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Seelensplitter

von

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4. Kapitel: Der Zauberlehrling

Yugi stand im Schlafzimmer und zog sich an. Nachdem Atem den ersten Teil seiner Geschichte beendet hatte, hatte er vorgeschlagen, erstmal zu frühstücken. Yugi war das mehr als recht. Er hatte Atem in die Küche vorausgeschickt, denn nach dieser Erzählung brauchte er erstmal ein paar Minuten für sich allein.
 

Atem mußte die Gedanken seines Aibous über ihre geistige Verbindung wahrgenommen haben, denn er hatte nur genickt, Yugi einen kurzen, sanften Kuß auf die Lippen gehaucht und sich dann aufgemacht, um sich erstmal anzuziehen. Nachdem Yugi sicher gewesen war, daß er das Zimmer jetzt für sich alleine haben würde, war er Atem gefolgt.
 

Er schlüpfte in eine weiße Hose und ein ebensolches Hemd und legte sein Halsband und die dazugehörigen Lederarmbänder an bevor er sich gedankenverloren als letztes seinen Ankh-Anhänger umhängte, den zu tragen er sich nach dem Abschied von Atem angewöhnt hatte. Er hatte den Anhänger kurz nach seiner Rückkehr aus Ägypten zufällig in der Auslage eines Pfandleihers gesehen und sich sofort in das Schmuckstück verguckt.
 

Sein Großvater hatte sich breitschlagen lassen, sich den Anhänger wenigstens einmal anzusehen. Im Laden hatte Yugi genau sehen können, daß sein Großvater mehr als nur beeindruckt von dem Stück war. Der Anhänger war nicht nur echtes Gold, sondern auch eine wirkliche Antiquität aus dem alten Ägypten. Achtzehnte Dynastie, dessen war Sugoroku sich sicher.
 

Das hatte schließlich den Ausschlag gegeben, daß Yugi sich den Anhänger gekauft hatte. Schließlich war Atem in der achtzehnten Dynastie Pharao gewesen und damals, als Yugi noch nicht volljährig gewesen war, war der Ankh-Anhänger die beste Möglichkeit, eine Art Verbindung zu Atem mit sich zu tragen, die weder unhandlich noch gefährlich war. Außerdem hatte Yugi sich ohne etwas um den Hals hängen zu haben irgendwie nackt gefühlt.
 

Der Ankh-Anhänger erinnerte Yugi wieder an Atems Geschichte über Yugis früheres Ich Heba. Es war schon schwer genug, sich vorzustellen, schon einmal gelebt haben, aber dann auch noch als Königssohn, der Atem kannte? Yugi konnte es sich nicht vorstellen, ein Prinz zu sein und noch weniger, über ein ganzes Land zu herrschen. Er hätte sicher wie der kleine Heba auf solche Verantwortung keinen Wert gelegt.
 

Aber was war geschehen, nachdem sich Atems und Hebas Wege getrennt hatten? Als Kinder hatten sie sicher starke, aber keine romantischen Gefühle füreinander gehegt. Sie mußten sich wohl zu einem späteren Zeitpunkt wiedergetroffen haben, um sich ineinander zu verlieben. Yugi würde Atem bald bitten müssen, ihm mehr zu erzählen.
 

Und dann war da noch der Kuß und das Liebesgeständnis im Bad. Der Gedanke alleine verbesserte Yugis Stimmung. Im Geiste hatte er sich oft vorgestellt, wie er Atem seine Liebe gestehen könnte, aber in seiner Vorstellung hatte er entweder nur Unsinn geplappert oder Atem hatte sich angewidert von ihm abgewandt.
 

Daß Atem den ersten Schritt gemacht hatte, hatte Yugi erleichtert. Jetzt konnten sie zusammen sein. Oder?
 

‚Wenn es nach mir geht, ganz sicher,’ unterbrach Atem Yugis inneren Monolog.
 

‚Ich hätte hier gerne ein bißchen Privatsphäre, mou hitori no boku,’ rügte Yugi Atem sanft bevor er die Küche betrat.
 

Atem drehte sich zu ihm um und deutete mit dem Daumen auf einen kleinen, gedeckten Holztisch. „Setz dich. Und deine Privatsphäre kann ich kaum stören, wenn du mir deine Gedanken so offen durch unsere Verbindung mitteilst, Aibou.“ Er grinste dennoch entschuldigend.
 

