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Auf der Suche nach einer zweiten Chance

Die Insel des Glücks
von

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Ein Licht in der Dunkelheit (Elliot)

Mal wieder wurde ich in den frühen Morgenstunden vom Gezwitscher der Vögel geweckt. Ich hasste es früh aufstehen zu müssen, aber seitdem wir auf diese Insel gezogen waren, gehörte das leider zur Tagesordnung. Wir waren jetzt schon vier Monate hier und der Frühling war inzwischen dem Sommer gewichen. Es war drückend heiß und die Sonne schien jeden Tag unerbittlich. Der Himmel beglückte uns leider mit keinem einzigen Regentropfen. Vor allem Chelsea machte das schwer zu schaffen, da sie sich um ihr Feld kümmern und es bewässern musste.

Wir alle waren auf sie und ihre Arbeit als Rancher angewiesen. Es war unfassbar, aber dieses Mädchen trug eine unglaubliche Verantwortung... Ich bewunderte sie. Sie war so stark, so zeilstrebig... und doch ein so sanftes Wesen.

"Steh auf du Faulpelz!" riss meine Schwester mich unsanft aus meinen Gedanken. "Elliot... auf dich ist einfach kein Verlass. Du nervst!" Sie funkelte mich kalt an und ich seufzte schwer. Wieso war sie nur immer so ruppig? Ich kam einfach nicht mit ihr aus. Sie hasste mich, das wusste ich. Ich konnte es ihr nicht mal verübeln...

"Elliot", Diesmal war es meine Mutter die mich von der Küche aus rief "Komm Schatz, Essen ist fertig." Ich zog mich an und trottete in die Küche. Es roch gut und ich fragte mich, wieso. "Guten Morgen Elliot", begrüßte mich nun auch mein Großvater, der am Esstisch saß und Felicia beim Kochen beobachtete. Neugierig lief ich in die Küche um nachzusehen was hier so unwiderstehlich gut roch. Meine Mutter machte eingelegte Rüben. "Wo hast du denn die Rüben her?" fragte ich verwundert.

Die letzten vier Monate hatten wir nichts anderes als Kraut gegessen... jeden Tag! Ich konnte es nicht mehr sehen, geschweige denn riechen oder essen und freute mich nun über die Abwechslung. "Chelsea hat sie mir geschenkt." antwortete meine Mutter "Im Frühling hatte sie ziemlich viele angebaut, aber weil sie keinen Kühlschrank im Haus hat, kann sie ihre Ernte nirgends lagern, also hat sie einen Teil ihrer Erträge einfach mir geschenkt."

Das war typisch Chelsea, dachte ich mir. Sie war so fürsorglich und kümmerte sich um jeden. Natalie und mir brachte sie jedes mal, wenn sie bei Chen einkaufen ging, jeweils eine Tafel Schokolade mit. Mehr gab es bei dem Händler, der vor kurzem mit seinem kleinen Sohn Charlie auf die Insel gezogen war, auch nicht zu kaufen. Trotzdem waren wir alle sehr glücklich darüber ihn hier zu haben.

Als Chen von unserer misslichen Lage hier auf der Insel des Glücks gehört hatte, hatte er beschlossen hier her zu kommen, um uns zu helfen und mit uns ein neues Leben aufzubauen. Chens Frau war vor einem Jahr gestorben und er wollte Charlie wohl eine neue Umgebung schaffen, in der er nicht an seine verstorbene Mutter erinnert wurde.

Jetzt hatten wir sogar einen Händler hier, der uns mit allerlei Waren versorgte, aber vor allem Chelsea mit Saatgut. Er hatte auch dafür gesorgt, dass Chelsea neue Fenster und ein Bett bekam, so konnte sie nun vor drei Monaten endlich in ihr eigenes Haus ziehen. Sie wollte so schnell wie möglich bei uns ausziehen, da sie uns nicht "zur Last" fallen wollte. Ich lachte leise in mich hinein. Dieses Mädchen war einzigartig.

"Was grinst du so blöd?" fragte meine Schwester genervt und ich drehte mich verlegen von ihr weg. Ich benahm mich lächerlich. Wieso war mir das überhaupt so peinlich, als hätte sie mich gerade auf frischer Tat ertappt... ich fühlte mich irgendwie bloßgestellt...

