Zum Inhalt der Seite

Seelensplitter

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

10. Kapitel: Schatten


 

10. Kapitel: Schatten

Yugis zweite Reise durch die Schatten war weniger unbequem gewesen als die erste. Er hatte seine Augen geschlossen und auf Atems Nähe vertraut. Jetzt standen sie beide im dunklen Hausflur und ließen ihr Gepäck auf den Boden fallen, um ins Wohnzimmer zu eilen.
 

„Leute?“ rief Atem als er die Wohnzimmertür öffnete. Blendendes Licht fiel ihnen in die Augen und erst nach einem Blinzeln konnten sie wieder richtig sehen. Auf der Couch saßen Kaiba, Honda und Shizuka und schliefen offenbar. Anzu kniete mit besorgtem Gesicht neben ihnen auf dem Boden. Bei Atems Ruf drehte sie sich um und sah erleichtert aus.
 

„Da seid ihr ja endlich!“
 

„Was ist hier los?“ erkundigte Yugi sich besorgt und trat zu der schlafenden Dreiergruppe.
 

„Ich weiß es nicht. Plötzlich ging das Licht aus und dann... Sie saßen einfach so da!“ Anzu stand auf. „Glaubt ihr, das war Tenghe?“
 

Atem schnupperte. „Weihrauch.“ Mißtrauisch sah er sich um. „Wo ist Großvater?“
 

„Er ging in den Keller, um nach den Sicherungen zu sehen.“ Anzus Augen weiteten sich erschrocken. „Oh nein! Was, wenn sie ihm was angetan hat?“
 

„Ich gehe nachsehen“, erbot Yugi sich eilig. Mit klopfendem Herzen und einem Gefühl drohenden Unheils rannte er aus dem Wohnzimmer und flog fast die Stufen zur Kellertür hinunter. „Großvater?“ 

Er wollte die Tür öffnen, aber sie bewegte sich nicht. Stirnrunzelnd sah er auf das Schloß. Dort steckte, unschuldig baumelnd, der Kellerschlüssel, der sonst immer am Schlüsselbrett im Flur hing. Binnen Sekunden schoß es Yugi durch den Kopf, daß wer auch immer die Tür abgeschlossen hatte, wahrscheinlich noch im Haus war. Sofort kehrte er um. „Atem!“

Ein Schrei war seine Antwort und als er wieder ins Wohnzimmer stolperte, stand Anzu gerade vom Boden auf. Zu ihren Füßen lag Atem, zusammengekrümmt und regungslos. Anzu lächelte kalt als sie eine lange Nadel aus Atems Rücken zog, nur um sie dann Yugi vor die Füße zu werfen. Der sirrende Stahl blieb im Teppichboden stecken.
 

„Du bist nicht Anzu.“ Yugi fühlte das Grauen in sich aufsteigen. „Was hast du mit ihm gemacht?“
 

Die Illusion löste sich auf und gab Tenghe preis, die mit boshaftem Lächeln auf Atem hinuntersah. „Nur ein tödliches Gift.“ Sie trat in Atems Seite; Atem stöhnte auf. „Es verbreitet sich nur sehr langsam im Körper, aber es bereitet ihm unsägliche Qualen, bevor es ihn ersticken läßt.“ Sie kicherte vergnügt.
 

„Warum tust du das? Laß ihn in Ruhe!“ Yugi wollte zu Atem stürzen, aber Tenghe stellte sich ihm drohend in den Weg.
 

„Du weißt, was er getan hat. Er hat sich schon immer bei dir ausgeheult, Yugi. Oder sollte ich besser Heba sagen?“ Tenghe musterte Yugi verächtlich. „Du warst immer sein Schwachpunkt, aber ich habe dich unterschätzt. Ich konnte dich im Duell nicht besiegen. Ich habe dir die schlimmsten Schmerzen zugefügt, aber du hast mich besiegt, obwohl dir selbst bereits die Kraft ausging. Das war beeindruckend, ja, aber ein Rückschlag für meinen Plan.“
 

„Du willst noch immer den Seelensplitter.“ Unbewußt berührte Yugi seine Kartentasche an der Hüfte. Er zitterte vor Wut auf Tenghe und Angst um Atem.
 

