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Forever may not be long enough

von

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Prolog

Gehetzt blickte er sich um. Die dunklen Umrisse der Häuser, nur unterbrochen von einzelnen hellen Augen, rasten an ihm vorbei und verschwammen miteinander. Er spürte die kühle Abendluft an seinem Körper nur oberflächlich. Zu sehr war seine Wahrnehmung vom Adrenalin überschwemmt. Nein, damit, den wunderschönen Spätsommerabend zu genießen, konnte sich dieses kleine, fliegende Wesen nicht aufhalten, zu sehr war es darauf bedacht, sein Leben zu retten. Aber manchmal musste man eben Prioritäten setzen…

Trotzdem wurde es langsam wirklich eng. Die Wunde an seinem rechten Flügel hatte inzwischen zwar aufgehört zu bluten, doch das Gift darin brannte wie ein eisiges Feuer und entzog ihm mit jedem Meter, den er zwischen sich und seine Verfolger brachte, mehr Energie. Bald würde er sich notgedrungen ein Versteck suchen müssen. Es blieb ihm nur ein möglichst riskantes Manöver, um den Jägern und damit dem sicheren Tod zu entkommen. In einer engen Seitengasse sah er die geeignete Gelegenheit dazu gekommen. Um genau zu sein, war es die einzige Gelegenheit, die er hatte. Er ließ sich fallen. In irrsinniger Geschwindigkeit rauschten die Gebäudemauern auf beiden Seiten an ihm vorbei. Als er hörte, wie seine drei Jäger ihm folgten, änderte er seine Richtung schlagartig um 180°. Mit einem riesigen Kraftaufwand begann er wieder mit den Flügeln zu schlagen. Sein ganzer Körper war bis in den letzten Muskel gespannt und der Schmerz hatte sich um einiges vervielfacht, als er gen Himmel stieg. Er sah ganz kurz die Verblüffung in ihren Knopfaugen aufblitzen und dann war er auch schon an ihnen vorbei. Direkt vor sich sah er nur noch den weiten Sternenhimmel. Wären seine Stimmbänder dafür gemacht gewesen, wäre ihm mit Sicherheit ein enthusiastisches Jauchzen entwichen. Doch gerade in diesem Moment, drang das hasserfüllte Kreischen seiner Feinde an seine Ohren.

Doch das Überraschungsmoment hatte ihre Reaktionen gelähmt und machte es ihnen unmöglich, ihre Flugrichtung so schnell wie er zu ändern. Trotzdem brachte es ihn zurück in die Gegenwart und erinnerte ihn daran, dass er wohl bald etwas zu sich nehmen musste, um das Gift in seinem Körper zu neutralisieren. Außerdem hatten die Jäger weit unter ihm inzwischen ebenfalls gewendet und die Verfolgung wieder aufgenommen. Bis jetzt hatte er nur Zeit gewonnen, aber noch kein geeignetes Versteck gefunden. Hektisch wandte er den Kopf nach rechts und links. Es war stockdunkel geworden und die wenigen Fenster waren von innen mit Rollos oder Gardinen abgedunkelt. Da erspähte er Licht in hinter einem kleinen, offen stehenden Dachfenster. Ohne einen Blick hineinzuwerfen, nahm er die Möglichkeit sein Leben zu retten dankbar an und mit einem letzten, rasanten Sturzflug sauste der kleine Pelzball in das dahinter liegende Zimmer. Dass er dabei fast gegen das Gesicht eines Menschenwesens prallte, das gerade in die frühe Nacht hinaussah, kümmerte ihn kaum. Hier sollte er vorübergehend sicher sein. Hoffte er. Zuerst hatte er jedoch einige Schwierigkeiten, sich zurechtzufinden, da seine empfindlichen Augen durch die ungewohnte Helligkeit im Raum geblendet waren. Ein wenig orientierungslos flatterte er umher und zog dabei einige verblüffte Blicke des Menschen auf sich, den er zuvor beinahe gerammt hätte. Als er sich endlich an das Licht gewöhnt hatte und seinen stillen Beobachter bemerkte, suchte er Zuflucht auf dem großen Kleiderschrank in der einen Zimmerecke. Trotz seiner eingeschränkten Schwarz-Weiß-Sicht nahm er doch die vielen unterschiedlichen Schattierungen überall wahr und hatte den schmalen Spalt zwischen Schrank und Zimmerdecke schnell als dunkelsten Ort in Reichweite ausgemacht. Dort wäre er sowohl vor seinen Verfolgern sicher, als auch – wie er hoffte – vor dem Bewohner dieser Behausung über den Dächern der Stadt.

Seltsamerweise nur mäßig interessiert sah der Mensch dem hektisch umherflatternden Ding nach, das schließlich in der dunklen Nische verschwand. Der leicht verwunderte Gesichtsausdruck – so etwas geschah ja nun doch nicht alle Tage – wich einem abwesenden Achselzucken. Der Gast auf dem Schrank beobachtete wie der Mensch die Schultern ein wenig ratlos hob und senkte, dann schloss er das Fenster mit einem leisen Plopp. Die kühle Nachluft musste nun draußen bleiben und mit ihr mögliche Verfolger.

Erleichtert entfuhr dem Flatterwesen in der Dunkelheit ein kleiner, doch fast schon menschlicher Seufzer. Vollkommen platt lag es auf es auf der Schrankdecke, da seine kleinen Füßchen auf dem glatten Holz keinen wirklichen Halt finden konnten. Erst jetzt stellte es fest, dass sein gesamter Körper die ganze Zeit über angespannt und sofort zu einer weiteren Flucht bereit gewesen war. In der Erwartung, jeden Moment die Jäger ins Zimmer stürzen zu sehen, hatte es kaum zu atmen gewagt. Doch nun sollte er sicher sein. Selbst die Spür“hunde“ seines neuen Feindes würden ihn hier nicht vermuten. Er selbst hatte sich von dem Mut der Verzweiflung zu diesem Versteck leiten lassen und nur darum gegen sämtliche seiner natürlichen Instinkte gehandelt. Er hoffte, dass er dies nicht bereuen würde. Für den Moment sah es jedenfalls nicht so aus. Sein Beinahe-Zusammenstoß hatte ein einem Schreibtisch Platz genommen und war in irgendeine Zeichenarbeit vertieft, sodass er nur seinen gebeugten Rücken sehen konnte.

Er schloss seine Augen. Sollte sich irgendjemand seinem Versteck nähern, würden seine empfindlichen Ohren ihm dies hoffentlich mitteilen. Sein Kopf sank auf den Schrank. So müde war er doch sonst nicht nach einer kleinen Verfolgungsjagd um sein Leben. Ein holziger, warmer Geruch drang an seine Nase. Noch während sein Bewusstsein unter dem Einfluss des Giftes davon driftete, kam ihm der Gedanke, dass das Möbelstück sehr alt sein musste. Also unter den gegebenen Umständen ein durchaus würdiger Ruheplatz für ihn.



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