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Alles für IHN

Teil der Bandserie
von

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„Hey, kommst du heute Abend?“, mit diesen Worten riss mich meine beste Freundin aus meinen Träumen.

„Äh, was hast du gesagt?“, ich hatte mal wieder nur von IHM geträumt.

„Du wirst mit deiner Arbeit nie fertig werden, wenn du ständig träumst. Wenn ich in den letzten 2 Monaten nicht die Hälfte deiner Arbeit gemacht hätte, wärst du deinen Job längst los. Von was träumst du bloß? Außerdem hab ich dich gefragt, ob du heute Abend zum Grillabend von Steve kommst.“

„Sorry! Ich kann mich einfach nicht konzentrieren! Machst du wirklich meine Arbeit?“, sie nickte, „Das hab ich gar nicht gemerkt!“

„Du merkst in letzter Zeit gar nichts mehr! Was ist jetzt mit heute Abend?“

Ich überlegte kurz und mir fiel sofort ein, was ich machen wollte. Heute Abend würde ich IHN wieder sehen. „Tut mir leid, aber ich hab keine Zeit, ehrlich Sarah, ich wäre gern gekommen.“

„Schon wieder Babysitten? Du hast gar keine Zeit mehr für uns. Ständig musst du Babysitten und das auch noch am Wochenende. Du verdienst doch hier genug!“

„Das sagst du! Aber du wohnst ja immer noch bei deinen Eltern und bekommst von ihnen alles bezahlt, ich muss meine Wohnung selbst bezahlen und hab, wie du weißt, ein Kind. Wenn meine Oma nicht immer auf die Kleine aufpassen würde, könnte ich das ganze hier vergessen.“

„Ist ja gut, Marie! Du hast schon Recht, aber wenigstens einen Freitag könntest du mal für uns opfern.“

„Aber nicht heute und auch nicht am nächsten Freitag. Übernächste Woche muss ich nur am Samstag arbeiten. Da sind die Feilers mit den beiden Kleinen für eine Woche weg. Vorher kann ich nicht. Und jetzt sollten wir vielleicht mal weiterarbeiten. Der Chef schaut schon das zweite Mal so böse her.“

„Na gut, dann feiern wir heute halt wieder ohne dich.“, sie war leicht beleidigt.
 

Nach der Arbeit ging ich sehr schnell nach Hause. Es war 16 Uhr und ich musste noch Duschen, meine Kleidung für heute Abend aussuchen und mir zum 1000. Mal überlegen, wie ich IHN heute Abend ansprechen soll. Das war nicht so einfach. Es waren doch tausende von Mädels da, die er bestimmt alle viel schöner fand als mich. Was soll ich bloß tun?

Dass ich heute Abend NICHT Babysitten gehe, ist euch sicher schon aufgefallen. Ich gehe oft Babysitten, aber nicht am Wochenende, höchstens mal am Sonntagabend. Ansonsten war ich weg um IHN zu sehen. Dafür brauchte ich auch das Geld, das ich mit Babysitten verdiente. Ich muss den Eintritt bezahlen, ein Getränk zum Mut antrinken und eines zum Frust vergessen, weil ich es wieder nicht geschafft habe IHN anzusprechen. Und dann mussten natürlich noch ständig neue Kleider bezahlt werden, um ihn zu beeindrucken. Aber es klappt ja nie! Und dafür belüge und vernachlässige ich meine Freunde, die ich zum Großteil schon seit 20 Jahren, also seit dem Kindergarten, kenne. Und das alles nur für IHN.

Mit diesen Gedanken machte ich mich fertig. Um 20 Uhr sollte es losgehen und um 19 Uhr war Einlass. Vielleicht hatte ich ja noch vorher eine Gelegenheit ihn anzusprechen.
 

Natürlich schaffte ich es mal wieder nicht! Die ganze Nacht lag ich heulend im Bett und bekam kein Auge zu.
 

