Emptiness gone
Als er die Tür in die alte Bar aufstieß, war er sich nicht sicher, ob er wirklich sah, was er zu sehen glaubte. An der Theke saß ein Mädchen.
Blondes, langes Haar glitt ihre Schultern entlang und hielt einen magischen Glanz inne, den selbst die verruchteste Gegend nicht zu trüben vermochte.
Sie wirkte wie ein greller Scheinwerfer in einer Welt voll Dunkelheit.
Ino Yamanaka.
Langsam setzte er einen Schritt vor den anderen und steuerte auf die Theke zu. Er nahm ein paar Stühle von ihr entfernt Platz und gab dem Barkeeper sein übliches Zeichen. Der hielt, wie schon die Abende zuvor, ein kleines Glas und eine volle Flasche Hochprozentigen für den Blonden bereit.
„Für mich auch noch was“, kratzte Inos Stimme neben ihm.
Er betrachtete sie lange aus dem Augenwinkel, nahm dabei immer wieder einen kräftigen Schluck Alkohol, und fragte sich, was sie hier wollte.
Schmale, zierliche Finger griffen nach dem frisch gefüllten Glas des Barkeepers und ein Lächeln bildete sich auf ihren Lippen. „Starrst du mich nur so an, oder hast du nen bestimmten Grund?“
Zuerst wollte er ihr gar keine Beachtung schenken. Trinken alleine war immerhin viel effektiver, als es zu zweit der Fall war. Und außerdem wollte er keine Gesellschaft. Aber der Blick in ihren Augen, als er sich in ihre Richtung drehte, lies ihn kurz innehalten. Er kannte diesen Ausdruck. Es war derselbe, dem er jeden Morgen im Spiegel gegenüber stand.
„Eigentlich hab ich mich nur gefragt, wie so jemand wie du ausgerechnet hier landet.“
Ino stand vorsichtig auf. Man kannte an jede ihrer Bewegungen, dass sie schon mehr als genug getrunken hatte. Behutsam kam sie näher, stützte sich dabei gegen die Stühle zu ihrer Seite und nahm dann neben ihm Platz.
„Was ich hier mache?
Sonnenschein Naruto Uzumaki, ich werd später mal Hokage und stärkster Ninja der Welt, stellt mir so ne Frage? Was machst du hier?“
Er nahm einen weiteren Zug aus seinem Glas und leerte den letzten Schluck Sake. Ein Ausdruck von Trauer und Amüsement zierte sein Gesicht und er stieß ein langes Seufzen aus.
„Ich spiele.“
Ino warf ihm einen fragenden Blick zu und strich sich eine Strähne aus ihrem Gesicht. Sie war betrunken, hatte aber kein bisschen ihrer Anziehungskraft verloren.
„Und was spielst du?“
Ihre Augen blitzten kurz auf und sie schien neugierig geworden zu sein. Ihre Stimme klang überrascht, und ebenso ein wenig traurig wie die seine.
Naruto bereute die Aussage. Er wollte keine von seinen kürzlich errichteten Mauern einreißen und sein Inneres nach außen kehren, wie er es all die Jahre getan hatte.
„Das Vergessensspiel.
Wenn man genug davon trinkt, hat man für n paar Stunden gewonnen.“ Der Blonde deutete auf die Flasche vor ihm und verzog sein Gesicht zu einem schiefen Lächeln.
Ino erkannte ihn kaum wieder. Nicht das Fehlen seiner üblichen Garderobe war der Grund dafür, obwohl sie zugeben musste, das ihm das schwarze Shirt und die verwaschene Jeans um Welten besser passten, als die orangen Stimmungstöter von damals.
Viel mehr lag es an seiner Ausstrahlung. Er wirkte reifer, erwachsener, und deutlich melancholischer als früher.
„Und weshalb spielst du? Warum willst du vergessen?“
„Weil ich, wenn ich nicht vergesse, langsam durchdrehe.“
Er nahm einen letzten Schluck des Alkohols und setzte sein altes Fuchsgrinsen auf, ehe er sich vom Hocker stieß.