„Deshalb schlage ich dir ein Geschäft vor.“ Tenghe grinste heimtückisch. „Atems Seelensplitter und du gegen das Leben deines Liebsten.“ Sie zog eine Phiole aus den Falten ihres Kleides und hielt sie ins Licht, so daß die Flüssigkeit darin funkelte wie geschmolzenes Gold. „Das hier ist das Gegengift.“
 

„Wozu brauchst du mich?“ Yugis Augen hingen wie gebannt an der Phiole. Wenn er sie nur erreichen könnte...
 

„Als Versicherung, daß deine Freunde nichts Dummes tun. Nicht, daß die drei da so schnell wieder aufwachen, aber...“ Tenghe nickte zum Sofa, auf dem Kaiba, Honda und Anzu saßen. „Ich lasse dich nach der Zeremonie wieder gehen.“
 

Yugi befeuchtete nervös seine Lippen. „Ihnen wird nichts geschehen?“ hakte er nach.
 

„Herrscher brauchen Untertanen“, war die lapidare Antwort. „Also? Ich warte!“
 

„Das ist wirklich ein Gegenmittel?“
 

Tenghe entkorkte die Phiole und trank einen Schluck. „Schmeckt nach Holunder.“
 

Für einige Herzschläge wagte Yugi nicht zu atmen, dann war er sich sicher. „Bitte gib Atem das Gegenmittel, dann gehe ich mit dir“, versprach er. Er konnte nur darauf hoffen, daß Atem von hier aus eine Möglichkeit finden würde, Apophis’ Eintritt in diese Welt zu verhindern. 
 

Tenghe sah ihn einen Moment an, dann nickte sie. Sie beugte sich zu Atem hinunter und steckte das Mundstück der Phiole zwischen Atems Lippen. Wenige Sekunden später hatte sie ihm den gesamten Inhalt eingeflößt. Sie ließ die Phiole achtlos fallen, dann sprang sie vor und packte Yugi am Arm. „Zeit zu gehen“, zischte sie ihm ins Ohr und Yugis Welt verwirbelte wie schwarze Schlieren im Wasser.
 

***
 

Mai stieg von ihrem Motorrad, nahm den Helm ab und rannte über einen Kiesweg zur Eingangstür des einsamen, weißen Häuschens. Hier draußen hörte man die Geräusche der Stadt nicht mehr, dafür die Brandung des Meeres an den nahen Klippen.

Bevor Mai klingeln konnte, öffnete sich die Haustür. Ein Mann mit unordentlichen braunen Haaren und aufmerksamen hellblauen Augen ließ sie, ohne ein Wort zu sagen, eintreten.
 

„Hast du mich erwartet, Valon?“ fragte sie erstaunt.
 

„Dich... oder wenigstens einen deiner Duellanten-Freunde“, entgegnete der Angesprochene mit einem verschmitzten Lächeln. „Du bist mir aber immer noch am liebsten.“
 

„Hey, ich bin vergeben, klar?“
 

„Klar, Mai, das habe ich nicht vergessen. Trotzdem ist es schön, dich wiederzusehen.“ Valon führte sie durch den kleinen Hausflur in ein ebenfalls kleines, aber sehr gemütliches Wohnzimmer. Er deutete auf einen Stapel Bücher, die auf einem Tisch in einer Zimmerecke standen. „Dafür bist du gekommen.“
 

„Woher weißt du, was ich dich fragen wollte?“ Mai ging zu dem Stapel und durchsuchte ihn. „Woher weißt du von Apophis?“ 
 

„Dartz hat den Kult mehrmals erwähnt. Ich habe immer erwartet, daß wir von ihm noch einmal hören werden.“
 

Mai sah erst jetzt die Staubschicht auf den Büchern und hustete. „Was hat Dartz über die Kultisten erzählt?“
 

„Daß sie die Welt ihrem Gott Apophis zum Geschenk machen wollen. Es wird ewige Finsternis sein, aber Apophis’ Auserwählte werden herrschen. Für uns waren sie böse“, erzählte Valon und ließ sich rückwärts auf die Couch fallen und verschränkte die Arme hinter dem Kopf.
 