Am nächsten Morgen klingelte schon um 9 Uhr mein Telefon. Meine Oma rief an und sagte, dass sie Verena, meine 2 Jahre alte Tochter jetzt vorbeibringen würde. Und sie meinte noch, dass sie einen wichtigen Auftrag für mich hätte. Na toll, was wird das wohl wieder sein?

Zu meiner Tochter muss ich sagen, dass ich sie sonst immer nach Feierabend abholte. Zum Babysitten nahm ich sie immer mit. Sie kannte die beiden Jungs der Feilers. Und nur weil ich gestern ja weg war, bleib sie über Nacht bei ihrer Uroma.
 

Etwa eine halbe Stunde später stand meine Oma vor der Tür. Verena fiel mir erst mal um den Hals und ich wirbelte sie durch die Luft. Danach umarmte ich meine Oma. „Hi Omi, was ist das jetzt für ein Auftrag, den du für mich hast?“

„Du kennst doch meine Freundin Anni!“

Ich nickte.

„Sie ist ins Krankenhaus eingeliefert worden. Nichts schlimmes, nur ein etwas zu niedrige Blutdruck. Und ihr Sohn, der Ralf, hat doch nen Sohn. Und um den geht’s.“

„Ich weiß nicht, was du von mir willst!“

„Naja, der Ralf ist die ganze nächste Woche nicht da und so kann er sich nicht um seinen Sohn Simon kümmern. Normalerweise, wäre er ja bei seiner Oma, der Anni gewesen, aber die liegt ja im Krankenhaus. Deswegen hat sie mich gefragt, ob ich ihn nehmen würde, aber das wird auf die Dauer ja auch zu viel für mich! Würdest du ihn nehmen?“

„Ich weiß nicht!“

„Der Ralf bezahlt es auch und wenn du arbeiten musst nehm ich beide, Verena und Simon. Dann hast du ihn nur am Abend. Und dass er am Nachmittag bei mir ist, ist auch kein Problem. Aber er könnte auch nicht bei mir schlafen. Die Verena ist ja kein Problem, die schläft ja bei mir im Bett, aber der Simon kennt mich ja nicht! Das könnte schwierig werden. Du hast doch das Gästebett.“

„Ok, wenn dir soviel daran liegt, dann nehm ich ihn halt!“

„Gott sei dank! Der Ralf hat nämlich schon überlegt zuhause zu bleiben. Aber es ist sehr wichtig für ihn.“

„Wann kommt er dann zu mir?“

„Der Ralf fährt am Montag um 10Uhr. Ich hol den Simon dann um 11:30 Uhr aus der Schule ab. Am Nachmittag bekommst du ihn dann. Du holst die beiden nach Feierabend ab, wie sonst immer die Verena.“

„Gut! Und wann kommt der Ralf wieder?“

„Am Samstag früh! Er holt den Kleinen dann bei dir ab!“

„Wie alt ist denn Simon eigentlich?“

„7 Jahre! Er geht ja schon in die Schule. Das vereinfacht die Sache ungemein!“

„Ja, dann hast du ihn ja nur Nachmittags!“

„Sonst hätte ich ja gar nicht ja gesagt! Aber wenn du ihn nicht genommen hättest, wäre er halt doch bei mir geblieben, wo weiß ich nicht, aber ich hätte es geschafft. Kennst du den Ralf eigentlich?“

„Nein, du hast mir nur mal irgendwann mal erzählt, dass die Anni nen Sohn hat, dass der Ralf heißt, hab ich erst heute erfahren.“

Kurze Zeit später verabschiedete sie sich wieder und ich beschäftigte mich mit Verena, die mir ausführlich in ihrer Prabelsprache erzählte, was sie gestern alles mit der Oma gemacht hat.
 

Am Montag nach der Arbeit, ging ich mit Sarah zu meiner Oma, holte die Kleinen ab und wir gingen alle zusammen Eis essen.

