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Katz und Maus

von

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Kapitel 8
 

Devlin zog eine Grimasse, als er feststellte, dass er Jesse versehendlich an der Stirn getroffen hatte. »Oh, tut mir Leid. Alles in Ordnung?«

»Sicher, ich habe mich langsam dran gewöhnt gegen den Kopf geschlagen zu werden«, erwiderte Jesse knapp, sodass Devlin verwirrt die Augenbrauen zusammenzog, als er den kühlen Ton und die steife Körperhaltung des anderen bemerkte. Sofort fragte er sich, was er falsch gemacht hatte, bis auf den leichten Schlag, den er dem Blonden aus Versehen verpasst hatte. Aber dafür hatte er sich doch bereits entschuldigt.

Jesse entging die unangenehme Stimmung die aufkommen wollte nicht. Deswegen sagte er schnell: »Ich wollte gerade nach deinen Rindern schauen. Meine Tiere waren heute Abend nervös und ziemlich laut.«

»Ich konnte gerade noch einen Ausbruch verhindern«, berichtete Devlin und kratzte sich am Kopf, während ein schiefes Lächeln auf seinen Zügen erschien.

»Deshalb komme ich auch so spät.«

»Oh…« Jesse schien förmlich durch ihn hindurch zu schauen.

»Naja, dann… «, er brach ab, unsicher wie er fortfahren sollte.

Devlin trat verlegen von einem Bein aufs andere und starrte krampfhaft in die Luft. Er wusste auch nicht so recht, was ihn dazu gebracht hatte, heute noch einmal zu seinem Nachbarn rüber zu fahren. Aber da war so ein seltsames Gefühl gewesen. Eine Woche war er mit seinem Bruder unterwegs gewesen und er musste sich ehrlicherweise eingestehen, dass er Jesse ziemlich vermisst hatte.

»Geht es deinem Knöchel besser?«

»Ja. Die Schwellung ist abgeklungen.«

»Freut mich zu hören.« Devlin fuhr sich mit den Fingern durchs windzerzauste Haar und seufzte.

»Hat ja auch lange genug gedauert, was?«

Jesse blinzelte verwirrt. »Was hat lange genug gedauert?«

»Meine Reise«, gab Devlin zurück.

Er brachte Jesse ganz durcheinander mit seinen hastig hervorgestoßenen Fragen. Vor allem aber fragte sich der Blondschopf, was sein Nachbar überhaupt um diese Zeit noch bei ihm wollte, wenn er nicht vorhatte ihn wegen der Lautstärke seiner Tiere zusammen zu stauchen. Nachdenklich stand Jesse im Türrahmen, bis ihm bewusst wurde, wie unhöflich er eigentlich war.

»Ähm… willst du reinkommen?«, fragte er schnell und trat einen Schritt zurück, um Devlin den Weg frei zu machen, auch wenn es ihm gerade gar nicht behagte, den anderen in sein Haus zu lassen. Er hatte Devlin mehr vermisst, als eigentlich gut für ihn war und dessen Auftauchen zu so später Stunde verunsicherte ihn ungemein.

Jesse schloss die Tür hinter dem anderen und folgte ihm dann ins Wohnzimmer, in das dieser schon vorgegangen war. Einen kurzen Moment starrte er bewundernd auf Devlins unglaublich breiten, männlichen Rücken, bevor er sich zur Raison rief.

Das konnte doch nicht wahr sein! Er hatte sich doch so fest vorgenommen standhaft zu bleiben. Energisch verdrängte er seine unziemlichen Gedanken.

»Möchtest du was trinken? Ein Bier vielleicht?«, bot Jesse an, denn das Schweigen, das sich allmählich zwischen ihnen ausbreitete empfand er keineswegs als angenehm.

»Nein, danke«, lehnte Devlin mit einem unsicheren Blick in Jesses Richtung ab.

Die Woche, wo er ihn nicht hatte sehen können, war ihm unglaublich lang vorgekommen und da Devlin immer ehrlich zu sich selbst war, gestand er sich ein, dass er den Blondschopf vermisst hatte. Aber es jemand anderem gegenüber zugeben, dazu war er noch nicht bereit.

»Ich wollte eigentlich nur nachsehen, wie es dir geht…«, brachte er nach einer Weile des Schweigens heraus in der er Jesse ganz direkt gemustert hatte. Die blonden Locken waren in einem nachlässigen Zopf zusammengefasst und sein Nachbar steckte in alten abgetragenen Sachen, die so gar nicht zu den feinen Gesichtszügen passten, die ihn jedoch unglaublich sympathisch auf Devlin wirken ließen. Das Kribbeln in Devlins Magengegend verstärkte sich und er verspürte das seltsame Verlangen Jesse in seine Arme zu ziehen. Doch er tat es nicht, sondern überlegte fieberhaft, was er tun konnte, um die gespannte Stille zwischen ihnen zu überbrücken.

