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Wings 2

von

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Kompliziert

„Oh mein Gott!“

„Du sagst es: Oh mein Gott!!!“

„Yara!“

Mit dicken Wangen sah ich in die Runde. Vielleicht hätte ich nicht so beiläufig erzählen sollen, dass es den Typen doch gab und was gestern Mittag geschehen war. Unter beiläufig verstand ich mal den Mund soweit wie möglich um einen Burger zu schließen.

„Mas mis?“ gab ich Hamsterbäckchen von mir nachdem mich alle mit untertassentellergroßen Augen ansahen.

„Sie fragt ‚Was is?’ und dabei hat sie ein äußerst vielversprechendes Date… Im Gegensatz zu mir.“ betröppelt schubste Corinne mit einem Finger ihren Apfel.

„Ich freu mich so für dich, Yara!“ Und Evelyn hüpfte auf ihrem Stuhl während Lilli mich begeistert anlächelte. Kauend sah ich von einem zum anderen. Die Reaktionen waren doch etwas anders, als ich sie erwartet hätte.

„Jetzt macht aber mal halblang. Immerhin war es erst letzte Woche als ihr alle festgestellt habt, dass meine Beziehungen immer ein Flop waren und es wohl auch bleiben würden.“

„Hoffnungslos traf es eher.“ meinte Lilli nur und sah auf den Apfel von Corinne, der gefährlich nah an der Kante war. Sie schnappte blitzschnell zu und rettete das arme Obst vor dem Fall. „Mit Essen spielt man nicht.“

„Danke, ich wusste, dass nur ein kräftiger Schlag mit der Wahrheit mich wieder in die Realität zurück führen würde.“ Mein gespielter Spott war auch heute wieder alles, was normal an diesem Tag ablief. Heute war keine Lesung für Geschichte. Ob Herr Won sich wohl verletzt hatte? Höchstens an seinem Stolz. Es sei denn… Ich warf einen Blick zu Lilli, doch diese war so normal wie immer. Sie hätte bestimmt etwas gesagt, wenn sie gegen ihn vorgegangen wäre.

„Hach, ich fühl mich wie bei ‚Harry und Sally’.“

„Na dann wird das wohl erst nächstes Jahr was mit der Beziehung.“ trällerte Corinne.

„Quatsch! Wir haben den entscheidenden Vorteil.“ begann Evelyn zu kontern.

„Und was?“ jetzt war auch ich neugierig.

„Eine Fernbedienung zum vorspulen.“ platzte Lilli hinein. Man konnte förmlich sehen, wie Evelyn aus allen Wolken fiel, weil man ihr den Abschluss versaut hatte. Ich lachte nur und zwar solange bis sie alle lachten.
 

Endlich war es Abend. Evelyn hatte unbedingt darauf bestanden mir zur Seite zu stehen. Ob das ihr Grundgedanke war, oder ob sie einfach eine andere Definition davon besaß, weiß ich leider nicht.

„Erzähl noch mal, was hat er genau gesagt?“

„Evelyn.“ jammerte ich. Das war die gefühlte 1.000 Frage.

„Och bitte, nur noch einmal.“ bettelnd lief sie mir hinterher während ich mich langsam fertig machte. Vielleicht hatte ich ja Zucker am Hintern.

Seufzend erzählte ich noch einmal ganz von Anfang und versuchte jedes Detail noch einmal in mir wach zu rufen. Wenn man bedenkt, dass ich selber schon ein Nervenbündel war, was war dann Evelyn im Vergleich zu mir? Während ich mir das Gesicht im Flurspiegel schminkte, saß sie auf der gerade mal 50 Zentimeter hohen Kommode, spachtelte ihren Tortelliniauflauf und trieb mich immer weiter mit ihren Augen an.

„Und du willst da heute wirklich, ganz ganz ehrlich, nur so beiläufig auftauchen?“ ein schiefer Blick traf mich mit voller Wucht. Ich sah an mir herunter.

„Na ja, vielleicht nicht ganz beiläufig.“ Verlegen kratzte ich mich an der Wange.

„Und das da in deiner Tasche?“ Evelyn wies mit ihrer Gabel zu meiner geöffneten Tasche, die auf dem Esstisch stand.

„Ähm… ja…. also. Die sind… für…. für Notfälle.“ warf ich ein. Irgendwie ahnte ich schon, dass ich so leicht nicht aus der Misere raus kam.

