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Kartoffelsalat

Denn du bist, was du isst
von

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Alles legt sich irgendwann zu Ruh

Kartoffelsalat

Denn du bist, was du isst
 

Kapitel 3

Alles legt sich irgendwann zu Ruh
 

Still war es. Sanft hatte sich der Wind über die zahllosen Grashalme gelegt, sie zärtlich an den Boden gedrückt und mit seiner unerschütterlichen Schönheit und Stärke zugedeckt. Die Wolken standen ungewöhnlich hoch am Himmel, zogen sich wie ein langes, weißes Band graziös über das tiefblaue Firmament und wanderten ruhig aber dennoch bestimmt ihre endlosen Wege entlang.

Es war Spätsommer. Im Grunde die beste Zeit um an einem Ort wie diesem seine verdiente Ruhe zu finden, neue Kraft zu tanken oder einfach mal in Gedanken zu schwelgen.

„Manchmal muss ich mich doch wundern wie“, Albrechts Blick kletterte hoch hinauf, sodass er einer besonders großen, aber dennoch anmutigen Wolke mit seinen weit aufgerissenen Augen gierig und fast schon sehnsüchtig folgen konnte, „lange es schon her ist.“
 

Er ließ seine Augenlider sanft aufeinanderschlagen ehe er die ausgefächerten Hände in das nasse Gras schob und mit feinfühligen Fingerspitzen den feuchten Boden berührte. Fritz, der direkt neben ihm saß, starrte weiterhin unbeirrt in die Ferne, ohne seinen Kopf auch nur ein wenig in die Richtung seines Freundes zu drehen.

„Weißt du“, wieder war es Albrecht, der mit seiner ruhigen Stimme die wohltuende Stille der menschenleeren Natur durchbrach und seufzend seine Blicke auf eine weitere, dahinziehende Wolke richtete, „ich frage mich oft, ob es auch anders ausgegangen wäre.“

In einer schnellen, aber nicht hektischen Bewegung hatte Brandenburg seinen Körper nach links gewandt und liebkoste mit seinen stechend grünen Augen, einige melancholische Seufzer nachziehend die strahlende, anmutige Herrlichkeit der Uckermark. Seiner Uckermark.
 

Wie eine sanfte, harmonische Welle ritt ein herrlich grünes Band über den fruchtbaren Boden und ließ die unberührte Schönheit beinahe ewig währen. Als ob der Himmel nie enden würde, kilometerweit erstreckte er sich und kitzelte sanft die lebhaft blühenden Ufer unzähliger kleiner Seen und Teiche, die dem Land eine unbeschreibbare, magisch erscheinende Anmut verliehen.

„Manchmal kann ich nicht anders, als an Allem zu zweifeln.“, Albrechts Finger gruben sich tiefer in das aufgeweichte Bett aus weicher, feuchter Erde und binnen kürzester Zeit hatte der 23-Jährige einige Büschel vom kräftigen grünen Gras in seinen Händen. „Vielleicht liegt es daran, dass es mir wie eine falsche Wirklichkeit vorkommt.“
 

Das Geräusch eines einheimischen Vogels gesellte sich zwischen die im Einklang zueinander stehenden Stimmen der Landschaft. Im Schutz der Schatten bietenden Bäume horchten sowohl Mecklenburg-Vorpommern, als auch Brandenburg auf, die augenblicklich in all ihren Bewegungen inne hielten.

„Ein Fischadler?“

Fritz Finger wanderten zielsicher über den schwarzen Kunststoff seines Fernglases während er versuchte das verlautete Geräusch zu lokalisieren und einzuordnen. Mit einem verdrießlichen Grummeln verneinte er anschließend die Frage des Älteren und legte stillschweigend das Okular an seine Augen.
 

Mit überaus großem Interesse versuchte nun auch Albrecht den zum Geräusch dazugehörigen Vogel auszumachen, was ihm mit bloßem Auge aber kläglich misslang. Die Minuten verstrichen und als der Wind den beiden Bundesländern sanft durch die blonden Haare strich, spürte Albrecht plötzlich einen starken Arm auf seiner Schulter.

Fritz presste seinem südlichen Nachbarn das Fernglas vors Gesicht und versuchte im gleichen Atemzug durch einen ausgestreckten Arm die Richtung zu signalisieren, aus der das anmutige Tier sein Revier markierte. Und in der Tat, es war überwältigend. Ein ausgewachsener Schreiadler, mit erschreckend klarem, aber dennoch natürlich braunem Gefieder hatte sich zwischen die Baumkronen zweier niedrig gelegener, fast ins Wasser reichender Birken gesetzt und beobachtete arglistig seine Umgebung.
 