Es gab keinen Grund sich so zu fühlen, deswegen riss ich mich zusammen und setzte mich schweigend an den Esstisch. Kurz darauf servierte meine Mutter auch schon das Essen und auch Natalie setzte sich zu uns. Ich liebte Feldfrüchte über alles und freute mich deswegen besonders über unser heutiges Frühstück. Wir alle schlangen die eingelegten Rüben gierig hinunter, so hungrig waren wir. Es war schwer auf dieser Insel zu überleben, denn wir mussten mit dem Nötigsten auskommen und waren sozusagen dauerhungrig...

Ich hatte es plötzlich ziemlich eilig aus dem Haus zu gehen und mich an die Arbeit zu machen. Natalie war schon weg und ich wollte auch gerade aufstehen als meine Mutter mir eine Tüte in die Hand drückte und meinte: "Hier ist eine Portion für Chelsea. Bring sie ihr bitte und sorg dafür, dass sie es auch isst. Die arme wirkt so abgemagert..." Meine Mutter sah besorgt aus, deshalb nahm ich sie kurz in die Arme und versprach ihr, mich um Chelsea zu kümmern.

Ich machte mich also auf den Weg und lief die kleine Sandstraße nach oben zu Chelseas Farm. Ich hätte eigentlich innerhalb von zwei Minuten oben sein sollen, aber ich war plötzlich so nervös, dass ich nur sehr langsam vorankam. Meine Schritte wurden immer kleiner, bis ich schließlich völlig stehen bleib. Was war nur los mit mir? Was war das für eine Angst die mich plötzlich gepackt hatte? Ich hatte angst... Angst davor, es zu vermasseln, sie zu verärgern oder zu verletzen und sie dann für immer zu verlieren. Verrückt... Meine Gedanken waren so absurd und doch ließen sie mich erstarren. Ich war gefangen in meinen Ängsten und Zweifeln... und ich wusste nicht wie ich mich davon befreien sollte.

Nurnoch wenige Schritte trennten mich von Chelseas Farm. Ich atmete noch mal tief durch. Ich hatte keine andere Wahl, ob ich nun wollte oder nicht, ich musste zu ihr gehen. Ich fasste mir also ein Herz und ging weiter.

Schon bald erblickte ich die kleine Hütte, Chelseas neues Zuhause. Ich lief mit festem Schritt darauf zu. Es gab jetzt kein Zurück mehr! Gerade wollte ich an die Türe klopfen, als ich Chelsea draußen entdeckte.

Sie hatte Tomaten und Mais angebaut, welcher nun schon ziemlich groß gewachsen war und war gerade dabei, diese zu gießen. Das Feld war von jeglichem Unkraut befreit und gut gepflegt. Chelsea hatte sich die Harre mit ihrem roten Tuch (Kopftuch, Halstuch, Haartuch... das Ding ist mehrfach verwendbar xD) zusammengebunden und trug ihre Alltagsklamoten: Ein gelbes Shirt, ihre zerschlissene, knielange Jeans und ihre roten Lieblingsstiefel.

Elliot konnte einfach nicht wegsehen. Es war faszinierend wie ihre Muskeln sich unter der Haut bewegten und angestrengt zuckten. Ihr Haut glänzte in der Sonne und ihre Klamotten waren schweißgebadet. Immer wieder ließ sie von der Arbeit ab, legte ihren Kopf in den Nacken und lächelte der Sonne zu, als wolle sie ihr für diesen wundervollen Tag danken.

Als sie fertig gegoßen hatte, lief sie auf ihr Haus, bzw. direkt auf mich zu. Als sie mich entdeckte erschrack sie erst ein wenig, doch dann kam sie freudig auf mich zugerannt. "Elliot", seufzte sie glücklich und bei dem Klang ihrer Stimme richteten sich meine Nackenhärchen auf. "Hallo..." erwiderte ich schwach und sah sie mit großen Augen an. Sie lächelte und legte ihre Hand auf meine linke Schulter "Wie lange bist du schon hier? Du hättest mich ruhig rufen können, ich hätte einfach eine kleine Pause eingelegt." "Aber nein", erwiderte ich schnell. Es freute mich dass sie dachte, ich hätte sie aus Höflichkeit nicht unterbrochen und nicht etwa aus Faszination.

Chelsea bemerkte die Tüte in meiner Hand und beäugte sie neugierig. "Was ist das? Riecht gut!" fragte sie und sah mich mit einem breiten Grinsen an. "Das ist für dich! Meine Mutter hat es mir mitgegeben. Sie meint, du hättest ihr Rüben geschenkt und nun wollte sie dir etwas von unserem Essen abgeben. Heute morgen gabs eingelegte Rüben."