„Da hatte er zur Abwechslung mal recht! Sie haben Jonouchis Seele!“ Mai schlug mit der Faust auf das Tischchen, daß es nur so wackelte.
 

Valon setzte sich auf. „Was? Ich wußte nicht, daß die so was machen.“
 

„Geht’s nicht immer um irgend jemandes Seele?“ Mai nahm eines der Bücher und setzte sich neben Valon. „Ich muß wissen, wo sie sich versteckt halten. Ich werde Jonouchis Seele wieder zurückgewinnen.“
 

„Du bist wirklich zu allem entschlossen“, stellte Valon fest. „Aber leider kann ich dir nicht mit deren Aufenthaltsort dienen.“
 

Mai blies frustriert eine Haarsträhne aus ihrem Gesicht. „Nicht mal einen Anhaltspunkt?“
 

Valon schüttelte langsam den Kopf. Dann hielt er plötzlich inne. „Warte mal... Ich weiß nicht sicher, ob es was damit zu tun hat, aber Dartz wollte in der Nähe Dominos ein verlassenes Gebäude aufkaufen, aber jemand anders war schneller oder hat mehr Geld geboten. Dartz war danach ziemlich sauer.“
 

Mai hob eine Augenbraue. „Aber wieso denkst du, daß der Apophis-Kult dort ist? Schließlich prügeln sich große Unternehmen jeden Tag wegen irgendwelcher Grundstücke. Frag meinen Vater.“
 

„Weil es sich bei dem Gebäude um den alten Terrarien-Zoo handelt.“
 

Mai erinnerte sich, daß ihr Vater sie einmal dorthin mitgenommen hatte. Er hatte nur selten mit ihr etwas unternommen und deshalb hatte sich dieser Ausflug auch so sehr in ihr Gedächtnis gebrannt. „Sie hatten riesige Schlangen in riesigen Terrarien“, murmelte sie.
 

„Ja, das stimmt. Deshalb...“
 

„Sind sie wahrscheinlich dort!“ beendete Mai Valons Satz. „Ein perfektes Schlangennest.“
 

„Ja, aber bevor du dort hinfährst, solltest du dir diese Bücher ankucken. Diese Typen sind echt krank!“ Valon stand auf und holte die restlichen Bücher. "Ich sollte dich begleiten."
 

"Nein. Das muß ich alleine regeln. Aber danke. Ich weiß es sehr zu schätzen, daß du mir nach allem noch hilfst."
 

"Ich schätze, ich bin einfach zu nett."
 

***

„Wach auf!“
 

Grobes Schütteln holte Atem aus seinen schmerzhaften Träumen in die Wirklichkeit zurück. Kalte blaue Augen musterten ihn verächtlich, bevor er wieder auf die Beine gezogen wurde. „Kaiba?“
 

„Ja! Jetzt hör auf mich anzuglotzen, als wäre mir ein zweiter Kopf gewachsen. Shizuka ist weg!“ Durch Kaibas übliches abweisendes Gehabe schien Sorge hindurch.
 

„Shizuka... Was ist mit Yugi?“
 

„Er ist auch weg.“ Sugorokus betrübte Stimme erdete Atem mit einem Schlag.
 