„Und für welchen Notfall? Das du plötzlich in einer Wüste ausgesetzt wirst und sie zum Wassertransportieren benötigst?“

Ich dreh noch durch! „Evelyn, ich bin alt genug!“

„Stimmt.“ Sie sagte das so, als ob ich es doch nicht wäre. „Ja, ist ja gut.“ Sie gab klein bei, als sie meinen gekränkten Blick vernahm. „Ich wünsche dir jedenfalls viel…. Glück.“

„Evelyn!“

„Ist ja gut, ist ja gut. Spaß darfst du auch haben.“ Sie lachte. Warum war nur mir nicht zum lachen zumute?

Ich sah auf die Uhr. „Ich muss so langsam. Genieß den Film und ich hoffe mein Boxsack hängt noch, wenn ich wieder komme.“

„Geht klar, pass auf dich auf.“

„Ja, Mammi.“

„Und denk an deine gute Erziehung.“

„An meine was?“

„Genau die.“

„Ja, Mammi. Tschau, Mammi.“ sagte ich nur noch und dabei lachte ich so nervös wie ein Karnickel mit Schluckauf. Evelyn würde noch bleiben bis sie fertig gegessen und sich ihre Lieblingssendung bei mir angesehen hatte.

Als die Tür hinter mir ins Schloss fiel richtete ich noch einmal alles. Durchs laufen würde es zwar wieder verrutschen, aber ich musste meine Hände unbedingt beschäftigen. Auf der Treppe traf ich auf meine Nachbarin, Frau Pohl.

„Gehen Sie aus?“ fragte sie freundlich.

„Ja.“ ich schenkte ihr ein strahlendes Lächeln. Spätestens als sie mein Outfit gesehen hatte wusste sie bestimmt, wen oder was ich heute Abend treffen würde.

„Ich wünsche viel Spaß.“

„Danke.“ Noch eine, die das Wort Spaß so komisch betonte. Diesmal klang es aber irgendwie negativ.

„Yara!“

Ich sah nach oben. Evelyn beugte sich über die Brüstung und sah hinunter. „Ja?“ rief ich zurück.

„Lass es im Bett ordentlich krachen!“

Das hätte meine Mutter sicherlich nicht gesagt.
 

Das „HonkyTonk“ war überfüllt und das sogar an einem Wochentag. Unentschlossen stand ich an der Tür. Ich konnte nicht einfach durch den Raum stromern um mir einen Platz zu suchen. Anstatt nach einem Tisch Ausschau zu halten, würde ich doch eh nur nach dem Mann suchen. Das ging ja mal gar nicht! Ich stellte mich auf die Zehenspitzen und versuchte über die Köpfe der Leute hinweg einen schönen Platz zu finden.

„Suchen Sie mich?“

Ich fuhr vor Schreck zusammen. Vielleicht hätte ich mich darauf einstellen sollen, dass er mich zuerst findet, nicht anders herum.

„H-hi!“ Ja, Yara, stell dich doch gleich als Mensch mit Sprachfehler vor. „Ich… äh… suche eigentlich einen Platz.“ Diese ständige Eigenkritik macht es vielleicht nicht gerade besser, überlegte ich so nebenbei.

„Kommen Sie mit, ich weiß wo noch Plätze sind.“

Brav folgte ich ihm durch die. Meine Augen sahen ständig an seinem Rücken entlang. Ich empfand das als recht guten Orientierungspunkt. Wenn ich nur mal kurz nach vorne gesehen hätte, hätte ich vielleicht nicht wie ein Eichhörnchen geschaut, als wir plötzlich vor einem komplett leeren, reservierten Tisch mit Kerzen standen. Der schwarzhaarige Mann stand hinter einem bequemen Stuhl. Während ich versuchte mich so beiläufig wie nur möglich hinzusetzten, strich ich mir eine Haarsträhne hinter mein Ohr und schielte zur Seite. Wir waren im hintersten Teil der Lounge und der Abstand zu den anderen Stühlen und Tischen war größer als sonst wo in dem kompletten Raum.

„Was möchten Sie bestellen?“ erklang seine melodische Stimme von der Seite nachdem er meinen Stuhl vorgeschoben und sich selbst gesetzt hatte. Was war nur mit mir los? Yara! Reiß dich zusammen, schallt ich mich innerlich selbst.

„Also… ich…“

„Hm…“ gab er nach kurzem Schweigen von uns beiden von sich. Dann setzte er sich mir gegenüber. „Anscheinend mache ich Sie nervös, oder?“ Und schon wieder wusste er, was ich dachte. Ich nickte nur stumm auf seine Frage hin.

„Kann ich vielleicht irgendwie helfen, damit es Ihnen besser geht?“

Das war zuviel. Ich schüttelte viel zu energisch den hochroten Kopf, stotterte irgendwas davon, dass ich auf die Toilette wollte und verließ eiligst den Tisch um in der Mengeunterzutauchen. Ich hatte jetzt die Wahl. Weiter geradeaus war die Tür, etwas links davon die Toilette. Wollte ich fliehen oder mich zusammen raffen? Ich entschied mich für die dritte Option: Ich ging auf die Toilette um zu überlegen, ob ich dann flüchten sollte.

