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Mein bester Feind

von

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Kneipenlaune oder Du hast mich geschlagen, du Arsch!

"Du hast mich geschlagen, du Arsch!"

Ich richtete mich auf und hielt mir mit schmerzverzogenem Gesicht den Kopf als ich den Kerl anschrie, der sich neben mich auf das Bett gesetzt hatte.

"Was sollte das? Ist das irgendeine kranke Art von dir Mädels aufzureißen? Geh mal zum Psychiater!!!"

Der junge hübsche Mann sah mich leicht erschrocken an. Er hatte wohl nicht erwartet, dass ich trotz des Schlags noch so fidel sein würde. Dann wandelte sich sein Blick aber wieder in diesen strengen Gesichtsausdruck von vorhin an der Straßenbahnhaltestelle. Ohne eine Vorwarnung schubste er mich wieder nach hinten um und fixierte mich, in dem er meine Arme festhielt, auf dem Bett.

"WAS?!? Vergewaltigung auch noch???"

Eine kurze Unsicherheit flammte in seinen Augen auf, bevor diese mich böse anfunkelten. Mit einer tiefen und rauen Stimme murrte er mich an:

"Warum kannst du mich sehen? Sag schon!"

"W... W... Hä?"

>Der hat sie doch nicht mehr alle...<

"Stell dich nicht dumm. Niemand kann mich sehen, wenn ich es nicht will. Warum kannst du es?"

Obwohl ich nicht wusste, ob diese Situation in der ich mich gerade eben befand eher lustig oder beängstigend war, immerhin war ich mit einem Wildfremden Mann in meinem Schlafzimmer und er drückte mich mit seinen starken Armen in mein Bett, begann ich zu lachen. Der Kerl fragte mich doch tatsächlich warum ich ihn sehen kann. Das sollte er mal lieber meine Augen fragen, aber die würden ihm wahrscheinlich auch nicht wirklich zu einer Auskunft verhelfen können.

Nun, ja, wie gesagt, ich lachte.

Die Situation war einfach zu skuril und da mir bewusst war, dass es mal wieder typisch war, dass nur ich an einen psychischen kranken Traumtypen geraten würde, konnte ich mich nicht mehr bremsen.

Ich lachte solange, bis dieser Kerl mich mit seiner donnernden Stimme anbrüllte:

"Hör auf zu Lachen!!! Das ist mein voller Ernst! Oder willst du, dass ich dich für immer zum Schweigen bringe?"

Gut, das hatte mich überzeugt und ich schluckte alles was ich an Humor in meinem kranken Gehirn gespeichert hatte runter. Es war wohl besser erst mal die dummen Sprüche beiseite zu lassen. Also beschwichtigte ich ihn und hoffte die Situation zu entschärfen, denn jetzt sah er wirklich so aus, als hätte er seine Frage toternst gemeint.

"Schon gut. Schon gut. Ehrlich, ich hab keine Ahnung, warum ich dich sehen kann. Ich seh dich genauso wie jeden anderen Menschen auf der Straße und ich dachte eigentlich nicht, dass das was Schlimmes wär... Willst du nen Kaffee?"

Bei meiner Antwort konnte man seine Gefühlsregungen sichtlich miterleben. Erst versuchte er seinen strengen Blick aufrecht zu erhalten, dann wurde sein Blick immer teilnahmsloser und letztenendes nickte er nur noch und ließ von mir ab. Er saß da wie ein Häufchen Elend.

Als ich mich erhob, packte er mich fest an der Hand und murmelte in seinen nicht vorhandenen Bart hinein:

"Könnte ich meinen Kaffee mit Milch und Zucker haben?"

"Äh, klar, hab ich alles da. Setz dich doch schon mal an den Tisch im Wohnzimmer."

Hurtig flog ich in die Küche und füllte den Wasserkocher. Ich hatte keine Kaffeemaschine, nur Instantkaffee, da ich selbst Kaffee nicht so gern mag. In dieser Situation jedoch machte ich auch für mich einen mit.

Ich brachte Zucker und Milch an den Tisch. Der hübsche Kerl starrte aus dem Fenster und ich nutzte die Gelegenheit in jetzt aus der Nähe genauer zu inspizieren. Die schwarzen Haare, die vollen Lippen, die gerade Nase, die ausgeprägten Wangenknochen. Er sah schon genauso aus, wie ich mir nur all zu oft den perfekten Mann vorstellte.

