Bekenntnisse
http://www.youtube.com/watch?v=7mKEs9J6ok4&feature=related
Linda
Ich zog die Tür hinter mir zu und rannte die Treppen hinunter, murmelte
„Jajajaja, ist ja schon gut“, als Hannah hupte, und eilte nach draußen. Als hätte ich sie noch nicht gesehen oder so.
„Morgen!“, stieß ich atemlos hervor, als ich neben sie auf den Beifahrersitz
rutschte.
„Guten Tag, Frau Baakhausen. .. Sie hatten es doch nicht etwa eilig?“
Ich überging diese Bemerkung und ignorierte ihr scheinheiliges Grinsen. Die Sonne schien, als gäbe es kein Morgen mehr.
„Wo geht’s hin?“
„Siehst du dann schon. Oder willst du lieber raten?“
„Raten!“
Hannah drehte die Musik auf, und The BossHoss erzeugten die ultimative
Sommerstimmung.
„Wald?“
„Jap!“
„Wiese?“
Doch wir mussten das Ratespiel unbedingt kurz unterbrechen, um laut den Refrain
mitzusingen:
„Rodeooo Radiooo no MTV all the moooore…”
Ich schob die Dachluke, die sich Verdeck schimpfte, auf, und ließ die Sonne und
den Wind herein.
„Und ja, auch Wiese.“
„War ich da überhaupt schon?“
„Indirekt…“
„Wie: Indirekt?!“
„Also du warst schon da in der Gegend, aber noch nicht direkt da.“
„Aber du schon?“
„Des Öfteren.“
„Bei dir zuhause?“
„Verdammt!“
Ich lachte, und sie lachte mit, und die Welt war so wundervoll, dass ich auf der
Stelle eine Hawaiiblumenkette für mich und einen Cowboyhut für Hannah wollte.
Und eine bessere Bassanlage für ihr Auto.
„We smelled like a bar, hung over in the car
just tryin’ to get a little bit of sleep
but Gus just said "Boys - it’s beer o’clock!"
no quitters on the highway to hell
let the cigarettes burn, the booze go round
the radio’s playing our favourite sound…”
Hannah
http://www.youtube.com/watch?v=g4KQDz1NDTY&feature=fvst
Mein kleines Autochen hatte es tatsächlich geschafft, uns durch den Wald zu
fahren, ohne liegen zu bleiben oder die Aufmerksamkeit eines Ordnungshüters auf
sich zu ziehen.
Wir waren eiskalt bis auf die Mitte meiner Lieblingsommerwiese gefahren, wo das
sonnenverbrannte Gras einen halben Meter in die Luft ragte.
Alle Türen (in Worten: zwei) und mein Vordach weit geöffnet, genossen wir das Wetter, The BossHoss sorgten für die beste Somermusik aller Zeiten, und gemeinsam teilten Hannah und ich uns eine Fünf-Liter-Familienpackung Eis. Mit weißen Plastiklöffeln, die ich in einer Currybude erbeutet hatte, als Linda mich daran erinnert hatte, dass wir Eis schlecht mit den Fingern essen konnten…
„Verdammt!“
„Was?“
Linda jammerte und lachte. „Mein Löffelcheeeen…“
„Abgebrochen?“
„Jaaa!“
Ich gab ihr meins.
„Da, nimm das, ich such‘ mal nach dem anderen…“
Das zufriedene Grinsen nahm ich nur noch aus dem Augenwinkel war, weil ich mich
halb um meinen Sitz wickelte in dem Versuch, auf der Rückbank einen neuen Löffel
zu ergattern.
„Sicher, dass dein Suchtverhalten bezüglich Vanilleeis nicht bald
behandlungsbedürftig ist?“
„Neiiiin…“
„Da waren gruselige leuchtenden Sternchen in deinen Augen, ich seh‘ sie zwar grade nicht, aber ich weiß genau, dass sie da sind!“
Unschuldiges Pfeifen seitens Linda, und erwischte endlich dieses verdammte Löffelchen.
„Ha!“
Stolz hielt ich es in die Höhe.
„Tadaaa!“
Linda lachte.
„Like ice in the sunshine…“
Unser Eis schmolz auch langsam, aber das störte uns nicht.
Das Leben war wundervoll, wir lästerten (ich über meine Brüder, sie über ihre Eltern) und lachten, erzählten und aßen und aßen und aßen.
„Wuuuuh I’m meltin‘ away!“
Linda versuchte, im Sitzen zu tanzen, ihre Haare fielen ihr über die freien Schultern.
