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Momentaufnahmen

von

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Überheblichkeit

Hey!

Entschuldigt bitte, dass das Kapitel heute so spät kommt, aber ich hab gestern noch einer Freundin geholfen ihr Gesellenbuch zu schreiben und das hat bis um drei Uhr nachts gedauert. Dann bin ich tot ins Bett gefallen und jetzt erst aufgewacht. Ich wünsche euch trotzdem viel Spaß beim Lesen!

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Er hatte erst mit Tobi, dann mit Leon telefoniert.

Tobi hatte ihn angerufen, er dann Leon. Sie wollten sich treffen. Und das taten sie in einem Café in der Stadt. Als Leon und Phillip dort ankamen, war Tobias bereits da, erhob sich, als sie an den Tisch traten und gab ihnen die Hand zur Begrüßung. Sie setzten sich, Phillip bestellte Kaffee, Leon Eiskaffee.

„Also?“, fragte Phillip schließlich, durchbrach die Stille. „Wieso willst du dich mit uns treffen? Sind wir dir nicht peinlich? Ekeln wir dich nicht an?“ Leon ergriff unterm Tisch seine Hand.

Tobias hingegen lehnte sich zurück und entgegnete: „Darum geht es jetzt nicht. Ich will einfach nur mit euch sprechen.“

„Und worüber?“, fragte Phillip und wusste, dass sein Tonfall mehr als unterkühlt war. Tobi hingegen lachte nur auf, schüttelte den Kopf und fragte dann: „Worüber wohl? Es geht um die Mannschaft. Und um euch.“

„Ja, worum auch sonst“, knurrte Phillip.

Der Kaffee kam. Tobi hatte schon eine Tasse vor sich stehen. Phillip legte schweigend die Kaffeesahne von der Untertasse auf den Tisch, ließ den Zucker unangerührt. Dafür schnappte sich Leon seine zwei Päckchen Zucker, kippte sie sich auf die Sahne – er war unverbesserlich.

„Hört zu: Ihr wisst genauso gut wie ich, dass wir jetzt in einer höheren Liga spielen werden. Und dass die Mannschaft von eurer Beziehung – oder was auch immer ihr miteinander habt – nicht begeistert ist.“

„Beziehung trifft es schon ganz gut, es geht schließlich nicht nur ums Ficken“, meldete sich nun Leon zu Wort und Phillip sah, wie Tobi kaum merklich zusammenzuckte, als er es sich wahrscheinlich gerade vorstellte. Doch er schüttelte den Kopf und fuhr fort: „Ist mir ja eigentlich auch egal. Aber auf jeden Fall beeinträchtigt das unser Spiel. Wir können nicht auf euch verzichten, das wissen auch die anderen, aber sie wissen dafür nicht, wie sie mit euch umgehen sollen. Ich muss auf jeden Fall mit ihnen reden, aber ich weiß nicht, was ich ihnen sagen soll…“ Er stockte, sah die beiden abwechselnd an.

Phillip ließ Leons Hand los, trank einen Schluck seines Kaffees und sagte dann: „Und deshalb wolltest du uns das fragen?“ Tobi nickte. „Wie wär’s, wenn du ihnen sagst, dass wir noch immer Menschen sind und nicht irgendeine einzigartige Tierart vor der man sich in Acht nehmen muss? Und dass so was definitiv nicht unser Verhalten auf dem Platz beeinträchtigt. Schließlich habt ihr es die ersten paar Monate doch auch nicht gemerkt.“

„So lange schon?“, fragte Tobi, wirkte doch verblüfft.

„Ja, so lange. Bis Mark uns geoutet hat.“ Leon rührte mit dem Strohhalm in seinem Eiskaffee herum und trank dann einen Schluck.

Tobi schien zu überlegen, bis er schließlich sagte: „Das ist allerdings ein Argument. Ist es euch denn recht, wenn ich mit den anderen spreche?“

„Wenn sie dann aufhören so beschissen zu spielen“, lachte Leon, zeichnete mit dem Finger Muster in das Kondenswasser, das an dem Glas abperlte. Phillip rang sich ebenfalls ein Lächeln ab, Tobi nickte nur.

Während sie ihren Kaffee austranken, sprachen sie kaum miteinander und erst als sie sich voneinander verabschiedeten, ließ Phillip Tobis Hand nicht gleich wieder los, sondern sah ihm fest in die Augen, als er sagte: „Ich find’s echt ziemlich edel von dir, dass du das machst. Ich danke dir.“

„Kein Ding.“ Er lächelte, fühlte sich augenscheinlich immer noch ziemlich unwohl. „Ich bin ja schließlich Kapitän, da muss man sich ja auch um das Klima in der Mannschaft kümmern. Ich werd dann morgen vor dem Training mit den Jungs reden.“

„Danke sehr.“ Nun ergriff Leon Tobis Hand, lächelte ihm entgegen. „Wir wissen das zu schätzen. Bist echt 'n guter Kapitän.“

„Hoffentlich klappt’s auch“, erwiderte Tobi nur. Sie verabschiedeten sich endgültig voneinander und gingen dann auseinander.

