Strudel aus Seifenblasen
Ein Sonnenstrahl der untergehenden Sonne fiel durch die staubige Luft und erhellte vereinzelt Stellen auf dem Boden. Die trockene, heiße Luft
machte ihm das Atmen schwer. Die Eisenketten brannten auf seiner weißen Haut
und hinterließen glänzenden Spuren. Knirschend bewegte er sein verletztes
Bein über den sandigen Boden. Er leckte mit seiner Zunge über seine Lippen
und schmeckte sein Blut. Er war bereits einige Tage in diesem Kerker
eingesperrt, bekam kaum Wasser und noch weniger Essen. Jedes Glied seines
Körpers brannte vor Schmerzen. Der schmächtige Mann sah sich nach seiner Wache um. Sie saß rechts von ihm neben den massiven Eisenstangen und schlief. Kein Wunder.
Er musste schließlich nur einen magielosen Dshin bewachen. Seufzend wandte er
seinen Blick ab und starrte seine goldene Wunderlampe an. Sie hing ihm
gegenüber an der Wand. Glänzte nur noch matt, sie war nicht gut gepflegt. Er konnte sie nicht erreichen, noch in ihr
verschwinden, selbst wenn er es gewollt hätte. Niedergeschlagen lehnte er
seinen Kopf an die Wand und drückte seinen Rücken durch, sodass die
Schmerzen etwas nachließen. Seine Augenlider flatterten und die Welt vor seinen
Augen verschwamm, verdunkelte sich. In der Welt hinter seinen Augen spielten sich
tragische Szenen ab. Warum hatte er es nicht verhindert? Weil es nicht in
seiner Macht lag, oder weil er nicht stark genug gewesen war? Er war sich
sicher, dass wenn er nicht ermordet werden würde, er von seinen
Schuldgefühlen gefressen wurde. Er sah sich, wie er seinem Herrn die drei
Wünsche erfüllte, die er ihm versprochen hatte. Seinem ehemaligen Herrn und
jetzigen Herrscher. Er hatte ihm zu ultimativer Macht verholfen, doch um
welchen Preis? Er spürte, wie es ihm eiskalt den Rücken runter lief und sah
für einen kurzen Moment die Kerkerwände mit Blut überströmt. Er schloss
seine Augen erneut, doch das nun folgende Leid konnte er nicht fernhalten. Es
schüttelte ihn und stumm rannen dem kleinen Dshin die heiße Tränen über die Wangen.
So vergingen die Stunden, doch er zählte sie nicht. Er wusste nur, dass
irgendwo in dem Gebäude über ihm schreckliche Dinge geplant und in die Tat
umgesetzt wurden.
„Bringt den kleinen Dshin hoch und die Wunderlampe mit.“, befahl er
mit tiefer Stimme und alle gehorchten. Zwei der anwesenden Männer erhoben
sich und rannten geschwind runter in die Kerker, um den kleinen Dshin aus
seinem Kerker zu holen. Ihre Schritte schallten über die alten Marmorböden durch
die kühlen Marmorgänge. Shin, der junge Dshin hörte die Männer bereits von weitem
und seine Wache auch. Diese schrak hoch und setzte sich sofort gerade hin und
versuchte den Schlaf aus seinen Augen zu reiben. Shin jedoch zeigte keine
Anzeichen, dass er die Männer bemerkte, die in diesem Moment den Kerker
betraten.
„Du, komm mit!“ rief ihm einer der beiden zu, während der andere die
Wunderlampe einsteckte. Er löste die Ketten von den Haken an der Wand und
zerrte ihn an diesen aus dem Kerker hinaus und hoch zu dem Saal, in dem
er wartete. Er hielt seine Augen nur einen Spalt breit geöffnet, deswegen
nahm er seine Umgebung kaum noch war. Er wurde mehr getragen, als das er aus
eigener Kraft ging. Nach einigen Augenblicken kamen sie in dem großen Saal an
und zwangen ihn vor dem fetten Mann, in mitten der vielen jungen Frauen, auf die
Knie zu gehen. Shin blickte stur auf den Boden mit geschlossenen Augen.
„So, mein Lieber.“ flüsterte er mit süßlicher Stimme. Er grinste breit, entblößte dabei gelbliche Zähne und eine große Zahnlücke. Ekelhaft, abstoßend.
Shin hörte ihm nicht zu, sondern konzentrierte sich auf seine Wunderlampe. Er wollte hier weg und wenn er es schaffte, sich gegen den Uhrzeigersinn einzudrehen,
würde ER nicht mehr in der Lage sein, ihn aus seiner Lampe zu holen, doch wie
sollte er es anstellen. Shin öffnete seine Augen etwas, hob seinen Kopf
an, sodass er ihn gerade so ansah. Ihm wurde augenblicklich schlecht beim
Anblick dieses dreckigen, tyrannischen Koloss. Doch, irgendwie musste er
gewisse Dinge ebenfalls erledigen, doch ihm war schleierhaft, wie. Er würde
die Erinnerungen der Menschen im Voraus versigeln müssen, sodass sich niemand
in die nun folgende Epoche des Blutvergießens erinnern würde.
Er konzentrierte sich so stark, dass die Luft zu knistern begann und die Hitze
noch heißer wurde. „Was ist nun los?“ fragte der Wächter neben ihm und
sah sich verwirrt um, um die Quelle der entstehenden Hitze zu finden. Shin
wurde von einem unheimlichen farbenfrohen Schimmer umgeben, der zur
Wunderlampe führte. Der Koloss stand von seinem erhöhten Thron auf und
bewegte sich stolpernd auf Shin, den Dshin, zu. Der Schimmer nahm immer mehr an
Größe zu und es wurde erkennbar, dass der Schimmer aus winzigen Seifenblasen
bestand, die strudelnd in der Wunderlampe verschwanden. Shin begann zu
schweben und löste sich auf und verschwand mit den Seifenblasen in der
Wunderlampe.
Mit einem gleißenden Schein verschwand die Wunderlampe aus der Mitte dieser
Männer und tauchte irgendwo in einem anderen Land auf, unauffindbar für jede
menschliche Seele.
Ungläubig starrten die Männer auf die Stelle, auf der bis vor einen Moment
noch Shin gesessen hatte.