„Aber genug mit dem trübseligen Gerede. Hab morgen ne wichtige Mission, also muss ich bald raus.“
Eine Lüge. Naruto wusste es, ebenso wie Ino. Sie kannte ihn zwar nicht besonders gut, aber durch seine Fassade konnte man ohne Probleme hindurch sehen. Er spielte die Masche des gut aufgelegten, sorgenfreien Hokageanwärters weitaus schlechter als zu seinen besseren Tagen.
„Ich dachte, du wolltest wissen, wieso ich hier gelandet bin?“
Sie konnte spüren, dass er allein sein wollte. Und dennoch hielt sie ihn davon ab. Was immer ihn auch bedrückte, es schien weitaus mehr zu sein, als sie auf den ersten Blick angenommen hatte.
„Lass mich raten. Sakura wieder mit Sasuke zusammen, mittlerweile die…
die dritte Reunion, also ertränkst du deinen Kummer hier. Voll ins Schwarze?“
Ino stieß ein lautes Lachen aus und ihre Lippen formten sich zu einem einzigartigen Lächeln, während sie eine Strähne hinter ihr Ohr strich. Narutos Herz setzte einen Schlag aus und er sah seine Fingerspitzen langsam durch ihr seidiges Haar gleiten, ehe er seine Tagträume beiseite schob.
„Seit wann bist du so zynisch geworden?“, ertönte der melodische Klang ihrer Stimme. Er hatte schon zuviel getrunken. Der Alkohol tat das gerne, und er wusste es bereits. Er machte Dinge schöner, verlieh ihnen alle etwas Reizvolles.
Naruto war sich jedoch nicht sicher, ob Ino Yamanakas Ausstrahlung tatsächlich noch an Reizbaren zulegen konnte. Sie hatte schließlich schon ohne Alk dieses Gewisse etwas, nachdem manche Frauen ihr Leben lang suchten.
„Du hast jedenfalls nicht ganz recht“, fuhr sie etwas leiser fort, „Sasuke kümmert mich schon seit langem nicht mehr.
Es ist mehr… ein alter Freund...“
Der Blonde kannte den alten Freund. Und er hätte sich am liebsten selbst geohrfeigt.
Asuma. Es fiel ihm erst jetzt wieder ein. Die ganze Geschichte hatte mit Shika begonnen; aus dem Verlust seines Mentors heraus. Das war auch der Grund für das Saufgelage vor einer Woche gewesen, bei dem er zum ersten Mal so viel getrunken hatte. Und seither war Naruto jeden Abend hergekommen. Aber er war nicht der einzige, der manchmal einfach vergessen wollte.
-
Naruto wusste, dass es eine dämliche Idee gewesen war. Er wusste es von jenem Augenblick an, in dem er seine Apartmenttür zur Seite stieß und in sein Schlafzimmer wankte, mit ihren Füßen hinter seinem Rücken verschränkt und seinen Nacken entlang küssend.
Seine Zunge manövrierte sich Sekunden später gekonnt durch ihren Mund und entlockte ihr ein leises Stöhnen. Der Blonde wurde taub für die Welt um ihn herum und vernahm nur noch Inos leises Keuchen, das sanft an sein Ohr drang und seinen Verstand in Brei verwandelte.
Sex und Alkohol rochen ungewöhnlich zusammen, doch das war nicht mehr wichtig.
Auch, wie sie ihr Top so schnell ausgezogen hatte und ihren Körper gegen den seinen presste, war nicht mehr von belang.
Alles, was in diesem Moment für ihn zählte, war, dass er sich nicht mehr einsam fühlte. Und zum Teufel mit den Scheiß Konsequenzen, sie konnte Küssen wie…
Er fand keine passenden Worte dafür. Und Zeit zum Nachdenken hatte er keine.
Also warf er sie aufs Bett und tat das, was ihm jede Faser seines Körpers befahl…
Naruto Uzumaki hatte viele Wünsche, die auf seiner Liste ganz oben standen. Hokage werden war nur ein Beispiel davon.
Doch in genau diesem Moment verblassten seine Wunschträume allesamt. Denn das Gefühl jener Nacht konnte ihm kein Alkohol oder das schlechte Gewissen vor dem nächsten Morgen rauben.
Die Leere war weg, und nicht durch das taube Gefühl des Alkohols ersetzt, sondern durch den warmen Körper neben ihm.