- Morgens, halb zehn am Bahnhof
Morgens, halb zehn in... ähhh am Bahnhof
Der blöde Automat lacht mich an.
Mir fehlen ganze 10 Cent. Das ist ja wohl jetzt nicht sein Ernst, oder? Ich starre den Apparat an, als hätte er Schuld an meinem Dilemma. Mich trennen 10 CENT von einem rettenden Kaffee!
Der dämliche Automat lacht mich definitiv aus.
Ein scheißkalter Windstoß macht den letzten Rest von dem, was einmal eine Frisur gewesen ist, zunichte – und es fängt an zu regnen. Ich öffne meine Tasche nur routinemäßig, ich weiß ganz genau, wo mein Regenschirm ist – jedenfalls nicht hier.
Und zu allem Übel wartet ein elendig langatmiges Seminar auf mich. Mit einem Dozenten, der das Wort ‚Betonung’ vermutlich nicht einmal schreiben kann. Seine Vorlesungen gleichen einem Strom dahin kriechender Worte, die mit jedem Buchstaben mehr zu einer einheitlichen – nein, Moment, wie sagte mein neunmal kluger Kommilitone neulich? Genau, ‚homogen’. Die also mit jedem Buchstaben mehr zu einer homogenen Wortmasse werden.
Ich atme tief ein. Es stinkt. Nach Zigaretten, Metall, Abgas und diesem seltsamen Geruch, den die Snackautomaten hier am Bahnhof immer verströmen.
Haha.
Leben, du kannst die Leute hier wirklich nicht sehr gern haben!
Lässt mich einfach ohne Koffein auf meine Mitmenschen los, also echt.
Grinsend fahre ich mir mit der Hand durch die feuchten Haarsträhnen, ziehe die Kapuze über den Kopf und strecke dem Automaten die Zunge raus.
Wir sehen uns noch, Freundchen!
Ein Mädchen in Chucks zu schwarzen Strumpfhosen und einem blutroten Schal kommt mir vom anderen Ende des Bahnhofsvorplatzes entgegen. Ich wedele sinnfrei mit den Armen in der Gegend herum und hüpfe von einem pseudodekorativen Stein zum nächsten.
Das Mädchen lacht und zieht sich die Kapuze vom Kopf.
Fast hätte es das Gleichgewicht verloren, als ein Schuh auf dem glatten Marmor wegrutscht.
Doch ich fange mich rechtzeitig und lande mehr oder weniger elegant auf meinen Füßen. Das Mädchen tut es mir gleich und ich zeige meinem Spiegelbild in der Fensterscheibe des Cafés ein Peacezeichen.
Der Gast auf der anderen Seite des Glases glotzt mich perplex an. Er sieht aus wie die fette kleine Stoffschildkröte auf meinem Fernseher und das Mädchen mit dem roten Schal wirft ihm lachend eine Kusshand zu.
Es ist halb zehn.
fin