Jesse seufzte. Das war es also nur…

»Es geht mir gut«, antwortete er äußerlich ruhig, während sich in ihm drin Enttäuschung ausbreitete. Devlin war also nur wegen seinem Pflichtgefühl hier. Aber was sollte es auch anderes sein? Jesse schalt sich als dumm etwas anderes zu glauben. Doch eine leise Stimme in seinem Herzen versuchte ihn zu überzeugen, dass es nicht so war, wie die Situation es vermuten ließ. Aber Jesse war zu sehr mit sich selbst beschäftigt, um die Unsicherheit in Devlins Augen richtig zu deuten.

»Ich… ich wollte dann schlafen gehen, weil ich muss morgen früh zeitig raus…«, wandte Jesse ein nachdem wieder eine lange Zeit Schweigen zwischen ihnen geherrscht hatte. Nervös knotete er seine Hände hinter seinem Rücken ineinander. Ihm war gar nicht so bewusst, dass er seinen Nachbar wortwörtlich rausschmiss. Er fragte sich sowieso warum der andere nicht einfach angerufen hatte, wenn er sich nur nach seinem Befinden erkundigen wollte. Dafür hätte er nicht extra herkommen müssen.

»Oh… das tut mir leid. Dann werde ich wohl besser wieder verschwinden.«

Jesse sah von dem Sofakissen auf, dass er die ganze Zeit angestrengt gemustert hatte und wunderte sich über den enttäuschten Tonfall. Sein Herz machte einen Satz und er leckte sich nervös über die Lippen.

»Devlin ich… das war nicht so gemeint. Ich wollte dich nicht rauswerfen…«, rief er dem Cowboy hinterher, der bereits dabei war durch die Tür zu rauschen. Offensichtlich hatte er den anderen mit seinen Worten verletzt, obwohl Jesse sich nicht erklären konnte wieso. Devlin war nur aus Pflichtgefühl hier, oder etwa doch nicht?

Sein Magen zog sich bei dem Gedanken, dass der Cowboy vielleicht doch etwas für ihn empfand, freudig zusammen und ein dicker Kloß bildete sich in Jesses Kehle. Sein Herzschlag beschleunigte sich als er zur Tür trat, wo der andere stehen geblieben war. Devlin stand mit dem Rücken zu ihm und Jesse konnte sehen, wie angespannt die Muskeln unter dem dünnen Hemd waren. Kurz biss er sich auf die Unterlippe und legte dann sanft eine Hand auf Devlins Schulter.

»Es tut mir leid, dass ich so schroff war«, entschuldigte sich Jesse, unsicher, wie er weiter mit Devlin umgehen sollte. Seine Finger kribbelten dort, wo er den anderen berührte. Devlins Haut fühlte sich so heiß an und Jesse musste sich beherrschen, um nicht verträumt über dessen Schulter zu streichen.

Devlin hingegen fühlte sich so verwirrt wie schon lange nicht mehr und das ärgerte ihn.

Er war hergefahren, weil er Jesse unbedingt hatte sehen wollen. Das war nicht nur gedankenlos gewesen, sondern auch dumm. Er hatte keinen Gedanken daran verschwendet sich einen plausiblen Grund für seinen späten Besuch einfallen zu lassen, so sehr war er auf ein Wiedersehen fixiert gewesen, angetrieben von… ja was eigentlich?

Er hatte Jesse vermisst, aber wieso?

Sie waren doch nur Nachbarn und er hatte seine Pflichtschuldigkeit wegen dem kleinen Unfall längst getan. Nur an Jesses Aussehen konnte es auch nicht liegen. Gutaussehende junge Männer gab es überall…

Als sich plötzlich eine Hand sanft auf seine Schulter legte, durchfuhr es ihn wie ein Blitz. Sein Puls beschleunigte sich sofort und er fühlte ein leichtes Ziehen in seinen Lenden.

Oh Gott… Das konnte doch wohl nicht wahr sein!!!

Entsetzen breitete sich auf seinen Zügen aus und Devlin dankte sonst wem, dass er noch immer mit dem Rücken zu seinem Nachbarn stand. Er verspannte sich und schüttelte hektisch Jesses Hand ab.

»Mach dir keine Gedanken..«, stieß er kurz darauf hervor. »Ich wollte nur nachsehen, ob bei dir alles in Ordnung ist«, zwang er sich gelassen zu sagen, während er sich nur soweit zu seinem Nachbarn umdrehte, dass er ihn gerade so ansehen konnte. Ein gezwungenes Lächeln lag dabei auf seinen Zügen. Mit einer freundschaftlichen Geste wuschelte er Jesse noch einmal durch die Haare, bevor er in die schützende Dunkelheit hinaus trat.