„Ich muß mich erst wieder dran gewöhnen, die Verbindung nicht ständig offen zu lassen.“ Yugi ließ sich am Tisch nieder und musterte das Frühstück, das Atem zubereitet hatte. Früchte, verschiedene kleine Kuchen und Brot standen neben einem noch dampfenden Brei auf dem Tisch. „Sieht ungewohnt, aber lecker aus.“
 

„Das ist gut, denn Hamburger gibt es hier leider nicht“, zog Atem Yugi liebevoll auf. Dann stellte er noch zwei Schüsseln mit warmer Milch auf den Tisch bevor er sich auch setzte. „Laß es dir schmecken, Aibou.“
 

„Du dir auch, Atem. Ich werde es überleben, eine Weile keinen Burger zu essen“, antwortete Yugi schmunzelnd.
 

Die zwei aßen schweigend bis Yugi das Gefühl hatte, er müsse gewisse Dinge klarstellen. „Ähm, Atem?“
 

„Hm?“
 

„Ich... ich... Das ist ziemlich schwer!“ Yugi senkte den Kopf als Atem den seinen hob.
 

„Worum geht es, mein Aibou? Um dein früheres Ich oder unsere Liebe?“ In Atems Augen konnte Yugi dessen Besorgnis lesen.
 

„Letzteres, aber nicht so, wie du sicher denkst. Du hast mich überrascht und ich werde wohl erst in ein paar Tagen realisiert haben, daß du... daß wir... Aber das ist es nicht, was ich dir sagen muß.“ Yugi wurde rot wie eine reife Tomate. „Weißt du, nachdem ich es in die Duel Monsters-Profi-Liga geschafft hatte, brauchte ich einen Manager für all diesen lästigen Kleinkram wie Terminorganisation und das vom Leibe halten der Presse. Auf der Feier nach einem Turnier hat Kaiba mir Mika vorgestellt, eine erstklassige Managerin, obwohl sie nicht älter ist als ich.“
 

Yugi rutschte nervös auf seinem Stuhl herum, Atem hingegen hatte seine Hände ineinander verschränkt und lauschte mit ruhiger Miene Yugis Geschichte.
 

„Ich habe sie eingestellt. Sie war nett und kompetent und sie fand mich auch nett... Und plötzlich sind wir ausgegangen! Ich... Ich dachte, ich könnte sie lieben so wie ich dich liebe.“ Yugi war leise geworden. „Aber dem war nicht so. Wir waren ein Jahr zusammen und haben auch... Na ja, du weißt schon! Nicht oft, denn ich bin jedesmal nervös geworden.“ Er wurde noch röter. „Am Ende hat sie mir gesagt, daß es so nicht mehr weitergeht. Daß ich meinen Duel Monsters-Karten größere Aufmerksamkeit schenken würde als ihr und daß ich mich ihr nicht öffnen würde. Sie hatte recht und wir haben uns getrennt. Sie hat auch gleich gekündigt. Das war vor einem halben Jahr... Ich habe sie benutzt.“ Yugi starrte schuldbewußt auf seinen Teller.
 

Atem rieb sich über die Stirn. „Ich habe nicht erwartet, daß du die drei Jahre im stillen Kämmerlein verbringst“, begann er langsam. „Es ist nur natürlich, daß du nach einem Partner oder einer Partnerin gesucht hast. Du hast sie nicht benutzt, es hat einfach nur nicht geklappt. So was kommt vor, Aibou.“
 

„Ich habe sie nicht geliebt, Atem! Und obwohl ich das gewußt habe, habe ich so weitergemacht. Ein ganzes Jahr lang.“ Yugi schüttelte den Kopf. „Anzu hatte recht als sie mal gesagt hat, daß man nur dann eine Beziehung eingehen sollte, wenn man diese Beziehung auch wirklich will. Ich wollte nur ein bißchen Trost und das Gefühl, daß... jemand sich in mich... Ich habe sie benutzt und ihr wehgetan. Auf alle Fälle war ich mit ihr nicht aus den richtigen Gründen zusammen. Sie hat mich geliebt, aber ich konnte nichts dergleichen für sie empfinden.“ Yugi hielt seinen Kopf gesenkt, um seine Tränen nicht zeigen zu müssen.
 

Atem sah sie dennoch, ergriff Yugis Hand und zog leicht daran. Yugi begriff und stand auf: Atem zog Yugi auf seinen Schoß und schlang die Arme um seinen Aibou.
 

