Zum Inhalt der Seite

100 Themes Challenge

every day is writing day
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

#28 [Sorrow]

- Er würde rotieren! -
 

Ein kalter, nasser Regentag hätte viel besser zu seiner Stimmung gepasst. Stattdessen schien die Sonne hell und wärmte seine Haut, ließ das satte Grün leuchten wie ein HD-Bildschirmhintergrund mit ein paar bunten, fehlerhaften Flackerpixeln, wenn der Wind die vielen Blumen immer wieder sanft anschubste und das sonst starre Bild bewegte.

Es fiel ihm schwer, angesichts dieser sommerlichen Pracht zu frösteln, die ihm wie ein Verrat vorkam - eine Beleidigung seiner Stimmung und seiner Gefühle, die sich nach hemmungslos ausgelebtem Trübsinn sehnten. Er wartete darauf, dass die bunten Farben und der aromatische Hauch blühender Pflanzen ihn depressiv machten, gerade WEIL sie so taktlos hübsch und fröhlich waren, aber nichts dergleichen passierte, was ihn maßlos ärgerte. Immerhin knirschte der Kies etwas trostlos unter seinen Füßen und seine Augen brannten ein bisschen. Vielleicht auch nur durch die umherschwirrenden Pollen, aber tröstlich war es trotzdem.

Ein Jahr ist eine lange Zeit. Oder auch nicht, das kommt wohl auf den Standpunkt an. In diesem Fall war dieses Jahr zu einem Jahrzehnt herangewachsen, zumindest in seinem Kopf. Als wäre das alles schon vor so langer Zeit passiert, dass man sich kaum mehr daran erinnern konnte. So alt, so weit entfernt, dass alles schwammig, diffus und auf eine gewisse Weise auch gleichgültig geworden war. Darin war er sowieso immer gut gewesen.

Er senkte den Blick, aber die hellen Kiesel auf dem Boden waren schon wieder so grell, dass er wegsehen musste, den Kopf heben und nach oben blicken - und wie kitschig ihm das vorkam. Als würde das Schicksal ihn mit Holzhammermetaphern bombardieren; dieser wunderschöne Sommertag, die bunte Welt, strahlend blauer Himmel, Vogelgezwitscher und kein einziger Punkt, an dem er seine Traurigkeit festmachen könnte. Es war alles zu schön, zu positiv, zu.. anders.

Aber nicht einmal richtig frustriert konnte er darüber sein, dass man seinen Stimmungen so dazwischenfunkte und er setzte sich auf die warme Steinplatte, aufgeheizt von der Sonne, wohlig warm. Auch das ärgerte ihn. Er hätte seinen iPod mitnehmen sollen, voll trauriger Musik. Er könnte sich auch auf den Finger beißen, bis es so sehr schmerzte, dass es einen Grund gäbe, zu heulen. Es wäre zwar irgendwo Beschiss, aber immerhin ließ ihn auch das Wetter im Stich. Und überhaupt alles und jeder.

Ach verdammt.

Mann.
 

Wenigstens hatte er jetzt doch einen Grund zum Heulen gefunden und kostete ihn aus, inmitten omnipräsenter Fröhlichkeit; weit draußen, mitten im Nirgendwo zwischen Bäumen, blühenden Büschen und Blumen am denkbar ungünstigsten Ort überhaupt, um in Stimmung zu kommen. Aber damals.. war es die beste Alternative gewesen. Niemand spuckt auf dein Grab.

Er lehnte sich zurück, bis seine Schultern den warmen Granit unter sich spürten und fuhr blind mit einem Finger über die Erhebungen und Vertiefungen auf dem Grund unter sich. Fuhren den Buchstaben nach, ein schwungvolles S. Ein zittriges Seufzen floh an die frische Luft, erwischte Fliederduft und stob beschämt davon.

"Tut mir leid", flüsterte er leise und hob die Hand über die Augen. "Den Busch säg ich noch ab."



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (1)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Nachtwandler
2009-12-27T20:08:48+00:00 27.12.2009 21:08
... irgendwie hatte ich beim ersten Satz eine Assoziation zu "sich im Grab umdrehen" - ansonsten: nimmt ziemlich mit, das ganze, diese Diese-Scheißwelt-dreht-sich-einfach-weiter-Stimmung.


Zurück