Ich freundete mich mit Simon sofort so richtig an. Er war so ein aufgeweckter kleiner Junge.

Ich war richtig traurig, als es Samstag wurde und wir im Garten saßen und auf Ralf warteten. Es gab nur einen Trost. Ich werde IHN heute Abend wieder sehen. Aber trotzdem wollte ich Simon nicht mehr hergeben. Er war einfach so putzig.
 

Dann gegen 9 Uhr klingelte es an der Haustür. Ich schickte Simon, damit er seinem Vater die Tür öffnen konnte. Ich hörte wie er zu seinem Vater sagte, dass wir noch beim Frühstück waren und er doch dazu kommen sollte.

Als Simon dann den Garten wieder betrat, stockte mir fast der Atem. Hinter ihm kam ER! ER, der süßeste Typ des ganzen weiten Universums. ER, wegen dem ich nicht mehr richtig schlafen konnte. ER, wegen dem ich nicht mehr arbeiten konnte. ER, wegen dem ich oft weinte. ER, für den ich meine Freunde anlog. ER, für den ich meine Freunde vernachlässigte. ER für den ich oft Babysitten ging, nur um ihn am Wochenende zu sehen. Alles für IHN. ER, der süßeste aller Keyboarder. ER, der geile Keyboarder von der geilsten Partyband der ganzen Welt. Er, Ralf Krämer. Scheiße, schon beim Nachnamen von Simon hätte es mir auffallen müssen, aber Krämer heißen ja viele.

Als ich an Simon dachte, bekam ich einen Stich ins Herz. MEIN Ralf hatte einen Sohn. Er war verheiratet und wahrscheinlich gerade erst von einem Urlaub mit seiner Frau zurückgekommen. Ich wäre am liebsten abgehauen, aber das war ja nicht möglich und so versuchte ich gute Mine zum bösen Spiel zu machen. Ich unterhielt mich also mit Ralf und versuchte mir, teilweise vorzustellen, er sei Steve. Als ich zwischendurch meinte, dass ich es schade fand, dass Simon schon gehen musste, weil ich schon richtig an ihm hing, lud er mich sofort für den Abend ein, da ja dann wieder ein Konzert sein würde und er Simon mitnehmen würde. Er gab mir sogar einen Backstage Pass, ohne Datum, damit ich, wie er sagte, wenn ich heute Abend nicht konnte ein anderes Mal kommen konnte. Er würde sich freuen. Nach einer Weile gab er mir dann das Geld und verabschiedete sich von mir.
 

Nachdem die Haustür hinter ihm ins Schloss fiel, rutschte ich an der Wand hinunter und begann zu weinen. Es war alles vorbei. Ich würde nie wieder auf ein Konzert gehen und Babysitten würde ich auch nicht mehr. Ich wollte das Haus überhaupt nicht mehr verlassen. Irgendwann kam dann meine kleine Tochter und fragte mich ganz verwundert, nicht begreifend, warum ich weinte: „Hat du Kummer?“

Ich lächelte sie an und meinte: „Nicht so schlimm!“

Am liebsten hätte ich ihr alles erzählt, aber sie hätte es vielleicht einfach nicht verstanden. Plötzlich sprang sie auf und sauste sie in die Küche. Ich schaute ihr nur verwundert hinterher. Irgendetwas viel klappernd herunter und ich wollte erschrocken sofort aufspringen und hin, als sie schon wieder zurückkam und mir freudenstrahlend eine Tafel Schokolade und das Telefon hinhielt.

Erst teilte ich die Schokolade mit ihr und dann sah ich das Telefon an. Kann ein zweijähriges Kind schon so genau wissen, was seine Mutter in so einer Situation braucht? Eine Tafel Schokolade zum aufmuntern und ein Telefon um seine beste Freundin anzurufen? Soll ich sie anrufen? Diese Frage konnte ich eindeutig mit „Ja“ beantworten. Ich brauchte jetzt dringend jemanden zum Reden.