„Ich habe mich in dich verliebt und ich gehe nicht mehr weg, außer du würdest es von mir verlangen, was, so hoffe ich, niemals eintreten wird.“ Atem sah Yugi direkt in die Augen während er fortfuhr: „Sicher hättest du die Sache mit Mika beenden sollen als du gemerkt hast, daß du sie nicht lieben kannst, aber jeder Mensch macht Fehler in Liebesdingen. Du bist nicht mein erster Geliebter, Aibou. Dennoch bist du der einzige, den ich je geliebt habe. Meine Fehler in diesen Dingen waren weitaus größer als deine. Du willst Liebe mit allem, was dazugehört, ich wollte nur Sex. Zumindest habe ich mir das damals eingeredet.“
 

Yugi lehnte sich an Atem. „Das kann ich mir irgendwie nicht vorstellen.“ Seine Augen waren sanft und warm.
 

„Ich war vierzehn Jahre alt. Pharao hin oder her, was das betraf war ich auch nur ein von seinen erwachten Hormonen geplagter Junge. Dabei habe ich kaum über die Gefühle meiner Liebhaber nachgedacht.“ Atem küßte Yugis Stirn zärtlich. „Erst durch dich habe ich gelernt, mir über solche Dinge Gedanken zu machen. Also, Aibou, mach dich nicht schlechter als du bist.“
 

Yugi war rot geworden und starrte auf Atems Brust. „Es belastet mich aber nun mal. So einfach kann ich es nicht abhaken.“
 

„Das erwartet doch auch keiner. Du kannst dich aber deshalb auch nicht ewig mit Schuldgefühlen quälen. Wenn du es besser machen willst, dann zeig, daß du aus deinen Fehlern gelernt hast.“ Atems Atem glitt über Yugis Wange bis er dessen Ohr erreicht hatte. „Ich helfe dir gerne!“
 

Yugi mußte lachen. „Das kann ich mir vorstellen! Aber du hast wohl recht. Ich konnte nicht mehr tun als mich bei Mika zu entschuldigen und es jetzt besser zu machen. Bei dir ist alles da, was ich bei ihr nicht gefühlt habe. Ich will mit dir zusammensein, weil ich dich liebe, nicht weil ich denke, es ist besser als keinen Partner zu haben.“
 

Atem antwortete mit einem Kuß. Er preßte Yugi gegen seine Brust und strich mit einer Hand über die noch feuchte Haarmähne.
 

Yugi ließ sich mitreißen. Im Bad hatte er vor lauter Überraschung und Nervosität den Kuß kaum genießen können, aber jetzt war er mehr als nur vorbereitet. Seine Lippen prickelten und Atems Zunge in seinem Mund ließ ihn vor lauter Genuß alles um sich herum vergessen. Es existierten nur noch sie beide und die Schmetterlinge in Yugis Bauch.
 

Mit geröteten Wangen und glänzenden Augen sah Yugi Atem danach für eine Weile einfach nur an.
 

Atem schmunzelte. „Besser?“
 

„Viel besser“, erwiderte Yugi glücklich. „Ich muß dir noch so viel erzählen, aber ich glaube, es ist erstmal genug. Du konntest ja noch nicht mal zuende frühstücken.“
 

„Ich muß dir auch noch vieles erzählen, mein Aibou, aber nach dem Frühstück sollten wir zwei erstmal mit deiner Ausbildung anfangen. Reden können wir auch noch heute abend, wenn wir nicht mehr so fit sind.“ Atem ließ Yugi los, auch wenn er es nur ungern tat. „Du mußt mir auf alle Fälle mal erzählen, wie du wieder an das Ankh gekommen bist.“ Er bedachte den Anhänger mit einem vielsagenden Blick. Yugi indessen mußte sich nach dieser Enthüllung erstmal wieder fassen.
 

Nach dem Frühstück führte Atem Yugi in den Innenhof. Die Sonne stand schon recht hoch am Himmel und die Luft war entsprechend warm, aber noch recht gut auszuhalten, wie Yugi fand. Allzu lange aber würde das nicht anhalten, bevor jeder mit etwas Verstand sich an den nächsten kühlen und sonnengeschützten Ort zurückziehen würde, um den wieder angenehmen Abend abzuwarten.
 

Bei Tage konnte Yugi sehen, daß von dem Innenhof noch weitere Türen wegführten, einmal in das Hauptgebäude und dann, wie es schien, in die Mauer. Bestimmt würde Atem ihm auch diese Teile des Hortes zeigen, immerhin hatte der Yugi gestern einen Rundgang versprochen.
 

