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Stumme Tränen

Darfst du mich denn lieben, Inuyasha?!
von

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Romeo und Julia

„Ich bin im Paradies“, jubelte Yuichi am nächsten Morgen.

Mit funkelnden Augen sah er sich in seiner Küche um. Vier hinreisende halbnackte Frauen werkelten nur in seinen Hemden bekleidet herum. Das Wasser lief ihm im Munde zusammen, als Yuki sich zu den Tellern unten im Schrank bückte.

„Genieß es“, lächelte sie. „Das erlebst du so schnell nicht wieder.“

„Wer stört mein Paradies?“, beschwerte er sich, als es an der Türe klingelte.

„Inuyasha“, murmelte Anjaani, halb im riesigen Kühlschrank verschwunden.

Die Drillinge starrten sie an.

„Ich will nicht, dass er mit leeren Magen zur Arbeit geht“, erklärte sie schulterzuckend.

„Willkommen im Himmel“, lud Yuichi den überraschten Halbdämon ein.

„Eher Hölle“, knurrte er leise. „Drei halbnackte Nervensägen. Was kann es schlimm…er…es…“

Anjaani tänzelte gerade an ihm vorbei. Nur mit einem weißen Männer-T-Shirt bekleidet.

„Ich muss dir noch danken“, grinste der Japaner. „Wärst du nicht so ein Trottel, wären die jetzt nicht bei mir.“

„Freu dich nicht zu früh“, erklang Aryans Stimmer hinter ihm. „Meine nehme ich wieder mit.“

Er hatte kaum ausgesprochen, da segelte seine Freundin in seine Arme.

„Ich hatte schon befürchtet, du fühlst dich hier wie zu Hause“, lachte er leise.

„Ich hab was an, ich bin brav“, versicherte sie. „Yui-chan hat genug Hemden.“

„Für uns alle, Aryan-nii“, lachte Anjaani. „Mir ist mein Nachthemd aber lieber.“

„Mir meins auch“, schmollte Yuki. „Hast du zufällig noch eines?“

„Nein, wieso? Was ist mit deinem passiert?“

„Yui-kun hat‘s zerrissen. Mäuschen, hast du noch eines übrig?“

„Aryan hat‘s zerrissen“, lachte Yami engelsrein. „Wozu brauchst du überhaupt eines?“

„Genau! Sag‘s ihr, Mäuschen“, bestärkte sie Yuichi. „Schlaf nackt.“

„Träum weiter!“

„Dann zerreiße ich alle anderen eben auch!“

„Warum zerreißt ihr überhaupt die Nachthemden?“

Anjaani sah Aryan an, der nicht unschuldiger hätte dreinschauen können und Yuichi, dem sich ein riesiges Grinsen ins Gesicht stahl.

„Ich hab Hunger! Gibt’s jetzt Frühstück?“

Er warnende Unterton in Inuyashas Frage galt dem Japaner.

„Chi-chan, deine Küche ist traumhaft“, schwärmte Anjaani an Herd. „Saajan, was ist los?“

Sie hatte ihn nicht mal angesehen. Er zuckte zusammen und funkelte die Drillinge böse an, die seine Gedanken lesen konnten.

„Zieh dir was an, dann entspannt er sich auch“, lachte Yoko.

„Ich könnte mich daran gewöhnen.“ Yuichi lehnte sich genießerisch zurück. „Aber wirklich, Nee-chan, sonst belohnst du mich auch nicht mit so einem Anblick.“

Anjaani errötete auf ihre zuckersüße Weise. „Ich wollte unbedingt nach dem Frühstück duschen.“

Er sprang auf. „Ich zeig dir, wo das Bad ist und helfe dir-“

„Sofort wieder hinsetzten“, fauchte ihn Inuyasha an und zog ihn auf seinen Stuhl zurück. „Und Mund halten!“

Endlich setzte Anjaani sich hin. Der Anblick ihrer perfekten Beine war eine Qual und ein verbotener Genuss. Ganz genau, verboten! Also am Riemen reißen. Er verlor gänzlich die Kontrolle.

Er konnte sie doch nicht um Sinn und Verstand bringen und sie dann wie eine heiße Kartoffel fallen lassen. Sie hatte es gewollt, aber er hatte sie dazu gebracht. Sie war nicht von selber zu ihm gekommen. Und dann?

„Ist dir mehr eingefallen?“, riss ihn Anjaani aus seinen Gedanken.

„Was?“ Er war grade völlig aus der Bahn.

Sie legte den Kopf leicht schief, wie Aryan es tat und lächelte. Eine der vielen Eigenheiten, in denen sich die beiden Inder so glichen.

„Kagome.“

Mehr sagte sie nicht. Er schüttelte den Kopf. Die ganze Nacht hatte er sich mit diesem Bruchstück seiner Erinnerung herumgeschlagen. Jetzt war er ausgelaugt und keinen Schritt voran gekommen.

„Sagst du es ihm, Aani?“, wollte Yuki wissen.

„Es ist nur eine Theorie“, grummelte Anjaani.

„Wovon redet ihr?“

Anjaani wandte sich ihrem Essen zu.

„Wir vermuten, du bist nicht verheiratet“, sagte Yuichi.

„Was?“ Wut blitzte aus seinen Bernsteinaugen. „Warum sagt mir das keiner?“

„Weil es eben nur eine Vermutung ist“, beharrte Anjaani. „Wir haben keine Beweise. Die könntest nur du uns liefern.“

„Wieso fragen wir nicht den Allwissenden?“, wunderte sich Yami.

Alle Augen richteten sich auf Aryan.

„Ich bin nicht allwissend“, widersprach dieser.

„Was Aryan nicht weiß, existiert nicht“, zitierte Yoko ein sehr beliebtes Sprichwort und der General seufzte.

„Hundedämonen heiraten keine Menschen, dafür sind ihre Gene zu kostbar“, gab er sein Wissen preis. „Da sprächen noch einige Faktoren gegen eine Ehe, aber das habt ihr vermutlich ausführlich diskutiert.“

„Ziemlich ausführlich“, nickte Yami. „Und wir glauben alle nicht, dass der Flohteppich es tatsächlich geschafft hat, eine Frau an sich zu binden.“

„Ich hätte auch gerne davon erfahren“, rief Inuyasha aufgebracht aus.

„Tja, dann gewöhn dir ab, immer sofort abzuhauen“, funkelte ihn Anjaani böse an.

Wütende Augen und nackte Beine, eine wahnsinnig gefährliche Kombination für seine Selbstbeherrschung.

„Ich will nur wissen, ob ich wirklich eine Frau habe, die auf mich wartet“, sagte er leise.

Ihr Blick wurde weicher.

„Ganz einfach. Der Allwissende- entschuldige, Aryan-nii“, unterbrach sie sich kichernd. „Aryan weiß ganz genau, ob jemand lügt.“

„Du ebenso“, fügte Aryan hinzu.

„Dir traue ich aber mehr, Nii-chan.“

„Du stehst mir in nichts nach, Kleines.“

„Könnt ihr dieses Gesülze lassen?“, ätzte Inuyasha. „Bin ich verheiratet?“

„Woher soll ich das wissen?“, zog ihn Aryan auf.

„Saajan, eine Frage ist neutral. Sie hat keinen Wahrheitsgehalt.“

Er stieß ein genervtes Grollen aus und sah dann beide Inder an.

„Ich bin mit Kagome verheiratet!“

„Das ist eine Lüge“, sagten beide gleichzeitig.

Er atmete erleichtert aus.

„Inuyasha, ist es deine Art, sich an eine einzige Frau zu binden und ihr…“ „…treu zu sein?“

Sie konnte es nicht über die Lippen bringen, aber er wusste, was sie sagen wollte und er schloss beschämt die Augen.

„Nein, ist es nicht. Das liegt keinem Hund im Blut, auch keinem Hanyou. Soweit ich mich aber erinnern kann, habe ich keine Kinder.“

„Keine lebendigen“, flüsterte sie leise und erhob sich. „Ich geh duschen. Wer kommt mit?“

„Ich!“

„Ich habe die Drillinge gefragt“, tadelte sie Yuichi.

„Wir alle. Die Dusche ist groß genug für uns vier.“

„Ist das jetzt euer Ernst?“ Yuichi konnte seine Begeisterung nicht mehr zügeln.

„Natürlich. Wir haben keine Zeit jede für sich zu duschen.“ Yukis Augenaufschlag hätte den Teufel erröten lassen. „Wir haben schon oft zusammen geduscht.“

„Denk nicht mal dran, Yamada“, sagte Aryan sanft.

„Du bleibst hier sitzen!“

Bei Inuyasha war die Drohung deutlich herauszuhören.

„Das ist meine Wohnung! Was glaubt ihr, warum habe ich so ein großes Apartment?“

Inuyasha überging das und sah Aryan an.

„Bist du dir sicher, ich bin nicht verheiratet?“

„Totsicher. Ein Hanyou einer solch starken Rasse meidet Menschen. Und Aurora-“

„Nein, nimm die Finger da weg!“, gellte Anjaanis spitzer Schrei aus dem Badezimmer.

Alle drei Männer drehten die Köpfe in dieselbe Richtung.

„Ich vermute, meine Freundin hat ihren Spaß“, grinste Yuichi.

„YUKI! Lass das!“

„Was sag ich?“

„Hab ganz vergessen, dass die schlimmer ist als du“, stöhnte Inuyasha.

„Nein, fass mich da nicht an!“

„Wehr dich nicht, ich will dich doch nur abtrocknen!“

Yuichi funkelte die Dämonenjäger an. „Ich verzeih euch nie, dass ihr mir das verdorben habt!“

Als ein weiterer Schrei erklang, hatte Inuyasha die Nase voll und sprang auf.

„Aryan, halt ihn auf!“

„Mach dir keine Sorge“, lächelte Aryan beruhigend.

„Saajan!“

Ehe Inuyasha etwas unternehmen konnte, stürmte Anjaani aus dem Badezimmer, direkt in seine Arme. Sämtliche Muskeln spannten sich an, sein brennendes Blut schoss ihm aus dem Kopf, direkt in die Lenden.

Sie hatte nur ein Handtuch um den nassen Körper gewickelt.

Yuki verschränkte grinsend die Arme vor der Brust. Sie war wenigstens angezogen.

„Ich glaube, du bist mir was schuldig, Hanyou.“

„Wieso bist du angezogen?“, jammerte ihr Freund und versuchte ins Bad zu linsen.

Der Rest der Drillinge war aber ebenfalls nicht mehr nackt.

„Den Spaß gönn ich dir, wenn ich mehr Zeit habe. Ich arbeite heute in einem Theater. Wir sehen uns später, Liebling.“

Mit einem honigsüßen Kuss verabschiedete sie sich von ihm.

„Müsst ihr nicht auch los?“, wandte sich Aryan an die restlichen Schwestern.

Die Mädchen grinsten.

„Yui-chan, hör auf zu trödeln und mach dich auf!“, wies Yoko ihn an.

„Ich habe keine Lust“, stöhnte er. „Ich spiel die Hauptrolle in einem bescheuerten Liebesfilm. Noch eine peinliche Version von Romeo und Julia. Und ich muss der bescheuerte Romeo sein.“

Yoko zog ein finsteres Gesicht, doch Yami stupste sie in die Seite.

„Das klingt nicht danach, als hättest du die Rolle freiwillig angenommen“, bemerkte Anjaani, zu seiner riesigen Enttäuschung vollständig angekleidet.

„Nein, als ob ich freiwillig in einer billigen Romeo-und Julia-Nachmache mitspiele! Fifi, mein Manager, hat mir das eingebrockt. Die Frau, die ihn angerufen hat, die Assistentin der Regisseurin, hat ihn völlig verzaubert. Er hat ohne meine Zustimmung zugesagt. Muss ‘ne Bombe sein, diese Frau.“

Aryan sah seine Freundin an. Sie schüttelte nur lächelnd den Kopf.

„Ich hab mich schon drei Tage lang drücken können, aber heute komme ich nicht drum herum.“

„Geh jetzt“, befahl Yoko.

Sie selber kam später ans Set und Yami so gegen Nachmittag.

Yuichi machte sich mürrisch auf den Weg.

So lange hatte er das hinausgezögert, jetzt hatte er keine Wahl mehr. Er fügte sich seinem Schicksal.

Sein Manager Fabien war bester Laune und schwärmte in den größten Tönen von dieser Wunderfrau. Der Produzent schmachtete sie ebenfalls an. Sie war diejenige, die alles am Laufen hielt. Yuichis Freude hielt sich in Grenzen.

