sie ja nicht, jetzt lief ich ja nur über irgendeine langweilige Landschaft.

„Nichts, ich hab mich nur grad von nem Freund verabschiedet.“

Das Emomädchen machte große Augen, was von dem vielen schwarzen Kajal drum herum nur noch betont wurde.

„Freund? Aber… du hast doch grad gegen so ein Monster gekämpft…“

Ich lächelte und nickte, ohne sie anzusehen.

„Ja, das Monster war mein Freund.“

Das war noch nicht mal gelogen. Ich hatte zwar keine Ahnung von dem Menschen hinter dem Account, aber ich wusste, dass ich ihn irgendwie mochte. Und er mich auch, sonst würden wir uns wohl kaum so oft treffen. Woher wusste ich eigentlich, dass das ein Mann war, gegen den ich da spielte? Ich wusste es nicht. Aber irgendwie hatte ich es im Gespür. Oder, anders ausgedrückt, ich konnte es mir einfach nicht vorstellen, dass hinter Terac ein Mädchen steckte.

„Oh Mann, du bist echt komisch.“, ertönte es da von der Seite, und ich unterbrach meine Überlegungen.

„Wieso?“, fragte ich Mi, während ich Gnarl um eine Felsformation herumsteuerte, immer darauf gefasst, von irgendetwas angesprungen zu werden.

„Prügelst dich mit deinen Freunden im Internet. Jetzt weiß ich auch, warum Gia und du euch immer gegenseitig den Schädel einschlagen müsst: Diese dummen Onlinespiele sind Schuld!“

Ich drehte mich stumm zu ihr um, blinzelte und starrte sie zwei Sekunden lang bewegungslos an.

Dann begann ich schallend zu lachen.

Dieses Mädchen dachte wohl immer um zwei Ecken!
 


 

Einen Tag später saß ich summend neben Gia im Bus, der uns zu einem der öffentlichen Parks brachte, den MP3-Player-Stöpsel im Ohr. Zwischen meinen Füßen stand eine Anglertasche, über deren Gewicht sich jeder Angler gewundert hätte. Gia, die mit angezogenen Beinen auf ihrem Sitz hockte, kicherte immer wieder leise vor sich hin.

Es war Freitagnachmittag, mein vorlesungsfreier Tag, und Gia hatte ebenfalls regulär nur fünf Stunden Schule.

Eigentlich wollte ich es vermeiden, jetzt schon blöd angestarrt zu werden, aber dem Opa mit dem kleinen Hund, der uns gegenüber saß, fiel es gar nicht erst ein, seine Augen von uns zu nehmen.

Okay, zugegeben, für ihn waren wir wahrscheinlich ein so alltäglich uninteressanter Anblick wie Aliens.

Da saß ein junger, blondgelockter Mann mit einem fünf Zentimeter langen Zöpfchen als Kinnbart, das unten von einer winzigen Holzperle zusammengehalten wurde, der trotz der schon fast sommerlichen Temperaturen so etwas wie eine steife, ärmellose Steppjacke trug und sich lederne Stulpen um den Arm gebunden hatte. Daneben ein recht muskulöses Mädchen mit langen, glatten braunen Haaren, einem eng auf die Figur geschnittenen T-Shirt mit der schmutzigroten Aufschrift ‚Gewalt ist eine Lösung’, schwarz lackierten Fingernägeln, einem Stacheldrahthalsband (das aus Gummi war, was beim Betrachten aber niemand vermutete) und verspiegelter Sonnenbrille.

Beide trugen schwarze Lederhosen, die in kniehohen, militanten Stiefeln steckten.

Und die eine kicherte wahnsinnig, während der andere in einer boshaften Sprache vor sich hin sang (Norwegisch).
 

Wirklich, wir waren eine echte Gefährdung des Allgemeinwohls.

Nur gut, dass der alte Gaffer mit seinem kläffenden Drecksköter keine Ahnung hatte, was wir in der Anglertasche wirklich transportierten. Sonst hätte er mit großer Wahrscheinlichkeit die Polizei gerufen.
 

Mit einem freundlichen Lächeln zum Busfahrer stiegen wir an unserer Haltestelle aus.

Gia streckte sich lachend.

„Langsam sollten die Leute sich doch an uns gewöhnt haben… immerhin kommen wir oft genug her“, fotzelte sie.

Ich konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen.

„Ja, klar, sie alle warten nur darauf, dass wir wieder auftauchen, um uns in die Arme zu schließen“, erwiderte ich und setzte mich zielstrebig in Bewegung.

Meine Stimme triefte vor Sarkasmus.

Sie hatte zwar Recht, aber die Tatsache, dass wir jeden zweiten Freitag und manchmal am Wochenende diesen Park aufsuchten, machte uns für die restlichen Spaziergänger, Hundeausführer und Parkbankdrücker nicht zwingend sympathischer.

Wir waren die zwei Freaks, die mit einer Anglertasche in den Wald stürmten. Was wir dort wollten, war garantiert eines der Gesprächsthemen der lästernden Rentnerinnen in der kleinen Laube am Rand des Hauptweges, die nach dem Kaffeekränzchen ihr Altenheim verließen, um im Park Leute zu bespannen, die ihr Leben noch vor sich hatten.
 