Im Moment begnügte Yugi sich aber damit, den Hof zu besichtigen. Der Boden war teilweise mit Sand bedeckt, doch an vielen Stellen sprossen kleine Gräser. Einige Palmen reckten große Blätter wie schattenspendende Fächer der Sonne entgegen. Seltsam. Gestern hatte Yugi nicht den Eindruck gehabt, daß es hier Bäume gab, aber andererseits war es Nacht und er abgelenkt gewesen.
 

Ein leerer Stall schmiegte sich auf der rechten Seite an die Mauer. Ein verlassener Streitwagen stand daneben. Etwas entfernt war ein Brunnen, der wahrscheinlich früher die Tiere mit Wasser versorgt hatte.
 

Links unter dem Schatten mehrerer Palmen stand ein kleiner Brunnen, geziert von einer Falkenstatuette, der, als sie sich im näherten, plötzlich ansprang und fröhlich vor sich hin plätscherte. Sechs weiße, steinerne Tische, für Yugi etwas höher als hüfthoch, umringten den Brunnen.
 

Atem lehnte sich gegen die Vorderseite eines Tisches und bedeutete Yugi, sich auf die andere Seite zu stellen.
 

Yugi sah, daß links in die Tischplatte quer eine rechteckige Vertiefung von der Größe eines großen Blatt Papiers eingearbeitet worden war. Rechts waren mehrere kleine quadratische Vertiefungen in einer senkrechten Reihe angeordnet. In der obersten Vertiefung lagen neun glatte, kugelrunde Steine, jeder mit einer anderen Hieroglyphe markiert. Die restlichen Vertiefungen waren leer.
 

„Die große Fläche ist dein Übungsfeld. In den kleinen Vertiefungen wirst du immer die für die aktuelle Übung benötigten Hilfsmittel finden. Wir fangen heute mit der wichtigsten Grundlage an“, erklärte Atem, nahm einen der Steine und legte ihn in die Mitte der linken Vertiefung. „Konzentration.“
 

„Konzentration auf was?“ erkundigte sich Yugi und tippte die Kugel mit dem Zeigefinger an, so daß sie etwas über den glatten Stein rollte.
 

„Darauf, was du mit deiner Magie erreichen willst. In diesem Fall die Steinkugel ohne irgendwelche anderen Hilfsmittel als eben Magie bewegen.“ Atem verschränkte die Arme vor der Brust und lächelte. Die Kugel sprang wie ein kleines Tier auf ihre Ursprungsposition zurück.
 

Yugi blinzelte. „Wow!“
 

„Magie funktioniert in erster Linie über deine Gedanken. Wenn du also etwas Bestimmtes erreichen willst, mußt du diesen Gedanken festhalten bis die gewünschte Wirkung eintritt. Das ist nicht immer einfach, aber es ist sehr nützlich, da du für diese Magie keine Hilfsmittel benötigst und auch nichts sagen mußt. Alles Dinge, die dich in einer gefährlichen Lage behindern oder verraten könnten. Allerdings... Je mehr gleichzeitige Auswirkungen du willst, desto mehr Worte brauchst du. Je mehr Worte du gleichzeitig im Kopf behalten mußt, desto leichter kannst du eines vergessen und wenn das passiert, kann dir im schlimmsten Fall dein Zauber um die Ohren fliegen. Im besten geschieht einfach nichts. Deshalb ist diese Magie nur solange ratsam, wie du nicht zuviel damit erreichen mußt.“
 

„Aber wenn ich nun einen so langen Zauber sprechen muß, was dann?“
 

„Schwierigere Zauber werden durch bereits vorgeschriebene Worte auf einer Schriftrolle gewirkt, in die man seine eigene Magie preßt. Oder man benutzt sein eigenes Blut oder das eines Freiwilligen, um die Worte niederzuschreiben. Keine Flüssigkeit ist für Magie so relevant wie Blut. Noch nicht mal die hellste Magie kommt ganz ohne es aus. Aber damit befassen wir uns später“, erklärte Atem. „Jetzt will ich erstmal, daß du diese Kugel bewegst.“
 

„Und wie soll ich das machen?“ Yugi hatte aufmerksam zugehört, aber er hatte keine Ahnung, wie er seine Magie einsetzen konnte.
 

„Konzentrier dich auf die Kugel und stell dir vor, daß sie sich bewegt. Die Hieroglyphen helfen dir dabei, dir die richtige Kugel vorzustellen.“
 

„Das ist alles?“ Yugi betrachtete die Kugel skeptisch.
 