„Ganz toll, eine hardcore-emanzipierte Kampf-Lesbe.“

„Sie ist eine wunderschöne, zierliche Fee“, flüsterte ihm sein Manager zu.

„Und Sie haben großes Glück“, betonte der Produzent. „Sie kommen als erstes in die Obhut unserer Bühnenbildnerin. Sie bestand nämlich darauf, sofort die Maße für Ihre Kostüme zu nehmen. Ohne sie würde hier nichts laufen. Sie hat ein großes Talent.“

„Wohl eher große Brüste!“

„Wer ist denn diese Frau, von der alle so begeistert sind?“

„Sie wird dir gefallen“, sagte sein Manager mit diesem dummdämlichen Lächeln im Gesicht. „Sie ist haargenau dein Geschmack.“

„Das bezweifel ich.“

„Wenn du sie nicht willst, ich nehme sie gerne.“

„Wow, wer ist denn diese Frau, dass sie dich so umhaut, Fifi?“

„Oh, da hinten ist sie.“

Yuichi blieb stehen. Sie stand auf einer Leiter, ihm den Rücken zugedreht, aber was er sah, ließ ihm das Wasser im Munde zusammenlaufen. Sie hatte traumhafte Kurven, die von ihrer engen Jeans und der hauchfeinen Bluse auf elegante und attraktive Weise betont wurde. Ihr langes Haar schimmerte rötlich im Scheinwerferlicht.

Unwillkürlich sah er sie in schwarzer Spitzenunterwäsche vor seinem geistigen Auge. Wie sah sie aus? Wenn ihr Gesicht so schön war, wie ihr heißer Körper… Moment! Etwas an ihr kam ihm bekannt vor…

„Da sind Sie ja. Yuki, ich möchte Ihnen Ihren Romeo vorstellen!“

Ihre Augen funkelten, als sie ihn ansah. Dieser Blick fuhr ihm heiß unter die Haut. Das war die Frau, die hier allen den Kopf verdrehte? Die Frau, die ihn unbedingt als Protagonisten gewollt hatte? Die Frau, der Fifi aus der Hand fraß? Er hätte es sich denken können!

Yuichi beachtet den Direktor kaum, zu gebannt war er von ihr.

Entschlossen schritt er auf sie zu und bot ihr die Hand an, um ihr von der Leiter herunterzuhelfen. Sie nahm die Hilfe an.

„Yuki, darf ich Ihnen Yuichi…“

Er riss sie an seine Brust, vergrub die Hände in ihrem Haar und küsste sie.

„Yuichi!“

Fifi fiel aus allen Wolken.

„Du hast recht, Fifi. Die ist ganz genau mein Geschmack.“

Yuki schlang lachend die Arme um seinen Hals.

„So wild heute, Romeo?“, schnurrte sie. „Ich kann mich nicht erinnern, dass er so ranging.“

„Dann lies den Text nochmal. Julia hat ihn in der ersten Nacht rangelassen.“

Sie waren sich der verdutzen Gesichter um sich herum nicht bewusst.

„Ich bin nicht die Julia.“

„Aber meine persönliche Julia, Schönheit. Du hast mir nicht gesagt, dass du hier arbeitest. Als du heute Morgen sagtest, du müsstest ins Theater, habe ich nicht dieses erwartet.“

„Ich wollte dich überraschen, Liebling.“

Fabien fand seine Stimme wieder, doch die troff vor Frust.

„L-Liebling? Ihr seid ein Paar?“

„Das ist Yuki“, sagte Yuichi nur.

„Die Yuki? Von der du seit Tagen schwärmst?“

„Hai. Meine Yuki.“

Mehr sagte er nicht. Fabien sah all die unausgesprochenen Worte in seinen Augen und Yuichi den Schock bei ihm. Fast hätte er Mitleid empfunden, wenn es nicht Yuki wäre, auf die Fifi scharf ist.

Mit ihr an seiner Seite würde dieser Filmdreh vielleicht doch noch amüsant werden.

„Fifi mag dich“, flüsterte er ihr zu.

„Das merkst du früh.“ Sie sah ihm tief in die Augen. „Ich habe ein Händchen für Franzosen.“

„Er ist nicht der einzige, dem du den Kopf verdreht hast.“

Yuki lächelte.

Yuichi blickte sich im Saal um. Mehr als nur ein Gesicht war enttäuscht über die Tatsache, dass die scharfe Bühnenbildnerin vergeben war.

„Tu nicht so. Du hast hier auch so deine Verehrerinnen, wie zum Beispiel-“

„Roooomeoooo! Mein süßer Romeo!“

Oh nein! Yuichi unterdrückte ein Stöhnen.

Die richtige Julia platzte in die Szene und blieb wie angewurzelt stehen als sie den Ersehnten in inniger Umarmung mit der Bühnenbild-Schlampe sah.

„Oh, ich sehe, du lernst die Arbeitskräfte kennen.“

Sie versprühte mehr Gift als eine angriffslustige Kobra.

Yuki verdrehte innerlich die Augen. Doch ehe sie zu einer Antwort ausholen konnte, mischte sich der Direktor ein.

Die spannungsgeladene Atmosphäre war niemanden entgangen.

Er verteilte die Aufgaben, immerhin war man zum Arbeiten hier. Yuki müsste sich jetzt um Romeos Kostüme kümmern. Es klang schon fast bedauernd.

„Komm“, packte sie ihn am Kragen. „Wir müssen Maß nehmen. Der vorherige Romeo war kleiner gebaut als du.“

War er der einzige, der die Zweideutigkeit in ihrer Stimme heraushörte?

„Nein, noch nicht“, mischte sich die Julia ein. „Sie… wie heißen Sie noch einmal? Egal. Erst müssen meine Kostüme angepasst werden. Solange Sie Ihre Arbeit tun, können Yuichi-kun und ich proben.“

Yuki wandte sich ihr mit einem engelsgleichen Lächeln zu.

„Oh-oh!“, war Yuichis einziger Gedanke.

„Ich bin damit schon fertig. An der Brust enger und am Bauch weiter. Also mache ich mit Yuichi weiter. Direktor, wir brauchen nicht lange.“

Yuichi traute sich nicht, sich umzudrehen, als sie die Bühne verließen. Julias Blick hätte ihn bestimmt töten können, umso strahlender war das Lächeln der Siegerin.

„Yoko wäre stolz auf dich“, lachte er.

„Die wird das mitkriegen, sie ist immerhin die Regisseurin. Das hier ist ihr Film.“

„Das ist ihr Film?“

„Nimmst du immer Rollen an, ohne zu wissen, von wem das Drehbuch ist?“

Ohne auf eine Antwort zu warten, schubste ihn in die Garderobe und schloss die Türe hinter sich.

„Los, zieh dich bis auf die Shorts aus!“

Wenn er gehofft hatte, es würde jetzt heiß hergehen, hatte er sich gründlich geirrt. Sie kramte nach Nadeln und Maßband.

„Du bist eine Spielverderberin“, jammerte er.

„Nein, bin ich nicht, ich nehme meine Arbeit nur ernst. Könnte dir nicht schaden. Heb die Arme. Hm, breiter als ich dachte“, murmelte sie, als sie seinen Brustkorb abmaß und sich Notizen machte.

Als sie in die Knie ging, um seine Beine abzumessen, stieg ihm explosionsartig Hitze in den Kopf. Wie zufällig streifte ihre Wange seinen Schritt.

„Yuki?“

„Ja?“

„Ist dir bewusst, was du da tust?“

„Ja.“

„Dann weißt du auch, was ich denke.“

Sie sah zu ihm hoch, ihre Augen funkelten.

„Vergiss es, sonst wärst du den ganzen Tag arbeitsunfähig.“

Ihre rosa Zungenspitze befeuchtete ihre Lippen. Diese kleine, unbewusste Geste, schlug ein wie eine Bombe.

Im selben Moment klopfte es.

„Yuki? Kann ich reinkommen.“

Fifis Stimme ließ sein erwachtes Verlangen augenblicklich zusammenschrumpfen.

Yuichi kicherte. „Natürlich, kommen Sie herein, Fabien.“

Fifi trat ein und deutete den Ausdruck in Yuichis Augen korrekt.

„Oh, störe ich?“

„Natürlich nicht.“

„Und ob, verschwinde, Fifi!“

„Yui-kun. Wie kann ich Ihnen helfen?“

Yuki ließ sich nicht stören.

Sein Manager räusperte sich und wechselte ins Französische.

„Eigentlich, Yuki, hatte ich gehofft, mit Ihnen reden zu können.“

„Ich bin ganz Ohr“, sagte sie, während sie Jéremy blaue Stoffe umlegte. „Du brauchst kühles Blau. Saphir und Indigo sind ganz genau deine Farben, Liebling.“

Fabien räusperte sich, er wirkte etwas unangenehm berührt.

„Ich hatte gehofft, unter vier Augen…ähm, nun ja. Wegen heute Abend.“

„Was ist mit heute Abend?“ Yuki blieb im Japanischen.

„Ja, Fifi, was ist mit heute Abend?“

„Hör auf, mich so zu nennen!“

Yuichi grinste seine Freundin an.

„Was habe ich dir gesagt? Keine 10 Sekunden brauche ich bei ihm.“

„Es geht um das Abendessen.“

„Ja, um 6. Was ist damit?“

Jetzt schwand Yuichis Lachen dabei erstrahlte aber Fabiens Gesicht.

„Ich dachte, weil du in einer Beziehung…“

„Ja, in einer Beziehung, aber nicht in Gefangenschaft. Wir sehen uns dann. Au revoir.“

Yuichi starrte seinem Manager einige Atemzüge lang hinterher.

„M-moment mal! Ihr habt ein Rendezvous?!“

„Natürlich nicht“, knurrte ihn Yuki an. „Jetzt halt endlich mal still. Das ist ein Abendessen, bei dem ich mich mit einer wichtigen Person aus deinem Leben austauschen will. Du hast doch Aani aus demselben Grund abgeschleppt, als sie auch noch krank war.“

„Das ist nicht dasselbe.“

„Nicht dasselbe?“

Ihm entging die Tonlage nicht, die deutlich machte, dass er sich auf gefährliches Terrain bewegte.

„Yuichi, zwischen euch besteht kein Vergleich. Ich habe zwar eine Schwäche für die französische Sprache, aber trotzdem kann Fabien sich höchstens im Traum mit dir messen. In meinen Augen kann sich niemand mit dir vergleichen. Aber Aani ist nicht zu übertreffen an Schönheit, Güte, Freundlichkeit, Anmut, Unschuld, Attraktivität, Liebreiz…“

„In Ordnung! Verstanden. Wann kommst du heim?“

Und wieder veränderte sich die Stimmung, allerdings ins Positive. Sie schlang die Arme um seinen Nacken und presste ihren Körper gegen seinen. Ihr Blick nahm einen Ausdruck an, der seine Lust wie durch einen Knopfdruck einschaltete.

„Bis spätestens 8 bin ich daheim, Liebling. Und du wartest artig auf mich.“

„Immer.“

„Braver Junge. Und dafür gibt es auch eine Belohnung.“

Und Yukis Belohnungen waren eindeutig die süßesten!

„Yuki Lisa Higurashi!“, donnerte es plötzlich gegen die Türe. „Wo immer du gerade deinen Mund hast, nimm ihn da weg. Ich brauche dich.“

„Mieses Timing, Yoko“, knurrte Yuichi.

Yoko steckte ihren Kopf herein.

„Wir sind hier zum Arbeiten. Halte dich daran, oder ich sorge dafür, dass ihr zwei nie mehr die Gelegenheit haben werdet, alleine in einem Raum zu sein. Häschen, was hast du mit Naoko gemacht?“

Yuki grinste. „Unsere Julia verwechselt Film und Wirklichkeit.“

Yoko grinste zurück. „Wenn sie sich nicht benimmt, ist sie raus. Das habe ich ihr gesagt. Aber provozier es nicht. Hast du wirklich ihre Kostüme so umgenäht?“

„Nein“, lachte sie. „Aber das war die erste Antwort die mir einfiel.“

„Ich bin stolz auf dich. Aber ich brauche dich jetzt, Yami kommt erst spät. Yui-chan, geh proben, der Choreograph ist da.“

Sie sahen ihn misstrauisch an. „Was ist?“

Er legte die Arme um jede von ihnen und spazierte grinsend aus der Kabine, die neidischen Blicke der männlichen Arbeiter im Rücken.