Also wählte ich schnell ihre Nummer und schon nach dem 2. Klingeln meldete sie sich.

„Hallo!“

„Hallo Sarah, ich bin’s Marie“

„Hey Hallo Kleine! Hast du was? Du hast gerade so komisch geklungen!“

„Ich muss mit jemanden reden! Kommst du her?“, ich begann schon wieder zu weinen.

„Keine Panik, ich bin spätestens 10 Minuten bei dir.“, schon hatte sie aufgelegt.
 

Bereits 7 Minuten später klingelte es an meiner Haustüre. Ich heulte immer noch und blieb einfach sitzen. Verena lief an mir vorbei und sprang an der Tür hoch um diese zu öffnen.

„Hallo Verena! Wo ist den die Mama?“, in diesem Moment entdeckte sie mich. „Hey Süße, komm erst mal aus der Ecke da raus. So schlimm kann es doch gar nicht sein. Komm wir gehen jetzt ins Wohnzimmer, ich koch dir nen Tee und dann erzählst du mir alles. Ok?“

„Du wirst mich hassen!“

„Glaub ich nicht! Ich bin gleich wieder da!“

Sie lief in meine Küche suchte den Tee, aber sie konnte mal wieder nichts finden. Nach langer Suche nach etwas anderem fand sie im Gefrierfach eine Schachtel Schokoladeneis. Dann holte sie noch zwei Löffel und nachdem sie Verenas bittendes Kindergesicht neben sich sah, tat sie etwas von dem Eis in eine kleine Schüssel. Sie gab sie Verena und meinte: „Damit gehst du aber ein bisschen in den Garten. Deine Mama und ich müssen was Wichtiges miteinander besprechen.“

Verena nickte: „Mama traurig!“

„Ach Maus, ich mach das schon.“

Verena lächelte zufrieden und rannte mit ihrem Eis nach draußen. Sarah nahm das Eis und kam damit wieder zu mir. „So und jetzt erzähl mir einfach alles von Anfang an.“

Ich seufzte und meinte dann: „Ok: Ich hab euch angelogen. Euch alle! Es war nicht so, dass ich ständig nur beim Babysitten war, wenn ich nichts mit euch unternehmen konnte. Ich hab mich verliebt, aber ich konnte es niemanden erzählen. Ich war jedes Wochenende auf Konzerten seiner Band. Deswegen musste ich auch Babysitten. Ich hab euch angelogen.“

„Aber Maus, das macht doch nichts. Ich versteh das schon! Einige von uns hätten ja gemotzt! Wir haben ja richtige Konzertmuffel unter uns. Aber das ist ja nicht dein ganzes Problem oder?“

„Nein! Ralf ist der Keyboarder von der Band, zu der ich immer gegangen bin. Ich bin nie an ihn rangekommen. Er war letzte Woche mit seiner Band weg. Simon ist sein Sohn!“

„Oh, aber das ist doch toll, dann hat er dich endlich kennen gelernt.“

„Verstehst du nicht? Er hat einen Sohn, also wohl auch eine Frau!“

„Das ist doch noch gar nicht sicher! Wenn er eine Frau hätte, dann hätte doch Simon bei ihr bleiben können oder er hätte ihn auch noch mitgenommen.“

„Aber wenn er mal etwas Ruhe mit seiner Frau haben wollte?“

„Dann wäre er ein anderes Mal mit ihr weggefahren, nicht wenn er mit seinen Kumpels und Bandkollegen unterwegs war.“