"Danke!" glücklich nahm sie die Tüte entgegen und schnupperte gierig daran.

"Meine Mutter meinte, ich soll dafür sorgen, dass du das auch isst. Wir machen uns alle große Sorgen um dich..." Gerührt blickte Chelsea von der Tüte auf. "Das ist wirklich lieb von euch, aber ihr braucht euch um mich wirkich keine Sorgen zu machen! Es geht mir gut!" Ich sah sie skeptisch an. Sie wirkte auf den ersten Blick stark und unerschütterlich. Obwohl sie dünn war, waren ihre Schulern und Hüften breit, Ihre Beine lang und kräftig und ihre Haltung stets aufrecht und selbstebusst. Wenn man jedoch genauer hinsah, bemerkte man die tiefen Augenringe unter ihren blauen Augen, die eingefallenen Wangenknochen und die extrem schlanke Statur.

"Du solltest vorsichtiger sein, Chelsea! Auch deine Kräfte sind begrenzt...!" Sie lächelte liebevoll, als wollte sie mich beschwichtigen und nahm meine Hand. "Komm Elliot, lass uns reingehen. Ich hab einen Riesenhunger."
 

Genüsslich schob Chelsea sich einen Bissen nach dem Anderen in den Mund und kaute darauf herum als sei dieses Mahl der Himmel auf Erden. Arme Chelsea, dachte ich. Wie lange sie wohl nichts Anständiges mehr gegessen hatte? Ich fand es amüsant sie beim Essen zu beobachten. Die Art, wie sie sich Bissen für Bissen auf der Zunge zergehen ließ, hatte etwas kindliches an sich. In meinen Augen wirkte sie wie ein kleines Mädchen, das jetzt endlich seinen Nachtisch essen durfte. Ich Schmunzelte.

Es war schön, so mit ihr zu sitzen und sie anzusehen. Meine Ängste waren wie weggeblasen, kamen mir jetzt so unwirklich, so weit weg vor... Sie veränderte mich. Sie brachte mich zur Ruhe, gab mir Sicherheit...! Merkwürdig... Ohne es zu merken, gab sie mir so unglaublich viel. Sie tat nichts weiter, als sie selbst zu sein, als einfach da zu sein. Wie gerne wäre ich dasselbe für sie...! Wie gerne wäre ich ihr Halt, ihre Kraftquelle, ihr sicherer Hafen... Ich würde ihr so gerne alles geben! Einfach alles! Irgendwann würde ich ein Mann werden, der ihr gewachsen war!

"Wo bist du, Elliot?" fragte Chelsea mich grinsend und riss mich so aus meinen Gedanken. "Wie meinst du das...?" fragte ich wenig überzeugend. "Du sahst gerade so abwesend aus, so in Gedanken versunken, da habe ich mich gefragt, woran du gedacht hast." Ich spürte wie mir die Röte ins Gesicht stieg. Ich konnte Chelsea unmöglich sagen, dass ich gerade an sie gedacht hatte und daran, wie vernarrt ich in sie war...

Das Schweigen wurde langsam unangenehm. Ich wollte gerade etwas antworten als Chelsea die Initiative ergriff: "Tut mir leid... ich wollte dich nicht in Verlegenheit bringen... Geht mich ja eigentlich auch nichts an... Komm, lass uns lieber raus gehen und was unternehmen. Wir könnten auch Natalie fragen ob sie Lust hat." Bei dem Namen meiner Schwester zuckte ich unwillkürlich zusammen. "Ich denke nicht, dass meine Schwester Lust hat, etwas mit mir zu unternehmen. Du musst wissen, wir verstehen uns nicht sonderlich gut..." Ich wollte nicht über meine Schwester herziehen oder über unsere Probleme reden, also schwieg ich. Ich erwartete, dass Chelsea mich mit Fragen löchern würde und es unangenehm für mich werden könnte, doch die erwatete Reaktion blieb aus. Stattdessen wurde ihr Blick verständnisvoll und sie lächelte mich schwach und aufmunternd an. Dann stand sie auf und reichte mir ihre Hand. "Na dann machen wir eben was zu zweit."