„Ich habe das Gefühl, das wird ein recht lustiger Dreh.“

„Ich auch“, lachten die Schwestern. „Geh zum Choreographen, das wird richtig lustig.“

„Wer ist der Choreograph, dass unser Kätzchen vor ihm flüchtet?“

„Sieh selbst“, kicherte Yuki, als sie die Türe zum Tanzsaal öffnete.

Yuichi betrat den Raum und erstarrte. Genauso wie der Choreograph. Blau starrte in Silber.

Zumas Mundwinkel wanderten nach unten, während Yuichis nach oben sprangen. Oh, das wird wirklich lustig!

„Guten Tag, ich bin Yuichi Yamada“, lächelte er arglos und streckte ihm die Hand entgegen. Zuma, sich der neugierigen Blicke der Schauspieler bewusst, ergriff die ihm dargebotene Hand, fester als sonst üblich.

„Oh, ich spür, du freust dich, Aki-chan.“

„Was machst du hier?“

Seine Stimme hätte die Sonne einfrieren können.

„Ich bin der Romeo.“

Wortlos schritt er an ihm vorbei und Yuichi hörte nur noch den mühsam beherrschten Ruf: „Yuki!“

Yuki versuchte noch zu entwischen, aber Zuma packte sie am Ellenbogen. Er war stocksauer.

„Wo ist Yoko?“

„Sie hat zu tun“, wehrte Yuki nur ab.

Dass sie ihn nicht sehen wollte und sich wie ein Kleinkind vor ihm versteckte, musste ihm nicht an die Nase gebunden werden.

„Ich will mit ihr sprechen.“

„Ich bin da.“

Dann wurde ihr Blick keck. „Den Unterschied zwischen mir und Yoko wirst du nicht bemerken, Zumalein.“

Seine Augen glühten silbern vor Zorn.

„Was macht Yamada hier?“

„Er ist der Romeo“, zuckte sie nur mit den Schultern. „Und du bist hier, um ihm ein paar kleine Schritte beizubringen. Oder ist das zu viel für dich?“

„Dieser verfluchte Männerstolz“, lächelte Yuki in sich hinein, als Zuma herumwirbelte und im Raum verschwand.

Sie gab Yuichi einen schnellen Kuss.

„Beherrsch dich, ja? Mach mir nicht mehr Arbeit, als ich erledigen kann.“

„Ein bisschen darf ich ihn aber ärgern?“

„Übertreib es nicht, bei der Kampf-Choreo wird er von Inuyasha unterstützt.“

„Oh.“

„Yoko denkt schon daran, dass du keine Narrenfreiheit hast.“

Es dauerte aber keine halbe Stunde, bis Zuma sich beschwerte.

„Wo bleibt dieser feige Dämon“, knurrte er Yuki an. „Der hat diesen Clown bestimmt im Griff.“

Die älteste Drilligsschwester prustete los. „Inuyasha? Der beißt sich die Zähne an Yui-kun aus!“

„Keine Sorge, Zuma“, erklang plötzlich Yamis angenehme Stimme hinter ihm. „Ich bin jetzt da und halte ihn in Schach.“

Zuma atmete erleichtert aus.

„Was machst du so früh hier?“, wunderte sich ihre Schwester.

„Mein Chef hat mich früher gehen lassen.“ Was eine Umwandlung von „Ich bin im Streit mit meinem Chef früher gegangen“ war.

„Bevor ich‘s vergesse!“ Yami hielt Zuma eine Plastikdose hin. „Hier, das Bento hat Aani für dich gemacht. Sie meinte, das sei gut für deine Nerven.“

„Von Aurora?“, widerholte er und nahm das Mitbringsel an.

„Ja, sie macht sich Sorgen um dich, weil Yui-chan dir ziemlich auf die Eier gehen wird. Sie meinte, es sei nicht nötig, dass du noch vor deinem Dreißigsten an einem Herzinfarkt stirbst.“

„Scheint Ahnung von dem Kerl zu haben“, murmelte er mit einem überraschend sanften Ausdruck in den grauen Augen.

„Aani hat eine ausgezeichnete Menschenkenntnis“, erinnerte ihn Yuki. „Die zwei sind wie Geschwister. Yuichi frisst ihr quasi aus der Hand.“

Wer hätte das gedacht!

So seltsam es auch war, aber seine Nerven wurden wirklich ruhiger. Aurora sorgte sich um ihn… Wieso gefiel ihm diese Tatsache so sehr?
 

„Ich höre Zuma nicht mehr fluchen“, bemerkte Yoko irgendwann.

Yuki war gerade mit den Kostümskizzen der Ballszene beschäftigt.

„Arbeite, statt dich um den zu sorgen“, riet sie. „Es wird noch laut genug, sobald der Hanyou hier auftaucht.“

„Was verheimlichst du mir?“

„Er ist richtig glücklich drüber, dass Aani sich um ihn sorgt“, antwortete sie auf Deutsch.

Mina straffte die Schultern.

„Du meidest ihn, statt um ihn zu kämpfen“, sagte Yuki plötzlich. „Statt ihm zu zeigen, was er an dir hat.“

„Du weißt genau, gegen Aani-“

„Ich muss mich auch gegen Aani behaupten“, ließ sie ihre jüngere Schwester nicht aussprechen. „Jeden Tag kämpfe ich gegen sie. Und ich gewinne. Yami hat es sogar noch schwieriger. Inuyasha ist der einzige, der zwischen Aani und Aryan steht. Weißt du, was der Grund ist, dass Zuma Aani noch nicht angerührt hat, obwohl jeden Tag duzende Gelegenheiten dazu bestehen? Du bist der Grund!“

Yoko war überrascht.

„Kätzchen, ich hab doch seine Reaktion gesehen, als er mich für dich hielt. Er war rasend eifersüchtig.“

„Sag, du Beziehungs-Expertin. Was soll ich deiner Meinung nach tun?“

„Warten. So schwer das auch ist. Ich habe Jahre gewartet und jede verdammte einsame Sekunde davon hat sich gelohnt.“

Sie seufzte hörbar. „Warte und in der Zwischenzeit lenkst du dich einfach mit dem Vampir ab. Ein oder zwei Bisse… Gott, ich wär im Himmel!“

„Dann lass Yui-chan doch an deinen Hals“, grinste Yoko hinterhältig.

„Damit er komplett die Kontrolle über mich hat?“

„Kompletter Kontrollverlust kann der Wahnsinn sein“, widersprach sie. „Es kommt alles auf das Vertrauen an.“

Yuki schüttelte es, aber sie musste zugeben, Yuichi unterlegen zu sein, machte sie schon an.

„Naja… Ich bin nicht so begeistert.“

„Wovon?“, tauchte Yami auf, die Arme voller Notenblätter.

„Von Yui-kun dominiert zu werden“, erklärte sie.

Yamis Augen zuckten kurz zu Yukis Hals.

„Kompletter Kontrollverlust kann der Wahnsinn sein“, schwärmte sie. „Du musst ihm nur vertrauen können. Wenn du seine Schwäche ebenfalls kennst und er dir auch mal das Ruder überlässt.“

„Was ist denn Aryans Schwäche?“, riefen ihre Schwestern überrascht aus.

„Oh, wie eigentlich bei jedem Mann. Stichwort „Gottesanbeter“. Das Schönste war, er hat es selbst nicht gewusst, weil er noch nie in seinem Leben die Kontrolle abgegeben hatte. Du hast noch viel zu entdecken mit Yuichi.“

„Wieso geht’s hier grad um dich?“, beschwerte sich Yoko plötzlich. „Haben wir nicht eigentlich über meine Probleme gesprochen?“

„Warte“, sagte Yami. „Du bist nicht die einzige, die heimlich gegen Aani kämpfen muss. Aber am Ende wirst du siegen. Und solange du wartest, lenkst du dich mit dem Vampir ab.“

„Er ist Spanier“, seufzte Yoko. Wie Yuki ihre Schwäche für Franzosen hatte, hatte Yoko sie für Spanier.

„Umso besser für dich. So, ich brauch dich jetzt beim Orchester.“

„Und ich muss mich um unseren Tybald kümmern“, lächelte Yuki. „Macht mir schöne Augen und glaubt tatsächlich, mit seinem Mini-Würstchen Yuichi den Rag ablaufen zu können.“

„Was machst du mit seinem Würstchen“, entsetzten sich die Schwestern.

Yuki lachte. „Nicht so viel, wie er gern hätte. Konnte halt seine Freude nicht verbergen, als ich ihm die Beine abmessen musste.“

„War das der Grund, warum due Yui-chan gleich die Kostüme anpassen wolltest? Um einen Vergleich zu haben?“

„Hey, mir darf die Arbeit doch auch ein wenig Spaß machen, oder?“

„Ich bin da, ihr Nervensägen“, erklang Inuyashas samtene Stimme.

„Den größten Spaß wird eindeutig jemand anderes haben“, grinste Yuki. „Das lass ich mir nicht entgehen, Tybald kann warten.“
 

„Mir gefällt es nicht, wie der mich ansieht, während er mit dem Riesenmesser auf mich zukommt“, beschwerte sich Yuichi.

„Ich kann niemandem das Kämpfen beibringen, der ein Schwert nicht von einem Messer unterscheiden kann“, knurrte Inuyasha. „Außerdem ist das nur ein Requisit, du Memme!“

„Yui-kun, du warst doch im Fechten, ein blutiger Anfänger bist du nicht“, beschwichtigte Yuki. „Und du, Inuyasha, mach ihn nicht kaputt. In zwei Stunden habt ihr Feierabend. Ich muss los.“

„Zu deinem Rendezvous?“

„Das ist kein Rendezvous. Viel Spaß ihr beiden.“

„Sie geht mit einem anderen Kerl aus?“, wunderte sich Inuyasha.

„Mit meinem Manager“, warf Yuichi angesäuert ein.

„Der Kerl, dem der Sabber aus dem Mund fließt, sobald er sie sieht?“

„Genau der.“

„Er ist Franzose.“

„Weiß ich.“

„Sie steht total auf Franzosen.“

„Weiß ich auch.“

„Und dieser Franzose ist völlig verrückt nach ihr!“

Die aufbrodelnde Eifersucht ließ sich nur schwer unterdrücken.

„Ist mir auch aufgefallen“, knurrte er leise.

„Du gibst sie in die Hände eines anderen, bedürftig und ausgehungert wie sie ist?“

„Was treibst du da eigentlich?“, beschwerte sich Yuichi.

„Deine Wut anstacheln“, erklärte Inuyasha. „Wütend bist du mutiger und nicht solch eine Memme. Kein Wunder, dass der Zwerg mit einem echten Mann fremdgeht.“

Yuichi packte sein Schwert. „Ich bin keine Memme“, schrie er und der Kampf begann.
 

Todmüde fiel Yuichi ins Bett.

„Yui-kun, wunderte sich Yuki verschlafen. „Wo bist du solange geblieben?“

„Hab den Dämon fertig gemacht.“

„Ihr habt so lange trainiert?“

„Es hat Spaß gemacht“, stöhnt er. „Wir konnten nicht aufhören. Und du?“

Sie kuschelte sich an ihn und bettete den Kopf auf seine Schulter.

„Ich war um halb 8 Daheim und habe auf dich gewartet. Es war nichts weiter als ein Abendessen.“

„Ich liebe dich“, flüsterte er leise und schlief dann ein.
 

Und wachte nicht mehr so richtig auf.

Selig schlummerte er auf seinem Frühstücksplatz weiter, während die anderen ihn in Ruhe ließen.

Nur Inuyasha war über die neue Situation überrascht.

„Was hast du mit dem gemacht?“, fragte er Yuki.

„Ich? Du hast ihn kaputt gemacht!“

Er stupste Yuichi an. „Hey, du Schlafmütze! Erspare uns dein Geschnarche und wach endlich auf!“

„Lass mich...“, jammerte dieser leise und nickte wieder ein.

„Lass ihn“, bat Anjaani und streichelte zärtlich über seine wirren schwarzen Haare. „Du hast ihn gestern überanstrengt und er konnte sich nicht erholen.“

„Warum ist er dann hier?“

„Weil wir eine Familie sind. Aber wenigstens etwas Essen sollte er.“

„Vergiss es, Aani, der hat einen sehr tiefen Schlaf.“

„Aber eine einzige Sache kann ihn aus dem Koma reißen“, lächelte Yoko.

Die Schwestern grinsten sich an.

„Yu-iii-chiiiiii, wir sind nackt“, flöteten sie einstimmig.

Yuichis Kopf schnellte in die Luft. „Nackt! Brüste!“

Alle im Raum brachen in schallendes Gelächter aus, während Yuichi ein wenig konfus in die Runde starrte.

„Warum habt ihr was an?“, beschwerte er sich.