Albrecht konnte sich ein freudiges Lächeln nun nicht mehr verkneifen, „Er ist wunderschön. Wirklich wunderschön.“

Doch er wusste, dass er mehr zu sich selbst sprach, als wirklich ein interessantes Gespräch mit dem Norddeutschen aufbauen zu können. Anscheinend war diesem die stille Verbundenheit mit der sich präsentierenden Natur bereits weitaus wichtiger geworden als rein verbale Kommunikation. Oder, Albrecht senkte das Fernglas und platzierte es sicher in seinem Schoß, oder Fritz war eben einfach das, was er immer war. Ein harmloser, in sich gekehrter Mann mit dem man leichter umgehen konnte als stets angenommen. Jemand, der den Brandenburger eher an vergangene, melancholische Tage erinnerte.
 

„Und dabei haben wir einst so schwer um dieses Land gekämpft“, der Ältere blies die angestaute Luft höhnisch zu beiden Nasenlöchern aus, und überreichte seinem Nachbarn in einer schnellen Bewegung das kleine, schwarze Fernglas. „Ein Schreiadler, wenn ich nicht irre.“

Mit einem verzerrten, fast schon aufgesetzten Lächeln sah er erst das unbeirrt trübe Gesicht Mecklenburg-Vorpommerns und wandte sich anschließend den Anflug von Melancholie ankämpfend von ihm ab, „Will es denn niemand sehen?“

Seine Augen schlossen sich wie von selbst, ließen den Wind über die hervorstehenden Augenlider streicheln und halfen ihm dabei sich einzig und allein auf dieses bezaubernde Umfeld zu konzentrieren. Die Uckermark. Immer noch seine Uckermark. Wohl einer der schönsten und magischsten Orte, die es hier in Deutschland gab. Wenn nicht sogar der Magischste. Im Grunde wusste Albrecht, wie reich er beschenkt worden war, wie unendlich glücklich er sein sollte diese Pracht genießen zu können, und dennoch quälte ihn dieses Land, zerdrückte ihn innerlich und schnürte ihm jegliche Luft zum Atmen ab.
 

„Können sie es vielleicht nicht sehen?“, obwohl seine Stimme ein wenig holperig klang, mischte sich unter seinem eigenen Zweifel auch ein Hauch von bittersüßer Traurigkeit, fast so als habe er das Himmelstor gefunden und niemand habe ihm folgen können. „Oder wissen sie nicht dass es überhaupt existiert“, er schluckte hart, „dieses Land?“

Wieder war es der Wind, der dem Geschehen eine gespenstische, fast schon surreale Bedeutung gab, als er sanft aber resolut durch die dunkelgrünen Baumkronen wehte und die Köpfe beider Männer malerisch umtanzte. Im Wasser erklangen die melodischen, heimatlich vertrauten Klänge seiner unzähligen Bewohner und auch die einzelnen, wärmenden Strahlen der Septembersonne kämpften sich zu den beiden Bundesländern hervor.
 

„Meine Großmutter meinte immer, man muss auch im Verborgenen Schätze suchen.“, Fritz drehte sich nicht um, verzog keine Miene, sprach aber mit einer ruhigen, sanften, und ziemlich harmonisch klingenden Stimmlage, „Selbst wenn man der Einzige ist, der diesen Schatz ehrt, man muss ihn suchen und bewahren.“

Hellgrüne, stechende Augen trafen auf tiefgrüne zusammengepresste Schlitze. Als sich die Stille des kleinen Seeufers langsam über die menschlichen Körper gelegt, sie ummantelt und in sich aufgenommen hatte, nickte Fritz seinem Freund anerkennend zu. Er hatte verstanden. Im Gegenzug antwortete Brandenburg mit einem ehrlichen Lächeln, nickte ebenfalls und richtete seinen Blick hinauf auf das sommerlich glänzende Wasser.
 

Ja, die Uckermark war sein Schatz. Er allein hatte ihre grenzenlose Schönheit kennen müssen, er allein hatte ihr mit ganzem Herzen seine Liebe und Bewunderung schenken sollen, er allein. Andere brauchte man nicht. Vielleicht war es auch besser so. Egal, wie viele Menschen die Welt eroberten, sie ihrer Schätze beraubten und wild plünderten, hier war es still. Blieb es auch. Und, er sah hinauf zum Himmel, wo er die ausgebreiteten Schwingen des Schreiadlers über den Baumkronen ausmachen konnte, und sicher war er nicht der Einzige, der sich insgeheim doch wünschte es möge so bleiben.
 