Ich sah sie ungläubig an. Sie meinte es tatsächlich ernst. "Tut mir leid Chelsea... Ich kann nicht, ich hab so viel zu tun...!" So gern ich auch auf dieses verlockende Angebot eingegangen wäre, aber ich hatte wirklich noch zu viel zu tun... Außerdem würde meine Schwester mich umbringen wenn ich heute "schwänzen" würde... "Schade..." seufzte Chelsea enttäuscht und mir schnürte sich die Kehle zu. "Aber was solls. Komm, ich bring dich nach Hause und bedanke mich noch kurz bei Felicia für das leckere Essen!"

Wir verließen also Chelseas Haus und gingen zu mir. Meine Schwester war gerade dabei die Lieferkiste, die vor unserem Haus stand, zu überprüfen. Als sie Chelsea (und mich) sah, hellte sich ihr Gesicht auf und sie lief uns entgegen. "Natalie, hi! Na, wie gehts dir?" fragte Chelsea locker. Ich kannte meine Schwester sehr gut und wusste ihr Verhalten schon immer zu deuten. Auch wenn ihre Miene unverändert war, irgendwie gleichgültig und verschlossen, blitzten ihre Augen freudig auf und ihre Haltung wurde entspannter. Sie mochte Chelsea offenbar sehr.

"Mir geht es gut, danke. Dir?"

"Ja, auch gut. Wie siehts aus, ist Felicia da?"

"Sie ist drinnen. Geh ruhig rein wenn du willst."

Freundschaftlich klopfte Chelsea meiner Schwester auf die Schulter und trat in unser Haus. Ich wollte ihr folgen, doch Natalie packte mich am Arm und hielt mich zurück. "Wo willst du hin? Wir haben noch viel zu tun." Natalie hatte recht. Ich musste mich um meine Pflichten kümmern, so gerne ich Chelsea auch auf Schritt und Tritt folgen würde...

Nach meinem Vormittag mit Chelsea war ich richtig motiviert und energiegeladen. Ich hatte das Gefühl, ich könnte Berge versetzen, also machte ich mich sofort an die Arbeit. Es war garnicht so einfach im Transportwesen tätig zu sein. Wir mussten durch die ganze Stadt laufen und jede Lieferkiste durchsuchen und alles in Kisten verpacken. Auch wenn es nicht einfach war, ich gab mein Bestes und kassierte an diesem Tag sogar ein Lob von meiner Schwester ein.

Die Sonne ging langsam unter, es war schon 18 Uhr und wir waren alle hundemüde, doch wir waren noch nicht fertig. Der Frachter würde heute Abend kommen und unsere Waren abholen, das bedeutete, dass wir noch all die Lieferkisten an den Strand schleppen mussten. Schon allein der Gedanke machte mich müde...

"Elliot, da bist du ja!" begrüßte mich Taro als er mich vor unserem Haus entdeckte. "Ich habe dich schon überall gesucht! Wir müssen uns beeilen, der Frachte könnte jeden Augenblick hier sein! Außerdem erwarten wir heute Gäste."

"Gäste? Was für Gäste?"

"Chen hat gemeint, wir könnten einen Zimmermann und einen Tierhändler gut gebrauchen. Er hat also seine Beziehungen spielen lassen, hat einige Freunde angerufen und sie haben alle zugesagt. Wir bekommen neue Mitbewohner!"

Wow... mit so einer Nachricht hatte ich nicht gerechnet! Ich war überrascht und starrte meinen Großvater mit offenem Mund an. "Aber das sind ja großartige Neuigkeiten!" Je mehr Leute auf diese Insel zogen, desto besser! Wir konnten jede Unterstützung gut gebrauchen.

"Elliot!" rief plötzlich eine zarte Stimme hinter mir. Kaum hatte ich mich umgedreht, schon schmiss sich der kleine, 10 Jahre alte Charlie in meine Arme. "Hey, Vorsicht Kleiner!" sagte ich liebevoll und streichelte seinen schwarzen Wuschelkopf. "Wir bekommen neue Einwohner, nicht wahr?" fragte der Kleine aufgeregt und noch bevor ich ihm antworten konnte rannte er auch schon los in Richtung Strand.

Ganz außer Atem tauchte kurz darauf auch sein Vater Chen auf. "Diese Kinder..." beschwerte er sich und Taro und ich mussten beide anfangen zu lachen. "Der Kleine hat ganz schön viel Energie!" stellte mein Großvater amüsiert fest. "Jaaa,... zu viel für einen alten Mann wie mich...!" Chen seufzte und seine kleinen Augen sahen erschöpft aus.