„Weil das hier keines deiner perversen Träume ist!“, erklärte ihm Inuyasha.

„Offensichtlich, sonst wärst du nicht dabei!“

Anjaani streichelte sein Gesicht und er riss überrascht die Augen auf, als sich ihre vergoldeten. Ihre vollen Lippen drückten ihm einen Kuss auf die Stirn und dann wusste er den Grund für ihre goldenen Augen. Unendlich liebevolle Wärme erfüllte seinen ganzen Körper, vertrieb alle Müdigkeit. Plötzlich fühlte er sich wie das sprudelnde Leben.

„Danke, Nee-chan.“

Yoko wandte den Blick von ihm ab. Warum zur Hölle musste er Zuma nur so ähnlich sehen?

Ihr Frühstück schmeckte fade, wenn sie mitansehen musste, wie diese Zuma-Kopie sich sehnsüchtig an ihre Schwester schmiegte. Hier ein Lächeln voll Hingabe, dort eine Berührung voll Sehnsucht. Und Yuki erwiderte jede seiner Zärtlichkeiten. Sie waren im siebten Liebeshimmel. Zum kotzen war das!

Yuichi hob den meerblauen Blick und sah sie an, den gleichen Ausdruck im Gesicht wie sein Cousin- das tat er doch mit Absicht!

„Na, neidisch?“, raunte er ihr zu.

Bittere Wut kochte in ihr hoch. Am liebsten würde die ihre Fingernägel in seine Augen jagen. Diese Augen, gleich und doch anders.

„Armes, unattraktives Ding. Ist nicht unsere Schuld, wenn dich keiner will, Kätzchen!“, grinste Yuichi frech.

Das brachte das Fass zum überlaufen. Eine Gabel voll Rührei traf mitten in sein Gesicht.

„Karina!“, entrüstete sich Anjaani.

„Ignorier ihn“, schaltete sich Yami ein. „Aani ist auch noch nicht vom Markt. Inuyasha kriegt das einfach nicht auf die Reihe.“

Aryan lenkte das Thema schnell wieder in sichere Bahnen, weil Inuyasha wütend die Gabel abgesetzt hatte.

„Du bist wählerisch. Dein Herz verfällt dem Mann, der es gewinnt.“

Yoko nickte zustimmend. „Du sagst es.“

„Den Mann will ich sehen, der es mit ihr aushält“, kommentierte Yuichi und auch die zweite Rührei-Ladung verfehlte sein Ziel nicht.

Anjaani zischte.

„Und wie soll ein Mann dein Herz gewinnen, Yoko-Neko?“, fragte Yuki, während sie Eier aus Yuichis Haaren pickte.

„Oh, das kann ich dir ganz genau sagen! Er müsste wie Yuichi-“

„Ah!“, unterbrach dieser sie. „Ich wusste, du hast eine Schwäche für mich.“

Darauf ging sie nicht ein. „Mein Traummann wäre eine Mischung aus Yuichi und Aryan.“

„Wieso Yuichi?“ Yami runzelte verwirrt die Stirn. „Aryan reicht völlig, Yui-chan zerstört doch die Vollkommenheit.“

Aryan lächelte sie liebevoll an. „Yoko möchte aber, dass ihr Traummann aussieht wie Yuichi.“

„Yuichi hat ein traumhaftes Gesicht“, bestätigte Yoko. Der Japaner riss die Augen auf. Zumas Gesicht…

„Gepaart mit Aryans Charakter wäre das der Himmel auf Erden. Oh und noch etwas Inuyasha.“

„Hör auf“, knurrte der Dämon.

Er wusste, welches Teil sie von ihm wollte. Ihre Schwestern wussten es ebenfalls, nur Anjaani nicht.

„Und was soll er von Inuyasha haben?“

„Etwas großes“, schmunzelte Yoko. „Etwas seeeehr großes.“

„Halt jetzt-“

„Mehr hat Inuyasha auch nicht zu bieten“, unterbrach Yami ihn.

Inuyasha richtete sich drohend auf, doch Aryan drückte ihn auf seinen Stuhl zurück.

„Und das wäre dein Traummann? Schönes Gesicht, perfekter Charakter und gut ausgestattet? Ich hab doch gesagt, da reicht Aryan alleine vollkommen.“

„Echt? Wie-“

„Nein!“, fuhr Anjaani den Schwestern über den Mund. „Aufhören! Könnt ihr an irgendetwas anderes denken? Das ist furchtbar! Warum bist du mit Zuma nicht mehr zufrieden?“, lenkte sie auf angenehmere Themen.

„Zwei Punkte erfüllt er“, gab Yoko zu. „Aber sein Charakter gehört in die Tonne.“

„Ich finde, ihr passt genau deshalb perfekt zusammen.“

Auch vor dem dritten Wurf konnte Yuichi sich nicht retten.

Anjaani platzte der Kragen. „Wenn noch ein Mal mit meinem Essen geworfen wir, kriegt ihr beide Hausverbot! Habt ihr mich verstanden?“

„Warum ich?“ Yuichi schmollte.

„Weil du sie provozierst. Lass das, oder ich erlaube Inuyasha, dich rauszuschmeißen.“

„Und du verlässt die Wohnung nicht durch die Tür“, grinste Inuyasha finster.

Zu Yoko sagte sie: „Lass dich bitte nicht so provozieren.“

„Das sagt sich so leicht. Ich werde nie jemanden finden.“

„Wenn du nach jemanden wie Aryan suchst, hast du schon verloren. Den perfekten Mann gibt’s nur ein Mal.“

„In deinen Augen“, lächelte Aryan sie voll Liebe an.

Yuki kicherte. „Unmögliches passiert jeden Tag. Es muss nur einer kommen, der dich verführt und im Sturm dein Herz raubt!“, sagte sie mit übertrieben dramatischem Tonfall. Inuyasha verdrehte die Augen.

Yuki packte Yokos Hände und schaute ihr tief in die Augen.

„Er nimmt deine Hand und schaut dich tief und innig an- so wie ich jetzt, nebenbei bemerkt- bis eure Blicke miteinander verschmelzen. Dann umarmt er dich leidenschaftlich, drückt dich an seine männliche Brust, sein heißer Atem streift deinen Nacken, deine Knie werden weich, du zerschmilzt in seinen starken Armen wie Butter in der Sonne, das Gefühl seines warmen, starken Körper an deinem jagt dir Schauer über die Haut, er-“

„Holst du auch mal Luft?“, unterbrach Yoko sie staunend.

Yuichi grinste zufrieden und lehnte sich zurück.

„Sie redet davon, wie sie verführt wurde.“

Yuki winkte ab. „Bilde dir nichts drauf ein, ich übertreibe immer.“

Doch das leichte Erröten bei diesen Worten, entging niemandem.

„Wirklich?“, fragte Yami begeistert. „Wie romantisch, Yui-chan!“

Aryan stupste sie an. „Ich bin auch romantisch.“

„Du bist außerhalb jeder Konkurrenz.“, lachte sie.

„Das stimmt“, bestätigte Yuki. „Das erleben wir jeden Tag, du Angeber.“

„Wie war’s denn bei euch, Häschen?“, fragte Yoko, dankbar, dass nicht mehr über sie gesprochen wurde.

Yukis Wangen färbten sich rötlich. „Es war so schön. Genauso, wie ich es mir meinen ersten Kuss immer vorgestellt hatte! Wie bei Romeo und Julia!“

Die gesamte Runde starrte sie an.

„Was ist jetzt?“, seufzte sie.

„Romeo und Julia?!“

„Ja, die schönste Liebesgeschichte, die es gibt. Yuichi wäre doch ein perfekter Romeo! Hach, Romeo! So wird mein Sohn einmal heißen!“

„Warte mal“, sortierte Yami ihre Gedanken. „Erstens: Seit wann stehst du auf Romantik? Und dann auch noch Romeo und Julia?“

„Das ist meine Lieblingsgeschichte.“

„Und zweites: Dein Sohn? Du bist gegen das Kinderkriegen! Du wolltest nie welche!“

„Oh, wer weiß. Mit Yuichi vielleicht schon.“

„Okay, sie spinnt.“

„Der Vampir hat dich geküsst“, erklärte Aryan.

Man sah Yuki an, dass sie sich nicht gerne daran erinnerte.

„Und? Schön war es nicht. Was willst du mir damit jetzt sagen?“

„Ein Vampirkuss hat einen gewissen Zauber an sich. Er holt die Wahrheit heraus. Die geliebte Person, als die er dich geküsst hat, wirst du nicht anlügen können. Ein Biss sorgt sogar dafür, dass du komplett deinen freien Willen verlierst. Da er dich nur geküsst hat, wirst du Yuichi sagen, was und wie du empfindest. Vor ihm wirst du es nicht verheimlichen können.“

Sie riss die Augen auf. „Das ist ja furchtbar!“

„Nein, das ist super!“

„Mach es weg, Aryan-nii!“

„Nein, bloß nicht!“

„Das gibt sich nach ein paar Tagen.“

„Schau mich nicht so an“, beschwerte sie sich über Yuichis Grinsen.

„Oh, Romeo wird seine neue Macht ordentlich ausnutzen…“

Yoko lief Gänsehaut die Arme hinab. Er hatte fast gleich geklungen wie Zuma. Da fiel ihr etwas wieder ein.

„Apropos Romeo! Du hast vorhin „erster Kuss“ gesagt!“

„Ja und?“

„Tatsächlich? Dein „erster Kuss“?

„In einer Hinsicht ja.“

„Heißt das, du hast nie jemand anderen geküsst?“, rief Yami aus.

Yukis Blick traf liebevoll Yuichis. „Ich bin bestimmt nicht rein und unschuldig…“

Inuyasha schnaubte.

„Aber ich habe nie bei einem Kuss so viel gespürt wie bei Yuichi.“

„Dito“, hauchte er. „Kein Kuss hat mich je so verzaubert.“

„Was ist mit mir?“, erinnerte ihn Yami vorwurfsvoll. „Oder zähle ich als Yuki?“

„Berufliches zählt nicht. Das ist nur Schauspielerei.“

„Ich rede von der Umkleide-“

„Das ist nur Schauspielerei!“, wiederholte er lauter. „Und privat hat mir ein Kuss nie so viel bedeutet. Darum habe ich auch andere Frauen kaum geküsst. Ich wusste, mein Kuss gehört nur der Frau, die ich liebe.“

Yoko sah Yuichi an und etwas in ihren Augen hatte sich deutlich verändert. Und zwar zum positiven.

„Ich bin gerührt von deinem Sinn für Romantik.“

„Romantik?“, ächzte Inuyasha und stierte Yuichi an. „Er hat sich nur nicht an sowas aufhalten wollen! Wie alt warst du bei deinem ersten Kuss?“

„14“, zuckte Yuichi mit den Schultern.

„Und das Mädchen?“

„12.“

„Du hast dich an einem Kind vergangen?!“

„Nein, meine Unschuld verlor ich mit 18. Ich war kein Schürzenjäger“, flüsterte er und lächelte giftig. „Was hast du denn mit 14 gemacht?“

Inuyasha versteifte sich.

„Oh, er erinnert sich“, lächelte Yami zuckersüß.

Die Drillinge beugten sich näher zu ihm. Unsicherheit trat in seine Bernsteinaugen.

„Na, was hat das kleine Hündchen für schmutzige Schweinereien angestellt?“

„Ihr habt doch einen Schaden“, knurrte er. „Vergleicht mich nicht mit euch!“

„Hört auf“, sagte Anjaani bestimmt. „Mit 14 war er doch selbst noch ein unschuldiges Kind.“

„Ein 14-jähriger Junge ist nicht unschuldig, Nee-chan“, korrigierte Yuichi. „Das sind die schlimmsten Wüstlinge.“

„Und einige legen dieses Verhalten niemals ab“, bemerkte Aryan lächelnd mit einem Blick auf ihn.

„Und du bist unschuldig?“ Ungläubig starrte der Japaner den Inder an.

„Nein“, gestand Aryan und alle spitzen sichtbar die Ohren. „Das wollt ihr nicht wissen.“

„Oh, du glaubst nicht, wie sehr“, widersprach Yoko.

„Mit 14 habe ich zum ersten Mal jemanden getötet.“

Yami in seinem Arm zuckte zusammen.

„Ich hab doch gesagt, das wollt ihr nicht wissen.“

„Ja, aber so extrem…“ Yuichi schüttelte sich.

„Ich hatte eine extreme Kindheit, schlimmer als du. Für mich war jeder Tag ein Überlebenskampf.“

Aryans Juwelenblick schien in die Ferne zu schweifen.