„Du mußt selbst herausfinden, wie du deine Magie lenken mußt, Aibou. Deine Verbindung mit deiner Magie ist einzigartig. Selbst wenn ich dir also erklären würde, wie ich es mache, würde dir das nicht helfen, da es bei dir nicht dasselbe ist.“
 

„Trotzdem danke, Atem. Dann werde ich es einfach mal probieren müssen und das Beste hoffen.“ Yugi lächelte seinen Lehrer an, dann konzentrierte er sich auf die Kugel.
 

Eine halbe Stunde später tropfte Yugi der Schweiß von der Stirn und er starrte verbissen die Kugel an, die noch immer in der Mitte des Steins lag und sich keinen Millimeter bewegen konnte. „Ich geb’s auf! Das einzige was sich hier für mich in Bewegung setzt, ist ordentliches Schädelweh.“
 

„Der Anfang ist immer schwierig, Aibou. Laß dich nicht gleich entmutigen, nur weil es nicht sofort klappt!“
 

„Das sagst du so einfach...“ Yugi wischte sich mit dem Unterarm den Schweiß aus dem Gesicht. „Ich habe mir vorgestellt, ich würde mich gegen die Kugel stemmen oder daß ich sie mit einer Hand bewegen würde oder daß ich sie wegpusten würde. Nichts!“
 

„Du machst dir zuviel Druck, Aibou.“ Atem sah Yugi ruhig an. „Geh es langsam an. Sonst bist du doch auch nicht so ungeduldig.“
 

„Ich weiß, aber ich will nicht noch mal, daß sich meine Magie gegen mich selbst rich...“ Yugi verstummte und dachte kurz über einige Dinge nach, die Atem gesagt hatte. Das war es! Warum hatte er früher nicht daran gedacht? Atem hatte erzählt, daß jede Seele nur bestimmte Magie akzeptierte. Magie, die zu der Seele paßte.
 

„Ist etwas?“
 

Yugi wurde von Atems besorgter Stimme aus seinen Gedanken gerissen. „Nein, dank dir bin ich draufgekommen, was ich tun muß.“ Er lächelte.
 

Atem hob eine Augenbraue. „Dann zeig doch mal. Ich bin gespannt.“
 

Yugi schloß seine Augen und stellte sich die Kugel mit ihrer unverwechselbaren Hieroglyphe vor. ‚Rollst du die Kugel bitte in die obere linke Ecke?’ Als Yugi die Augen öffnete, rollte die Steinkugel bereits und hielt punktgenau an. ‚Danke.’
 

„Ich bin beeindruckt.“ Atem lächelte Yugi stolz an. „Was hat dich auf deine Methode gebracht?“
 

„Was du gestern darüber gesagt hast, daß die Magie zur Seele passen muß und dann was du gerade gesagt hast, daß ich zuviel Druck machen würde. Also habe ich meine Magie gebeten, die Kugel zu bewegen und habe mich auch bei ihr bedankt. Und es hat geklappt!“ Yugi sah Atem aufgeregt an.
 

„Natürlich hat es das. Nur ein Unmensch könnte dir etwas abschlagen, mein Aibou.“ Atem beugte sich über den Tisch und drückte Yugi einen Kuß auf die Nasenspitze. „Du bist so niedlich, wenn du rot wirst.“
 

„Ich schätze, du hast ein neues Hobby gefunden, das dir gefällt.“ Yugi rieb verlegen seine Hände an seiner Hose. „Was ist mit dir? Wie setzt du deine Magie ein?“ versuchte er das Thema zu wechseln.
 

Atem grinste. „Ich befehle...“
 

„... und die Magie gehorcht. Hätte ich mir denken können.“
 

„Aber ich bedanke mich auch, Aibou. Ich schätze immer, was jemand für mich tut, so einfach oder unbedeutend es auch erscheinen mag. Hmmm... Ich denke, wir können eine kleine Pause machen. Ich sollte meinem neuen Hobby frönen.“
 

„Was?“ Yugi konnte nur noch ein Quietschen von sich geben, dann verschlossen Atems feste Lippen seinen Mund. Er wurde in der Tat wieder rot.
 

Eine Viertelstunde später saßen die beiden unter einer Palme. Yugi hatte seinen Kopf an Atems Schulter gelehnt und genoß es, einfach nur mit Atem zusammenzusein und im Schatten zu sitzen.
 

„Denkst du, ich habe heute genug für mein Hobby getan, Aibou?“ erkundigte sich Atem spielerisch und schlang einen Arm um Yugis Hüfte.
 