„Wenn aber doch?“

„Hast du nicht gesagt, dass deine Oma ihn kennt?“

„Ja, er ist der Sohn ihrer besten Freundin.“

„Dann wird sie doch wissen, ob er verheiratet ist.“

„Ja, du hast recht! Das müsste meine Oma wissen!“

„Also war doch alles nicht so schlimm! Und was hat er eigentlich gesagt?“

Ich erzählte ihr unsere gesamte Unterhaltung. Als ich ihr die Backstage Karte zeigt. Geriet sie ganz aus dem Häuschen und meinte: „Da gehen wir beide heute Abend hin. Wir hören uns das Konzert an und in der Pause gehst du nach hinten zu ihm.“

„Aber ich seh heute meine Oma nicht mehr! Wer soll denn auf Verena aufpassen und woher soll ich wissen, ob er verheiratet ist?“

„Das mit Verena mach ich schon. Bei meinen Eltern ist heute Abend meine Nichte Michaela zu Besuch. Die ist doch genauso alt wie Verena. Ich ruf mal schnell meine Eltern an und frag sie.“

Ich sah ihr erstaunt nach wie sie schnell in den Flur rannte und das Telefon nahm, das dort noch immer lag. Ich ging nach draußen zu Verena, die ihr Eis schon längst aufgegessen hatte und jetzt eifrig auf einem Blatt Papier rumspielte, das sich nachträglich als meine am Vorabend ausgefüllte und ausgedruckte Steuererklärung entpuppte. Gut, dass sie noch auf meinem Computer war.

In dem Moment stürmte Sarah nach draußen. „Verena möchtest du heute Abend bei meinen Eltern, Tante Sophie und Onkel Bernhard, schlafen? Mama und ich müssen nämlich wohin, damit Mama wieder fröhlich wird.“

Verena sah mich an und meinte dann ernst: „Ich schlaf bei Tante Fifi und Onkel Berni!“

Ich atmete auf. Dann sah ich Sarah an und fragte sie: „Und was machen wir jetzt mit dem anderen Problem? Ich kann meine Oma nicht erreichen. Sie ist übers Wochenende weggefahren und ich weiß nicht wohin!“

„Hast du die Nummer von der Anni?“

„Ich kann sie doch nicht fragen, ob ihr Sohn verheiratet ist! Außerdem ist sie glaube ich mit meiner Oma weggefahren.“

„Das macht die Sache etwas schwieriger! Aber mach dir doch erst mal einen schönen Abend mit Ralf.“
 

Kurz vor 19 Uhr war sie wieder da. Um 21 Uhr sollte das Konzert beginnen. Sie half mit mich zu stylen, weil ich natürlich meinen kompletten Kleiderschrank im Zimmer verteilt hatte und immer noch nicht wusste, was ich anziehen sollte. Sarah hatte dieses Problem schnell gelöst. Eine halbe Stunde später fuhren wir los. Um 19.45 waren wir ungefähr an der Halle. Einlass war erst um 20Uhr. Sarah meinte, ich sollte schon mal durch den VIP-Eingang reingehen. Sie würde noch eine Viertelstunde warten und ich solle doch schon mal vorgehen. Dann könnte ich in Ruhe mit Ralf reden. Als ich mich in Richtung Nebeneingang auf den Weg machte, drehte ich mich noch mal kurz um und sah, wie mir Sarah frech nachgrinste.

Ich hatte mit meinem Pass keine Probleme hineinzukommen. Doch dann, wo sollte ich nach Ralf suchen? Gott sei dank, lief mir schon nach zwei Minuten Charly über den Weg. Er fragte mich wie ich reingekommen sei. Ich zeigte ihm die Karte und fragte ihn wo Ralf wäre. Charly grinste fett und meinte dann: „Immer den Gang entlang, dann in die Halle und geradeaus wieder durch die Tür raus aus der Halle und dann immer den Geschrei und Gequieke nach. Simon hält ihn nämlich immer ganz schön auf Draht.“

Ich bedankte mich bei ihm und lief los. Und richtig, als ich auf der anderen Seite der Halle die Tür öffnete, hörte ich lautes Lachen und Quieken. Wie süß das klang! Ich betrat den Raum und sah Ralf am Boden liegen. Simon saß auf seinem Bauch und lachte sich verreckt, während sein Vater nach Atem rang. Simon sah auf, weil er bemerkt hatte, dass die Tür offen war. Sofort ließ er von seinem Vater ab und sprang auf. „Tante Marie!“ Er flog mir buchstäblich in die Arme.