Heute saßen sie schon wieder da, als wir ihnen gegenüber in einen kleinen Trampelpfad einbogen und uns ein paar Meter weiter ins Unterholz schlugen.

Was wir hier wirklich taten, musste nicht unbedingt jemand sehen.
 

Plötzlich hörte das Gestrüpp auf, und wir standen auf einer kleinen, vielleicht acht Meter im Durchmesser zählenden, natürlichen Lichtung. Der Boden war bemoost und federnd, aber nicht weich und auch ziemlich frei von Steinen. Für unsere Zwecke also ideal.

Ich warf die Anglertasche von mir und fixierte Gia lauernd.

Sie ging leicht in die Knie, die Sonne brach sich in ihren Brillengläsern. Ein zähnebleckendes Lächeln ihrerseits sagte mir, dass in ihr die Vorfreude ebenso hoch kochte wie in mir.

„Na komm schon, fang mich!“, forderte sie mich auf und knurrte mich an.

Das ließ ich mir nicht zweimal sagen. Ich machte einen Satz nach vorne, auf sie zu, und sprintete los, als sie mir mit flinken Sprüngen entwischte. Ich hetzte sie über die ganze Lichtung, versuchte, ihr den Weg abzuschneiden, während sie mir Haken schlagend immer wieder auswich. Bei dem Anblick ihrer Fluchtmanöver wäre jeder Hase neidisch geworden.

Schließlich trieb ich sie in die Enge. Zwischen den beiden Himbeersträuchern konnte sie mir nicht entkommen, denn der einzige Weg führte an mir vorbei, wenn sie sich nicht verletzten wollte.

„Ergibst du dich?“, fragte ich sie heiser.

Doch sie lachte mir nur frech ins Gesicht.

„Nein!“

Gia duckte sich und schnellte wie eine Stahlfeder auseinander, sprang nach oben, packte einen Ast und ich sah nur noch die Sohlen ihrer Springerstiefel auf meinen Brustkorb zurasen, ehe ich nach Luft schnappend im Gras lag und sie über mich hinweg sprang.

Am anderen Ende der Lichtung blieb sie stehen.

„Hat’s sehr wehgetan?“

Ich knurrte verhalten und richtete mich wieder auf.

„Das kriegst du zurück…“

Mit Adrenalin abgefüllt bis zum Hals stapfte ich zu der Anglertasche zurück.

„Bist du warm?“, rief ich dabei in ihre Richtung.

„Jepp, meinetwegen können wir anfangen.“

„Gut“, war mein Kommentar, und ich öffnete den Reißverschluss.

„Schnapp!“

Gia reagierte augenblicklich, als sie meinen Ausruf hörte und das stählerne Blitzen in der Luft sah. Geschickt fing sie das Schwert auf und warf einen kurzen Blick auf die knapp einen Meter lange Klinge. Sie war stumpf und vorne abgerundet, eine so genannte Fechtfeder, ein Trainingsschwert.

Auch ich zog meine nach dem gleichen Prinzip aufgebaute Waffe aus der Anglertasche und stellte mich Gia gegenüber auf.
 

Nein, wir taten hier nichts Unanständiges.

Aber ganze legal war es nicht.
 

Zwei Stunden und viele blaue Flecken später warf Gia ihr Schwert weg und ließ sich heftig keuchend ins Moos fallen. Ich rammte meine Klinge senkrecht in den Boden und folgte ihrem Beispiel.

„War gut heute.“

„Hmm…“

Erschöpft starrten wir beide in den blauen Himmel, wo ein paar Schäfchenwolken über uns hinweg zogen. Jeder lauschte dem Atem des anderen und dem langsam wieder einsetzenden Vogelgezwitscher in den Bäumen um uns herum, jetzt, da das Klirren von Stahl auf Stahl aufgehört hatte.

„Wir sollten die enge Mensur noch mal üben, da verhasple ich mich immer und komm nicht mehr von dir weg“, meinte sie leise.

„Hmm…“, ich brummte nur, gedanklich leicht abwesend.

Sie richtete sich halb auf und stützte sich auf einem Ellenbogen ab, um mir ins Gesicht zu schauen.

Ich schwieg.

„Woran denkst du, Linux?“

„Häh?“

Blinzelnd fand ich beim Klang meines Namens in die Realität zurück.

Sie kicherte

„Woran du denkst, Schnarchnase!“

„Weiß nich.“

An meine Exfreundin, aber das wollte ich ihr nicht auf die Nase binden. Sie wusste von dem Desaster nichts, und das war gut so. Ich konnte jetzt keine bohrenden Fragen vertragen.

„Herrgott, Linux! Die fehlt ’n Mädchen, weißt du das?“

WAS? Konnte sie etwas Gedanken lesen?

Äußerlich ließ ich mir jedoch nichts anmerken, blieb gelassen.