„Mein Gesicht ist immer noch ganz heiß.“ Yugi schmiegte sich näher an Atem.
 

„Ich nehme mal an, das heißt „Ja.“.“
 

„Oh ja! Du bist ein wirklich sehr guter Küsser.“ Yugi lachte. „Wolltest du mir nicht noch mehr beibringen?“
 

„Das kann ich auch hier.“ Atem sah sich um und hob eine Dattel vom Boden auf. „Hier, versuch mal, die schweben zu lassen.“ Er drückte die Frucht in Yugis Hand.
 

„Schweben?“
 

„Ja. Das ist schwerer als einfach nur etwas von einem Ort zum anderen zu bewegen, denn du mußt dabei die ganze Zeit immer nur daran denken, den Gegenstand an einem Punkt in der Luft zu halten.“
 

„Und wie lange soll ich die Dattel schweben lassen?“
 

„Solange bis ich dir sage, daß du aufhören kannst.“ Atem rutschte ein Stück von Yugi weg, um ihm mehr Raum zu lassen und ihn nicht unnötig abzulenken. An den Stamm gelehnt verfolgte er Yugis Bemühungen.
 

Das Schweben kostete Yugi mehr Konzentration. Er mußte seine Bitte an die Magie, daß die Dattel still an der einen Stelle zu bleiben hatte, sehr oft wiederholen und dabei durfte er keinen anderen Gedanken zulassen, denn sonst war seine Konzentration sofort dahin. Die Dattel fiel so oft in den Sand, daß sie schließlich wie paniert aussah.
 

Yugi wurde langsam müde und er fragte sich, wie lange er diese Übungen noch machen sollte. Er hatte jedes Zeitgefühl verloren. Er warf einen Seitenblick auf Atem, doch dieser saß nur mit halbgeschlossenen Augen da und machte keine Anstalten, etwas zu sagen oder zu tun.
 

Yugi riß sich zusammen. Er würde auf keinen Fall einfach aufgeben. Er würde weitermachen bis er die Übung gemeistert hatte. Yugi schloß die Augen und fokussierte seine Magie auf die Dattel. ‚Bitte laß die Dattel für mich auf der Stelle schweben,’ bat er sie. Die Dattel tat es, fing aber schon bald an, etwas zu wackeln. Er konnte spüren wie die Magie durch ihn floß. Sie war warm und angenehm und kribbelte in seinen Fingerspitzen. Seine Fingerspitzen? Yugi hob einen Arm und deutete mit dem Finger auf die Dattel, die sich daraufhin wieder stabilisierte.
 

Yugi hielt die Dattel so sicher noch weitere fünf Minuten fest bevor Atem sagte: „Du kannst es jetzt gut sein lassen. Das war sehr gut für den ersten Tag. Ich bin stolz auf dich. Du bist ein Naturtalent.“
 

Yugi blinzelte und bemerkte, daß er bestimmt seit einigen Minuten nur leer auf die Dattel gestarrt hatte, die nun wieder auf dem Boden plumpste. „Wirklich?“
 

„Ich habe länger gebraucht, um zu bemerken, daß ich meinen Körper als Fokushilfe benutzen kann.“ Atem stand auf und hielt Yugi eine Hand hin, die dieser ergriff. Dann zog Atem ihn auf die Beine.
 

„Es ging gar nicht ums Schweben?“ Yugi trat von einem Bein aufs andere, um sie aufzuwecken. Dann streckte er sich bis sein Rücken knackte. „Uff!“
 

„Doch, auch, aber es geht immer um mehr als das, was man auf den ersten Blick erkennen kann.“ Atem sah in den Himmel. „Es wird bald dunkel.“
 

Yugi folgte seinem Blick und mußte feststellen, daß Atem recht hatte. Sie hatten fast den ganzen Tag hier draußen verbracht. Zur Sicherheit sah Yugi auf seine Haut, aber konnte zum Glück keine Rötung erkennen. Ein Sonnenstich hätte ihm gerade noch gefehlt.
 

„Ich habe Hunger. Du auch, Aibou?“
 

Yugis Magen knurrte und die beiden Männer lachten.
 