»Gute Nacht, Blondie.«

Als wäre der Teufel persönlich hinter ihm her, hetzte er zu seinem Pick up. Seine Hände zitterten leicht, als er den Motor startete und er würgte den Wagen doch tatsächlich zweimal ab, bevor er mit quietschenden Reifen davon raste.

Das war ihm noch nie passiert. Weder, dass er seinen Wagen abwürgte, noch, dass es ihn erregte, wenn ein anderer Mann ihm eine Hand auf die Schulter legte!

Die Hand, mit der er Jesse durch die weichen Locken gewuschelt hatte, kribbelte immer noch. Jesse Duft haftete daran und Devlin war schon versucht sich mit dieser Hand ein bisschen Luft zuzufächeln, als ihm klar wurde, wie dämlich er sich benahm.

Er war so ein Idiot!

Wenn er es nicht besser wüsste, würde er behaupten sein Nachbar hätte ihn mit einem Fluch belegt. Aber Jesse hatte nie einen Versuch gemacht ihm näher zu kommen, sondern immer den normalen Abstand gewahrt. Eigentlich war es Devlin, der mehr und mehr Jesses Nähe gesucht hatte. Er fühlte sich wohl bei dem Blondschopf und es hatte ihm Freude bereitet sich um Jesse zu kümmern. Er hatte sich sicher gefühlt und die angenehm ruhige Gesellschaft des anderen genossen.

Warum also musste sein Körper ihm jetzt solche Probleme bereiten?

Jesse war ein Mann und Devlin war nicht schwul! Aus, Ende, Basta!!
 

Jesse spürte ein schmerzhaftes Ziehen in seiner Herzgegend und musterte kurz seine Hand, die bis vor kurzem noch auf Devlins heißer Schulter gelegen hatte.

Ihm war sehr wohl aufgefallen, dass Devlins Lächeln nur aufgesetzt war. Noch lange starrte er nachdenklich in die Dunkelheit, zu der Stelle, an der die Rücklichter von Devlins Pick up verschwunden waren.

Was hatte er denn nun wieder falsch gemacht? Er hatte sich doch für seine unüberlegten Worte entschuldigt. Traurig senkte er den Kopf und schloss endlich die Haustür.

Obwohl es nicht kalt war, fröstelte Jesse und verkroch sich auf die Couch, wo er sich in eine Decke einwickelte.

Er verstand diesen Callahan einfach nicht.

Als er sich um ihn gekümmert hatte, war alles okay zwischen ihnen gewesen. Sie hatten gelacht, geredet und gemeinsame Interessen herausgefunden. Wie richtige Freunde eben.

Dann war Devlin ganz plötzlich eine Woche weg, in der Jesses dummes Herz sich so sehr nach seiner Gesellschaft gesehnt hatte und kaum war er zurück herrschte so eine angespannte Atmosphäre zwischen ihnen…

Jesse seufzte und rieb sich mit dem Handrücken über seine müden Augen. Mit unglücklicher Miene machte er sich bettfertig, während er immer noch über die seltsame Stimmung bei Devlins Abschied nachsann. War er dem anderen zu nahe getreten? Konnte es das sein, weshalb dieser so hektisch wieder losgefahren war?

Vielleicht war Devlin deswegen so angespannt gewesen. Aber als er sich um ihn gekümmert hatte, hatte ihm Körperkontakt doch auch nichts ausgemacht?

Unruhig wälzte sich Jesse in seinem großen, leeren Bett hin und her und fand einfach keinen Schlaf, zu sehr beschäftigten ihn die Geschehnisse des Abends.

Gegen vier Uhr früh dämmerte er dann doch endlich weg.

Drei Stunden später allerdings klingelte der Wecker und Jesse stöhnte gequält auf. Eigentlich war er kein Mensch, der lange in den Federn lag, aber wenn er nur so wenig Schlaf bekam…

Ächzend setzte er sich auf und widerstand dem Drang sich einfach ein Kopfkissen über den Kopf zu ziehen. Blinzelnd tastete er nach dem unheiligen Störenfried, der ihn aufgeweckt hatte und stellte ihn aus.

Wie ein Häufchen Elend hockte er noch eine Weile in seinen Decken, bevor er sich hoch quälte und ins Bad schlurfte. Er fühlte sich wie ein alter Opa und ein Blick in den Spiegel sagte ihm, dass er davon wohl nicht mehr so weit entfernt war.

Furchtbare Augenringe zierten seine helle Haut und Jesse stöhnte resigniert.