„Ich zog die Flucht immer der Verteidigung vor. Aber an dem Tag hieß es töten oder getötet werden. Ich hatte keine Wahl. Und ich entschied mich, stark zu werden.“

„Wer?“ Yami stellte diese eine Frage ganz leise.

„Der Besitzer der Goldmine, in der ich arbeiten musste.“

Der ganze Tisch lauschte gebannt.

„Mein Leben lang habe ich diese Schicksalswendung bereut. Bis vor kurzem.“ Er gab Yami einen Kuss. „Ich wäre dir niemals begegnet, hätte ich an dem Tag mein Leben gelassen.“

„Das ist wieder ein Beweis dafür, dass die furchtbaren Dinge auch ihren Sinn haben“, freute sich Anjaani.

„Was ist dir denn mit 14 passiert“, wandte Yuichi sich an sie.

„Etwas richtig Schlimmes. Ich bin Raj begegnet.“

„Und wie war er?“

Sie runzelte die Stirn. „Wie war wer?“

„Dein erster Kuss?“

Jetzt änderte sich etwas in Anjaanis Blick. „Darüber möchte ich nicht sprechen.“

Das war eindeutig genug, nur nicht für die Drillinge.

„Wie hätte man dir denn deinen ersten Kuss rauben sollen?“, versuchte Yoko es.

„Hatten wir dieses Thema nicht schon mal?“

„Schon...“, begann Yuki und gähnte.

„Aber du hattest nichts gesagt gehabt“, ergänzte Yami und gähnte dann ebenfalls.

„Wir alle haben es erzählt.“

„Ja, Yoko sogar in einer seitenlangen Arie“, spottete Yami.

„Und das ist besser als dein einfallsloses „Ich will nur Aryan, alles andere ist mir egal.“

„Dafür hab ich Prinzipien.“

„Treue? Da stehe ich dir in nichts nach. Meine Unschuld hat Zuma.“

„Und wer hat sonst alles in deine See gestochen?“

Yoko hasste es, in einer Diskussion geschlagen zu werden, auch noch mit einer Metapher. Lieber spielte sie unfair.

„Aryan-nii? Soll ich dir verraten, was sie alles mit ihren Matrosen angestellt hat?“

„Stopp!“, mischte sich Anjaani ein, denn jetzt wurde es wirklich gefährlich. „Es reicht. Jeder hat seine bestimmten Wünsche. Jeder hat seine Schwäche. Selbst mich kann man verführen. Und das Thema ist jetzt beendet!“

Aber jetzt war Inuyashas Interesse geweckt. „Nein, noch nicht. Wie kann man dich Unschuldslamm denn verführen?“

„Das weißt du ganz genau.“

War das ein Vorwurf?

„Nein, jetzt im Ernst, Aanilein“, mischte sich Yoko ein. „Was muss jemand, der nicht Inuyasha ist, tun, um dich rumzukriegen? Sagen wir, um dir einen Kuss zu stehlen.“

„Ganz genau, stehlen“, antwortete Anjaani. „Die gebe ich nicht freiwillig her. Man muss genau das tun, was Raj getan hat.“

„So kommen wir nicht weiter“, seufzte Yuki.

Inuyasha gab nicht nach. „Jetzt mal alle Männer außen vor gelassen. Wie hast du dir deinen ersten Kuss erträumt?“

Ja, wonach sehnte sich so ein Unschuldslamm?

Sie errötete schlagartig, als seine Augen warme Schauer durch ihren Körper jagten. Diesem Blick konnte sie nie versagen, er war ihr sicherer Untergang.

„Wie ich mir einen ersten Kuss vorgestellt habe… ziemlich romantisch. Und das ist ganz alleine Yokos Schuld.“

Sie schloss kurz die Augen und als sie sie wieder öffnete, schillerten sie in sattem Gold. Ihre Zuhörer registrierten das kommentarlos.

„Stellt euch vor, die Sonne geht gerade unter. Taucht den Himmel in alle erdenklichen Farben. Die Wolken scheinen zu brennen. Die Zeit steht still, der Moment in dem sich Himmel und Erde berühren geht nicht vorbei. Die Nacht kommt gar nicht erst.“

„Das geht nicht“, unterbrach Yuki sie.

„Was geht nicht?“

„Na, dass der Sonnenuntergang so lange anhält!“

„Hey“, lächelte Anjaani. „Das ist meine Geschichte- lässt du sie mich bitte erzählen?“

„Na gut, auch wenn sie etwas unrealistisch ist.“

„Du nervst mit deiner Rationalität“, zischte Yoko.

„Und du mit deiner Irrationalität.“

„Könnt ihr bitte später streiten?“, bat Aryan und schmiegte das Gesicht in Yamis Haar. „Ich möchte Aurora zuhören.“

Als Anjaani fort fuhr, glitzerte in Inuyashas Augen ein geheimnisvoller Schein, den keiner so recht zu deuten wusste. Man ahnte es. Er würde sich das Gehörte gut einprägen. Der Jäger war dabei, die Schwachstelle der Beute herauszufinden.

„Du stehst auf einer Wiese umringt von unzähligen Blumen. Der sanfte, warme Wind umweht dich mit den Düften der herannahenden Nacht, spielt mit dem zarten Chiffon deines zartrosa Kleides. Alles ist still und er steht da. Sein weißes Haar schimmert wie das Mondlicht. Seine Augen glühen wie die untergehende Sonne. Ihr zwei seid ganz alleine in diesem Zauber. Er beugt sich zu dir, nimmt sacht deine Hand und zieht dich zärtlich an sich. Sein warmer Körper schützt dich, sein Duft umschmeichelt dich, du bist gefangen in seinen Augen. Ihre sagt beide kein Wort, die Welt ist stumm, gehört nur euch beiden.

Er hält dich fest im Arm, lässt dich nicht los und langsam bewegt er dich, führt dich, zieht dich mit in seinen Rhythmus.“

„Das klingt ja fast pervers“, sagte Yuichi.

„Halt’s Maul!“, zischte Inuyasha.

„Er führt dich in sanften Bewegungen über die Wiese, du schwebst in seinen Armen, du fliegst. Ihr tanzt. In deinem Kopf hörst du die schönste Melodie.

Ihr könnt nicht mehr aufhören, wollt euch nicht loslassen, dieser Moment soll ewig andauern und euch nie wieder trennen. Das Versprechen der süßen Ewigkeit funkelt golden in seinen Bernsteinaugen. Dann küsst er dich sanft. Voll Liebe und Zärtlichkeit.“

„Nicht wild und hemmungslos? Zähne, Zunge das ganze Programm?“

Anjaanis Augen wurden schlagartig braun, als sie den Blick auf Yuichi richtete.

„Nein“, knurrte sie.

„Das ist nicht Aanis Sinn von Romanik“, lachte Yuki.

„Das geht weit über Romantik hinaus. Das ist der pure Kitsch“, kommentierte Yoko.

„Wirklich?“, sagte Yuichi. „Dich hätte man so sofort rumgekriegt.“

Etwas in seinem Gesicht veränderte sich, seine glatte Stimme wurde rauer.

„Du hättest keine Sekunde stand gehalten, Kätzchen…“

Ihre Augen weiteten sich, der Atem stockte ihr.

„Glaub mir, Süße-“

Yami hielt ihm schnell den Mund zu, denn in Yokos Gesicht sammelte sich rasender Zorn. „Halt jetzt endlich den Mund, du Trottel! Die ganzen Eier im Haar kriegst du doch nie mehr raus!“

„Das war ganz Zuma“, lobte Anjaani und er lächelte zufrieden.

„Ich bin Schauspieler“, warf er sich stolz in die Brust. „Ich kann jeden nachmachen.“

„Das gefällt mir nicht“, widersprach Yuki. „Mir ist deine Stimme lieber. Hey, Aani wie ging dein Traum weiter? Was hat Inuyasha dann gemacht?“

„Inuyasha?“ Anjaani war verwirrt. „Wer hat was von Inuyasha gesagt?“

Inuyasha lächelte innerlich. Weiße Haare und Bernsteinaugen? Er war so fest in ihren Träumen verankert, dass sie es schon gar nicht mehr bemerkte.

„Aani, du hast gesagt-“

Aryan unterbrach Yuki. „Wusste Rajesh von deinem Wunsch?“

„Raj? Das hat rein gar nichts mit Raj zu tun.“

„Du warst immerhin mit ihm zusammen. Sogar verlobt“, rief ihr Inuyasha ins Gedächtnis.

Jetzt errötete sie und senkte den Blick.

Jeder deutete ihr Verhalten korrekt. „Er hat dich nie geküsst?“

Sie schüttelte den Kopf. Mehr sagte sie nicht.

„Wie das denn?“ Die Drillinge ließen nicht locker.

„Aurora, in all den Jahren ist er dir nie nahe gekommen?“ Nicht einmal Aryan wollte es wahr haben. „Nicht ein einziger Kuss?“

Anjaani rutschte unruhig auf ihrem Stuhl herum. „Nicht auf die Lippen. Ich fühlte mich unwohl dabei. Und ich hatte kein Verlangen danach“, wisperte sie kaum hörbar. „Und er…“

„Was?“

„Er meinte, das wäre besser so, wenn ich meine Unschuld nicht verlieren will… Können wir bitte das Thema beenden? Raj war nie zärtlich zu mir gewesen. Das ist keine Überraschung.“

Inuyashas Gedanken überschlugen sich. Das bedeutete dann… Ihr erster Kuss war von ihm. Er hatte sie als erster Mann überhaupt geküsst, ihre weichen Lippen gespürt, ihre berauschende Süße gekostet. Er war in dem Punkt ihr Erster gewesen. Gott, hätte er das gewusst! Er hatte sich wie ein Tier auf sie gestürzt.

Sie sah ihn an, als hätte sie seine Gedanken gelesen und er spürte wie sich sein Gesicht erhitzte.

Ihre Augen funkelten.

„Hätte ich das gewusst“, flüsterte er, nur für sie hörbar.

„Was dann?“, wisperte sie zurück. „Du hast nichts falsch gemacht.“

„Hey, Hanyou“, riss ihn Yokos Stimme in die Realität zurück.

„Was ist?“, knurrte er.

„Heute brauche ich dich ab Mittag, wenn Yuichi mit den Gesangsübungen fertig ist.“

„Ich hab keine Lust auf Schwertkampf“, jammerte er. „Der ist zu mir genauso wenig zärtlich wie zu Nee-chan.“

„Ich werd dir zeigen wie zärtlich ich bin“, grollte Inuyasha. „Einen richtigen Schwertkampf gegen mich überlebst du keine Sekunde!“

„Der perfekte Romeo ist sanft und stark zugleich“, schwärmte Yuki. „Gibt’s was attraktiveres als ein Schwert? Sanftmütig, liebevoll und gleichzeitig unbesiegbar, genau wie…“

„Aryan“, vollendete Yami.

Aryan drückte sie lächelnd an sich. „Ich benutze Schwerter ungern“, enthüllte er. „Mir sind die bloßen Hände lieber. Das ist fairer.“

„Und der Attraktivitäts-Punkt geht wieder an Aryan“, kommentierte Yoko.

„Der perfekte Romeo“, stimmte Yuki seufzend zu.

„Ich dachte, ich wär der perfekte Romeo“, entrüstete sich ihr Freund.

„Dann benimm dich auch so. Geh kämpfen!“

„Wird gemacht! Diesmal mach ich dich fertig, kleiner Dämon!“

Inuyashas Augen blitzen auf.

„Saajan“, warf Anjaani warnend ein. „Das ist keine Herausforderung. Übertreib es nicht.“

„Die Nervenzwerge haften dafür.“

„Nein, ich muss vorher in die Volkshochschule. Benimm dich, Hanyou. Oder du wirst den Romeo spielen.“

„Ich passe nicht zu Romeo. Der Tybald ist mir auf den Leib geschrieben.“

Der gesamte Tisch starrte ihn an und alle sprachen es gleichzeitig aus:

„Du kennst Romeo und Julia?!“

Inuyasha kaute ungerührt sein Frühstück. „Man, ihr Weiber redet seit Wochen von nichts anderem mehr. Mittlerweile verstehe ich genug Hindi! Man hat mir das Stück sogar mal vorgelesen. War nicht mal ein gescheites Buch, haben alle nur gequasselt.“

Sprachlosigkeit hatte sich breit gemacht. Alle Köpfe ratterten wie verrückt, Yoko fasste sich aber als erste wieder.

„Wer hat dir das vorgelesen?“

„Wenn ich es wüsste, würde ich es doch sagen!“

„Kanntest du den Autor?“

Ihr Herzschlag blieb stehen.

