12.12.2008
Schweigend starrte ich an die Decke.
Schon die ganze Nacht schwirrte mir der 'Streit' mit Ash im Kopf herum.
Ich hatte nur wenig geschlafen, mich belastete Ashs Gesichtsausdruck von gestern...
Normalerweise wenn wir Zoff hatten, vertrugen wir uns auch relativ schnell wieder, aber er hatte letzte Nacht nicht mal in unserem Bett geschlafen...
Er meinte, er brauche eine Nacht Abstand. Wofür auch immer.
Andächtig strich ich über seine Matratze, die unangenehm kalt wirkte, im Gegensatz zu meiner.
Was hatte ich nur angestellt...?
Ich hätte mir doch denken müssen, dass es Ash verletzen würde, wenn er wüsste, dass ich mir über meine Gefühle zu einem anderen nicht im Klaren war...
Und zur Hölle, es tat mir total Leid!
Wieso musste sich irgendjemand immer in mein Glück einmischen?
Das war nicht fair...
Ich hörte, wie jemand die Tür leise öffnete, nur einen Spalt weit.
Ash...es gab noch so vieles, was ich ihm sagen wollte.
So vieles, wofür ich mich bei ihm entschuldigen wollte.
Als er sah, dass ich wach war, stieß er die Tür auf und betrat das Zimmer.
Langsam schritt er auf das Bett zu und setzte sich schließlich hin, mit dem Rücken zu mir.
Eine Zeit lang sagte keiner von uns ein Wort.
„Misty. Ich habe überreagiert, tut mir Leid. Ich sollte am besten wissen, wie das ist...“
Wie was ist?
Und wieso sagte er jetzt die Sachen, die eigentlich ich hatte sagen wollen?!
„Man verliebt sich langsam, obwohl man sich eigentlich sicher ist, jemand anderen zu lieben.
Und man wird verunsichert. Sehr sogar...“
Ich merkte, wie wieder Tränen in mir aufstiegen.
Ohne weiter nachzudenken, rückte ich an ihn heran und schlang meine Arme von hinten um seinen Rücken.
„Keiner wird dich je ersetzen können, Ash Ketchum...bitte glaube mir“, ich wusste, das dies schwerwiegende Worte waren.
Aber es waren Worte, bei denen ich mich sicher war, dass sie stimmten.
Worte, die man nur flüstern konnte. Ich jedenfalls.
Er griff nach hinten und strich über meine Haare.
„Verzeih mir...“, ich drückte mein Gesicht an seine Schulter, immernoch weinend, immernoch enttäuscht von mir selber.
Ash drehte sich um und nahm mich in die Arme.
„Bitte weine nicht...“
„Ich will ihn wegwerfen...sonst wird es noch schlimmer!“, meine Stimme klang furchtbar.
Sanft strich Ash mir über den Rücken.
„Liebe ist nichts schlimmes...“
Ich sah ihn an. „Ich will aber nur DICH lieben!“
„Aber Misty...das kannst du dir doch nicht aussuchen...“
Ich wollte es mir aber aussuchen. Außerdem waren meine Gefühle für Ash so unglaublich stark...
Es verging eine Weile, in der ich mich von Ash trösten und umschmusen lies.
Dabei war es eigentlich er, der litt.
Eigentlich sollte ich diejenige sein, die ihn tröstete.
Aber wie so oft, lief bei mir überhaupt nichts so, wie es sollte.
Irgendwann suchte ich mit meinen Lippen die Seinen und küsste ihn, erst vorsichtig und sanft, dann dringlicher.
„Ich liebe dich...“, es war kaum mehr als ein Hauchen an meinem Ohr, dennoch reichte es, um mich verrückt zu machen.
Meine Hand verirrte sich wie von alleine in seinen Haaren, an seine Wangen und unter sein Shirt.
Ich wollte ihm so gerne zeigen, was er mir bedeutete...
„...Misty...?“, ich hörte seine Stimme zwischen unseren Küssen kaum, sie war nur sehr leise und bittend.
„Hmh?“, ich sah ihn an.
Seine Augen waren wachsam, irgendwie vorsichtig und ehrlich.
„Sag mal...“, er schluckte. „Denkst du...denkst du immernoch an mich, wenn du mich küsst? Und wenn du mit mir schläfst?“
Seine Frage verschlug mir die Sprache.
Ich konnte mich nicht daran erinnern je sprachloser gewesen zu sein.
Wie seltsam!
„A...Ash!“, neue Tränen liefen mir über die Wangen.
Ich verstand ihn. Natürlich.
Das war doch die erste Frage, die sich jeder stellen würde.
Dachte er oder sie an den oder die andere, wenn er oder sie mit mir zusammen ist???
Ich legte meine Stirn an seine.
„Natürlich nicht! Wenn du in meiner Nähe bist...“, ich versuchte die richtigen Worte zu finden für das, was ich ihm sagen wollte.
„Wenn du in meiner Nähe bist...vergesse ich alles um mich herum. Alles.“
Meine Tränen liefen von meinen Wangen auf seine und Tropften von dort aus auf unsere ineinander verschränkten Hände.
Ash sagte nichts darüber, ob er mir glaubt oder nicht.
Er begann wieder mich zu küssen, und zog mir langsam mein Schlafshirt über den Kopf.
Keiner von uns sagte mehr etwas.
Wir hatten anderes zu tun...
Nachdenklich betrachtete ich das dunkle Lederband mit dem gläsernen Tropfenanhänger.
Das Glas schillerte, als wäre es aus Kristall, ich konnte die Formen meiner Hand dahinter ausmachen.
Es gab keinen Zweifel, die Kette war wunderschön, der Anhänger sah ungefähr so aus wie der Orden der Arena, nur etwas länger und schmaler. Und nicht Azurblau, sondern fast vollständig durchsichtig.
Vorsichtig strich ich mit dem Finger darüber.
Wie zerbrechlich sich das Stück anfühlte!
Ich nahm den kurzen Brief zur Hand und las ihn.
Hier ein kleines Andenken an dein Abenteuer mit dem „Kristall-Onix“. Erinnerst du dich? Mateo hat diesen Tropfen für dich angefertigt. Ist er nicht wunderschön? Fast so schön wie du...
Die Hälfte hast du geschafft ;)
Kopfschüttelnd legte ich den Anhänger samt Kette auf dem Tisch ab.
„Wirst du sie nicht tragen?“, Ash sah mich von der Seite her an.
„Nein...“, ich wandte mich zu ihm und sah ihn an. „Werde ich nicht“
„Du kannst es ruhig tragen, Misty. Mir macht das nichts aus. Ehrlich“
Ich lächelte. „Ich weiß. Mir macht es aber was aus...außerdem passt es gar nicht zu dem Armband!“, ich brauchte nicht zu sagen, welches Armband ich meinte.
Ash strich mir über die Haare.
„Verrücktes Huhn...sowas kümmert dich sonst auch nicht!“
„Jetzt schon“, ich hauchte ihm einen Kuss auf die Lippen.
Erst dann fiel mir ein, dass ich eigentlich mit 'Gast 114' verabredet gewesen war.
Und es tat mir überhaupt nicht Leid, dass ich ihn vergessen hatte.
Es machte mir rein gar nichts aus.
Ich hatte mich wieder mit Ash versöhnt – und das war mir viel wichtiger...