Um neun Uhr dreißig hatte er einen Termin mit einem potentiellen neuen Klienten. So wie er aussah würde er diesen jedoch eher verschrecken, als ihn neu anzuwerben. Unwirsch fuhr er sich durch seine widerspenstigen Locken und machte sich in mühsamer Kleinarbeit daran, sein Erscheinungsbild wenigsten einigermaßen ansehnlich zu machen.

Nachdem er einen Happen gefrühstückt und seine Tiere versorgt hatte, machte sich Jesse auf den Weg ins Büro. Noch immer beschäftigten sich seine Gedanken mit dem gestrigen Abend, doch auch heute kam er auf keine befriedigende Lösung.

Beunruhigt und missmutig parkte Jesse seinen Wagen vor dem Büro.

Er nahm ein paar Aspirin und versuchte sich auf das vor ihm liegende Meeting zu konzentrieren.
 

Die nächsten Tage ließ Devlin nichts von sich hören und Jesse begann allmählich an sich zu zweifeln. Drei verdammte Abende hatte er gewartet, dass der Cowboy sich meldete, wenn auch nur per Telefon und ihm erklärte, was losgewesen war. Aber nichts!

Eine Menge Ärger hatte sich angestaut und der einzige Grund, weshalb er nicht zu Callahan rüber fuhr und ihm mal ordentlich die Meinung sagte, war der, dass er einfach zu müde und geschafft von seinem Tagespensum war.

Bei Sunny war die Kellnerin, die sonst Freitag Abend nur auffällig oft krank war, bereits Dienstag schon ausgefallen und wie hätte Jesse anders gekonnt, als der jungen Frau zu helfen. Das kleine Restaurant erfreute sich zunehmender Beliebtheit, was sich in der Menge der Besucher wiederspiegelte. Obwohl Jesse bei einigen Leuten den Eindruck hatte, sie würden nur kommen, um sich von ihm bedienen zu lassen.

Aber daraus machte er sich nichts. Er freute sich einfach, dass Sunnys Geschäft florierte.

Die zusätzliche Arbeit lenkte ihn außerordentlich gut von jedem Gedanken ab, der mit Callahan zu tun hatte. Außerdem konnte er seinem leeren Haus entfliegen und ein weiterer Vorteil war, dass er ein wunderbar schmackhaftes Essen bekam und nicht diese abscheulichen Fertiggerichte essen musste, die zu Hause in seiner Tiefkühltruhe auf ihn lauerten.
 

Um sich von Jesse abzulenken stürzte Devlin sich ebenfalls in jede Arbeit die er finden konnte. Und das war auf der Ranch nicht sehr schwer. An allen Ecken lauerten Arbeiten für die sonst keine Zeit war. Auch diesen Abend blieb er länger draußen als vorgehabt.

Lautstark vor sich hinfluchend, rollte Devlin vor der Scheune sperrigen Draht zusammen, den seine Rinder – erschreckt von dem Jaulen der benachbarten Exoten – in wilder Panik verstört hatten. Es lohnte sich nicht mehr diesen Draht zu reparieren. Den würde er morgen zum Schrottplatz fahren, dann bekam er wenigstens noch ein bisschen Geld dafür.

Abermals fluchte Devlin gotteslästerlich, als er sich an einem hervorstehenden Drahtstück kratzte. So ein Mist! Ruppig zog er ein Taschentuch aus seiner Jeans und rieb sich über die aufgeschürfte Stelle. Augenblicklich schlich sich ein Bild von Jesse in seine Gedanken, wie der Blondschopf das Blut vorsichtig wegtupfte und dann sachte pustete. Er stellte sich Jesse gerade vor, wie er verführerisch die Lippen spitzte…

»Idiot!«, schalt er sich, warf das Taschentuch auf den Boden und stampfte wie ein kleines Kind mit einem Fuß darauf. Wieso musste er dauernd an seinen Nachbarn denken, obwohl er genau das Gegenteil versuchte? Es war Devlin unbegreiflich und allmählich glaubte er den Verstand zu verlieren.

Mit jedem Tag den er Jesse nicht sah, wurde der Drang in ihm stärker sich in seinen Wagen zu setzen und zu dem anderen rüber zu fahren. Doch Devlin verbot sich das. Gutes Verhältnis zwischen Nachbarn hin oder her. Er sah seinen Seelenfrieden ernsthaft gefährdet.

Letzte Nacht hatte er sogar von Blondie geträumt! Und das so ausschweifend, dass er sogar rot im Gesicht wurde, wenn er daran dachte.

Er musste unbedingt etwas dagegen unternehmen, dass Jesse sich weiter in seine Gefühlswelt einschlich und er hatte auch schon eine Idee, wie er das bewerkstelligte.

Er war ein Mann!

Er war einhundert Prozent hetero!!

