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Hexentod

von

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Hexentod
 

„Liya!“

Sie stand langsam auf. Ihr Blick war erst auf den Boden gerichtet, doch als sie aufgerufen wurde, sahen ihre eisblauen Augen in die des Mannes. Beinahe angewidert schaute er zurück. Dan bekreuzigte er sich langsam, provozierend.

Sie schaute ihn verächtlich an. Wie naiv, wie nichtswissend er war. Und doch wusste er ihren Namen und würde sie töten...

Sie spuckte ihm vor die Füße. Drohend erhob er die Hand, um zum Schlag auszuholen, doch mit einem kurzen Blitzen ihrer kalten Augen brachte sie ihn zum Erstarren. Vollkommen paralysiert stand er mit erhobener Hand da und sah sie zornig an. Sie rüttelte an den Ketten, die ihre Hände fesselten. Jedoch hatte der Mann, der ihr heimtückisch aufgelauert hatte, es nicht geschafft, ihre Hände hinter ihrem Rücken zusammenzubinden. Zwischen ihren Handgelenken maß die Kette etwa eine Spanne, sodass sie sich auch ein wenig bewegen konnte. Wütend starrte sie den Hexenjäger an.

„Hexe nennt ihr mich und habt doch keine Ahnung! Ihr denkt, wir reiten auf Besen und zaubern den Tod herbei, ihr fürchtet unsere Kräfte und wisst doch nicht, was sie zu tun vermögen! Ihr wollt uns vernichten, weil ihr Angst vor uns habt! Angst, wie vor allem, was ihr nicht kennt!“

Zorn und Verachtung spiegelten sich auf ihren Gesichtszügen wider. Ihre Handflächen kribbelten.

Die Miene des Mannes wechselte von Wut zu einer Mischung aus Angst und Hass. Liya las in seinen Gedanken.

Er hatte nur sein Ansehen bereichern wollen, bereichern durch die Verbrennung Unschuldiger, wie jedes Mal, und nicht im Traum daran gedacht, eine echte Hexe zu fangen. Er glaube überhaupt nicht an die ganze Sache mit Hexen, dem Teufel und der Austreibung von eben diesem durch die Verbrennung des Menschen. Aber bis jetzt hatte er die Verbreitung dieses vermeintlichen Irrglaubens unterstützt und sich so ein kleines Vermögen angeeignet.

Liya jedoch machte ihm Angst. Sie musste ihn hypnotisiert haben, warum sonst würde er sich nicht rühren können? Hypnose... Aber warum konnte er dann darüber nachdenken, hypnotisiert worden zu sein? Wenn er hypnotisiert worden wäre, würde der Hypnotiseur dann nicht alles daran setzen, ihn nicht daran denken zu lassen?

Er sah wieder zu Liya. Diese hatte die Augen geschlossen und ein auf beängstigende Art und Weise sanftes Lächeln umspielte ihr Mundwinkel. Obwohl ihre Hände noch immer zusammengekettet waren, fürchtete er sich vor ihr. Er versuchte, sich von ihr fort zu bewegen, doch immer noch konnte er sich nicht rühren.

Liya öffnete ihre Augen wieder. Erbärmlich schlotternd vor Angst und versuchend eben dies zu überspielen, stand der Hexenjäger vor ihr.

Sie lächelte immer noch. Entschlossen. Grimmig. Und doch sanft. Ihre Augen hatten eine noch kältere Farbe angenommen.

Eine Rauchsäule stieg, sich um sich selbst windend, aus ihren Handflächen und verlor sich schon nach kurzer Zeit wieder im feinen Hauch des eisigen Windes, der sie liebevoll umstrich.

Liya sah auf den Rauch und dann zum Hexenjäger. Er würde sie nicht wiedersehen. Nicht lebend. Der Rauch wurde mehr und dichter und löste sich nicht mehr auf. Blieb in der Luft hängen, wie dunkler Nebel. Nebel der Angst. Des Grauens. Des Todes.