Die Zeit verstrich, während ich alleine auf der Toilette war und mich mit dem Rücken an die kalten Fließen anlehnte. Meine Nervosität würde alles vermasseln, wenn ich so weitermachte, was mir vollauf bewusst. Im Grunde traute ich dem Typen nicht. Er war nett, keine Frage, aber viel zu nett. Er war zuvorkommend, er sah gut aus, er war freundlich, sprich ein Mann, den ich für ein Märchen hielt. Leider war ich zu alt um an solche Märchen zu glauben. Ich entschied, dass ich gehen sollte, aber wenigstens ein kurzes Gespräch wollte ich noch mit ihm aufbauen. Da klopfte es. Warum klopfte es auf einer öffentlichen Toilette in einer Lounge?

„Ähm, ja?“

„Ich bin es.“ Ich erkannte die Stimme nicht und suchte die Toilette nach anderen Leuten ab, doch hier war niemand. „Also, ich bin Tian, der mit den schwarzen Haaren.“

„Achso! Moment, ich bin gleich fertig.“ Hastig drehte ich den Wasserhahn auf und nach einer Weile wieder zu. Ich wusste nicht genau, ob er es überhaupt gehört hatte, aber sicher war sicher. Dann trat ich gänzlich gelassen aus der Mädchentoilette in den überfüllten Raum hinaus.

„Du, ich glaub, ich hab dich wirklich etwas verschreckt.“ gab er betreten von sich.

„Naja, weißt du…“ begann ich, doch er fiel mir ins Wort.

„Nein, stimmt schon, ich bin doch etwas forsch ran gegangen.“ Es entstand eine merkwürdige Pause in der ich nicht genau wusste, ob er eine Antwort von mir erwartete. Er sah sich etwas um, legte eine Hand in den Nacken und schien zu überlegen.

„Weißt du, du bist mir wirklich sofort ins Auge gesprungen, als ich an eurem Tisch ankam… Wie wäre es, wenn wir ganz von vorne anfangen?“ fragte er dann hoffnungsvoll.

Meine Gedanken rasten. Plötzlich nahm ich seine Hand, zog ihn zu unserem Tisch zurück und schnappte mir die Karte, noch ehe er sich hingesetzt hatte. Ich kleiner Wirbelwind saß bereits.

„Oh, willst du dich nicht setzen? Ich glaube nicht, dass du sonst irgendwo einen freien Platz findest.“

Tian sah verdutzt drein und grinste schließlich. Dann setzte er sich. „Danke. Aber seit wann sind wir beim „du“? Ich meine, wir kennen uns gerade mal 3 Sekunden.“

„Och, du bist mir nun mal sofort ins Auge gesprungen.“ Ich zwinkerte ihm zu. „Was kannst du denn empfehlen, Tian?“

Es war verrückt. Gerade eben hatte ich nicht mal ein Wort vernünftig herausgebracht. Aber durch diese äußerst verquere Situation war alles wie weggeblasen. Ich war wirklich gelassen, so gelassen, als würde ich mit meinen Freundinnen zusammen sitze. Es war so ungewohnt mit einem Mann, der außerdem noch so gut aussah und anscheinend Interesse an mir hegte, so unbefangen umzugehen.

Wir lachten, wir erzählten, wir scherzten und vergaßen völlig die Zeit. Ich war wirklich überrascht, als es plötzlich nach halb eins war. Ich hätte es wahrscheinlich auch nie bemerkt, wäre ein Kellner nicht an unseren Tisch getreten und uns mitgeteilt, dass man gerne schließen möchte.

Ich sah mich um. Der vorher total überfüllte Raum war jetzt gähnend leer. Mein Hintern war nur irgendwie am Stuhl festgeklebt.

Tians Blick traf mich. Ich versuchte herauszufinden was er dachte. In einer fließenden Bewegung stand er auf und lehnte sich über den Tisch.

„Wie wäre es, wenn wir uns morgen einen anderen Ort suchen?“ flüsterte er mir zärtlich ins Ohr. „Wir könnten ins Kino oder irgendwo anders hingehen.“ Sein leicht kitzelnder Atem entfernte sich wieder von meinem Ohr.

Mit hochrotem Kopf nickte ich. „Ja, gerne.“

„So um 15 Uhr?“ Hat er gerade vorgeschlagen, dass wir den kompletten Nachmittag und Abend miteinander verbringen? Ich nickte und lächelte als wäre ich ein Roboter, dem man das einprogrammiert hätte.