Und das würde er heute Nacht unter Beweis stellen!!!

Angetrieben von seinem Entschluss, bugsierte Devlin das Drahtknäuel auf den Hänger in der Scheune und nickte sich zufrieden zu. Dann ging er ins Haus, zog sich um, griff seine Autoschlüssel und fuhr in die nächstgrößere Stadt.

Derweil sang Devlin mit sonorer Stimme lautstark einen Song nach dem anderen mit, der aus den alten Lautsprechern tönte, während ihm die frische Nachtluft durch das geöffnete Fenster der Fahrerseite ins Gesicht wehte. Er fühlte sich frei wie ein Vogel. Die Sterne über ihm leuchteten, niemand anderes fuhr auf der einsamen Straße um diese späte Stunde und Devlin genoss das zutiefst.

Nach knapp zwei Stunden erreichte er eine Bar, in der ein Mann gewisse andere Dienste ebenfalls in Anspruch nehmen konnte. Bisher hatte er solche Einrichtungen gemieden, denn an Verehrerinnen fehlte es ihm nicht.

Nachdem seine Ex ihn verlassen hatte, hatte er nur noch selten körperlichen Kontakt zu Frauen gesucht, geschweige denn Wert auf eine neue Beziehung gelegt.

Vielleicht war das ja auch der Grund, weshalb sein Nachbar ihm so anziehend vorkam.

Vielleicht brauchte er einfach nur Sex, damit sich seine Hormone wieder einpegelten und nicht die ganze Zeit Karussell fuhren, wenn er nur an Jesse dachte.

Genau! Das musste es sein. Was anderes kam gar nicht in Betracht.

Jedenfalls redete sich Devlin das ein.

Entschlossen betrat er die Bar.

Wärme schlug ihm wie eine Wand entgegen. Der Geruch von Alkohol, Schweiß und kaltem Rauch lag in der Luft und Devlin fuhr sich unschlüssig, ob er bleiben oder doch lieber wieder gehen sollte mit einer Hand durch die dunklen Haare. Er fühlte sich nicht sehr wohl. Die Bar war gut gefüllt. Laute Männerstimmen schufen einen beachtlichen Geräuschpegel, der ab und zu von einem Kichern unterbrochen wurde.

Spärlich bekleidete Frauen drängten sich mit Bierkrügen durch die Tische und schäkerten mit den angetrunkenen Gästen. Es kam Devlin grotesk vor, doch er suchte sich erst einmal einen Platz an der Bar und bestellte sich ein Bier.

Kurz darauf wurde ein voller Krug vor ihn auf den Tisch geknallt.

Doch Devlin ließ seinen Blick erst noch einmal in die Runde gleiten. Er musterte die Frauen alle nacheinander, doch bei keiner verspürte er das Verlangen sie auch nur anzufassen. Eher das Gegenteil war der Fall. Das Kribbeln, das er jedes Mal in Jesses Anwesenheit verspürte, wollte einfach nicht aufkommen.

Darüber ärgerte sich Devlin, griff zu dem Bierkrug und leerte ihn zur Hälfte in einem Zug. Vielleicht war er zu verkrampft. Mit ein bisschen Alkohol sah das Leben bestimmt gleich anders aus. Zumindest dachte er das.

Aber auch das zweite Bier bescherte ihm kein Kribbeln im Bauch und Devlin beschloss die Sache direkter anzugehen. Als eine der Kellnerinnen zu ihn kam und ihn mit anzüglicher Miene fragte, ob er noch ein Bier wollte, schüttelte er den Kopf.

»Ich hätte da eher an etwas anderes gedacht…«, erwiderte er mit genauso anzüglichem Tonfall, der unmissverständlich war und lächelte sie gewinnend an.

Sofort strahlte sie und geizte nicht damit ihm ihre Brüste entgegen zu strecken, die dabei fast aus dem knappen Mieder fielen.

»Na dann komm mal mit, Süßer«, plinkerte sie kokett, strich ihm mit eindeutigem Blick über den Oberschenkel, bevor sie sich umdrehte.

Devlin ließ sich nicht zweimal auffordern. Er erhob sich von seinem Platz und ging der Brünetten durch den halben Schankraum hinterher. Sie wackelte auffällig mit den Hüften, was ihm jedoch nur ein schiefes Lächeln entlockte.

Dann ging es eine Treppe hinauf und in ein kleines Zimmer. Der Raum war karg eingerichtet. Es gab nur ein Bett, das nicht mal breit genug für zwei Personen war, ein kleines Nachttischchen links daneben und einen Stuhl, über den man wohl seine Kleindung hängen konnte. Die Glühbirne an der Decke war nackt und verströmte ein schmutziges gelbes Licht. Obwohl der Raum nicht schmutzig wirkte, verspürte Devlin irgendwie keine große Lust dieses Bett auch nur ansatzweise zu nutzen.