Als Phillip und Leon ungefähr die Hälfte des Weges nach Hause zurückgelegt hatten, brach Leon das Schweigen, indem er fragte: „Glaubst du, dass es was bringt?“

„Wäre wünschenswert“, entgegnete Phillip. „Schließlich waren die letzten Spiele nicht unbedingt der Burner. Und wenn wir nicht gleich wieder absteigen wollen, sollten sie mal zu Vernunft kommen. Sie müssen uns ja nicht gleich beglückwünschen oder aufgesetzt die Freundschaft wieder aufnehmen; sie sollen sich einfach nur zusammenreißen und gescheit spielen. Mehr wird und kann Tobi von ihnen auch nicht verlangen.“

Leon nickte. Phillip wusste, dass es ihn immer noch schmerzte, dass die anderen es nicht schafften ihn so zu akzeptieren, aber wenn sie ihn wenigstens wieder aktiv ins Spiel aufnehmen würden, würde es ihn schon wieder aufmuntern. Und bis dahin musste er doppelt für ihn da sein.

Er hoffte wirklich, dass Tobis Gespräch morgen mit der Mannschaft erfolgreich verlaufen würde.
 

Phillip hatte es zwar gehofft, aber kaum geglaubt, deswegen erstaunte ihn die Mannschaft, denn sie schafften es tatsächlich sich zusammenzureißen und auf dem Platz mit ihm und Leon zu kooperieren. Die nächsten Trainingseinheiten verliefen mehr als gut, die Spiele die sie bestritten liefen traumhaft für sie und das Spiel gegen Freiburg rückte immer näher.

Sie schwammen auf einer Welle des Erfolges und hatten schon längst vergessen wie es sich anfühlte zu verlieren und sie waren töricht genug davon auszugehen auch gegen Freiburg zu gewinnen.

Einzig Leon schien den Boden unter den Füßen nicht verloren zu haben, denn am Abend vor dem großen Spiel hatte er zu Phillip gesagt: „Die anderen unterschätzen Freiburg gewaltig. Wir hatten in letzter Zeit einfach unglaubliches Glück. Wir haben nicht überragend gut gespielt sondern die anderen überraschend schlecht. Wir dürfen nicht davon ausgehen, dass wir gewinnen, denn dann beginnen wir nicht einmal zu kämpfen.“ Phillip hatte Leons mahnende Worte mit einer wegwerfenden Handbewegung abgetan und sich wieder dem Abendessen zugewandt.

Aber nun standen sie fassungslos auf dem Platz und lagen mit Zwei zu Null im Rückstand.

Sie hatten nicht mehr viel Zeit übrig und irgendein Wunder müsste geschehen.

Aber nichts geschah. Die gegnerische Verteidigung stand perfekt, ließ ihre Stürmer einfach nicht durch. Sie hingegen waren wie erstarrt.

Doch dann passierte es: Phillip hatte es geschafft sich durchzukämpfen. Er stürmte also nach vorne, sah sich um, wer mit ihm kam und erblickte Mark. Er wartete noch einen Moment, dann spielte er ihn an. Doch noch bevor der richtig am Ball war, wurde er übel gefoult.

Im 16er.

Der Schiedsrichter entschied für eine Gelbe Karte gegen den Freiburger und für einen Strafstoß für ihre Mannschaft.

Leon würde ihn durchführen, doch er stand nur etwas hilflos mitten auf dem Platz.

Zuvor war er der einzige gewesen, der nicht aufgegeben hatte, der gekämpft hatte. Er war gesprintet, hatte sich in Zweikämpfe gestürzt und alles versucht um die Tordifferenz zu schmälern.

Und nun stand er da und wirkte wie zur Salzsäule erstarrt.

Phillip lief auf ihn zu.

Er packte seinen Kopf, zog seine Stirn gegen seine eigene, sah ihm tief in die Augen.

„Ich kann nicht“ Leon sagte es kaum, er formte nur stumm die Worte, doch Phillip verstand ihn. Er schüttelte langsam den Kopf und sagte dann: „Ich weiß, dass du es kannst. Du bist der einzige von uns, der von Anfang an gekämpft hat. Du kannst es! Und nur du allein hast es verdient diesen Elfmeter zu versenken. Baller ihnen den rein! Und wenn es nur Ergebniskosmetik ist, ein Tor hauen wir ihnen rein. Nein, du haust ihnen ein Tor rein. Damit sich dein Kampf gelohnt hat. Ich glaub an dich.“

Leons Blick wurde langsam selbstsicherer. Er biss die Zähne aufeinander, klopfte Phillip noch einmal auf die Flanken, dann gingen sie auseinander.

Leon ging in Richtung Ball, der schon positioniert war.

Der Torwart stand spannungsgeladen im Tor.

Ob er sich wohl schon für eine Ecke entschieden hatte?

Die Anspannung stand ihm ins Gesicht geschrieben und Schweiß perlte auf seiner Stirn – Phillip war nicht sicher, ob es wegen der Konzentration oder der Sonne war.