„Sie“, Mecklenburg-Vorpommerns monotone Stimme riss ihn aus der Zufriedenheit seiner Gedanken, und hinterließ im ersten Augenblick nur eines: Verwirrung.

„Was?“

„Sie“, wiederholte der Jüngere, „Sie ist wunderschön. Es ist ein Weibchen.“

Und unter dem majestätischen Klang des herrlichen Tieres mischte sich auch Albrechts befreites und lebhaftes Lachen, herzhaft wie selten zuvor, sodass es noch lange in der Uckermark zu hören war.



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  Teilchenzoo
2011-10-26T15:59:44+00:00 26.10.2011 17:59
Ich kann die Stimmung wirklich wunderbar nachvollziehen. Genauso geht es mir mit meiner Heimat am Rande des oderbruchs, auch. Ich liebe diese Gegend einfach. Es gibt Orte, die sind ihr ähnlich, aber ich kann denen einfach nichts abgewinnen. Sie wirken eben wie schlechte Kopien. Hier fehlt dieses, dort fehlt jenes.
An der Uckermark mag ich besonders die Obstbaumbestandenen Feldwege und Huckelpisten <3. Einfach schön. Meck-Pom ist auch ein guter Ort zum Leben. Und trotzdem sehen so wenige Menschen, wie wunderschön die Gegend ist, in der sie wohnen. In den Medien kriegt man davon auch nie was mit, immer nur soziale Brennpunkte und verzweifelte wirtschaftliche Versuche und blabla ... es gibt doch noch so viel mehr als das. Und das hast du wunderbar dargestellt. Ich kann verstehen, wie man sein Herz so sehr an einen Landstrich hängen kann.

Lg
Von:  Phillia
2010-09-06T12:34:06+00:00 06.09.2010 14:34
(Übliches Blabla über "konstruktiv" und die Unmöglichkeit, diesen Zustand jemals zu erreichen, wurde heute aus Kostengründen gestrichen.)

Ich habe im Hintergrund Regen gehört und es war fast zu perfekt, um wahr zu sein. Ich kann zwar absolut nicht nachvollziehen, wie es ist, so sehr an die Mark und ihre Schönheit gebunden zu sein, aber beim Lesen hatte ich dieses melancholische Gefühl von jemandem, der sich zurücksehnt in die ruhigen Tage, in denen man sich im Wald nach einem anstrengenden Tag auf das nasse Laub gesetzt hat und die Sonne durch die Baumkronen geblinzelt hat und alles irgendwie auf eine verquere Art und Weise perfekt war.
Hm... es war wie eine kleine Oase, und ich denke, das trifft die beiden in ihrer Interaktion auch sehr gut; dieses ruhige, friedliche, harmonische; dass sie mit sich selbst und mit der Natur absolut im Reinen sind und-- ♥ Sehr schön, wirklich.

Zu deinem Schreibstil will ich gar nicht mal so viele Worte verschwenden; du weißt, dass ich ihn vergöttere, und jedes Mal, wenn ich das sage, meine ich es absolut ernst, sonst würde ich es nicht sagen. Ich finde wirklich, dass du wunderschön und beinahe samten schreibst und ich liebe diesen Stil so sehr. <3
Von:  pokingmadness
2010-08-28T22:59:47+00:00 29.08.2010 00:59
Wow.
Erstmal: Vielen, vielen, vielen Dank!! Ich glaub du weiß gar nicht, wie sehr ich mich darüber gefreut habe. <333

Man merkt richtig, dass sie in einer anderen Welt leben, als die meisten anderen. Viel ruhiger, viel mehr auf die Natur bezogen... aber da beide so sind, macht ihnen das auch überhaupt nichts aus und schafft so eine Harmonie, in der sich die beiden auch ohne Worte verstehen können... oder wenigstens einigermaßen, haha.
Und die Uckermark schau ich mir nächstes Mal definitiv genauer an. Aber ganz genau! <3
Haaach diese zwei :D Wer braucht denn schon Metropolen und so wenn man zu zweit Vögel anschauen kann! :DDD

Hab ich erwähnt dass das toll ist?
Ich mag es, wie poetisch du schreibst!
Ich jedenfalls find den Stil voll schön <3

Dankeschön, liebe moi! >u<
Vielen, vielen Dank!


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