Hallo!
Ich freue mich, dass der Prolog schon so viel Anklang gefunden hat und möchte mich bei allen für die netten Kommentare bedanken =)
Und nun wünsche ich euch viel Spaß bei Französisch... äh, dem Kapitel...
Sein zweiter Unterrichtstag begann mit Französisch um viertel vor neun. Und dann auch noch eine Doppelstunde, demnach musste er diesen Nemours eine Stunde und zehn Minuten ertragen.
Und danach ’ne Doppelstunde Englisch. Bei Mrs. Russel. Na super!
Sie hatten in L2 Unterricht, also im Erdgeschoss, wenigstens musste man von der Kapelle aus nicht weit laufen: nur zwei Flure entlang.
Es waren erstaunlich viele in Französisch, insgesamt zwölf Schüler. Vielleicht kam er ja dadurch seltener dran, das wäre ein Vorteil.
Nemours kam zu spät. Ganze drei Minuten später kam er hereingestürzt und sagte: „Bonjour, les élèves, excusez mon…“
„Könnten Sie bitte englisch mit uns reden? Wir verstehen kein Wort!“, kam es von einem, der weiter hinten saß. Louis verdrehte die Augen und seufzte innerlich; mit was für Dilettanten er doch im Kurs war!
Nemours hingegen, der eben noch geschäftig seine Materialen aus seiner Tasche geräumt hatte, sah nun etwas irritiert auf und entgegnete: „Was soll das heißen, ihr versteht mich nicht? Ich habe doch weder besonders schnell, noch undeutlich gesprochen oder irre ich mich da?“
„Weder noch, Mister Nemours, Ray ist einfach nur unterbelichtet und hat keine Ahnung von gar nichts“, gab Louis bissig von sich. Richard, der neben ihm saß, stieß ihn auf diesen Kommentar hin mahnend mit dem Ellenbogen gegen den Arm, doch Nemours hob nur die Augenbrauen und fragte: „Und wie war dein Name noch gleich?“
„Louis Macheath, Sir“, kam die Antwort wie aus der Pistole geschossen. Der Lehrer hatte sich zum SMARTboard umgewandt und das Schreibprogramm geöffnet. Er schrieb Louis’ Namen auf und fragte: „So?“
Der Gefragte nickte und bejahte, als er überprüft hatte, dass der Name richtig geschrieben war. Nun entfernte Nemours den Nachnamen, schrieb stattdessen die Buchstaben „XIV“ hinter den Vornamen, dann drehte er sich wieder zu der Klasse um, sah Louis in die Augen.
„Und weißt du, wer das war?“
„Der erste absolutistische König. Der französische Sonnenkönig“, antwortete Louis gelangweilt.
„Sehr richtig. Mit den Lebensdaten möchte ich euch nun nicht peinigen, ich muss auch gestehen, dass ich sie selbst nicht genau im Kopf habe. Aber wisst ihr noch, welcher berühmte Ausspruch von ihm stammt?“
„L’État, c’est moi.“
„Ich bin beeindruckt von deinem großen Wissen über die französische Geschichte, Louis, aber willst du den Anderen nicht auch eine Chance lassen?“ Der Angesprochene zuckte nur mit den Achseln und murmelte: „Die haben doch eh keine Ahnung davon.“
Er war sich sicher, dass Nemours ihn ganz genau verstanden hatte, doch der überging den Kommentar schlichtweg und schrieb nun das Zitat an das SMARTboard.
„Wer kann es mir übersetzen?“, fragte er an den Rest der Klasse gewandt.
„Ich bin der Staat“, kam es nun von Richard. Den hatte Louis fast schon vergessen. Gut, dann musste er seine abfällige Bemerkung wohl zurücknehmen, oder zumindest Richard davon ausnehmen.
„Und dein Name war?“
„Richard McCreeby, Sir.“
„Ich danke dir, Richard.“ Erneut drehte er sich zum SMARTboard um und schrieb die Übersetzung unter das Zitat. Dann scrollte er wieder nach oben zu Louis Namen. Er radierte die Römische 14 und schrieb stattdessen „XVI“.