Ich mochte Chen, aber irgendetwas an ihm machte mich traurig... wahrscheinlich war es die Tatsache, dass sein einsamer Blick dem meiner Mutter so erschreckend ähnlich war. Er hatte das gleiche Schicksal erlitten wie sie, das wusste ich. Es musste hart sein, den Menschen zu verlieren den man liebt und mit seinem Kind allein gelassen zu werden...

Der kleine Mann mit Bart und vollem, schwarzen Haar holte nochmal tief Luft und rannte weiter seinem Sohn hinterher. "Chen ist wirklich ein netter Kerl..." sagte Taro, mehr zu sich selbst als zu mir. "Komm Elliot, wir müssen weiter! Wir haben noch viel zu tun." Oh ja, wir hatten noch seeehr viel zu tun...

Die Kisten stapelten sich in unserem Wohnzimmer bis ins unermässliche. Felicia war schon am Strand und würde uns nicht helfen können. Taro war zwar noch immer arbeitstauglich, aber seine Kräfte waren aufgrund seines hohen Alters beschränkt, das bedeutete, dass die Arbeit an Natalie und vor allem an mir hängenbleiben würde. Ich seufzte schwer. "Na dann, an die Arbeit!"

Wir trugen unzählige Male eine Kiste nach der Anderen zum Strand, doch es wurden einfach nicht weniger. Meine Arme taten höllisch weh und meine Beine wollten mich nicht mehr so recht tragen, doch ich musste durchhalten.

Ich ging wieder ins Haus und nahm mir so viele Kisten wie ich nur tragen konnte und wollte gerade nach draußen gehen, als ich plötzlich spürte wie die Kisten in meinen Armen leichter wurden. "Wer ist da?" fragte ich dankbar. "Ich bins, Chelsea! Komm Elliot, lass mich dir helfen und gib mir die Kisten!" Mein Herz setzte einen Augenblick lang aus. "Chelsea!? Was tust du hier?"

"Ich habe gehört, dass heute Abend ein Schiff mit neuen Einwohnern ankommt, deshalb bin ich hier."

Ihre Stimme brachte mich völlig aus der Fassung. Ich brauchte einige Sekunden um wieder klar denken zu können. "Elliot, lass mich den Rest machen, du siehst müde aus. Ruh du dich aus, ich schaff das schon!" Sie zog sanft an den Kisten und wollte sie mir abnehmen doch ich hielt sie fest umklammert. "Das geht nicht Chelsea..." flüsterte ich.

Ich hätte die Hilfe von jedem angenommen, wirklich von jedem, aber nicht von ihr... Ich wollte nicht wie ein Schwächling dastehen, nicht vor ihr. "Bitte versteh mich nicht falsch, aber das geht nicht. Weißt du noch, ich habe dir bei unserer ersten Begegnung etwas versprochen, deshalb kann ich deine Hilfe jetzt nicht annehmen." Chelsea schwieg eine ganze Weile, hielt aber die Kisten von der anderen Seite aus fest. Ich wusste ganz genau wie schwer es ihr fiel, mir nicht zu helfen, aber sie würde meine Bitte akzeptieren, das wusste ich.

"Na schön... Wenn es dir so wichtig ist, dann will ich dich natürlich unterstützen! Aber solltest du Hilfe brauchen, dann ruf mich bitte, in Ordnung?" In ihrer Stimme schwang so viel Kummer und Sorge mit, dass es mir fast das Herz brach. Sie war so wundervoll!

"Ich danke dir Chelsea!" Sanft aber bestimmt nahm ich nun die Kisten entgegen und wir lief gemeinsam an den Strand. Sie setzte sich zusammen mit Felicia, Chen und Charlie in den Sand und wartete auf das Schiff, während ich zusammen mit Natalie und Taro noch die restlichen Kisten zum Strand transporierte.

Als wir endlich fertig waren, setzten wir uns föllig außer Atem zu den Anderen. Chelsea setzte sich neben mich und musterte mich besorgt "Ist alles in Ordnung?" fragte sie und betätschelte mich fürsorglich. "Ja..." flüsterte ich und lehte meinen Kopf an ihre Schulter. Ich fing mir zwar einen vernichtenden Blick von Natalie ein, aber das war es mir wert. Sanft strich Chelsea mir durch das Haar und ich kam endlich zur Ruhe.