„Weg? Aber wir sind zusammen angekommen und dann...“
 

„Ich weiß nicht, was passiert ist. Ich ging in den Keller und sah nach den Sicherungen, da der Strom ausgefallen war. Ich hatte gerade bemerkt, daß alle Sicherungen noch bombenfest saßen, da hat jemand die Kellertür abgeschlossen“, erzählte Sugoroku. „Der junge Kaiba hat mich erst wieder rausgelassen. Atem, geht es dir gut?“
 

„Es ist Blut auf seinem Hemd“, beobachtete Kaiba. „Aber er sieht nicht so aus als würde er gleich wieder umkippen, also sollten wir uns um wichtigeres kümmern.“
 

„Du hast recht, Kaiba. Es war Tenghe. Sie hat mich getäuscht und überwältigt.“ Atem rieb sich über die schmerzende Stelle an seinem Rücken. „Sie muß Shizuka und Yugi haben.“
 

„Aber warum?“
 

„Bei Shizuka kann ich nur Vermutungen anstellen, aber Yugi... er hat doch den Seelensplitter!“
 

„Aber wie willst du Yugi und Shizuka finden?“ fragte Sugoroku nach.
 

Atem schloß seine Augen, nur um sie nach einer Minute wieder zu öffnen. „Solange Yugi und ich verbunden sind, werde ich ihn finden, ganz egal, wo er ist. Mein Gefühl wird mich zu ihm führen.“
 

„Wird Shizuka auch dort sein?“ hakte Kaiba ungeduldig nach.
 

„Mit Sicherheit!“
 

Die drei Männer fuhren herum und starrten erschrocken auf den Spiegel, in dem Isis’ Gesicht aufgetaucht war. Atem faßte sich als erster wieder. „Wieso bist du dir so sicher?“
 

Isis sah gehetzt aus. „ Wir haben nicht viel Zeit. Heute Nacht wird Tenghe das Opfer, um Apophis in diese Welt zu holen, durchführen. Die Sterne sind in der richtigen Position. Dafür will sie drei böse Seelensplitter verschlingen, um sich deren Macht anzueignen. Dadurch braucht sie nur noch ein Opfer, das die Kriterien erfüllt.“
 

Atem stöhnte und schloß die Augen. „Wenn Shizuka noch Jungfrau ist...“
 

„Was hat das damit zu tun?“ Kaiba wurde wütend. „Das ist doch alles Quatsch!“
 

„Kaiba, es ist mir egal, woran du glaubst oder nicht, aber ich weiß, woran Tenghe glaubt und das heißt, Shizuka schwebt in Lebensgefahr! Außerdem ist die Leier schon alt und keiner glaubt sie dir mehr.“ Atem sah Kaiba entschlossen an. „Hol dein Deck und deine Duel Disk. Wir müssen sofort aufbrechen, wenn wir sie noch retten wollen.“
 

Kaiba sah Atem für eine Sekunde schweigend an. Seine Kiefer mahlten, aber er atmete kräftig aus und nickte schließlich. „Beides ist in meiner Limousine.“ Er drehte sich um und lief aus dem Haus.
 

Atem sah zu Isis. „Danke.“
 

„Mögen die Götter Euch beistehen, Pharao.“ Isis’ besorgtes Gesicht verschwand.
 

Sugoroku räusperte sich. „Du hast kein Deck, oder?“
 

„Doch, das habe ich, Großvater.“ Atem berührte die Kartentasche an seinem Gürtel. „Bleibst du hier und kümmerst dich um Honda und Anzu?“
 

„Natürlich. Jetzt lauf los, bevor wir von dieser Dämonenschlange verschluckt werden.“
 

Atem nickte. Auf dem Weg nach draußen griff er den Rucksack mit den Duel Disks. Innerhalb weniger Sekunden war er bei Kaiba, hatte dessen Arm gepackt und trat mit geschlossenen Augen und klopfendem Herzen die Suche nach Yugis Seele an.
 

