Das kleine Gespenst
Das kleine Gespenst
Hu-hu! Hu-hu!
Es war dunkel in dem kleinen Haus.
Hu-hu!
Niemand wachte mehr, alles schlief tief und fest. Die Kinder hatten sich schon vor Stunden in die weichen, warmen Decken gekuschelt und träumten leise vor sich hin.
Hu-hu! Hu-hu!
Ein leiser Ruf, der die Stille durchbrach. Die oberste Treppenstufe knarrte leise, draußen hörte man den Ruf eines Uhus, der mit seinen klaren Bernsteinaugen in das kleine Fenster im ersten Stock sehen konnte. Beobachtend neigte er den Kopf zur Seite.
Eine weiße Gestalt huschte im dunklen Zimmer umher. Es schien schon fast, als suche sie etwas. Kleidungsstücke lagen verstreut auf dem Boden, Schubladen waren halbgeöffnet oder einfach ausgeleert. Die kleine, weiße Gestalt blieb in der Mitte des Raumes stehen. Sie hatte nicht gefunden, was sie suchte. Egal, es würde auch so gehen!
Hu-hu! Hu-hu! Der leise, helle Ruf durchbrach die Nacht, als die Gestalt die Türe öffnete und den Raum verließ.
Verwirrt legte der große, kluge Uhu den Kopf auf die andere Seite, breitete dann die großen Schwingen aus und flog zum Treppenfenster, um die Szene weiterhin beobachten zu können.
Endlich, endlich war es soweit!
Hu-hu! Hu-hu!
Schnell huschte die weiße Gestalt die Treppe hinab. Der Baron würde heute sein blaues Wunder erleben!
Hu-hu!
Endlich wurde der Traum wahr.
Da tauchte er auch schon vor ihr auf. Der Baron. Mit einem breiten, bösen Grinsen saß er in dem großen, goldenen Kasten. Die Gestalt zuckte zurück. Er sah sie direkt an mit seinem bärtigen, fetten, fiesen Gesicht.
Nein, nein! Sie musste mutig sein! So wie ihr Vorbild!
Draußen klackerte der Uhu verwirrt mit dem Schnabel.
Hu-hu!
Ein Schritt auf ihn zu. Noch einer. Gleich hatte sie ihn! Dem Baron schien sein überlegenes Grinsen langsam zu vergehen.
Gleich!
Hu-hu! Gleich! Ja!
Klack.
Das Licht im Flur war angegangen. Geblendet schützte das kleine Gespenst sein Gesicht.
„Was machst du denn schon wieder hier unten? Los, geh hoch ins Bett“, murmelte die Frau müde, ehe sie blinzelte und anfing laut zu lachen.
„Schatz, Schatz! Komm mal her!“, rief sie und er kam und lachte auch lauthals los. Verwirrt blickte das Gespenst auf. Wie gemein, sie lachten sie einfach aus. Der Baron hatte wieder gewonnen. Traurig ließ das Gespenst den Kopf sinken, wobei ihm der Ärmel des weißen Pullovers ins Gesicht rutschte. Aber morgen, morgen würde sie es schaffen. Ganz sicher!
Draußen schien es als lächelte der Uhu weise, ehe er die mächtigen Schwingen ausbreitete und sich lautlos in die Nacht erhob.