Liya machte eine kleine, geschmeidige Handbewegung und der Rauch glitt auf den Mann zu. Dieser riss die Augen auf und sah von ihr zum Rauch, zurück zu ihr und wieder zum Rauch. Liya lächelte ihm zu. Dann ging sie zu ihm und entnahm seinen Taschen ein Schlüsselbund, mit dem sie geschickt das Vorhängeschloss ihrer Kette öffnete, um dann mit freien Händen weiterzusuchen. Sie fand einen prall gefüllten Goldbeutel, ein silbernes Kreuz an einer ebenfalls silbernen Kette, einen Dolch, den sie rasch in ihrem Ärmel verstaute, und einen Gegenstand, der sie an einen Stein erinnerte. Er hatte an einer Hälfte eine scharfe Kante und an der anderen eine Spitze und eine dicke, flache Stelle. Liya hatte sich schon beim Entnehmen des Gegenstandes aus der Tasche des Mannes geschnitten und betrachtete nun, das Blut, das den Stein hinunterlief. Es war keiner jener Kiesel, die sie kannte, sondern ein schwarzer, glatter Stein, der härter war, als alles was sie kannte. Sogar härter als Diamanten. Und ein normaler Stein war es auch nicht: Das Blut, das hinunterlief, wurde immer dunkler, bis es einen schwarzen Ton hatte.

Liya blickte den Mann an, der plötzlich gar nicht mehr ängstlich aussah. Ein grausames Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus.

Sie ließ den Stein fallen und schrie auf. Das war eine Falle gewesen! Der Mann hatte alles geplant! Der Stein war ein Vilwarin, einer jener Machtkristalle, die mit dem Blut eines Feindes des Besitzers getränkt über schreckliche Macht über diesen verfügten.

Einmal Blut geleckt – auf ewig dem Blute verfallen! ,hieß es nicht umsonst in den Sagen über die Machtkristalle. Niemand konnte verhindern, dass der Stein wieder und wieder das Blut des Opfers trank.

Liya hatte noch nie einen gesehen, doch schon viel von ihnen gehört. Und alles davon war beunruhigend gewesen. Die Steine hatten Kontrolle über das Opfer, dessen Bewegungen, Taten und Stimme. Nur die Gedanken waren noch die eigenen.

Sie blickte zu dem Hexenjäger, der den Rauch abstreifte und den kleinen Paralysier- Zauber ebenfalls. Er ging auf sie zu. Sie griff nach dem Stein, wollte ihn vor ihm ergreifen, ihn zerstören, doch er war schneller: Er legte ihr den Dolch, den er so schnell aus ihrem Ärmel zog, dass sie seine Bewegung nicht wahrnahm, an die Kehle und griff gleichzeitig nach dem Machtkristall. Er wusste, wo er ihn packen musste, um nicht geschnitten zu werden.

„Nein, du hast Recht, Liya, die Leute haben Angst vor uns... Sie fürchten das Fremde. Aber auf Besen reiten wir wirklich nicht!“

Liya sah ihn böse überrascht an.

„Ihr... Ihr seid ein Magier?“

Er lachte.

„Nein, ein Einhorn!“, meinte er sarkastisch, „Natürlich bin ich ein Magier!“

„Aber ich habe doch Eure Gedanken...“

Wieder lachte er.

„Meine Gedanken? Die Gedanken eines Magiers? Was glaubst du, wer du bist? Niemandem außer den mächtigsten Zauberern und Hexen ist dieses Privileg, diese Macht gegeben! Und die, einer jungen, unbedeutenden Hexe erst recht nicht!“

Liya, fragte sich, warum der Stein noch nicht Besitz von ihr ergriffen hatte. Doch sie wollte ihren letzten freien Moment ausnutzen und fragte:

„Warum habt Ihr mir aufgelauert und mich angegriffen? Warum habt Ihr mich gefesselt und so getan, als wärt ihr ein Hexenjäger?“

Sie blickte ihn an.

„Ihr seid doch ein Magier, warum wollt Ihr eine Hexe töten?“

„Ihr Hexen bringt uns Magier doch ebenso um! Ihr habt den Krieg begonnen, den wir fortsetzen! Wir lebten friedlich mit euch zusammen und ihr habt uns angegriffen! Nicht unsere Schuld ist dieser Krieg, er begann mit euch! Den Grund hat keiner von uns je erfahren...“

Er blickte verwundert auf den Stein. Dann schüttelte er ihn.

„Warum...?“

Liya sah ihn an.

„Wir? Aber... ich bin die letzte Hexe... wir könne gar keinen Krieg gegen euch führen, weil es kein wir mehr gibt! Es gibt nur noch mich... Mich allein...“

Sie schaute zu Boden. Ihre Augen waren zu einem dunklen Blau geworden und glitzerten vor Nässe. Eine Träne rollte über ihre Wange.

Der Mann legte ihr eine Hand auf die Schulter. Mit der anderen, die immer noch den Stein umklammerte, hob er ihr Kinn an, sodass sie ihm in die Augen schauen musste.