***
 

Der Terrarien-Zoo war seit nicht mehr als fünf Jahren geschlossen, dennoch wirkte das Gebäude so, als hätte es fünfzig leergestanden. Leere Fenster starrten wie tote Augen auf Mai hinab, die ein Schaudern nicht unterdrücken konnte. Aber sie war nicht hierhergekommen, um jetzt feige den Schwanz einzuziehen. Früher, vor dem Königreich der Duellanten, hätte sie damit kein Problem gehabt, aber heute trieb ihre Liebe zu Jonouchi sie an.

Sie fixierte ihre Duel Disk an ihrem Arm, dann trat sie entschlossen durch die wurmstichige Eingangstür. Im Eingangsbereich hingen alte Plakate, die von Wind und Wetter in Fetzen gerissen worden waren. Das mannsgroße Model einer aufgerichteten Kobra aus Plastik beobachtete Mais Bewegungen feindselig.

Laub und Unrat knirschten unter Mais hochhackigen Lederstiefeln. Ihr aufmerksamer Blick schweifte über die Verkaufstheke und die leeren Andenkenregale dahinter. „Hallo? Verrückte Apohpis-Anbeter, wo seid ihr?“ rief sie in die unheimliche Stille. Schlimmer, als das ihr jemand antwortete, wäre es, wenn ihr niemand antworten würde. Dann fiel zu ihrer Erleichterung die Eingangstür hinter ihr zu und der Raum wurde in Dunkelheit getaucht.
 

***
 

„Yugi? Komm schon, mach die Augen auf. Yugi!“
 

Die Männerstimme bohrte sich wie ein scharfer Dolch in Yugis empfindliche Trommelfelle. Mit einem Laut der Pein drehte er den Kopf von ihrer Quelle fort. 
 

„Yugi! Ich weiß, du hörst mich. Sieh mich an.“
 

„Quälgeist“, murmelte Yugi und bemerkte, daß seine Lippen sich unangenehm trocken anfühlten und bei jeder Bewegung schmerzten. Er leckte darüber und öffnete vorsichtig seine Augen. Ein helles, violettes Augenpaar aus der gegenüberliegenden Ecke musterte ihn eingehend. „Malik?“ Yugi setzte sich ruckartig auf. „Geht es dir gut?“
 

„Im Moment geht es mir zumindest besser als dir, wie mir scheint.“ Malik hob eine Hand und rieb über seinen Nacken. „Verdammtes Halsband! Das Ding zwickt.“
 

„Kannst du es nicht abmachen?“
 

Malik schüttelte resigniert den Kopf. „Hab ich schon mehrmals versucht, aber Tenghe hat mir einen viel zu guten Wachhund zur Seite gestellt. Dir hat sie auch ein Halsband verpaßt und dem Mädchen auch.“
 

Yugi hob eine Hand und spürte nun das Metall an seinem Hals. „Mädchen? Welches Mädchen?“ Er sah sich suchend um. Durch eine Gitterwand konnte er in die nächste Zelle sehen. Auf dem nackten Boden lag eine dünne Gestalt mit langen, hellbraunen Haaren. „Shizuka?“ erkannte Yugi sie ungläubig.
 

„Ich wußte, sie kommt mir bekannt vor. Sie wurde vor dir hierher gebracht und ist noch immer bewußtlos. Sie müssen einen sehr starken Schlafzauber auf sie angewandt haben.“ 
 

Yugi nickte, aber die Frage, wozu die Apophis-Kultisten Shizuka entführt hatten, konnte er nicht stellen, denn ihm fiel siedend heiß die Karte mit dem Seelensplitter ein. Schnell griff er nach seiner Kartentasche, aber ein Blick hinein zerstörte seine Hoffnungen. Die Karte fehlte, wenn auch der Rest völlig unangetastet war.
 

„Sie haben dir so eine komische, dünne Büchse weggenommen“, sagte Malik. „Was war da drin?“
 

Yugi sah sich suchend um, um sich zu versichern, daß niemand ihn hörte. „Ein Seelensplitter von Atem, der in einer Karte eingeschlossen wurde“, wisperte er schließlich. In Kürze klärte er Malik über die letzten Ereignisse auf.
 