„Woher denn? Er lebte später als ich! Ich komme aus der Sengoku-Zeit.“

Enttäuscht gab sie nach.

„Mehr weiß ich nicht, jetzt lass mich essen!“

„Aurora, geht es dir gut?“, sorgte sich Aryan.

Inuyasha sah sie an. Ihr Blick war gesenkt, das Gesicht bleich.

„Anjaani, was ist los? Mir ist erst heute Nacht eingefallen, aus welcher Zeit ich bin. Es tut mir Leid, dass ich es dir noch nicht gesagt habe.“

Sie blickte ihn an, ein seltsamer Ausdruck von Melancholie in den wunderschönen Augen.

„Wann war die Sengoku-Zeit?“

„15. Und 16. Jahrhundert“, überlegte Yoko.

„Von 1477 bis 1573 unserer Zeitrechnung“, gab Aryan ganz genau an.

„Ein bedeutendes Zeitalter der japanischen Geschichte. Kennst du Oda Nobunaga?“, begeisterte sich Yoko.

„Nein“, sagte er. „Ich war ein Einzelgänger und hielt mich aus den Streitereien der Menschen heraus.“

„Saajan, du stammst aus einer gut dokumentierten Ära. Das heißt, wir können herausfinden, was in diesen Jahrhunderten in Japan passiert ist. Gibt es Aufzeichnungen von den Hundestämmen?“ Sie sah Aryan an.

„Ja“, gab er zu. Er wusste wie schwer es Anjaani fiel. „Aber es ist kein Halbdämon als Hundedämon bekannt.“

„Natürlich nicht“, ätzte Inuyasha.

„Und…“ Er seufzte tief. „Aurora, bist du bereit dafür?“

„Wofür?“

„Es geht aber das Gerücht, dass ein mächtiger Inu-Daiyoukai ein Kind mit einer menschlichen Frau haben soll. Bestätigt ist es nicht. Er war gefürchtet als der Lord der westlichen Länder. Im Kampf starb er. Er könnte theoretisch Inuyashas Vater sein. Sein Name war…“

„Inu no Taisho“, flüsterte Inuyasha.

Der ganze Tisch starrte ihn an.

„Ja“, bestätigte Aryan ernst. „Das war sein Name. Also stimmt es?“

„Er ist mein Vater.“ Inuyasha war völlig verwirrt.

Anjaani erstarrte zur Salzsäule.

„Und noch etwas. Ein lückenhaftes und ungenaues Manuskript schreibt von einer jungen Miko aus der Zukunft. Ich habe es nicht mehr genau im Kopf.“

„In meiner Erinnerung trug Kagome ein Miko-Gewand“, murmelte Inuyasha. „Aber ich erinnere mich nicht. Ich weiß gar nichts.“

Anjaani lächelte ihn warm an.

„Vielleicht hilft dir das jetzt und deine Erinnerung kommt schneller zurück. Aryan hat Zugriff zu den Dokumenten, er zeigt sie dir bestimmt. Deine Vergangenheit ist jetzt nicht mehr so lückenhaft. So, ich mache euch jetzt was zum Mitnehmen.“

Summend bereitete sie jedem etwas für die Mittagszeit zu.

Yoko beobachtete sie stumm. Aani muss innerlich sterben. Inuyashas Abschied ist um einiges näher gerückt und doch strahlt sie wie der Sonnenschein.

Anjaani war in all ihrem unendlichen Leid so stark. Warum konnte sie selbst es nicht sein? Sie hatte nicht den Hauch der Qualen erlebt, die Aani durchgemacht hatte und ließ sich davon so herunterziehen.

Nein, sie würde sich an ihr ein Beispiel nehmen. Wenn Anjaani alles mit einem Lächeln ertragen konnte, dann sie erst recht!

Summend spazierte sie zur Volkshochschule. Heute würde ein neuer Spanischlehrer anfangen, der sich ein bisschen an ihr orientieren würde. Jung solle er sein, blond und sehr gut aussehend. Hach, warum nur hatte sie solch eine große Schwäche für Spanier? Für große, blonde, silberäugige Männer?

Gedankenverloren überquerte sie die Straße. Und bemerkte das Auto zu spät. Das Auto, das den Zebrastreifen völlig ignorierte…

Ein gewaltiger Ruck ging durch ihren Körper und sie wurde zu Boden geschleudert. Ihr letzter Gedanke war, dass sie Zuma niemals wieder sehen würde.

Doch sie lebte, denn ihr Körper schmerzte. Sie riss die Augen auf.

Blonde Haare, steingraue Augen. Zuma?

„Geht es Ihnen gut, Senorita?“

Er half ihr aufzustehen.

Yoko war zu durcheinander zum Reden.

Ihr Retter fluchte dem Auto hinterher.

Langsam ordnete sie ihre Gedanken. Dieser gutaussehende Fremde muss sie in allerletzter Sekunde gerettet haben. Das war ja wie im Märchen.

„Alles in Ordnung? Sind Sie verletzt?“

Die paar kleinen Schrammen.

„Kaum der Rede wert“, versicherte sie. „Ich bin hart im Nehmen. Aber ich danke Ihnen vielmals. Das war gefährlich. Sie hätten selber draufgehen können.“

„Man riskiert nicht, solche Schönheit vergehen zu lassen.“

Sie sah ihn an und ihr Herz begann schneller zu schlagen. Wieso kam er ihr bekannt vor?

„Ich würde mich gerne erkenntlich zeigen.“

Ein sachtes Lächeln umspielte seine vollen Lippen und ihr Herz begann wieder zu rasen.

„Bald“, flüsterte er und nahm ihre Hand für einen sachten Kuss. „Sehr bald.“

Röte schoss ihr in die Wangen. Die bückte sich, um ihr Handtasche aufzuheben und als sie wieder aufsah, war er verschwunden.

Sie schüttelte den Kopf. War sie so leicht rumzukriegen? Eine Heldentat, ein Handkuss und fertig. Tja, aber welcher Kerl verteilte schon Handküsse? Außer Aryan. Aber Aryan war perfekt. Und Zuma. Zuma hatte ihr bei ihrer ersten Begegnung die Hand geküsst und ihr Herz so erobert.

War dieser Spanier etwa ein Dämon gewesen?

Nein, er war der neue Hilfslehrer!

Sein zufriedenes Lächeln traf auf ihr verblüfftes Staunen.

„Ich sagte, wir sehen uns bald wieder, Senorita…“

„Yoko“, hauchte sie in einem Atemzug.

Warum spielte ihr Inneres verrückt bei dem Kerl? Und es machte plötzlich Klick.

Leider fing im selben Moment der Spanischkurs an und sie musste sich auf ihre Schüler konzentrieren.

Er saß in der letzten Reihe und obgleich alle anwesenden Männer gebannt an ihren Lippen hingen, schien sie nur seine grauen Augen wahrzunehmen, die sie pausenlos und ohne zu blinzeln anstarrten.

War dies seine wahre Gestalt? Der Spanischkurs war zu Ende, Showtime!

Er erhob sich erst von seinem Platz, als der letzte Schüler den Raum verließ.

„Sie sind eine wundervolle Lehrerin“, raunte er dunkel, als er auf sie zukam. „Von Ihnen kann ich viel lernen.“

„Dann lassen Sie mich Ihnen eines sagen“, begann sie zuckersüß und lehnte sich gegen den Lehrerpult. „Dämonen brauchen eine Sondererlaubnis als Lehrkräfte.“

Kurz entglitt ihm das schöne Gesicht, doch er fasste sich sofort wieder.

„Unfassbar, ich habe dich unterschätzt, Senorita.“

„Weit unterschätzt. Aber jeder macht einmal Fehler. Und wenn du noch einen machst, lernst du wieder mein Knie kennen.“

„Viel lieber würde ich deine Lippen kennen lernen“, flüsterte er und beugte sich näher zu ihr.

Es bestand kein Zweifel, die Luft zwischen ihnen knisterte gewaltig.

„Sei ein Mann und bring mich dazu, dir freiwillig zu gehören“, raunte sie samtig.

„Das werde ich. Denn ich will dich. Und wenn du weißt, wer ich bin, wirst du mich ebenso wollen.“

„Ein Vampir?“

Wieder stieß sie ihn vor den Kopf.

„Ich bin gespannt, was auf mich zukommt. Ich kenne Vampire nur aus Märchen.“

Er lachte. „Die haben nichts mit der Realität zu tun.“

„Schade.“ Sie zuckte mit den Schultern. „Ich hasse die Realität.“

„Oh, lass mich dir zeigen, wie schön sie sein kann.“

„Gebissen und ausgesaugt zu werden“, wich sie ihm aus.

Himmel, war er attraktiv!

„Wir brauchen nur wenig Blut“, korrigierte er. „Und dabei hat das Opfer weit mehr Spaß als wir.“

Er sagte es auf solch eine verbotene Art und Weise, dass ihre Kopfhaut zu kribbeln anfing.

„Das ist ein Widerspruch in sich“, ließ sie sich nicht klein kriegen. „Ein Opfer empfindet keinen Spaß.“

Seine warme, raue Hand berührte sanft ihre empfindlichen Lippen.

„Oh doch. Ich werde dir zeigen, wie schön es ist, das Opfer seiner eigenen Lust zu sein.“

„Darum geht es hier?“

Sie nahm automatisch eine abwehrende Haltung ein und verwirrte ihn wieder.

„Um Lust? Nur Begierde und Verlangen? Ihr Männer seid alle gleich! Was ist mit Gefühlen? Mit Verehrung? Mit Romantik? Mit der Ewigkeit voll bittersüßer Liebe? Bleib mir fern mit deinen Trieben. Die kannst du an einer anderen befriedigen! Verschwinde, wenn es dir nur um deine körperlichen Sehnsüchte geht. Damit wird man nicht glücklich.“

„Das ist mir bewusst geworden. Deswegen suche ich dich. Um die Ewigkeit der Liebe zu entdecken.“

Sie ließ es zu, dass er sie an sich zog. Warm war er, stark, männlich und unwiderstehlich.

„Ich liebe schon jemanden.“

„Und er fügt dir nur Schmerzen zu“, erkannte er leise.

„Die niemand tilgen kann.“

Warum nur legte sie die Hände an seine breite Brust? Um seinen Herzschlag zu spüren, der unter ihren Fingern schneller wurde. Seine Augen wurden dunkler, wie Sturmwolken.

„Ich bin nicht wie er.“

„Ich weiß nicht, wer du bist.“

„Oh, ich war so von dir verzaubert, dass ich selbst meinen Namen vergessen habe.“

Er beugte sich nah zu ihr, die Lippen Millimeter über ihren. Seine Stimme war ein einziges dunkles Versprechen.

„Ich heiße Romeo.“

Sie blinzelte.

„Romeo Mon-“

Ihr Atem stockte.

„-terrez.“

Ihr Herz begann wieder zu schlagen und sie verfluchte sich für ihre mädchenhafte Schwäche. Hatte sie jetzt tatsächlich erwartet, er würde „Montague“ sagen?

Und doch hatte sein Name etwas geändert.

„Ist das dein richtiger Name, oder nur ein cleverer Schachzug?“

„Dann hätte ich Montague gesagt“, lächelte er düster.

Ihr Wanken war ihm nicht entgangen.

„Aber für dich kann ich alles sein. Ich bin dein Romeo, wenn du meine Julia bist. Ich werde dein Herz gewinnen, Senorita.“

Seine Lippen trafen ihre Wange, hinterließen ein süßes Brennen.

„Bald ist es mein.“

Und sobald er aus dem Raum war, gab sie der Schwäche ihrer wackeligen Knie nach und sank zusammen. Ihr Herz raste in ihrer Brust. Ihre Wangen glühten. Ihre Hände zitterten.

„Aryan-nii“, hauchte sie in ihr Telefon. „Bitte bring mich zum Set. Ich kann nicht selber laufen.“
 

Yami, Yuki, Yuichi und Zuma saßen gerade zusammen, um Choreographie und Musik abzustimmen, als Yamis Gesicht plötzlich erstrahlte.

„Aryan ist hier“, rief sie aufgeregt aus.

„Was macht Aryan hier?“, wunderte sich Yuki.

„Hat Yoko im Schlepptau“, freute sie sich wie verrückt. Ihre Augen strahlten mit ihrer überschwänglichen Freude um die Wette.

„Wahrscheinlich hat sie ein Dämon angefallen.“

„Ein Dämon“, entsetzte sich Zuma, doch Yami rannte los, dem General direkt in die Arme.