„Gut, soll ich dich abholen?“

Das brachte mich schlagartig in die Realität zurück. „Nicht nötig!“ wehrte ich ab. Was würde er denken, wenn er herausfand, dass ich in so einer heruntergekommenen Gegend wohnte. „Treffen wir uns doch wieder vor dem Eingang des ‚HonkyTonk’.“

„Auch in Ordnung.“ er stellte sich gerade hin. „Aber nach Hause bringen darf ich dich doch, oder?“

„Ich bitte dich, dass musst du nicht.“ Warum reitet der ständig auf dem Thema rum!

„Ich bestehe darauf.“ Sein zuckersüßes Lächeln lullte mich doch wirklich schlagartig ein. Wie benebelt zog er meinen Arm unter seinen und hielt meine Hand. So eingehakt konnte ich nicht mehr fliehen.

„Oh nein…“

„Hast du was gesagt?“ Wir waren schon auf dem Weg zur Tür.

„Ja-aa. Ich wohne in einer wirklich unschönen Gegend. Was wirst du von mir denken?“ Mir fiel wirklich nichts anderes ein, als die Wahrheit zu sagen. Die Idee zu lügen und zu erzählen, dass meine Mammi draußen im Auto warte um mich abzuholen, wäre leider nicht ganz glaubwürdig gewesen. Niedergeschlagen ließ ich den Kopf hängen und war deshalb umso überraschter, als Tian plötzlich zu lachen anfing.

„Das macht doch nichts. Umso besser wenn ich dich nach Hause bringe.“

Seine Überredungskünste sind wirklich erste Sahne, dass muss man ihm lassen. Ich gab mich geschlagen und fügte mich meinem Schicksal. Während dem kleinen Spaziergang erzählten wir weiter, als würden wir noch immer im „HonkyTonk“ sitzen. Irgendwo tief in mir drinnen war so ein kleiner Funke, der mir immer stärker mitteilte, dass Tian der Richtige war. Ich versank in seinem Blick und wollte ihn am liebsten nie wieder loslassen. Nur schade, dass er losließ, als wir ankamen. Warum war ich eigentlich keinen Umweg gelaufen, ich dumme Kuh?

„Ich wünsche MyLady eine gute Nacht.“

Ich stand einfach nur da. Meine Augen sahen in seine, irgendwie wollte ich diesen Moment festhalten und für ewig hier stehen. Der kalte Nachtwind ließ mich frösteln und das romantische Bild zersprang, die Realität hatte mich wieder. Ich legte schützend die Arme um mich.

„Das wünsche ich dir auch.“

Dann ging alles ganz schnell. Er machte einen schnellen Schritt, schob seine Hand unter mein Kinn um es anzuheben und küsste mich. Ich hatte nicht einmal Zeit meine Augen zu schließen, da war es schon wieder vorbei. Zur Salzsäule erstarrt spürte ich, wie seine Hand, die er wegzog, mich sanft an Kinn und Wange streichelte.

„Sei nicht traurig, Yara. Morgen sehen wir uns wieder.“ er lächelte ein wahnsinnig bezauberndes Lächeln.

„Ja.“ meine Laune hatte sich ins unermäßliche gehoben. „Ich freu mich schon.“

Mit diesen Worten sah ich ihm hinterher bis er verschwunden war. Schwungvoll und voller Übereifer drehte ich mich herum und machte mich daran, die Tür aufzuschließen. Dieses Hochgefühl beflügelte meine Schritte und ich rannte mehr die Stufen hinauf als sonst etwas. Auch in meiner Wohnung hätte ich am liebsten die gesamte Welt umarmen können. An Schlaf war nicht zu denken. Ich knuffte meinen Boxsack freundschaftlich und überlegte schon, wie ich ihn bald nicht mehr brauchen würde, da mir sowieso die Zeit fehlen würde. Außerdem würde ich mit dem wundervollen Tian über alles reden können. Wir würden stundenlang unsere Lieblingssendung sehen können. Gemeinsam ein 3-Gänge-Menü zaubern. Uns gegenseitig Geschichten vorlesen. Und einen Geschichtsaufsatz schreiben… Moment! Ich lief zurück!

„Aaaahhhh! Scheiße!!!“

Ich hatte Recht, Schlaf gab es diese Nacht wirklich nicht.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Trollfrau
2010-07-14T18:39:53+00:00 14.07.2010 20:39
Zum Wasser transportieren? Ich lach mich scheckig XD
Brav folgte ich ihm durch die…. ? fehlt da was?
Den Aufsatz verpennt? Hähä… :3
Irgendwie ist mir dieser Tian nicht geheuer…
(Ich bleib dran.)


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