„Tenghe hat auch mir einen Seelensplitter entrissen“, erklärte Malik schließlich und starrte düster auf den grauen Betonboden. „Ich lege wahrhaftig keinen Wert mehr auf ihn, aber... Jetzt haben wir ein anderes Problem.“
 

„Da hat er recht.“ Eine schwarze Gestalt löste sich aus den Schatten und trat an den Käfig.
 

Yugi blinzelte verblüfft, dann breitete sich ein befreites Lächeln auf seinem Gesicht aus. „Atem, du hast uns gefunden!“ Er lief zu den Gitterstäben, die ihn von Atem trennten. „Kannst du uns hier herausholen?“
 

„Natürlich. Keine Sorge.“ Atem lächelte und mit einer Handbewegung sprengte er das Schloß.
 

Yugi trat aus der Zelle. „Kannst du auch Shizuka herausholen?“ bat er.
 

„Ich fürchte, das wird nicht möglich sein.“ Mit einer Handbewegung Atems fiel die Gittertür mit einem lauten Knall zu.
 

Yugi fuhr herum und mußte entsetzt sehen, daß sich Schatten um Malik gewunden hatten und ihn festhielten. Hinter Malik trat eine Person aus der dunklen Ecke, die Yugi niemals hatte wiedersehen wollen. „Marik!“ Er fuhr herum und erst jetzt bemerkte er das rote, boshafte Glänzen in Atems Augen. „Du bist nicht Atem.“
 

„Das kommt ganz auf die Betrachtungsweise an. Einmal waren wir eins, aber dann hat er mich verstoßen... Dabei habe ich ihm immer geholfen.“ 
 

Die gespielte Kränkung ließ Yugis Magen sich schmerzhaft zusammenziehen. „Du bist der Seelensplitter, der König des Wahnsinns.“
 

Der König packte Yugi am Hemdkragen und schubste diesen gegen die Wand. Yugi unterdrückte einen Schmerzensschrei. Mit einem boshaften Grinsen kam der König auf ihn zu und streichelte mit einer kalten Hand über Yugis Wange. „Wir zwei werden noch viel Spaß zusammen haben“, wisperte er und eine schleimige Zunge glitt über Yugis Hals.
 

Schaudernd drehte Yugi sich fort und versuchte, dem Schatten zu entfliehen, aber seine Beine gehorchten ihm nicht und er sank auf den Boden. Sein Herz klopfte laut und mit weit aufgerissenen Augen starrte er auf den König, der grausam lächelnd auf ihn hinabsah. Er ahnte, was der König wollte. Schlußendlich war auch er ein Teil Atems gewesen.
 

„Warum willst du weglaufen, Yugi? Hast du Angst, daß ich dich durchschaut habe?“
 

Yugi schluckte sein Unbehagen hinunter. „Ich weiß nicht, was du meinst.“ Wovon redete diese Kreatur nur?
 

Der falsche Atem legte nachdenklich den Kopf schief. „Nein, du weißt es wirklich nicht. Schade! Aber vielleicht kann ich dir ja helfen, es zu verstehen?“
 

„Was verstehen?“ Yugi hatte Mühe, sich nicht von seiner Panik mitreißen zu lassen.
 

„Wie sehr du mit mir... spielen willst. Weil er es niemals tun wird.“ Der Schatten kniete sich neben Yugi und eine Hand glitt beinahe sanft über Yugis Bauch. „Ich verstehe dich viel besser als er. Ich war die ganze Zeit da... aber du willst nur diese schale Hülle haben. Das schmerzt mich sehr, Yugi.“
 

Zitternd versuchte Yugi, sich auf seine Kräfte zu konzentrieren, aber der König lachte nur. 