„Ich hab dich vermisst“, lächelte er und stahl ihr einen Kuss.

„Wir haben uns erst in der Mittagspause gesehen, Sanam.“

„Ja, viel zu lange her. Außerdem musst du zur Arbeit. Ich bringe dich hin.“

„Ich liebe dich, Sanam.“

„Yami ist plötzlich arbeitsunfähig“, verkündete Yoko. „Aber das entschuldigt nicht eure Faulenzerei. Solltest du nicht im Tanzraum sein?“

Sie sah Zuma erwartungsvoll an. Weder glücklich, noch wütend. Einfach, als wäre er ein ganz gewöhnlicher Kerl, der für sie arbeitete. So neutral hatte sie ihn nie behandelt. Das verwirrte ihn zutiefst. Doch etwas in ihren Augen war anders und er war nicht der Grund dafür.

„Ich arbeite“, versicherte er kühl. „Wär schön, wenn du das auch tun würdest.“

„Ich war heute fleißig“, lächelte die herzlich. „Wenn was ist, ich bin im Büro.“

„Yoko, warte mal“, rief ihr Yuki hinterher. „Was hat es für einen Grund, dass Aryan dich hergebracht hat?“

„Ich bin ihm wieder begegnet. Und du hast am eigenen Leib erfahren wie sehr einen solch eine Begegnung mitnehmen kann.“

„Wem bist du wieder begegnet?“, entwich es Zuma ungewollt.

„Nur dem neuen Spanischlehrer.“

„Nur?“, grinste Yuichi. „Kätzchen, du strahlst, als wärst du direkt aus dem siebten Himmel gekommen.“

„Tatsächlich?“

„Was hat er denn mit dir angestellt?“

„Er hat mich davor bewahrt, überfahren zu werden. Und du weißt, wie berauschend die Nähe eines Vampirs sein kann.“

„Ein Vampir?“ Zuma riss die Augen auf.

„Er will Yoko um jeden Preis“, erklärte ihm Yuki.

„Erfolglos“, versicherte Yoko. „Und er zieht wirklich alle Register.“

Yuki sagte etwas in einer seltsamen Sprache, die er nicht verstand und Yoko errötete keck.

„Nein, du versautes Biest“, kicherte sie. „Er versucht es auf romantisch mit Handküssen. Romeo ist harmlos.“

„Romeo?“, entfuhr es allen Dreien.

„Das ist sein Name“, nickte sie und schritt dann anmutig davon.

„Er heißt Romeo? Dann wird er nicht lange brauchen, um Yoko rumzukriegen.“

Zumas Gesichtsausdruck war düster geworden.

„Ich geb ihm zwei Tage“, grinste Yuki. „Aber er erfüllt Yokos Quintett nicht. Vier Punkte schafft er, die Yoko schwach machen: Spanier, Handküsse, Heldentaten und romantische Helden. Fehlen nur die grauen Augen.“

„Du hast sie gesehen, Schönheit. Sie zappelt schon lange im Netz.“

Ruckartig erhob sich Zuma und verschwand in der selben Richtung wie Yoko.

Yuichi grinste, doch Yuki verdrehte die Augen.

„Es kann doch nicht sein, dass ich die Einzige bin, die hier arbeitet.“
 

Er trat ohne anzuklopfen in ihr Büro. Sie war vertieft in einen Stapel Dokumente und sah nicht einmal auf.

„Du hast wirklich zu wenig Arbeit, oder?“, fragte sie auf Spanisch.

Das war in seinen Ohren die erotischste der Sprachen, die sie beherrschte und die einzige, die sie ihm beigebracht hatte. Wie viele sprach sie doch gleich?

„Wie viele Sprachen sprichst du?“

„Nueve“, antwortete sie.

„Neun?“ Er war unerwartet verblüfft. Er wusste nur von sechs, was bemerkenswert genug war.

„Zähl Chinesisch, Latein und Altägyptisch dazu“, sagte sie.

Ihm war das bisher nie bewusst gewesen. „Du bist erst 20, wann hast du das alles gelernt?“

„Ich weiß, wie jung ich bin.“ Härte trat in ihre glühenden Augen. „Du erinnerst mich ständig daran.“ Dass sie zu jung für ihn ist…

„Neun Sprachen“, widerholte er.

„Ich habe Talent dafür“, winkte sie ab. „Spanisch, Deutsch und Japanisch sprach ich von Geburt an.“

„Wieso Spanisch?“

„Weil es meine liebste Sprache ist.“

„Meine auch, dank dir.“

„Was soll das Geschmeichel? Ich habe viel zu tun und schon einen langen Tag hinter mir. Yuichi raubt mir den letzten Nerv, Inuyasha stammt aus der Sengoku-Ära und bricht Aani gerade das Herz und ein liebestoller Romeo hängt mir am Rockzipfel. Und jetzt nervst du mich, weil dir in drei Jahren nicht bewusst geworden ist, was für einen schlaues Mädchen ich bin.“

„Schlau genug, dich mit einem Dämon einzulassen!“, zischte er.

Innerlich jubelte sie, äußerlich sah sie ihn nur genervt an.

„Ich wüsste nicht, was dich mein Privatleben angeht. Aber falls es dich beruhigt, er lässt mich kalt.“

Die Lüge stand ihr deutlich ins Gesicht geschrieben.

„Was will ein verfluchter Dämon von dir?“

„Ein Vampir“, korrigierte sie. „Ein spanischer Vampir, Augen wie wirbelnde Sturmwolken kurz vor dem Gewitter.“

„Graue Augen?“ Nein, das Quintett!

„Ja“, summte sie. „Grau wie die Kraft eines zerstörenden Unwetters. Roh und ungebändigt.“

Das klang ganz und gar nicht danach, als würde er sie kalt lassen. Oh nein, überhaupt nicht!

„Und du lässt dich auf jemanden ein, der dir alles Blut aussaugen will?“

„Du wiederholst dich“, bemängelte sie. „Zwei Mal „auf jemanden einlassen“.“

„Wir sind hier in keinem Spanischtest!“, herrschte er sie an.

Seine Augen glühten silbern. So viel schöner als Romeos. Himmel, dieser Japaner war eine größere Gefahr für ihren Verstand, als der Spanier!

„Wie hat er dir den Verstand verdreht?“

„Er lenkt mich von dir ab“, sagte sie klipp und klar und traf ihn damit hart. „Und er tut es gut. Gehst du jetzt bitte. Ich hab viel zu tun.“

Zuma war kurz sprachlos. Sie wies ihn ab? Sie schickte ihn sogar weg!

„Du hast mir meine Frage nicht beantwortet, Kätzchen. Was will ein Vampir von dir?“

„Er ist der König der Vampire“, knurrte sie leicht genervt. Genervt von ihm?

„Er sucht eine Braut, die die süße Ewigkeit mit ihm teilt und meint, sie in mir gefunden zu haben. Doch er hat mich bisher nicht berührt. Er sucht eine Partnerin, keine Gespielin. Und ich will nicht. Bist du jetzt zufrieden?“, sah sie ihn eiskalt an. „Ich habe die Nase voll von grauäugigen Blondinen, also brauchst du dir keine Sorgen um mich zu machen.“

Ohne ein weiteres Wort verließ er ihr Büro und sie blieb mit rasendem Herzschlag zurück.

Was war das nur gewesen? Zuma konnte es selbst kaum fassen? Er reizte sie nicht mehr. Er ließ sie vollkommen kalt. Nein, das konnte nicht sein! Sie hatte keinerlei Reaktion gezeigt. Was war nur an diesem verdammten Vampir so viel besser?

„Und? Was ist so aufregend an einem Vampir?“, fragte ihn plötzlich Yuichi. „Hast du‘s herausgefunden?“

„Sie lässt sich mit einem Dämon ein, und ihr macht euch keine Sorgen?“, lenkte er vorwurfsvoll ab.

Yuki lehnte sich zurück, lächelte ihn verführerisch an. Wieso nur musste sie genau dasselbe Gesicht haben, dieselben ockerfarbenen Augen, dieselben vollen, saftigen Lippen?

„Ein Vampir ist eine spezielle Sorte Dämon“, raunte sie mit der gleichen Stimme wie Yoko. Verfluchte eineiige Drillinge!

„Ich habe ihre Macht selber einmal zu spüren gekriegt. Sie verwirren den Verstand und manipulieren. Ihre Nähe ist magnetisch und ihre Küsse verzaubern dich. Man kann nicht lange widerstehen. Und wenn sie erfährt, was ein Biss auslöst…“ Ihre Augen waren dunkel geworden.

„Woher weißt du, was ein Biss auslöst?“

„Von Aryan. Sie brauchen nur wenig Blut. Der Biss ist eher dazu da, das Opfer trunken vor Lust und Verlangen zu machen. Ein Biss soll so stark wie ein Orgasmus sein.“

Wütend wirbelte Zuma herum und stürmte in den Tanzsaal.

Yuichi sah sie neugierig an. „Stimmt das, oder soll das nur Zuma eifersüchtig machen?“

„Nein, es stimmt. Während eines Bisses vergeht das Opfer in reißender Lust. Deswegen sind Vampire so begehrt. Ich hätte den Job doch annehmen sollen!“

Wenn er bisher nicht eifersüchtig gewesen war, jetzt war er es.
 

„Nein“, seufzte Yoko nun zum hundertsten Male und Yuichi ließ von seiner Filmpartnerin ab. Naoko verschränkte erschöpft die Arme vor der Brust.

„Das war perfekt, Yui-chan aber bei dir Naoko passt es nicht. Die Gefühle kommen nicht richtig rüber. Zuma, würdest du bitte?“

„Wieso er?“, beschwerte sich Yuichi sofort. „Ich dachte, ich kann das so perfekt.“

„Du bist aber nicht der Profi. Zuma weiß wie er führen muss, damit die Partnerin tut, was ich mir vorstelle. Du weißt, wie ich es will“, sagte sie zu Zuma.

„Und zwar ganz genau“, raunte er ihr leise zu. Sie Zweideutigkeit ihrer Aussage war ihr nicht bewusst gewesen.

Sie beobachtete ihn intensiv, als er mit Naoko die Ballszene durchtanzte. Es war so perfekt. Naja, fast.

„Nein, Naoko zärtlicher. Du lässt dich von ihm verführen.“

„Er tut auch nicht verliebt“, warf die Julia ein.

„Er ist auch nicht der Romeo. Die passende Mimik hat Yuichi aber drauf.“

So gut Naoko es tat, es passte Yoko einfach nicht.

„Nein“, rief Yoko, langsam genervt.

Zuma sah sie an, unterdrückte seine Ungeduld, Profi der er war.

„Was passt denn jetzt nicht?“

„Du machst alles richtig. Aber der Zauber zwischen euch fehlt. Naoko, du verliebst dich in dieser Szene in Romeo. Yuichi bringt das Verliebtsein perfekt rüber. Aber du bist nicht überzeugend genug.“

Zumas Augen begannen zu funkeln. „Dann zeig ihr doch, wie du es dir vorstellst.“

„Das wäre das Beste“, stimmte sie zu. „Komm, Yui-chan.“

„Nein“, lächelte Zuma kühl. „Ich führe dich. Du kennst die Schritte nicht.“

Zum Glück zeigte sich ihr Inneres nicht nach außen. Sie würde es hassen, wenn er bemerken würde, wie sehr sie seine Nähe aufwühlt.

„Dann pass jetzt gut auf. Denn so soll es zwischen Romeo und Julia funken.“

Yoko trat an Zuma heran und sah ihm in die silbergrauen Augen. Und zu seiner Überraschung zeigte sie keinerlei Reaktion.

„Ihr begegnet euch zwar nicht zum ersten Mal, aber ihr kommt euch endlich nahe. Gefangen in einem wilden Rhythmus. Und mittendrin packt euch die Liebe. Du kennst die Stelle auswendig?“

„Wenn es sein muss, könnte ich die ganze Rolle übernehmen“, sagte Zuma kühl.

„Gut, Naoko, ich zeige dir mal, wie ich mir das vorstelle. Yami, Ballszene. Romeo trifft auf Julia. Ab dem Moment der Stille, in dem sie sich ansehen.“

Dann warf sie ihre Maske der Gleichgültigkeit ab.

Ihr Blick veränderte sich, sie griff sich ans Herz, drehte ihm ruckartig den Rücken zu. Er trat dicht an sie heran.