Kaum war die Tür geschlossen, schlang sich auch schon ein paar Arme um seinen Hals und weiche Lippen legten sich auf seinen Mund. Automatisch legten sich Devlins Hände auf die Hüften der Frau und er erwiderte den Kuss.

Doch er fühlte dabei nichts.

Kein Kribbeln.

Keine Hitze die in ihm aufstieg.

Keine Regung in seinen Lenden.

Der Kuss schmeckte einfach nur fade nach abgestandenem Bier und erweckte in Devlin fast schon Ekel. So sehr er versuchte sich einzureden, dass das hier richtig war, was er tat… sein Körper spielte einfach nicht mit und seine Gefühle hatten sich völlig ausgeklinkt.

Es ging einfach nicht! Das musste er nach einem weiteren Kuss einsehen.

Diese Berührungen…

Sie kamen nicht von Jesse.

Sie erfüllten ihn nicht mit Wärme und Zuneigung.

Sie lösten einfach keine Empfindungen in ihm aus.

Eigentlich hatte er keine Ahnung, was er empfinden würde, wenn er Jesse küsste, doch er war sich sicher, dass da viel mehr war.

»Verdammt!«, murmelte er und schob die Frau von sich.

Grummelnd zog er ein paar Geldscheine aus seiner Hosentasche und drückte sie der Brünetten in die Hand. Diese sah ihn verdutzt an, griff dann aber danach und verschwand glücklicherweise ohne Fragen zu stellen.

Als die Tür ins Schloss fiel, ließ Devlin sich auf den Stuhl fallen, stützte die Ellenbogen auf den Knien ab und vergrub das Gesicht verzweifelt in den Händen.

Ihm wurde klar, dass wohl keine Frau der Welt ihn von seinen Gefühlen abbringen konnte, die er für Jesse empfand. Verdammter Scheiß… Wieso musste es ausgerechnet ein Mann sein?

Devlin wehrte sich strikt dagegen sich als schwul zu bezeichnen.

Immerhin hatte er, bevor er Jesse kennen gelernt hatte, nur Kontakte zu Frauen gehabt. Bis dahin hatte ihn nie ein Mann interessiert. Das war alles die Schuld seines Nachbarn!!

Wäre der doch bloß nicht nach Buzzards Groove gezogen. Dann wäre sein Leben nicht so aus den Fugen geraten.

Es war außerordentlich leicht anderen die Schuld zu geben. Aber leider brachte Devlin das auch nicht weiter. Die Gefühle in seinem Inneren waren da und er ahnte schon, dass er diese nicht so schnell wieder loswerden würde.
 

Dray schaute stirnrunzelnd von seiner Morgenzeitung auf. Mit kritischem Blick musterte er die zerzauste Erscheinung seines Bruders, die gerade in die Küche geschlurft kam.

»Wo, zur Hölle, hast du dich denn gestern herum getrieben? Ich warte mit dem Abendessen, und du meldest dich nicht mal. Du hättest wenigstens anrufen können. Wir haben beide ein Handy, wie du weißt.«

»Habe ich vergessen«, brummte Devlin schlecht gelaunt, nahm sich eine Tasse aus dem Schrank, goss sich etwas von dem frisch gebrühten Kaffe ein und warf sich auf einen Stuhl.

»Du hast es vergessen«, äffte sein Bruder ihn gereizt nach. »In der letzten Zeit leidest du an fortschreitendem Gedächtnisschwund.«

»Bla bla bla!« Devlin hatte momentan überhaupt kein Ohr für die Vorhaltungen seines Bruders. Er hatte die Nacht kaum ein Auge zugemacht. Ständig hatte er an Jesse denken müssen, nachdem er sich wohl oder übel hatte eingestehen müssen, dass er sich in seinen Nachbarn verguckt hatte. Als hätte er an dieser Erkenntnis nicht schon genug zu knabbern, musste ihm Dray nun auch noch auf die Nerven gehen.

Mit diesem hatte er außerdem auch noch ein Hühnchen zu rupfen, und war deshalb nicht gewillt, sich ablenken zu lassen.

»Wann wirst du Sunny endlich diesen Ring an den Finger stecken?«, fragte er mit vor Müdigkeit kratziger Stimme.

Dray starrte ihn einen Moment an und schaute dann rasch zur Seite.