Ralf stand jetzt auch auf und schon begann Simon zu motzen: „Mensch Papa, du musst schon liegen bleiben! Schließlich hab ich dich doch gerade besiegt!“

Ralf lachte: „Ja aber darf ich denn Marie nicht hallo sagen? Er hat den ganzen Tag nur von Ihnen geschwärmt!“

„Ach ja? Aber ich hab eine Bitte könnten wir uns vielleicht duzen? Ich sieze so ungern!“

„Find ich auch besser! Ich hatte heute Morgen richtig Angst, dass er nicht mehr bei mir wohnen will!“

Sofort streckte Simon seine Arme nach seinem Vater aus: „Nein Papa, ich hab dich doch auch noch lieb!“

Ralf nahm mir seinen Sohn ab und ging dann zur Tür: „Komm Marie, wir gehen dann mal zu den anderen rüber. Ich muss mich nämlich mal wieder da drüben blicken lassen. Wo ist eigentlich Vanessa heute Abend?“

„Verena!“, schrie Simon dazwischen.

„Ok, wo ist Verena heute Abend? Er verteidigt sie ja, als wäre sie seine Schwester!“

„So hat er sich die letzte Woche immer verhalten. Einmal wurde meine Oma an der Schule von seiner Klassenlehrerin gefragt, warum ihnen noch nicht bekannt war, dass Simon eine zweijährige Schwester hat und meine Oma hat erst mal nur gelacht! Er hat wirklich in der Schule erzählt, dass er eine kleine Schwester hat.“

„Das ist ja interessant junger Mann!“

Simon schaute etwas verschämt in der Gegend herum, dann sah er mich an und meinte ausweichend: „Wo ist denn jetzt Verena? Bei Omi?“

„Nein! Sie ist bei den Eltern meiner Freundin, die draußen wartet.“

„Du hast ne Freundin mitgebracht? Warum hast du sie nicht mit reingebracht?“

„Weil die Karte nur für mich galt!“

„Oh stimmt! Naja, noch 3 Minuten bis Einlass, holen wir sie also rein!“

„Tante Sarah?“

„Ja, Simon, Tante Sarah!“

„Juhu!”

„Ach, von der hast du mir aber noch nichts erzählt!“

„Wir waren zusammen einmal Eisessen und sonst hat sie uns auch mal besucht!“

„Die kann lustige Geschichten erzählen.“, rief Simon.

Ralf blieb stehen, ließ Simon runter, nahm eine Karte aus der Tasche und gab sie Simon: „Du gehst jetzt raus und holst sie und wir sind schon mal in der Gardarobe. „

„Ok Papa!“

Er sauste los und wir betraten einen Raum, aus dem schon lautes Stimmengewirr zu hören war. Drinnen saßen 6 Jungs. Andi, Charly, Alex, Claus, Peter und Steffen.

Ralf setzte an sie mir alle vorzustellen, aber ich winkte lachend ab: „Ralf, ich bin nicht das 1.Mal auf einem eurer Konzerte. Ich hab die Band schon gekannt, als du noch nicht dabei warst. Du brauchst sie mir also nicht groß vorstellen. Ich weiß, dass sie Peter, Charly, Alex, Steffen und Claus heißen und dass dort Andi steht.“ Ich zeigte nacheinander auf die Jungs, die es sich auf der Bank bequem gemacht haben und dann auf Andi, der in der Tür zum Nebenzimmer stand. Die Jungs grinsten alle breit.