„Sprichst du die Wahrheit?“

Liya schluckte. Sie nickte. Der Magier suchte nach Lüge in ihrem Gesicht, fand jedoch keine. Er ließ sie los.

„Komm mit!“, sagte er barsch und sie setzte sich wie von selbst in Bewegung.

Sie gingen zu einem steinernen Tempel des Merlin, der in Fels gehauen auf einem Sockel stand.

Liya blieb auf Zeichen des Zauberers stehen und sah sich mit großen Augen um.

„Merlin wird die Entscheidung fällen, dein Leben liegt nicht mehr in meiner Hand. Viel Glück!“

Seine Worte waren ehrlich gemeint.

Er schob sie in den Altarraum hinein und sprach einige Worte in einer fremden Sprache.

„Pedo gwanath a cuivie, Merlin!“

Erwartungsvoll sah er hinauf zu der Statue des mächtigen Hexenmeisters.

Auch Liya hob den Kopf.

Die Statue erwachte zum Leben und stieg von ihrem Sockel. Sie kam auf Liya zu und sah sie an.

„Gwanath!“, ertönte Merlins dunkle, volltönende Stimme dann.

„Tod“, übersetzte der Magier, „Tod... du hast gelogen!“

Sein Blick war bestürzt und wütend zugleich.

„Du hast gelogen...“

Liya blickte erschrocken um sich. Merlin sah sie anklagend an.

Der andere Magier zog seinen Dolch wieder und ging auf einen Wink Merlins auf sie zu. Liya schreckte zurück und sah ihn ängstlich an.

„Ich habe nicht...-“

Ihre Worte wurden unterbrochen von einer blitzenden Klinge, die von fast zärtlicher Hand durch ihre Kehle geführt wurde. Sie griff sich an den Hals und spürte das warme Blut über ihre Hände laufen. Ihr Gesicht verzerrte sich zu einer Mischung aus Schmerz und Unglauben. Sie hatte nicht gelogen.

Der Magier streift die blutverschmierte Waffe an seiner schwarzen Robe ab und blickte traurig zu Liya. Er schüttelte langsam den Kopf.

„Und ich habe dir geglaubt...“, sagte er.

Dann ging er.

Merlin war schon wieder auf seinen Sockel gestiegen und zu Stein geworden.

Liya sank auf die Knie und weinte leise. Sie verstand es nicht.

Ihr Atmen wurde zu einem Röcheln. Ihre Augen wurden glasig. Dann stürzte sie zu Boden. Ihre langen schwarzen Haare fielen ihr über den Körper und bedeckten sie. Nur das leuchtend rote Blut floss unter ihr hindurch und färbten den Boden um sie herum, wie ein roter Teppich. Wie eine Königin lag sie da. Eine gefallene Königin. Unschuldig.

Auf ihrem blassen Gesicht war ein Ausdruck des Entsetzens und die Frage zu lesen: Warum?

Sie hatte nicht gelogen. Es gab keine weiteren Hexen mehr auf der Welt.

Aber sie trug eine in sich. Sie trug eine kleine, noch nicht einmal als Mensch erkennbare Hexe in sich und hatte davon nichts gewusst.

Mit Liya hatte der Magier gleich zwei Menschen getötet.

Und mit ihrem Tode hatte er die letzte Hexe ebenfalls vernichtet.

Von nun an würde es keine Frauen mit magischen Kräften mehr geben.

Nie wieder...

Merlins Statue zerbarst in tausende kleinster Teilchen. Durch seine Schuld waren die Hexen ausgelöscht worden. Ein Ungleichgewicht der Kräfte konnte er nicht zulassen.

Mit der Zerstörung der Statue verschwanden alle magischen Kräfte der Magier und es gab nur noch normale Menschen. Die Magie wurde verleugnet und schon bald glaubte keiner mehr an sie. So ist das bis heute...

Magie? Darüber wird heute nur noch gelacht...



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  mi-chan_
2009-10-22T11:51:31+00:00 22.10.2009 13:51
huhu^^
Was ist denn ein msting??
*unwissend sei*
Mir hat die Geschichte schon in SArG gefallen^^
Ich finde immer noch sie sollte "Hexenkind" heißen! XD
Nice!
*Däumchen hoch*
Von: abgemeldet
2008-11-28T22:17:43+00:00 28.11.2008 23:17
Auch wenn ich ein MSTing geschrieben habe, muss ich sagen, dass ich deine Geschichte gar nicht sooo schlecht finde...
Ich fand das Ende voll traurig... Hab fast geweint... *aber nur fast* xD

Wirklich sehr schön.
*knuddel*

Sali


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