»Das habe ich noch nicht entschieden.«

»Das habe ich befürchtet. Na gut, wenn du so ein Feigling bist, muss ich das wohl übernehmen.«

»He!«, rief Dray aufgebracht. »Ich bin kein Feigling. Ich versuche nur, die Dinge langsam angehen zu lassen.«

»So so…«, meinte Devlin. »Was glaubst du, wann die Planeten in der richtigen Konstellation zueinander stehen und der Luftdruck stabil genug sein wird, dass du Sunny endlich den Ring geben kannst?«

»Das weiß ich nicht, verdammt noch mal!«, fauchte Dray stürmisch. »Was hat das überhaupt mit dir zu tun?«

Devlin räusperte sich. Ihm war die Angelegenheit etwas unangenehm. Aber zwischen Dray und ihm hatte immer Ehrlichkeit geherrscht und sie hatten sich gegenseitig so akzeptiert wie sie waren. Devlin hoffte, dass das auch diesmal so sein würde.

»Ich würde dich gern Jesse vorstellen, aber du und ich, wir haben ja unsere stillschweigende Abmachung zu warten, bis der andere sein Schäfchen im Trockenen hat, wenn du weißt was ich meine.«

Jesse war zwar ein Mann und Devlin glaubte nicht, das Dray irgendwie gefallen an ihm finden würde, aber wer wusste schon, wie es anders herum war? Richtig! Niemand.

Es dauerte einen Moment bis diese Information bei Dray durchgesickert war, doch dann riss dieser plötzlich entsetzt die Augen auf, ließ die Zeitung sinken und starrte seinen Bruder voller Unglauben und Unverständnis an. Die Spannung in der Küche stieg sofort schlagartig an und ließ Devlin die Luft anhalten.

»Devlin… seit wann… das kann doch nicht dein Ernst sein? Du meinst wirklich.. zwischen dir und…« Dray brach ab und Devlin schluckte angespannt.

»Ja.. da ist etwas«, gestand Devlin ehrlich. »Jedenfalls von meiner Seite aus.« Er hatte die Nacht lange genug darüber nachgegrübelt und Dray war sein Bruder. Er hatte das Recht es zu erfahren.

»Ich bin mir erst vor kurzem so richtig darüber klar geworden, das heißt… erst heute Nacht. Jesse löst Gefühle in mir aus, die ich lieber bei einer Frau haben würde. Wir kennen uns erst kurz, aber ich hab ihn die ganze Woche auf unserer Reise vermisst und ich stelle mir immer häufiger vor wie es ist ihn zu küssen und…«, versuchte er zu erklären und war dabei aufgeregt wie ein kleiner Junge.

»Halt! Das will ich gar nicht wissen«, unterbrach Dray ihn ein wenig atemlos und ließ sich mit nachdenklicher Miene in seinem Stuhl zurück sinken. Knisternd sank die Zeitung auf seinen Schoß.

»Ich kapier das nicht. Hast du auch wirklich gut darüber nachgedacht? Ich meine… klar, deine Ex hat dich mies behandelt, aber Devlin verdammt… das ist doch kein Grund, das weibliche Geschlecht gleich ganz zu verschmähen!«

»Oh, glaub mir. Ich hab mir stundenlang darüber den Kopf zerbrochen«, meinte Devlin mit angespanntem Gesichtsausdruck. »Und ich verschmähe das weibliche Geschlecht nicht!«, schoss er zurück. »Ich bin auch nicht schwul… höchstens bi«, verteidigte er sich. »Es ist ja nicht so, dass ich bei jedem Kerl gleich Frühlingsgefühle kriege.«

»Hm«, machte Dray nur und musterte seinen Bruder dann eingehend.

»Bezug nehmend auf deine zerzausten Haare und die tiefen Augenringe, scheinst du dir wirklich ausreichend lange den Kopf darüber zerbrochen zu haben. Dich scheint es wirklich erwischt zu haben. Ich hoffe nur, du bist dir bewusst, auf was du dich da einlässt. Liebe zwischen Männern ist nicht annähernd das gleiche wie zwischen Mann und Frau…«, gab er zu bedenken, als hätte er von solchen Beziehungen mehr Ahnung als sein Bruder.

Devlin brummte und starrte in die schwarze, dampfende Flüssigkeit in der Tasse, die er zwischen den Händen hielt. Über Sex hatte er sich bisher noch gar keine Gedanken gemacht. Aber dazu würde es in einer Beziehung mit Jesse bestimmt auch kommen. Nur… Devlin hatte keine Ahnung davon und eigentlich wollte er darüber auch nicht mehr wissen als nötig. Seine bisherigen Gedanken hatten sich nur ums Küssen gedreht, aber er konnte nicht leugnen, dass sein Körper bereits auf seinen Nachbarn reagiert hatte. Und das mehr als deutlich. Doch das erzählte er Dray lieber nicht.