„Das war eine eindeutige Antwort“, schmunzelte Yugi. „Ich habe gar nicht gemerkt, wie die Zeit vergangen ist. Nur gut, daß ich mir keinen Sonnenbrand oder schlimmeres geholt habe.“
 

„Selbst wenn könnte ich das hier schnell kurieren.“
 

„Ich lege trotzdem keinen Wert darauf. Ich bin auch so platt genug. Wenn das jetzt jeden Tag so geht, kannst du mich bald vom Boden aufkratzen.“
 

Atem lachte. „Nein, keine Sorge! Wir legen auch freie Tage ein. Das war bei meiner Ausbildung auch nicht anders und wir hatten damals sehr strenge Lehrer.“
 

Die beiden gingen zurück zum Hauptgebäude.
 

„Wie streng?“ erkundigte Yugi sich als sie in der Küche angekommen waren.
 

„Stock“, antwortete Atem knapp.
 

„Oh! Ich... ich wollte keine schlimmen Erinnerungen wecken.“ Aus seinem Bedürfnis heraus, Atem zu trösten, umarmte Yugi Atem und strich über dessen Rücken.
 

„Hast du nicht, Aibou.“ Atem erwiderte die Umarmung. „So oft habe ich keine Schläge bekommen, daß ich mich deshalb allzu sehr grämen würde. Die wirklich schlimmen Dinge, die mich verfolgen... Nun, du wirst sehr bald von ihnen hören. Verrat, Betrug, Mord.“
 

Yugi versteifte sich in Atems Armen. Betrug. Wenn er noch länger wegen der Karte schwieg, dann würde Atem sich mit vollem Recht betrogen fühlen.
 

„Was ist los, Aibou? Ich wollte dich nicht beunruhigen“, deutete Atem Yugis Reaktion falsch.
 

„Nein. Ich...Es ist nur so...“ Yugi löste sich von Atem und schlang beide Arme um seinen schlanken Oberkörper als könne er sich an sich selbst festhalten.
 

„Hattest du noch eine Beziehung?“ Atem beobachtete verwirrt Yugis Verhalten.
 

„Nein, Mika war meine erste und einzige Beziehung vor dir. Es geht darum, was Tenghe von mir will. Ich... ich wollte das gestern nicht so vor allen rausposaunen. Es ist gefährliches Wissen.“ Yugi drehte sich von Atem weg und ging mehrmals auf und ab. „Tenghe will eine bestimmte Karte.“
 

„Die Götterwaage? Oder die drei Göttermonster?“
 

Yugi schüttelte den Kopf und lachte bitter auf. „Nein, eine, von deren Existenz nur Pegasus und ich wissen. Oder zumindest haben wir das gedacht. Tenghe geht es um diese verfluchte Karte. Ich weiß nicht genau, was sie damit will, aber kriegen darf sie sie auf gar keinen Fall!“
 

„Erzähl mir die Geschichte von Anfang an, Aibou. Was hat Pegasus damit zu tun?“ Atem stellte sich mit verschränkten Armen in Yugis Weg, so daß der anhalten mußte. Dennoch hielt Yugi seinen Blick gesenkt . Er konnte direkt die Rädchen in Atems Kopf rattern hören, wieso er niemand etwas erzählt hatte und worum es hier ging.
 

„Pegasus lud mich vor ungefähr anderthalb Jahren auf seine Insel ein. Er sagte, es sei wichtig für mich zu kommen. Aus mehreren Gründen, wie er betonte. Also flog ich mit seinem Privatjet ins Königreich der Duellanten.“ Yugi öffnete die Kartentasche, die von seinem Gürtel hing. „Dort vertraute er mir diese Karte an. Offiziell hat die Karte keinen Namen, da sie offiziell auch nicht existiert, aber einer ihrer unglücklichen Vorbesitzer nannte sie den König des Wahnsinns. Ich kann es ihm nicht verdenken, da die Karte ihn in den Selbstmord trieb.“
 

„Aber wie kann eine Karte das? Ist sie mit einem Fluch belegt?“
 

„Nein, aber in ihr wurde etwas eingesperrt. Etwas so machthungriges, wahnsinniges, bösartiges, sadistisches und grausames, daß es jeden, der mit ihm in Kontakt kommt, in kürzester Zeit tötet oder in den Wahnsinn treibt.“ Yugis Hand zitterte als er eine dünne Metallbüchse, gerade passend für eine Karte, aus seiner Kartentasche zog.
 

Atem verfolgte jede von Yugis Bewegungen mit mißtrauischem Blick. „Aber dir hat die Karte noch nichts getan, oder?“ erkundigte er sich besorgt.
 

