Unschuldig schuldig
Es war so kalt. Die dünnen Leinendecken, die dazu gedacht waren, mich zu wärmen, kamen ihrer Aufgabe nur ungenügend nach. Wie sehr sehnte ich mich nach den angenehmen Strahlen der Sonne, welche jedoch bereits von dem schneeweiß leuchtenden herzförmigen Mond verdrängt worden war. Zumindest spendete er mir ein sanftes Licht. Das schwache Flackern der Fackeln, die den Gang erhellten, reichte kaum, um mich erahnen zu lassen, wie weit dieser wohl gehen würde. Es kam mir vor, als ob ich die einzige hier befindliche Person war. Ich vernahm nicht das geringste Geräusch, weder von nah, noch von fern. Das einzige, was ich hörte, war mein stockender Atem. Jeder Bewohner des Schlosses schien sich von mir fernhalten zu wollen. Meine Freunde, Sora und Kairi hatte ich vor einer Weile bei dem Versuch beobachtet, in den Kerker zu schleichen. Doch die Wachen entdeckten sie und warfen sie hinaus.
Es gab nichts, was sie für mich hätten tun können, so sehr sie es auch wollten.
Doch was war der Grund für diese Misere?
Das wenige, an das ich mich erinnern konnte, ließ sich nur schwer zu einem Bild zusammenfügen. Was ich noch wusste, schmerzte mir in der Brust, zwang mich regelrecht dazu, es zu vergessen.
Aber ich durfte nicht.
Zuerst musste ich verstehen.
Verstehen, warum er das zuließ.
Ich erinnerte mich vage daran, mit ihm in seinem Raum gewesen zu sein.
Er sprach zu mir, doch vergaß ich seine Worte, von Belang oder nicht.
Meine Augen sahen nur ihn. Dieses Gefühl, das sich in mir ausbreitete, war mir völlig neu. Dennoch wusste ich, dass ich nicht so fühlen durfte.
Ich spürte, wie er mich auf einmal langsam zu sich zog und ich mich ziehen ließ.
Seine Hände sanken wieder und ich näherte mich von selbst.
Sein Wunsch und der meinige, verbanden sich zu ein und demselben.
Es verlangte ihn nach mir.
Ich verzehrte mich nach ihm.
Was wir uns wünschten, war nicht recht, doch ich konnte mich nicht wehren.
Wir sollten uns weiter nacheinander sehnen, denn da wurde bereits die Türe geöffnet. Ich befürchtete das Schlimmste.
Der Hofmagier erblickte uns mit Entsetzen und verständigte die Wachen.
Dass er nur auf einen solchen Moment gehofft hatte, da er mir nie ganz vertraut hatte, war mir mehr als bewusst.
Ich wandte mich um und er bedeutete mir zu fliehen, doch dazu blieb mir keine Zeit mehr, als ich schließlich in wenigen Augenblicken von Soldaten umgeben war.
Widerstand wäre zwecklos gewesen und ich ergab mich ihnen.
Ich spürte den verzweifelten Blick dessen, der mich nie in so einer Situation hatte sehen wollen. Trotzdem, er wusste bereits vorher, dass wir uns auf dünnem Eis bewegten und es nicht so ausgehen würde, wie wir uns das vorgestellt hatten.
Unsittliche Annäherung an ein Mitglied der royalen Familie warfen sie mir vor.
Gleichgestellt mit Mord an selbigen erwartete mich die härteste Strafe.
Noch immer wartete ich auf den Vollzug.
Länger als andere.
Wahrscheinlich hatte er es geschafft, die Strafe hinauszuzögern.
Aber was brachte mir das?
Abwenden konnte selbst er es nicht. Das Gesetz stand sogar noch über ihm.
Dass ich einst half, das Königreich zu retten, schien nur für ihn noch von Bedeutung.
Alle anderen kümmerte es nicht.
Jedoch mich gleich aus der Welt schaffen zu wollen, sah niemandem von ihnen ähnlich. Jeder hier war stets dem Guten gefolgt, was also hatte sie dazu bewegt, diesen grausamen Weg zu wählen?
So was schien nur zur Zeit der Herzlosen möglich…
Noch während ich gedankenversunken in meiner Zelle saß, hörte ich Schritte näher kommen. Selbst als sie direkt vor mir verstummten, sah ich keinen Grund, aufzublicken. Meine Hoffnungen, dass es jemand sein würde, der mir helfen könnte, würden erneut zerstreut.
»Riku…«
Diese Stimme. Lange war sie meinen Ohren fern geblieben und doch geriet sie nicht in Vergessenheit.
So vertraut verleitete sie mich dazu, den Kopf zu heben.
Und ich schaute in große dunkle Augen, voller Güte und Stärke.
Sie waren das einzige, das mir wieder ein Lächeln schenkte.
Mein Gegenüber erwiderte das Lächeln.
»Verzeih mir... ich hätte es verhindern können. Aber das Vertrauen meiner Gefolgschaft wäre zerschlagen worden.
Das naive Vertrauen das ich brauche, um dich hier rauszuholen.<<