Plötzlich drehte er seinen Kopf und erwiderte meinen Blick. Erschrocken zuckte ich zusammen und zeigte zur Milch.

"Milch."

Und dann zum Zucker.

"Zucker. Alles da."

Ich glaube, dass es selten dämliche Momente in meinem Leben gab, aber dieser hier toppte gerade alles. Ich hoffte inständig, dass er jetzt nicht zu lachen begann, da ich sonst jeder Tomate Konkurrenz gemacht hätte und das wäre mir nicht nur peinlich, sondern es wäre mit totpeinlich - ich weiß, dass es dieses Wort nicht gibt, aber wenn es hilft zu beschreiben, wie ich mich gefühlt hätte, dann möchte ich es als Wortneuschöpfung mal einfach so stehen lassen.

Er nickte. Er nickte einfach nur und sagte:

"Das Wasser."

Und ich darauf:

"Hä?"

"Das Wasser kocht."

Und spätestens jetzt war es zu spät. Ich spürte, wie sich die Wärme meines Blutes von der linken Seite meines Halses bis hoch ins Gehirn, dann in mein Gesicht und schließlich an der linken Seite meines Halses wieder hinunter arbeitetet.

>Wie kann man nur so peinlich sein?! Warum? Warum? Warum?<

Zurück in der Küche hämmerte ich ein paar Mal mit meinem Kopf gegen die Schranktüren. Dabei murmelte ich immer wieder die Worte 'Warum? Warum? Warum?'.

"Was machst du da?", grummelte es hinter mir.

Normalerweise meint man ja, dass in Schrecksituationen sich alles Blut in die Füße verziehen würde, aber meine Gesichtsfarbe hätte mittlerweile schon mit einer roten Ampel konkurrieren können. Ich blieb stocksteif stehen und verfluchte den Moment meiner Geburt und die Tatsache, dass ich Peinlichkeiten anzog wie ein überdimensionaler Magnet.

Ohne mich umzudrehen reichte ich dem Kerl eine der mit Kaffee gefüllten Tassen und seufzte:

"Nichts... Nichts... Ich, ach, hier, deine Tasse. Geh doch schonmal wieder zurück ins Wohnzimmer. Ich komm gleich."

Er schüttelte den Kopf und murmelte etwas wie:

"Und mich will sie zum Psychiater schicken..."

Nachdem ich mich wieder halbwegs beruhigt hatte, schlurfte ich mit meiner Tasse ins Wohnzimmer und setzte mich diesem Kerl gegenüber auf die Bank.

Er starrte schon wieder aus dem Fenster und umklammerte mit beiden Händen die Tasse. Ich nahm einen großen Schluck vom Kaffee und mit einem Mal begann ich mich zu fragen, warum ich eigentlich nicht schon längst versucht hatte ihm eins überzubraten und dann die Polizei zu rufen.

>Irgendwie hab ich Mitleid mit ihm... ihm... Wie heißt der denn eigentlich?<

Ohne mich anzusehen, antwortete er mir:

"Ich heiße Ben."

Er hatte wohl nicht erwartet, dass es mir möglich war über eine große Entfernung wie die breite des Tisches zu spucken. Zumindest verriet mir das sein verdutzter Blick, als ihm Kaffe gemischt mit Spucke die Wangen herunter ran. Schnell schob ich ihm die Taschentuchbox hin und ließ mich in meinem Hustanfall nicht stören.

Nachdem ich mich wieder beruhigt hatte und sein Gesicht wieder sauber war, entschuldigte ich mich.

"Tut mir leid... Sag mal, abgesehen davon, dass du unsichtbar bist, zumindest für alle außer mich, kannst du auch Gedanken lesen?"

Sein unerfreuter Blick wandelte sich in ein großes Fragezeichen.

"Warum sollte ich Gedanken lesen können?"

"Ach, nur so. Egal... Ich heiße außerdem Mia. Mia Krauss."

Unerwartet streckte er mir versöhnlich die Hand entgegen.

"Freut mich dich kennen zu lernen."

"Ja, das kann ich noch nicht so genau sagen."

Ich lachte und strich mir ein paar Haarsträhnen aus dem Gesicht. Ich meine, wie könnte ich mich über die neu errungene Bekannschaft mit einem gestörten Traummann namens Ben freuen, wenn ich mir nichts anderes wünschte als ein wenig Normalität in meinem Leben.

"Und du glaubst also, dass du unsichtbar wärst, wenn du es willst."