Ralf lächelte: „Ok, brauch ich weniger zu reden! Das sind die Jungs und das ist Marie, die beste Babysitterin der Welt, ohne die ihr letzte Woche ohne mich hättet auskommen müssen! Außerdem ist Simon ja total verknallt in sie!“

Ich musste lachen: „Das beruht auf Gegenseitigkeit. Ich hätte ihn am liebsten nicht wieder hergegeben.“

Charly schaute leicht irritiert: „Komisch, wir wollen ihn immer loshaben. Aber ist ja auch egal. Wir haben uns vorhin schon einiges von den beiden über dich anhören müssen!“

„Ich hoffe nur Gutes, ich kann nämlich auch sehr streng werden, wenn ich arbeiten muss und ich gestört werde.“

„Davon hat mir mein Herr Sohn aber nichts erzählt, keine Sorge, der ist von mir so einiges gewohnt.“

Die Tür ging auf und Simon zog Sarah hinter sich her zu uns.

Sarah sah etwas verlegen aus: „Sorry, dass ich hier so reinplatze, aber Simon hat nicht nachgegeben.“

„Das sollte er ja auch nicht! Also Jungs, dass ist Sarah, meine beste Freundin, und dass sind Peter, Charly, Alex, Steffen und Claus, Andi und Ralf, der Vater von Simon.“

„Hallo Sarah!“, erklang es siebenstimmig.

„Hallo! Und wie komm ich jetzt zu der Ehre, hier her zu kommen?“

„Ralf wollte dich einfach nicht allein da draußen stehen lassen.“

„Du hättest mir doch auch einfach von Anfang an sagen können, dass du, wenn du kommst, deine Freundin mitbringst. Dann hätte ich dir doch gleich zwei Karten gegeben.“

Alex mischte sich lachen ein: „Mädchen kommen immer zu zweit. Ich dachte du hättest schon mal Freundin gehabt, dann müsstest du des eigentlich wissen, dass sie nie allein zu finden sind.“

Wir scherzten und redeten noch eine Weile, zwischendurch zogen sich die Jungs um (in unserer Gegenwart *sabber*). Erst als sie auf die Bühne, mussten trennten wir uns. Zwischendurch gingen sie immer mal einzeln oder zu zweit (jaja Mädchen gehen immer zu zweit *g*) nach draußen. Ralf und Simon blieben aber immer bei mir.

Das Konzert war gigantisch und in der Pause standen wir zusammen mitten in der Menge und laberten mit Leuten, die ich noch nie zuvor gesehen hatte. Während sein Vater sang war Simon bei mir und wir tanzten zu dritt mit Sarah. Irgendwann war er dann plötzlich verschwunden und ich suchte ihn. Er lag zusammengerollt in der Umkleide auf der Bank. Ich nahm die Decke, die auf Ralfs Tasche lag und deckte ihn damit zu, dann ging ich wieder raus. Ich wurde mit einem fragenden Blick von Ralf entfangen. Ich lächelte ihm zu deutete auf die Tür und machte die Geste als würde ich schlafen. Er nickte und lächelte auch.
 

Nach dem Konzert waren wir wieder mit den Jungs in der Umkleide, während sie sich umzogen. Simon ließ sich davon aber nicht aus der Ruhe bringen. Er schlief einfach weiter. Ralf war als letzter fertig. Ich blieb und wartete auf ihn. Sarah war schon mit Alex nach draußen gegangen. Als Ralf dann auch endlich fertig war, nahm er seinen schlafenden Sohn auf den Arm und bat mich seine Tasche bis zum Auto zu tragen. Ich willigte ein und wir verließen auch die Halle. Von Sarah war nichts zu sehen. Ich begleitete Ralf zu seinem Auto, das nicht weit wegstand. Er setzte Simon auf den Rücksitz und schnallte ihn vorsichtig fest. Dann drehte er sich wieder zu mir um.