„Und wer kann mir sagen wer das war?“
„Ludwig der 16.“ Ein Junge aus der zweiten Reihe, er hieß Mortimer.
„Und kannst du mir auch etwas zu seiner Person sagen?“, bohrte Nemours nach. Doch der Zweitreiher zuckte nur mit den Achseln.
Was für ein Vollidiot! Schoss es Louis durch den Kopf.
„Hat sonst jemand eine Ahnung?“, fragte der Lehrer den Rest der Klasse, doch er bekam nichts zurück als unwissendes Gemurmel.
Und Nemours war auch ein Trottel. Es war ja schon erstaunlich genug, dass dieser Banause Mortimer römische Zahlen lesen konnte. Was erwartete der Lehrer denn von dieser unterbelichteten Klasse? Louis rollte mit den Augen.
„Hat denn wirklich keiner eine Ahnung?“ Ja, ein klein wenig Verzweiflung klang in seiner Stimme mit.
„Sie haben mir ja Schweigen geboten, Mister Nemours, andernfalls könnte ich Ihnen nun antworten“, murmelte Louis, natürlich so, dass der Lehrer ihn verstehen konnte.
„Also bitte, Louis, was kannst du mir zu Louis XVI erzählen?“
„Ebenfalls ein absolutistischer König, Sir“, begann er zu erklären und gerade als Nemours Luft holte, um ihn zu korrigieren, sprach er weiter: „Zumindest zu beginn seiner Amtszeit. Er war mit der österreichischen Marie-Antoinette verheiratet, sie war nicht nur die Königin Frankreichs, sondern auch die der Verschwendung. Aber das Volk litt und der Revolutionsgedanke kam auf. Schließlich kam es zu dieser.
Anfangs befürwortet der König noch alles, auch den Beschluss zur Konstitutionellen Monarchie; er wird gezwungen von Versailles nach Paris zu ziehen. Doch er flieht und wird bei der Grenze zu Österreich geschnappt, woraufhin das Volk seinen Tod will. Er wird guillotiniert.“
„Ich bin beeindruckt“, entgegnete Nemours. „Weshalb weißt du das alles?“
„Allgemeinbildung.“ Louis zuckte mit den Achseln. Er wusste, dass er bei den meisten seiner Mitschüler als Überheblich galt, aber es war ihm ehrlich gesagt vollkommen gleich, vielleicht lag das ja sogar an seiner Überheblichkeit.
„Na wenn du das meinst.“ Es war unmöglich Nemours Meinung aus seinen Gesichtszügen abzulesen, oder am Tonfall seiner Stimme, alles wirkte absolut neutral.
Es verunsicherte Louis, auch wenn er es ungern zugab, doch als Nemours sich daraufhin umdrehte, biss er sich unbewusst auf die Unterlippe.
Der Franzose fügte ein neues Blatt ein und scrollte darauf, nun schrieb er seinen Namen auf. „Olivier Nemours“. Anschließend drehte er sich zur Klasse um und sagte: „Nun genug der Geschichtsstunde, schließlich sind wir hier in Französisch. Das ist mein Name, für alle jene, die ihn vergessen haben sollten. Dieses Jahr bin ich euer Französischlehrer. Jetzt wollte ich euch eigentlich die Ordner und Bücher austeilen, aber ich habe sie, wie ihr sehen könnt,
schlichtweg vergessen. Louis Macheath, deinen Namen kann ich mir merken, komm doch schnell mit mir zum Lehrerzimmer und hilf mir beim Tragen. Ihr anderen seid bitte leise.“
Louis hatte sich kommentarlos erhoben und war dem Lehrer ebenso wortlos durch die Türe gefolgt.
„Seit wann bist du hier auf der Schule, Louis?“, fragte Nemours nach einigen Metern. Louis, der neben ihm ging, spürte den Blick auf sich und entgegnete: „Seit sechs Jahren, Sir.“
„Und gefällt es dir gut hier?“
„Ansichtssache.“ Er schielte zu Nemours, um dessen Reaktion mitzubekommen, doch er wurde enttäuscht, seine Mimik blieb die Gleiche und er sagte lediglich: „Eine sehr diplomatische Antwort; komm nur mit hinein.“
Sie waren vor dem Lehrerzimmer angekommen, neben dessen Tür ein Schild angebracht war, auf dem „Staff Rooms“ stand.