»Ich weiß. Aber so weit sind wir ja auch noch nicht. Ich muss Jesse sowieso erst davon überzeugen, dass ich der Richtige für ihn bin.«

Ein skeptischer Seitenblick traf Devlin und ein lautes Seufzen war von Dray zu hören.

»Dass du dich da mal in nichts verrennst.«

Dann zuckte er mit den Schultern.

»Naja… wenigstens weißt du, dass dein Angebeteter schwul ist. Das erspart dir eine Menge Probleme«, gab Dray dann mit einem verdächtigen Zucken um die Mundwinkel von sich und Devlin atmete erleichtert auf, weil sein Bruder damit offensichtlich akzeptiert hatte, dass er Gefühle für einen Mann entwickelt hatte. Die Spannung in der Luft verflüchtigte sich und Devlin nahm einen großen Schluck von seinem Kaffe.

»Also wann wirst du Sunny endlich fragen?«, drängte Devlin nach einem Moment des Schweigens wieder auf das alte Thema. »Nächste Woche? Nächstes Jahr? Auf was für eine Jahreszeit warten wir eigentlich?«

»Darauf, dass wir das Getreide ausgesät haben. Das Sunny ihren Restaurantbetrieb in den Griff bekommt und jemanden findet, der sie dabei unterstützt, damit wir mehr Zeit füreinander haben«, versetzte Dray trotzig.

Devlin warf seinem Bruder einen gereizten Blick zu.

»Das ist die Entschuldigung für diese Woche. Was wird es wohl in der nächsten Woche sein?«

Dray warf die Zeitung zur Seite und sprang auf.

»Halt dich aus meinen Angelegenheiten raus! Ich misch mich auch nicht bei dir ein«, bellte er und verschwand in Richtung seines Schlafzimmers.

»In Ordnung!«, rief Devlin ihm nach. »Morgen früh werden wir die verdammte Saat in den Boden bringen, und danach wirst du zu Sunny gehen, oder ich packe dich eigenhändig am Schlafittchen und schleppe dich in die Stadt.«

»Das wirst du nicht tun!«, brüllte Dray.

»Wette lieber nicht darauf, wenn du nicht verlieren willst!«

Dray knallte die Tür hinter sich zu, und Devlin starrte finster vor sich hin. Zwei Wochen entschied er. Zwei Wochen würde er seinem Bruder noch Zeit geben. Wenn er dann noch keine Anstalten unternommen hatte, seinen Ring loszuwerden, würde er die Regeln brechen und die Dinge auf seine Art vorantreiben.

Bis dahin allerdings musste er noch ein paar ganz andere Sachen klären. Allzu viel Zeit dazu blieb ihm jedoch nicht, wenn sie morgen früh mit der Saat beginnen wollten.

Sofort musste er wieder an Jesse denken und ein sanftes Lächeln zog sich über seine Lippen. Von neuem Tatendrang erfüllt machte er sich im Bad frisch, kämmte sich seine immer noch zerzausten Haare und zog sich dann eine Jeans und ein Hemd an, dessen Ärmel er bis zu den Ellenbogen hochkrempelte.

Verwunderlicherweise fiel es ihm nun gar nicht mehr so schwer zu akzeptieren, dass er Gefühle für Jesse hatte. Drays Einverständnis hatte er ebenfalls und das nahm ihm eine große Last von den Schultern. Es lief alles einfacher als gedacht. Nun musste er nur noch Jesse von seinen Vorzügen überzeugen. Das würde wahrscheinlich der schwierigste Teil von allen werden. Er hatte einiges zu erklären bzw. wieder gut zu machen.

Aber Devlin glaubte fest an seinen unübertroffenen Charme und seine Verführungskünste.
 

Tbc…
 

© by desertdevil



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  evejean
2011-11-11T06:13:57+00:00 11.11.2011 07:13
ui mit ein neuen kapitel, das versüßt einen echt den tag, toll das devlin ein sieht wie seine gefühle wirkl. für jesse sind. jetzt muss er nur noch jesse überzeugen, aber ich glaub fest dran das schafft er auch ;)

lg eve
Von:  Shunya
2011-11-07T16:03:08+00:00 07.11.2011 17:03
Naja, wenn er schon so von sich selbst überzeugt ist, hoffe ich, dass Devlin Jesse klar machen kann, was er für ihn empfindet. ;P
Fand ich süß, wie unbeholfen sie sich in der Wohnung gegenüberstanden und nicht wussten, was sie sagen sollten. Und dann ist Devlin doch tatsächlich nur von einer Schulterberühung seitens Jesse schwach geworden. Einfach genial. XD lol
Aber trotzdem fand ich es schade, dass sie sich so aus dem Weg gegangen sind. >.<
Ich bin schon mächtig gespannt, wie es im nächsten Kapitel zwischen Devlin und Jesse weitergehen wird.


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