Es war nun schon fast dunkel, wenn das Schiff nicht bald kam, würde es sich wohl kaum in der Dunkelheit zurecht finden. Es hier weit und breit keinen Leuchtturm... "Da, sie kommen!!", schrie Chelsea aufgeregt und stieß mich von sich. Sie stand auf und sprang aufgeregt umher. Nun standen wir alle auf um nach dem Frachter zu sehen und tatsächlich erkannten wir ihn in der Ferne. Er bewegte sich ziemlich schnell auf die Insel zu und schon nach kurzer Zeit konnte man sogar die Passagiere erkennen.

Es befanden sich viele Matrosen auf dem Schiff, die sicherlich nicht vorhatten auf der Insel zu bleiben. Mein Blick fiel auf einen riesigen Mann, der grimmig dreinsah und mindestens doppelt so groß war wie ich. Ich wollte ja nicht gemein sein, aber ich fand er sah aus, wie der Glöckner von Notre-Dame... Sein Gesicht war schief, irgendwie unharmonisch... Er hatte lange, extrem muskulöse Arme und er hatte einen leichten Buckel. Würde er etwa auf der Insel bleiben? Irgendwie beunruhigte mich dieser Gedanke...

Doch dann sah ich eine junge Frau die gelangweilt an der Reling stand und genervt auf uns herab sah. Ich hatte noch nie eine so schöne Frau gesehen.

Sie hatte langes blondes Haar, das in sanften Wellen ihren Körper hinab glitt. Ihr Körper hatte schöne, weibliche Rundungen, volle Brüste und einen wohlgeformten Hintern. Ihre Lippen waren sinnlich und ihre Nase gerade, ihre Stirn hoch und elegant. Sie trug eine extrem knappe Jeans, oben trug sie ein weißes Shirt über das sie sich ein hellblaues Hemd gebunden hatte das ihren flachen Bauch betonte. Sie wirkte so unglaublich erotisch, dass es mir die Sprache verschlug.

Ich muss diese unbekannte Schönheit ziemlich blöd angestarrt haben, denn Natalie schaute mich angewidert an und Chelsea folgte neugierig meinem Blick und starrte diese Frau auf dem Schiff ebenso verdattert an wie ich. Ich bekam ein schlechtes Gewissen weil ich dachte, Chelseas Gefühle durch meine offensichtliche Begeisterung für die Schönheit dieser Frau verletzt zu haben, als sie plötzlich begeistert verkündete: „WOW... ich habe noch nie ein so schönes Wesen gesehen. Sie ist ja der absolute Hammer!“

Verdutzt sah ich sie an. Was hatte ich mir denn gerade erhofft? Vielleicht Eifersucht? Hatte ich wirklich erwartet dass sie eifersüchtig auf mich sein könnte, vielleicht sogar besitzergreifend? Wie konnte ich nur so unglaublich naiv sein...? Nur weil Chelsea nett zu mir war bedeutete das noch lange nicht, dass sie für mich irgendwelche Gefühle hegte...!

Das Schiff legte endlich am „Hafen“ (ob diese kleine Anlegestelle wirklich als Hafen bezeichnet werden kann ist fraglich..) an und die Passagiere gingen von Bord.

Unsere neuen Inselbewohner waren (zu meiner Enttäuschung) der stämmige Mann (mein Glöckner von Notre-Dame...), zwei Frauen, nämlich dieses unglaublich schöne Mädchen und eine stämmige, blonde Frau mit aufrichtigem Lächeln und noch ein weiterer Mann, der mir auf dem Schiff garnicht aufgefallen war. Er sah aus wie der Bösewicht aus einem alten Cowboyfilm. Er musste so in meinem Alter sein, vielleicht etwas jünger. Er trug ein schwarzes Hemd, eine schwarze Hose und einen schwarzen Cowboyhut... ansonsten trug er ein weißes Halsband, braune Stiefel und eine braune Weste... was mich aber noch mehr verwirrte (abgesehen von seinen echt merkwürdigen Klamotten...) waren seine Augen und sein Haar. Seine Augen waren lila, fast violett. Schöne Augen, aber sein Blick war kalt und arrogant... seine Haare waren weiß, fast silbrig und hingen in langen Strähnen herunter.

Es handelte sich wirklich um eine merkwürdige Gruppe... Einerseits waren mir die Leute nicht ganz geheuer, andererseits war ich schon wirklich gespannt darauf, sie kennenzulernen!