Wir fachsimpelten darüber, ob die Motorhaube mittlerweile heiß genug war, um ein
Ei darauf zu braten, und ich beschloss, irgendwann mal einen Versuch in diese
Richtung zu starten – Linda lachte und drohte mir mit dem Finger („Mach das ja
nicht mit meinem Auto!“).
Sie ärgerte mich mit den Geschichten, die Anto und Felix ihr erzählt hatten und
ich plante sehr detailreich meine Rache.
Meine CD lief auf Dauerschleife, wir erschlugen die Mücken und anderen Insekten, die von dem Eis zu uns hereingelockt wurden, und sie nahm meine Hand.
Ich erzählte ihr von meiner Zeit ohne sie, sie berichtete von Nicht-Alex und seiner Art, auf sie herabzublicken, wir befanden uns für dämlich und fragten uns, wie es der armen Miriam wohl ergangen war - der Eistopf wurde immer leerer, und die Sonne sank immer tiefer. Ich küsste sie, als sie gerade nicht damit rechnete, und sie kitzelte mich aus dafür, bis ich mich lachend auf dem Sitz wand und um Erbarmen flehte. Sie erbarmte sich.
Es kühlte ab.
Wir fuhren zurück.
Ich liebte sie.
Miriam
Dieser Abend war das Unterhaltsamste, was ich seit Langem erlebt hatte.
Ich schrieb mit Hannah und Linda parallel, die gleichzeitig und unabhängig
voneinander versuchten, mir zu erzählen, was ich schon lange vor ihnen
verstanden hatte.
„HannaH schreibt:
ich weiss nicht keine ahnung also wir waren raus. also mit dem auto jez
jetzt mein ich
und es war hammer. also so richtig schön mit sonne und eis und allem
boah wir haben so viel eis gegessen...“
Ich kicherte und ahnte es.
„Miriam schreibt:
lenk nicht vom thema ab süsse, was wolltest du mir erzählen?“
Zwei Minuten lang keine Antwort. Dann:
„HannaH schreibt:
warte“
Währenddessen schrieb mich Linda an.
„linda schreibt:
hallo :)“
Ich schmunzelte und schob die Arme hoch.
„Miriam schreibt:
hey
wie war der tag xD“
Wieder länger keine Antwort. Dann Hannah:
„HannaH schreibt:
äm… mmh. schwieirg
*schwierig“
Ganz unschuldig:
„Miriam schreibt:
wieso?“
Ein Fenster blinkte.
„linda schreibt:
seeeeeehr schön :)“
„Miriam schreibt:
wieso?“
Und jetzt hieß es Warten. Ich lehnte mich zurück und trommelte mit den Zeigefingern auf meine Tischkante. Lalala…
Wurde das auch nochmal was oder wie? Was brauchten die so lange?
Ich legte den Kopf in den Nacken.
Blinken.
„HannaH schreibt:
du weisst es wahrscheinlich eh…“
„linda schreibt:
DAS wüsstest du wohl gerne :) neugierige nase“
Ich antwortete beiden dasselbe.
„Miriam schreibt:
kann schon sein – just tell me anyway xD“
Zweiunddreißig, Dreiunddreißig, Vierunddreißig…
„linda schreibt:
…“
„HannaH schreibt:
ohgottohgottohgott“
Ich schrieb beiden:
„Miriam schreibt:
jaaaa?“
„linda schreibt:
sie hat mich geküsst“
„Na ENDLICH.“, murmelte ich trocken. Aber ich schrieb es natürlich nicht.
„Miriam schreibt:
und? ;)“
„HannaH schreibt:
komm schon ich weiss dass dus weißt.“
„Miriam schreibt:
und wie gehts dir jetzt?“
Die Antwort kam schnell.
„HannaH schreibt:
like you wouldn’t believe!“*
„linda schreibt:
… miriam klasen!“
„Miriam schreibt:
O_o was?“
„linda schreibt:
sowas kannst du mich doch nicht fragen…“
„Miriam schreibt:
warum nicht?“
„linda schreibt:
ich könnte dir antworten. ;)“
„Miriam schreibt:
erspare mir die details…“
Linda tippte und tippte und tippte. In der Zwischenzeit antwortete ich Hannah.
Nach einer halben Stunde hatte ich das Gefühl, es wäre schon immer so gewesen.
Sie waren so glücklich, dass es an Körperverletzung für alle anwesenden Singles (sprich: mir) grenzte, ich freute mir beinahe einen Ast ab, was wir nach den Wochen des Trübsals während ihrer Streitigkeiten eigentlich auch alle verdient hatten, und ich ahnte:
Das alles war erst der Anfang.
Ende
*=[A.d.A: = unglaublich, unfassbar. Aber „mir geht’s unglaublich“ hört sich im Deutschen so scheiße an – zumindest findet Hannah das. Ich auch.]