Louis ging Nemours hinterher, als würde er hier täglich ein- und ausgehen, obgleich er das erste Mal im Lehrerzimmer war. Hier waren einige Schreibtische in der Mitte mit Stühlen zusammengestellt, in einer Ecke stand ein Sofa mit Couchtisch, daneben die Kaffeemaschine mit Tassen in einem Regal und neben der Maschine ein Waschbecken, allerdings stapelten sich auf dem Abtropfgitter schon die ungespülten Tassen. Auch einige Pflanzen waren auszumachen.
„Kommst du, Louis?“, wurde er von Nemours aus den Gedanken gerissen. Es nervte ihn, dass der Kerl seinen Namen immer französisch aussprach, deshalb brummte er: „Louis, Sir, mit ‚S’ am Ende und langem ‚U’. Ich sage ja auch nicht Nemoursss…“ Er sprach es übertrieben englisch aus und der Franzose drehte sich etwas erstaunt zu ihm um.
„Oh, tut mir leid, Louis, anscheinend denke ich noch zu sehr französisch.“
„Ist okay.“
Sie waren durch eine Tür am Ende des Raumes gegangen.
Hier wollte sich Louis gar nicht mehr so genau umsehen, schon das Vorherige Zimmer hatte ihn frustriert, wenn man bedachte, wie ihre Internatszimmer aussahen. Er folgte einfach Nemours zu dessen Fach, nahm den Stapel gelber Ringbuchordner entgegen und drehte sich dann wortlos um, ging wieder hinaus und in Richtung Klassenzimmer.
Auf das Geheiß des Lehrers hin teilte er die Ordner auch aus und setzte sich dann, während der die Bücher austeilte und danach Blätter durchgehen ließ.
„Ich möchte, dass ihr mir aufschreibt, auf Französisch natürlich, was ihr in den Ferien erlebt und gemacht habt.“ Er schrieb den Arbeitsauftrag auch noch auf Französisch auf das SMARTboard und setzte sich dann ans Pult.
„Was hältst du von ihm?“, fragte ihn Richard, als sie nach der Doppelstunde den Flur zusammen entlanggingen. Sie mussten beide nach oben; Louis hatte Englisch in E1, Richard Photographie in PHO.
„Keine Ahnung, was ich von ihm halten soll, er ist anders als die anderen Lehrer“, gab Louis Achselzuckend von sich. „Wieso?“
„Einfach so. Ich finde ihn interessant, gerade weil er mal anders ist als der Rest der Lehrerschaft. Was meinst du? Ob er in Frankreich wohl beliebt bei den Frauen war? Schlecht sieht er schließlich nicht aus.“ Erneut zuckte Louis mit den Achseln. Es interessierte ihn nicht. „Bist ja heute wieder sehr gesprächig“, maulte Richard daraufhin, doch Louis erwiderte: „Nur genervt von unserem wahnsinnig dummen Französischkurs. Was macht das denn für einen Eindruck, wenn die so unterbelichtet sind? Als wären wir Briten total verblödet!“
„Ich bin mir sicher, dass er das nicht denkt. Und es kann nun mal nicht jeder so gut in Französisch sein wie du, es haben schließlich auch nicht alle französische Großeltern.“
„Als hätte das etwas damit zu tun. So oft war ich nun auch wieder nicht bei meinen Großeltern“, erwiderte Louis genervt und sein Gegenüber grinste nur, bevor er weiterging: „Natürlich, auch das liegt nur an deiner dir angeborenen Intelligenz.“ Und damit ging er weiter den Flur im ersten Stock entlang, während Louis in E1 ging, jedoch nicht ohne seinem Freund noch hinterher zu rufen: „Woran sonst?“
Ich hoffe es hat euch gefallen und bedanke mich, dass ihr das Kapitel gelesen habt.
LG, Terrormopf