Den Anfang machte Taro: "Ich heiße euch alle herzlich Willkommen auf der Insel des Glücks! Es ist uns allen eine große Ehre euch hier bei uns zu haben!" Daraufhin antwortete zuerst die ältere Frau: "Auch uns ist es eine große Ehre hier sein zu dürfen! Mein Name ist übrigens Mirabelle und dieses junge Fräulein ist meine Tochter Julia." Julia nickte uns höflich zu. Aus der Nähe war sie noch viel schöner als von der Ferne. Erst jetzt kamen ihre unglaublich schönen Gesichtszüge zur Geltung und... diese eiskalten, blauen Augen. Ihr Blick war pures Eis, doch mir schien, als würde sich irgendetwas dahinter verbergen... große Trauer und bittere Enttäuschung... Sie sah irgendwie einsam und verletzt aus. Ihre Schönheit konnte kaum in Worte gefasst werden. "Wir haben vor, einen Tierladen zu eröffnen. Ich hoffe auf gute Zusammenarbeit." endete Mirabelle.

"Guten Abend!" begrüßte uns nun auch Quasimodo "Mein Name ist Gannon. Ich bin Zimmermann! Ich hörte von Chen, dass ihr hier meine Dienste gebrauchen könntet. Ich hoffe, wir werden uns gut verstehen!" Seine Stimme war rau, so wie ich sie mir vorgestellt hatte. Er versuchte sich an einem Lächeln, was eher aussah als würde er eine Grimasse schneiden... Irgendwie war er mir unheimlich...

"Mein Name ist Vaughn!" stellte sich nun auch unser Westernschurke vor. "Ich werde jeden Mittwoch und Donnerstag auf die Insel kommen. Ich bin Viehändler und werde mit Mirabelle zusammenarbeiten."

Nachdem sich unsere Neuankömmlinge vorgestellt hatten, stellten auch wir uns Einer nach dem Anderen vor. "Mein Name ist Felicia. Ich bin Taros Tochter und diese Beiden hier sind meine Kinder Natalie und Elliot, freut mich euch kennenzulernen!"

"Mein Name ist Chen, ich bin der Händler hier auf dieser Insel. Dieser kleine Mann hier ist mein Sohn Charlie. Er kennt sich bestens mit Kleinoden aus, wenn ihr also irgendwelche Werkzeuge verbessern möchtet, dann solltet ihr zu ihm gehen."

"Ich bin Chelsea! Ich bin alleine auf diese Insel gekommen und leite die Ranch hier. Es freut mich euch hier zu haben! Wenn ihr für heute Abend eine Bleibe braucht, ich kann euch gerne meine Ranch zur Verfügung stellen. Mein Haus ist zwar klein, aber ich besitze noch eine zweite Hütte, sie muss früher als Tierhaus gedient haben. Wenn ihr wollt richte ich es euch vorerst mal ein, bis wir für euch alle etwas besseres gefunden haben. Es wäre mir eine große Ehre."

Mirabelle schien äußerst beeindruckt von Chelsea zu sein. Sie betrachtete sie mit großen Augen und meinte: "Ein Mädchen das alleine eine Ranch führt... WOW! Das ist echt der Hammer! Ich würde gerne auf dein Angebot eingehen. Was haltet ihr davon Jungs?"

"Von mir aus..." antwortete Vaughn desinteressiert.

"... Das ist wirklich lieb von dir, danke! Du bist wirklich hübsch...!" sagte Gannon und lächelte verlegen. OHA... so kam er mir irgendwie vor wie ein Riesenbaby...!

"Das freut mich sehr!" sagte Chelsea begeistert.

So war nun also geklärt wo unsere Neuankömmlinge sich an diesem Abend zurückziehen konnte. Mirabelle fragte Chelsea neugierig aus, sie schien großen Gefallen an ihr gefunden zu haben. Kein Wunder, keiner konnte sich ihrem unwiderstehlichem Charme entziehen.

Es war schon spät und alle gingen müde in ihre Häuser. Auch wir gingen nach Hause, doch irgendwie ging mir diese merkwürdige Schönheit einfach nicht mehr aus dem Kopf. Irgendwie tat sie mir leid... Ich wünschte ich könnte erfahren, was ihr zugestoßen war um ihr zu helfen. Aber ich war mir sicher dass Chelsea es für mich übernehmen würde. Sie würde Julia zurück ins Licht führen, so wie sie auch mich vor der Dunkelheit in meinem Herzen gerettet hatte...
 