Sie spürte seine Wärme und schloss genüsslich die Augen. Yoko gab sich dem Gefühl hin. Seine Wange suchte die ihre. Wie aufregend sich seine leicht stoppelige Haut an ihre schmiegte! Ihr Atem wurde schneller, als seine Finger sich sanft an die pulsierende Stelle ihres Halses legten. Seine linke Hand fuhr ihren Arm hinab und ihre Finger verschränkten sich.

Beide vergaßen alles um sich herum und verschmolzen mit ihren Rollen.

„Julia“, stieß sein heißer Atem an ihr Ohr.

Gänsehaut legte sich sichtbar über ihren ganzen Körper. Wie sie den rauen Flüsterton seiner Stimme liebte! Davon zerschmolz sie hilflos.

„Romeo“, hauchte sie und seine Lippen schienen ihre Haut zu verbrennen.

Ihr Körper zuckte, doch sie schaffte es nicht, sich zu wehren. Sie genoss es wehrlos, wie sie ihm auch früher ausgeliefert gewesen war. Dieses Gefühl! Nur bei ihm verschlangen Leidenschaft und Verlangen sie erbarmungslos. Nur sein Feuer der Hingabe verbrannte ihren Verstand. Und seine Stimme!

Er hörte ihr Seufzen und sein Atem brach. Die Musik setzte wieder ein und er wirbelte sie herum, presste sie fest an seinen heißen Körper. Seine Augen glühten vor hingebungsvoller Liebe und raubten ihr jeden klaren Gedanken. Keiner sprach ein Wort. Sie versanken in den Augen der geliebten Person. Den alten Zauber... ihn hatte nichts gebrochen, als sie sich voll Leidenschaft der wilden Melodie hingaben. Er hatte sie schon immer zu führen gewusst.

Nichts war mehr, nichts zählte mehr, außer ihrer verschmolzenen Herzschläge.

Seine Hand hielt ihre zart wie ein Windhauch, die andere hatte ihre schmale Taille umfasst. Begierde flammte spürbar auf.

Er schenkte ihr ein Lächeln, dieses freche, bewundernde Lächeln und drückte sie noch näher an sich. Sein Duft legte sich um ihr Herz und Yoko war verloren. Wie mechanisch wanderte ihre freie Hand zu seinem Nacken und spielte mit dem Haaransatz. Wohlig schloss er die Augen, als sie ihm durch die Haare fuhr; er hatte das schon immer geliebt.

Wie Flammen, hemmungslos und voll Sehnsucht bewegten sie sich zu Yamis betörender Melodie, die ihre Seelen verband. Aug in Aug ließ sie der Zauber nicht los. Völlig verzaubert ließ sie alles geschehen und bemerkte, dass das Band zwischen ihnen ihn nicht minder gefesselt hatte.

Wie sehr sie Zuma liebte!

Ihre Bewegungen wurden schneller, fließender, heißer. Sie passten sich perfekt dem Rhythmus an. Er schob sie von sich weg, nur, um sie wieder an sich heran zu ziehen. Er wirbelte sie herum, nur, dass sie wieder in seinen Armen landete. Es hörte nicht auf, dieser Rhythmus nahm sie gefangen.

Als Yokos verzehrender Blick tiefer in deine Augen drang, wurde sein Griff weicher und seine Bewegungen langsamer, genauso wie die Musik, aber sein Atem blieb schnell und berauschend süß. Ihre Hand ging den vertrauten Weg zu seiner Wange. Mitgesenkten Augenlidern lehnte er das Gesicht dagegen. Ihr Herz raste, ihr Atem tobte und ihre Lippen verlangten nach seinen. Er presste sie so fest an seine Brust, dass sie seinen hämmernden Herzschlag so deutlich spüren konnte. So lange ist es her. Diese Empfindungen sind so stark wie eh und je.

Lust ließ seine grauen Augen silbern funkeln.

Lust, nicht Liebe.

„Ich bin zu alt für dich, wieso begreifst du das nicht?! Zwischen uns kann es keine Beziehung geben, Yoko! Niemals!“

Sie blinzelte und Kälte trat in ihre gelbbraunen Augen. Sacht löste sie sich von ihm, wusste, wie sehr sie ihn damit vor den Kopf stieß, obwohl er sich nichts ansehen ließ.

Die Anwesenden hatten diese Szene fasziniert und stumm beobachtet.

„Jetzt verstehe ich“, nickte Naoko. „Das war fantastisch, wie Magie.“

„Das war, was ich mir vorstelle“, erklärte sie ihrer Julia. „So sieht es aus, wenn aus Lust Liebe wird.“

Es passte Zuma ganz und gar nicht, wie ungerührt diese Worte über ihre Lippen kamen. Diese sattroten Lippen, die gerade eben noch vor Verlangen nach einem Kuss gebebt hatten. Aber in ihren Augen sah er ihre wahren Gefühle.

Innerlich tobte die Hitze in ihr. Eine Hitze, die nicht die Situation, sondern er in ihr entfacht hatte.

Yoko beachtete ihn aber nicht mehr, sondern diskutierte mit der Julia.

„Er muss dich nicht nur körperlich berühren, sondern auch in deinem Herzen. Himmel, ihr seid Romeo und Julia! Warum muss ich das noch groß erklären? Schlaft drüber, ihr habt Feierabend. Und morgen will ich es im Kasten haben!“

Zuma starrte ihr hinterher, als sie hinausstürmte. Er ließ sie nicht kalt! Nein, ganz und gar nicht!

Dieser Zauber zwischen ihnen war nicht gespielt gewesen. Sie war schwach geworden. Er war immer noch derjenige, der sie am meisten reizte. Und sie floh gerade vor ihm. Sie konnte nicht leugnen, dass er sie anzog. Und sie hasste es!

Das hob seine Laune deutlich.

Handküsse und Spanier hin oder her, es waren seine Augen, die sie schwach machten. Sie war nur zu stolz, es zuzugeben.

„Sie ist gerade raus“, raunte ihm Yuki beim Gehen zu. „Beeil dich, wenn du sie erwischen willst.“

Warum zu Teufel sollte er sie erwischen wollen? Weil es ihn störte, dass sie einem anderen schöne Augen machte? Weil er eifersüchtig war! Nein, das war er nicht! Diese Frau war nichts Besonderes. Nur Gift für seine Nerven und seinen Verstand. Sie sollte sich ja nicht einbilden, dass ihm etwas an ihr lag. Er würde nicht angekrochen kommen, betteln, dass sie wieder zu ihm zurück kam! Er brauchte sie nicht!

Deswegen nahm er auch ab, als sein Handy klingelte. Die Halbasiatin von neulich. Gute Ablenkung.
 

Yoko seufzte. Rastlos tigerte sie in ihrer neuen Wohnung herum, ihre Gefühle ein wirrer, reißender Strudel. Sie wollte nicht ohne Zuma, sie konnte nicht! Die Sehnsucht nach ihm war unerträglich. Und er selber war schwach geworden. Sie bedeutet ihm etwas. Verdammter Stolz! Sie wollte ihn nicht verlieren!
 

Zuma ließ sich vom Klingeln seines Handys ablenken.

„Ignorier es“, verlangte Kagome.

„Yoko“, entfuhr es ihm überrascht. Sie schluckte ihren Stolz und rief ihn an?

„Yoko Higurashi?“, entsetzte sich seine Ablenkung.

Er sah sie mit stechenden Augen an.

„Ich hab ihr gesagt, sie soll die Finger von dir lassen! Scheiß kleine Schwestern!“

„Kleine Schwester? Du bist Yokos Schwester? Und du weißt von uns?“

Yoko wusste es! Und ihre ältere Schwester hinterging sie mit Absicht!

„Und das Wichtigste, er vögelt nicht mit meiner Schwester hinter meinem Rücken rum“, hatte Yuki ihm vorgeworfen, als er sie für Yoko gehalten hatte.

Jetzt hatte er ihren Anruf verpasst. Ungeduldig drückte er auf die Wahlwiederholung.

„Entschuldige, Kätzchen. Ich war nicht schnell genug.“

„Ich wollte dich nur sehen, Zumalein“, summte ihre verführerische Stimme. „Komm zu mir.“

Sie nannte ihm ihre neue Adresse.

„Ich bin gleich da.“

„Du lässt mich jetzt ernsthaft wegen ihr sitzen?“, kreischte Kagome entsetzt.

Zumas Eingeweide schrumpften. Am Telefon war plötzlich Totenstille, er hörte sie nicht einmal mehr atmen.

„Oh, ich merke du bist beschäftigt.“ Yokos Stimme war eiskalt. „Grüß meine Schwester schön von mir.“

„Warte, Yoko, ich-“

„Warten? Nein, nie mehr.“

Sie legte auf. Er stöhnte frustriert. Verdammt, dabei hatte er erst seine Jacke ausgezogen!

Jetzt war ihm definitiv die Lust vergangen.

„Hey, wo willst du hin“, rief ihm Kagome zu.

„Zu Yoko“, sagte er, ohne sie anzusehen.

„Ist das dein ernst? Du entscheidest dich für sie?!“

Zornig wandte er sich ihr zu.

„Ja.“
 

Nein, nein! Das konnte doch nicht wahr sein! Weinend rannte Yoko auf den Balkon ihres neuen Appartments. Der Wind trug ihre Tränen fort, hinauf zur silberweißen Mondsichel. Mit einem Aufschrei warf sie ihr Handy in die Nacht. Verdammter, verfluchter Scheißkerl!

Sie bedeutete ihm nichts! Rein gar nichts! Er hat es wieder getan. Er war verloren, verloren.

Sie krümmte sich zusammen, überwältigt von Schmerz und Verlust.

Als sie irgendwann eine Präsenz spürte.
 

Zuma kam atemlos an ihre Wohnung gerannt. Ein riesiger romantischer Balkon- er hätte fast geschmunzelt, wenn ihm nach schmunzeln zumute gewesen wäre. Licht brannte. Er trat näher und bemerkte, dass er sich bis jetzt keine Gedanken darüber gemacht hatte, was er tun sollte, oder gar, was er sagen sollte.

Da hörte er Stimmen. Zwei, um ehrlich zu sein. Ihre und eine männliche. Beide sprachen Spanisch. Er dankte ihr im Stillen, dass sie solch eine gute Lehrerin gewesen ist.

„Was willst du, Romeo?“, hörte er ihre stockende Stimme und erkannte: Er hatte ihr weh getan.

„Ich komme, den Balkon erklimmen, um Julia zu erobern.“

„Um dann Liebe zu schwören, damit ich auch die Beine breit mache?“, rief sie verächtlich aus. „Romantik ist etwas für schwache Träumer!“

Zuma, in der Dunkelheit geschützt, riss die Augen auf. Wie bitte? War das Yoko?

„Was raubte dir deine Sehnsucht nach Romantik, Senorita?“

„Niemand, ich bin nur endlich aufgewacht. Aus einem Albtraum.“

„Kein Traum ist deine Tränen wert.“

Tränen? Sie weinte wegen ihm?

„Verschwinde, Vampir. Ich will deine grauen Augen nicht mehr sehen.“

„Was ist so besonders an diesem Mann, dass du mich ablehnst?“ Er konnte es nicht begreifen, der Frust war ihm deutlich anzuhören.

Sie sah ihn an. „Nichts“, erkannte sie. „Ich vermute es liegt daran, dass ich ihm meine Unschuld geschenkt habe. Ich habe einen Hang zu symbolischen Gesten.“

„Ich auch.“ Sie ließ es zu, dass er ihre Hand nahm. „Ich sehne mich nach einer starken Frau, die mich für meine Schwächen liebt. Mit der ich alles teilen kann. Eine Frau die mir die Ewigkeit versüßt. Eine die mein Herz raubt und die leere Stelle mit Glück füllt.“

Ihm entging nicht, wie sehr sie seine Worte trafen.

Zuma wandte sich ab und ging.

Yoko senkte den Blick, um nicht mehr in diese Sturmwolkenaugen sehen zu müssen.

„Jahrhundertelang suche ich schon.“

„Dann viel Glück dabei.“

„Ich habe sie gefunden.“

Sie sah ihn an und versank in seinen Augen. Wieder spürte sie dieses Knistern. Warum verblasste der Schmerz, wenn sie ihn ansah?

„Ich kann dir all deine Schmerzen rauben“, flüsterte er verführerisch. „Schenk mir nur einen Kuss.“

Sie schloss die Augen, ließ sich an ihn ziehen. Und barg sich in seiner Umarmung. Überrascht schlang er die Arme um sie und gab ihr seinen Schutz. Sie brauchte ihn und das war ein ganz neues Gefühl.

Sie hob den Kopf, ihre Pupillen weiteten sich.

„Gute Nacht“, hauchte sie, drehte sich um und verschwand in der Wohnung.



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