„Wie kommst du darauf?“

Ihr hinterhältiges Kichern ließ bei mir alle Alarmglocken läuten. Wenn sie solche Töne von sich gab, bedeutete das niemals etwas Gutes.

„Nur unausgelastete Kerle fangen an, mit so nem gequält romantischen Gesichtsausdruck zu tagträumen.“

Ich murrte.

„Ich bin nicht unausgelastet…“

Jetzt setzte sie sich endgültig auf.

„Mal ganz ehrlich, Kumpel, seit du bei uns wohnst, hast du weder ein Mädchen mit heimgebracht noch irgendwo übernachtet, von deinen Lagern mal abgesehen. Und von einem Date hab ich auch nichts mitgekriegt, von einer Freundin ganz zu schweigen.“

Missmutig blickte ich sie an. Ja, ich hatte ja auch seit drei Jahren keine Beziehung mehr gehabt, seit das mit Miriam in so einer Katastrophe geendet hatte. Ich hatte seit drei Jahren keinen Kuss mehr bekommen, mit keinem Mädchen geflirtet und keinen Sex mehr gehabt, und eigentlich hatte ich geglaubt damit ganz gut klar zu kommen.

„Ich brauch keine Freundin…“, grummelte ich zurück.

Meine Laune, die eben noch fast euphorisch gewesen war, sank irgendwo in die Gefilde jenseits des Kellers.

Ich wollte da jetzt nicht drüber reden. Am liebsten wollte ich über dieses Thema überhaupt nicht reden. Nicht dran denken.

Aber Gia war nun mal kein Mensch, der ein Gesprächsthema fallen ließ, wenn es einmal angesprochen worden war.

„Sei nicht albern, Linux, du bist auch nur ein Mann! Du hast auch biologische Bedürfnisse! Ich weiß ja nicht, wie du auf so einen Unsinn kommst“

Gut so! Das sollte auch keiner wissen, es war nämlich erstens kein Unsinn und zweitens furchtbar peinlich!

„Aber spring einfach über deinen Schatten und bagger mal irgendeine an. Was kann schon schief gehen?“

Was schief gehen konnte?

Alles! Zur Hölle noch mal, es konnte genau dieselbe Scheiße sein wie vor drei Jahren! Es gab sogar die Möglichkeit, dass es schlimmer kam!

Gias freundliches Lächeln musste im krassen Widerspruch zu meiner finsteren Miene stehen. Ich war mir zu hundert Prozent sicher, dass ich ein Gesicht wie während der Sintflut zog.

„Glaub mir, es kann dir nur gut tun“, versuchte sie, mir ins Gewissen zu reden.

Ich seufzte entnervt und sammelte die Fechtfedern auf.

„Lass uns gehen.“
 

Auf der Heimfahrt hielt sie freundlicherweise die Klappe.

Aber ihre Worte hatten sich schon so tief in mein Gehirn gefressen, dass das auch keinen Unterschied mehr machte. Ich hörte sie trotzdem die ganze Zeit in meinem Schädel nachhallen.
 

„Es kann dir nur gut tun!“
 


 


 

~~~

Ich hoffe, es ist nicht zu konfus geworden, ich lieg mit ner Grippe im Bett, den Schlepptop aufm Schoß und tippe fröhlich irgendwelches hirnlose Zeugs vor mich hin...



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (3)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  shot_coloured
2009-04-23T09:38:35+00:00 23.04.2009 11:38
Hey, hab die Story jetzt erst gefunden und hab teilweise echt lachen müssen. Wirklich gut geschrieben und schöne Klischees. ;) He, und tatsächlich ist mir - noch - der Hopper irgendwie nicht unsympatisch... O___o Vielleicht ändert sich das ja noch. :P Hat jedenfalls echt potential und ich würde mich freuen, wenn du weiter schreiben würdest!
Grüßeeeeeeeee
Von:  Animegirl_07
2008-12-22T10:46:38+00:00 22.12.2008 11:46
ne, es ist dir sogar gut gelungen^^
okay, es ist lang und eigentlich scheue ich richtig lange Kapis, aber dies hat sich ja fast von selbst gelesen, so spannend war das^^
Einfach genial!
Aber sie hat recht. Ich find Gia echt sympatisch. Okay, sie hat auch ihre Macken, aber ehrlich gesagt. ist sie eine der wenigen normalsten Leute in dieser Klicke (okay, wenn du alle von der WG zusammen zählst. Denn richtig Normal ist die auch nicht XD)
aber ich find das toll! Ich hoffe, es geht weiter *schniiiiiief*
Von:  black_-_rose
2008-10-22T16:47:53+00:00 22.10.2008 18:47
^^
gelungenes Kappi...
also ich fand es nicht konfus...
Nur das Wort Koexistieren hat mich stutzig gemacht... so eine gute sparache findet man hier auf mexx leider selten
Mich wundert nur ein wenig, dass Wulfs Freunde es sich einfach so gefallen lassen abnorm genannt zu werden.
Außerdem bringen mich diene Kappis immer zum lachen...
hoffentlich schreibst du bald weiter
lg


Zurück