An diesem Abend schlief ich nicht gut. Ich träumte von meinem Vater, diesem starken Mann der nach seinem Tod so unglaublich friedlich ausgesehen hatte und das erste Mal seit langem, träumte ich wieder von meiner Mutter... Ich sah sie ohnmächtig im Bad liegen. Weißer Schaum trat aus ihrem offenen Mund und ihre Augen waren krampfhaft verschlossen. Sie atmete nicht mehr. Ich hörte Natalie schreien. Sie rannte auf meine Mutter zu, versuchte sie wiederzubeleben. Ich war wie gelähmt. Verstört sah ich meiner Schwester zu, wie sie unter Tränen versuchte meine Mutter wieder zum Atmen zu bringen. „Halt durch!“ schrie sie unsere Mutter an, als ob sie wüsste, dass sie es hören würde.

Plötzlich wurde alles schwarz, alles was ich noch sah, waren meine Schwester und meine Mutter. Sie sah mich verzweifelt an und schrie so laut sie nur konnte „WIESO TUST DU NICHTS??? HOL EINEN ARZT, ELLIOT! HOL EINEN ARZT!!!“ Ich hätte nichts lieber getan, als meiner Mutter zu helfen,aber ich konnte nicht. Ich konnte meinen Blick nicht von meiner Mutter abwenden. Meine Schwester rang erbittert um Felicias Leben, aber ich konnte ihr nicht helfen. Ich war zu feige, gelähmt von meiner Angst und meiner Verzweiflung. Ich konnte nichts mehr sagen, nichts mehr denken, nichts mehr tun...

Abrupt brach meine Schwester ihre Versuche ab, unsere Mutter hatte sich bewegt. Ein Hoffnungsschimmer huschte über Natalies Gesicht, doch er wurde sofort wieder von dem aufkeimenden Hass mir gegenüber getrübt. Ihr Blick löste meine Starre auf, denn er war voller Verachtung und nackter Wut. Sie hasste mich, weil ich so ein Feigling war und nicht gehandelt hatte. Ich würde diesen Blick niemals vergessen. Niemals. Er würde mich immer quälen, für immer in meinem Gedächtnis bleiben und die Dunkelheit in meiner Seele ausbreiten.

Die Dunkelheit ließ mich nicht los. So lange hatte ich sie ignoriert, sie vergessen. Hier auf der Insel des Glücks hatte ich sie verdrängen können, doch jetzt holte mich meine Vergangenheit wieder ein. Ohne Chelsea in meiner Nähe konnte ich mich vor der Dunkelheit in meinem Herzen nicht schützen. Ohne mein Licht, ohne meine Kraftquelle Chelsea war ich verloren. Ich brauchte sie, das war mir jetzt klar geworden.

Verlass mich nicht Chelsea. Hass mich nicht mein Engel... Bitte, hör niemals auf an mich zu glauben!



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Tori-chan1
2009-09-01T13:20:58+00:00 01.09.2009 15:20
Ja, armer Elliot, er ist nicht so sonderlich beliebt xD! Ja, ich freu mich auch, dass sie endlich auf die Insel gekommen sind (jetzt gehts ab xD)! Es tat mir nur leid für Gannon dass Elliot so über ihn hergezogen ist, aber er ist ein Feigling, kein Wunder dass er ihm nicht ganz geheuer ist xD! Ich beeil mich dann mal mim weiterschreiben ;)!
Von: abgemeldet
2009-09-01T12:38:55+00:00 01.09.2009 14:38
Cool, es geht weiter. <3 Also ich muss ja zu geben, als ich gesehen hab, dass du aus der Sicht von Elliot schreibst, dachte ich erst so: "Eliiot? OMG!" xD' Aber dann fand ichs doch richtig guuut!! ^_^
Mal wieder hast du die Gefühle der Charakter (insbesondere Elliot) gut zur Geltung gebracht und die Szenen schön geschrieben. Mir gefällt übrigens auch, dass Vaughn und die anderen jetzt auf die Insel gekommen sind. ;D Freu mich schon total aufs nächste Kap. Schreib pls schnell weiter!! <3

Lg, xHikarix
Von: abgemeldet
2009-08-31T13:30:50+00:00 31.08.2009 15:30
Ha, da isses ja schon^^ Ich habs jetzt nur mal schnell überflogen und ich glaub, du hast ein paar Kommata vergessen reinzutun, so nach der wörtlichen Rede und vor ner Anrede und so Kram...Aber who cares, Kleinkram xDD Aber ich muss als pseudo-beta-Leserin doch darauf bestehen, dass es "zielstrebig" heißt ;-)


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