"Ich glaube das nicht. Es ist so."

"Aha."

"Du glaubst mir nicht, oder?"

"Du musst verstehen, dass es doch ein bisschen ungewöhnlich ist, wenn dir jemand erzählt, er wär unsichtbar."

Ich lächelte entschuldigend.

"Na gut, ich werde es dir beweisen. Und dann will ich wissen, warum du mich sehen kannst!"

"Ooookay, aber glaub nicht, dass ich mich da einmische."

"Das werden wir noch sehen."

Mit einem Ruck erhob Ben sich und bewegte sich zur Wohnungstür.

"Danke für den Kaffee und tut mir leid wegen der Beule, aber nach meiner Kaffeedusche denke ich, dass wir jetzt quit sind."

Er öffnete die Tür und verschwand nach draußen.

Leicht verwirrt und leicht ist dermaßen untertrieben, starrte ich die leere Kaffeetasse an aus der Ben gerade eben noch getrunken hatte. Dann schmunzelte ich zufrieden, denn eines war mir klar:

>Ha! Er ist weg. Welch ein Glück. Dieses Erlebnis sollte ich in mein Tagebuch schreiben... wenn ich eines hätte.<

Über meinen eigenen Witz lachend brachte ich die Tassen in die Küche.
 

Zwei Tage später traf ich mich mit einer Freundin in der Stadt.

Wir hatten uns schon länger nicht mehr gesehen und ließen uns nach einem kleinen Stadtrundgang in einer Bar nieder.

Die Begegnung mit Ben hatte ich schon längst wieder verdrängt und die Wahrscheinlichkeit, dass er wieder bei mir auftauchen würde war gleich Null. Dieser Kerl war wahrscheinlich schon längst wieder eingefangen und in seine Anstalt zurück gebracht worden. Auch wenn es schade war, dass ein so gut aussehender Mann so krank war.

In der Bar erweiterte sich unsere Runde später dann noch auf zwei alte Schulfreunde und wir genossen einen Cocktail nach dem anderen. Vor allem ein Cocktail hatte es uns besonders angetan. Die einzige Schwierigkeit beim bestellen war die Rekonstruktion des Namens...

"Darf ich euch noch was bringen?", fragte die nette Kellnerin.

"Ja, wir hätten gern diesen Cocktail noch vier mal."

Stolz auf meine trotz der steigenden Alkoholkonzentration im Blut noch erhaltengebliebene Fähigkeit zu bestellen hob ich den leeren Becher nach oben und deutete auf ihn. Die Kellnerin lächelte mich an und meinte nur:

"Und welcher Cocktail war da mal drin?"

Meine Freundin sah mich an und wiederholte:

"Was war denn da drin? Wie heißt der Cocktail denn?

Ich überlegte angestrengt und antwortete:

"...Tropical..."

"Nix, Tropical."

Meine Freundin fuhr mich böse an.

"Du sagst schon die ganze Zeit Tropical Island dazu, aber das stimmt nich!"

Beleidigt schob ich die Unterlippe vor und überlegte weiter:

"Irgendwas mit Donner... TOUCHDOWN!"

Ich strahlte über das ganze Gesicht, als mir der Name des Cocktails wieder in den Sinn kam. Die Kellnerin grinste belustigt und notierte sich unsere Bestellung auf ihrem kleinen Notizblock.

Einige Zeit und ein paar Cocktails später schwankten vier betrunkene Personen aus der Bar. Um diese Zeit war niemand mehr unterwegs und somit freute ich mich umso mehr, als ich auf der gegenüberliegenden Straßenseite Ben stehen sah.

Lachend hob ich beide Arme und versuchte ihn auf mich aufmerksam zu machen.

"Hey! Ben! Juhuuuuuu!"

Er hatte mich jedoch schon längst gesehen und winkte zu mir herüber.

Die anderen Drei sahen mich verdutzt an und einer der Jungs fragte:

"Wem winkst du da? Es ist doch niemand hier."

"Ach, ist nur Ben. Der ist unsichtbar."

Ich lachte und rannte über die Straße in Ben's Arme. Er fühlte sich so warm und kuschelig an, dass ich mich in seinen starken Armen verlor und nicht mehr merkte wie er mich auf seinen Rücken nahm und mit mir weg ging.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: abgemeldet
2009-05-14T19:49:29+00:00 14.05.2009 21:49
genau so muss ne gute geschichte geschrieben sein!!! erinnert mich an Rincewind... :D


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