Yugi schüttelte den Kopf. „Ich bin der einzige, der die Karte kontrollieren kann. Du wirst gleich verstehen, warum. Pegasus wollte, daß ich die Karte im Zaum halte und sie gleichzeitig davor schütze, in die falschen Hände zu geraten. Dafür hat er mir die Karte Götterwaage gegeben. Siehst du, Atem, was in der Karte eingesperrt ist, ist ein Seelensplitter. Der vorherige Besitzer hat sich freiwillig von diesem Stück seiner Seele losgesagt, weil er mit diesem furchtbaren Teil von sich selbst nicht mehr länger leben konnte und wollte. Aber der Seelensplitter wurde nicht vernichtet, oh nein! Statt dessen flüchtete er sich mit seiner Magie in die nächste Karte, um so weiterzuexistieren. Aber die Karte selbst war auch magisch und sperrte den Seelensplitter ein. Aber auch das hat ihn nicht davon abgehalten, mit seiner Magie Unheil zu stiften, wo auch immer er konnte. Und jetzt wartet er sicher darauf, daß ihn jemand befreit, um wer weiß was für grauenvolle Dinge zu tun.“
 

Atem hatte Yugis Erzählung mit offensichtlich wachsendem Entsetzen zugehört. Yugi klappte den Deckel der Metallbüchse auf und präsentierte ihm die Karte.
 

Atem studierte die Karte genau. Sie hatte einen seltsamen grünen Schimmer, der das Zentrum der Karte umgab. Er brauchte einen Moment, um zu begreifen, daß der Schimmer vom Siegel des Orichalcos stammte. In dessen Mitte waberte ein schwarzer Schatten mit Fledermausflügeln, zwei roten mordlustigen Augen und auf seiner Stirn glühte golden das Auge des Horus. „Das ist...“
 

„Ja, es ist, oder eher war, dein Seelensplitter. Die Dunkelheit, die du nach dem Kampf gegen Leviathan und Dartz aus deiner Seele verbannt hast“, erklärte Yugi.
 

Der Schatten schien Atem anzugrinsen, ihn aufzufordern, die Karte zu berühren. Atem trat mit einem Kopfschütteln einen Schritt zurück. „Steck sie bitte wieder weg, Aibou.“ Seine Stimme klang rauh.
 

Yugi gehorchte. „Ich kann sie mir auch nicht ansehen ohne mich zu fürchten. Dieses Ding... Wenn ich nicht wüßte, daß es mich nicht verletzen kann, müßte ich den ganzen Tag paranoid um jede Ecke spicken.“
 

„Warum greift er dich nicht an?“ Atem ließ sich auf einen Stuhl fallen. Das Holz protestierte ächzend.
 

„Ich habe das Millenniumspuzzle gelöst. Er darf oder will mich wohl nicht angreifen. Dessen bin ich mir nicht sicher, aber solange er in meiner Obhut ist, kann er offenbar nichts Böses anstellen, sonst hätte er es schon getan.“
 

Atem nickte. „Das will Tenghe also.“ Er war innerhalb von Sekunden so gedankenversunken, daß Yugi entschied, ihn erstmal seine Gedanken sortieren zu lassen und derweil selbst das Abendessen zu machen. Das Essen würden sie brauchen. Der heutige Tag schien fast genauso endlos lange zu dauern wie der gestrige.
 

„Ich denke, ich sollte meine Geschichte weitererzählen“, sagte Atem schließlich.
 

„In Ordnung! Du erzählst und ich koche. Oder versuche es zumindest. Ich hab nur wenig Ahnung von altägyptischen Herden.“



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  Machiko_chan
2010-04-24T07:42:42+00:00 24.04.2010 09:42
wow, sehr interessant!
ich freu mich, dass yugi nun auch die kunst des zauberns lernt :3
jaja und dann atems neues hobbys ;D nice!

ich freu mich wirklich aufs nächste chapter!

lg
Von:  KaitoDC
2010-04-13T16:05:46+00:00 13.04.2010 18:05
eine neues Kapitel, wie ich mich freu!
ein wirklich interessantes Kapitel, am meisten die Übungen vno Yugi. Dass er tatsächlich die Kugel gedarm bittet, sich zu bewegen! ;) irgendwie süß. Und dass er auch noch die Dattel hat schweben lassen müssen, auch nicht schlecht.
Tja, und zwischendurch noch Atems neues Hobby ausüben... ähem...
aber dann die letzte Geschichte. Endlich ein kleines Rätsel gelöst, warum und überhaupt welche Karte Tenghe haben wollte. Wahrlich gruselig...
bin echt gespannt darauf, wie's mit der Karte und der Geschichte im Alten Ägypten wieter geht
lg
KaitoDC


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