„Das kannst du dir getrost sparen. Das Halsband blockiert deine Magie und du hast noch lange nicht genug gelernt, um seinen Bann zu brechen.“ Der König stand auf und betrachtete Yugi. „Mal sehen... “
 

„Was willst du mit mir tun?“ 
 

„Dich nur davon überzeugen, daß du die falsche Wahl getroffen hast.“
 

„Ich liebe Atem!“
 

„Liebe ist mir egal. Mir gehört, was mir gefällt. Aber wenn du Atem liebst, solltest du dann nicht auch mich lieben?“
 

„Ich liebe dich nicht. Ich habe nur Mitleid mit dir.“ Yugi sah den Schatten herausfordernd an.
 

„Du weißt, daß diese Aussage grausamer ist als mir ein „Ich hasse dich.“ an den Kopf zu werfen.“ Die Lippen des Königs kräuselten sich. „Ich mag Kampfgeist. Es macht Spaß, ihn zu brechen.“ Er schnippte mit den Fingern.
 

Yugis Körper bewegte sich, ohne daß Yugi selbst es verhindern konnte. Sein Kinn wurde gegen die Brust gepreßt, seine Beine falteten sich zusammen und glitten nach oben bis seine Stirn die Knie berührten. Seine Arme verschränkten sich automatisch auf seinem Rücken. Yugi konnte nichts mehr sehen und die Anstrengung, diese unangenehme Position zu halten, ließ seine Muskeln zittern. Breite Riemen, kalt und weich, schlangen sich um seinen Körper bis er seine Position selbst dann nicht mehr ändern hätte können, wenn es ihm möglich gewesen wäre. Ein Riemen legte sich über Yugis Lippen und preßte sie unerbittlich gegen seine Zähne.
 

„Du siehst gut aus“, raunte der Schatten und eine Hand packte Yugi an einem der Riemen an dessen Rücken und hob ihn mühelos hoch.
 

„Yugi!“ Maliks Schrei ließ Yugis Eingeweide sich zu einem unangenehmen Ball zusammenziehen.
 

„Wir sehen uns wieder, Yugi, wenn du nicht mehr so aufmüpfig bist.“ Der Schatten lachte boshaft.
 

Yugi spürte wie er abgesetzt wurde. Harter Stoff berührte seine nackten Arme. Ein schwerer Deckel schloß sich über ihm. Er war allein in der Dunkelheit.
 

Yugi war acht Jahre alt. Er wußte nicht, wie er nach dem furchtbaren Lärm des Unfalls von der Rückbank in den Kofferraum hatte geraten können. Es war eng und so schrecklich dunkel  und er konnte sich nicht bewegen. Er hatte Angst zu ersticken und sein Herz trommelte so laut, daß er nichts anderes hören konnte. Sein linkes Bein schmerzte, als hätte man ihm einen Teil davon abgerissen und eine eklige, warme Feuchtigkeit lief über sein Gesicht. Sein Rücken brannte, als würde er gegen glühendes Eisen gepreßt. Er rief nach seinen Eltern, immer wieder, bis er keine Kraft mehr hatte. Erschöpft konnte er nur noch leise weinen und auf sein unausweichliches Ende warten. Das war sein Grab.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (1)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  lanhua-yu
2013-03-02T08:39:07+00:00 02.03.2013 09:39
Ich dachte schon das neue Kapitel kommt gar nicht mehr, schön das es endlich weiter geht!!!

Das verspricht ja echt spannend zu werden. Yugi kann einem echt leidtun in seiner Situation, aber wer weiß ob der "König des Wahnsinns" nicht recht hat mit seiner Einschätzung xD
Und wieso hat Tenghe Yugi überhaupt entführt, sie hätte ja auch einfach nur die Karte mitnehmen müssen? Oder will sie bloß jemanden bestimmten ärgern?
Bin super gespannt was du draus machst.
Gibt es in nächster Zeit mehr zu lesen??

Gruß,
luan



Zurück