Ich sah ihn an und stellte die Frage, die mir den ganzen Abend auf der Zunge brannte: „sag mal, warum hat ihn denn deine Frau nicht um Mitternacht abgeholt? Dann wäre er doch schon längst im Bett gewesen.“

„Du meinst seine Mutter?“

Ich nickte verwirrt.

„Das ist ne lange Geschichte. Wir hatten vor ungefähr 8 Jahren mal was zusammen. One-Night-Stand. Ich hab nie wieder was von ihr gehört und sie schon fast vergessen. Bis sie eines Tages 10Monate später vor meiner Tür stand, mir ein Baby in den Arm drückte und ohne ein Wort zu sagen einfach wegging, das war das letzte Mal, als ich sah. Das einzige was sie mir gelassen hat war eine Geburtsurkunde mit Geburtsdatum, Geburtsort, Name des Vaters, mein Name. Der Name des Babys und der Name der Mutter hat gefehlt. Ich hab ihn dann auf den Namen Simon gemeldet und davor natürlich einen Vaterschaftstest gemacht. Ich wollte nur sichergehen, dass mir ihn niemals irgendjemand wegnehmen konnte. Beim Jugendamt hab ich dann noch die Geschichte erzählt und kurz vor seinem 1.Geburtstag hab ich dann alleinige Sorgerecht bekommen. Nachdem die Mutter nicht auffindbar war. Seitdem leben wir allein. Also hat Simon keine Mutter, die ihn um Mitternacht abholen könnte. Nur einen Opa ohne Führerschein. Und wieso hat dich dein Mann heute Abend nicht begleitet oder zumindest auf Verena aufgepasst? Geschäftsreise?“

„Hat dir das Simon noch nicht erzählte?“, fragte ich fröhlich. Ralf ist nicht verheiratet!!! schrie es in mir.

„Ich bin auch alleinerziehend! Genau wie du! Nur dass mich mein Freund schon kurz nachdem ich erfahren habe, dass ich schwanger bin, verlassen hat. Und wir waren verlobt! Seitdem bin ich mit Verena allein. Und wenn ich meine Oma nicht hätte, könnte ich nicht mal arbeiten. Das ist unsere Geschichte.“

„Auch auf die Gefahr hin, dass es dich erschreckt. Ich verdammt froh darüber, dass du nicht verheiratet bist. Ich hab es mir die Ganze Zeit so sehr gewünscht.“

„Warum?“

„Warum? Warum? Weil... weil... als du heute früh so dasaßt... da... ich...“

Ich musste grinsen. Wie süß er doch rumstotterte. Und wie rot er wurde. Ob ich auch rot war? Ich wusste es nicht und ich wollte es auch nicht wissen.

Ich lächelte ihn zärtlich an und meinte dann leise: „Sollen wir nicht vielleicht Simons größten Wunsch erfüllen?“

„Welcher Wunsch?“

„Er wollte doch unbedingt ne Schwester, außerdem gäbe es da jemanden, der einen Führerschein hat und ihn auch um Mitternacht abholen könnte.“

Er sah mich auch zärtlich an und nahm mich in den Arm. Unsere Lippen näherten sich. Ich weiß nicht wie lange der Kuss gedauert hatte, aber irgendwann hörten wir ein klatschen hinter uns.

„Euch kann man aber auch nicht allein lassen! Tststststststs! Und das in der Nähe deines Sohnes!“

„Charly! Jetzt lass sie doch!“

Alle mussten lachen.
 

Zwei Jahre später kam unsere gemeinsame Tochter Alexandra zur Welt und wieder 3 Jahre später bekam ich dann auch noch einen Sohn, Robin. Ich war so glücklich. Ralf und ich gingen oft gemeinsam zu den Konzerten. Und die Kinder wurden von der Oma mit Führerschein abgeholt und ich musste nie wieder Babysitten um in Ralfs Nähe zu sein. Simons Kindermädchen hatte jetzt nur mehr zu tun!

ENDE



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