Leon hatte die Augen geschlossen, die Hände in die Hüfte gestemmt, schien sich zu sammeln und zu konzentrieren. Dann öffnete er schlagartig die Augen und ein angriffslustiges Funkeln war in sie getreten. Er fixierte den gegnerischen Torwart und grinste ihn an.

Sie warteten nur noch auf den Pfiff, der den Schuss frei gab.

Phillip schwitzte. Er stand bei Tobi und Mark. Sie sprachen nicht miteinander, sahen alle nur gebannt zu Leon. Er musste den Elfmeter einfach verwandeln.

Die Sekunden vergingen quälend langsam und mit jeder strebte die Anspannung weiter gegen eine unermessliche Höhe.

Aber eigentlich war es nicht schlecht, dass der Schiedsrichter so lange brauchte. Ihre Mannschaft hatte Zeit sich wieder neu zu sammeln und ihren Kampfgeist neu zu entfachen. Je länger der Pfiff auf sich warten ließ, desto höher loderte das Feuer ihres Willens in ihnen auf. Ihr Wille zu gewinnen. Sich zu beweisen.

Und dann gellte der Pfiff.

Leon starrte den Torhüter noch einige Sekunden lang an, dann startete er seinen Anlauf. Er beschleunigte und kurz bevor er beim Ball war, holte er aus mit seinem starken linken Bein.

Dann schoss er.

Mit einer unglaublichen Wucht traf er den Ball und der flog in Richtung Tor.

Phillip sah es wie in Zeitlupe, obgleich es eigentlich nur eine Sache von Sekunden war.

Leon hatte in die untere, rechte Ecke gezielt.

Zielstrebig bahnte sich der Ball den Weg.

Nichts schien sie mehr vom Zwei zu Eins zu trennen und Phillip biss sich auf die Unterlippe.

Doch dann kam der Torwart ins Spiel.

Er hatte sich für die richtige Ecke entschieden.

Er hielt bravourös.

Die Freiburger stürmten zu ihrem Torwart, fielen über ihn her.

Leon hingegen fiel auf die Knie. Er vergrub das Gesicht in seinen Händen.

Phillip konnte seine Enttäuschung, seine Scham und seine Wut auf sich selbst beinahe spüren. Wie hatte er diese Chance nur vergeben können? Das war die Frage, die Leon wohl gerade durch den Kopf schoss.

Langsam ging er zu ihm, legte ihm die Hand auf die Schulter.

„Was soll’s?“, fragte er, lächelte unwillkürlich. „Der Torwart hat richtig getippt. Kann passieren. Immerhin hast du nicht meilenweit danebengeschossen. Hätte er sich anders entschieden, wäre es ein Tor gewesen.“

„Ich hasse mich!“, murmelte Leon, sah nicht auf.

„Ich dich nicht“, entgegnete Phillip, griff ihm unter die Arme und hievte ihn auf die Beine.
 

Sie hatten das Spiel verloren. Vier zu Null.

Nun wussten sie wieder wie schmerzhaft sich eine Niederlage anfühlen konnte.

Besonders weil sie so überheblich an die Sache herangegangen waren.

Hätten sie von Anfang an wirklich gekämpft und alles gegeben, hätten sie ihre Talente, Fähigkeiten und Erfahrungen genutzt und wären dann geschlagen worden, wäre es anders gewesen. Doch es war eine Tatsache, dass sie schon vor Beginn des Spiels davon ausgegangen waren, es schon gewonnen zu haben.

Dadurch hatten sie sich nicht vollkommen konzentriert.

Sie hatten schlampige Pässe gespielt, die Zweikämpfe nur halbherzig ausgetragen und waren sich beinahe zu schade gewesen, um sich schmutzig zu machen.

Leon war der einzige gewesen, der alles gegeben hatte, aber alleine konnte man ein Spiel nun mal nicht gewinnen.

Und deshalb war die Niederlage doppelt niederschmetternd. Einerseite war da dieses Gefühl der Leere in ihnen. Sie hatten verloren. Und wer verlor gerne?

Aber erschwerend kam hinzu, dass sie nicht wussten, wie das Spiel ausgegangen wäre, hätten sie sich vollkommen reingehängt und hundertzehn Prozent gegeben. Sie schwiegen in der Kabine und unter der Dusche.

Und mit hängenden Köpfen trotteten sie zum Parkplatz. Als Leon und Phillip im Auto saßen, sagte schließlich Phillip: „Du hattest Recht.“

„Womit?“, fragte Leon. Ihm schien nicht nach Reden zumute zu sein.

„Wir sind die Sache zu halbherzig angegangen. Wir waren viel zu überheblich und jetzt haben die Freiburger uns auf den Teppich zurückgeholt. Und um ehrlich zu sein war die Landung ziemlich schmerzhaft.“

„Seit wann redest du so metaphorisch?“ Leon seufzte genervt.

„Was? Wie rede ich?“

„Metaphorisch: Bildhaft.“ Er schien wirklich gereizt zu sein.

„Sorry, ich kenn halt nicht so viele tolle Fremdwörter wie du!“, blaffte Phillip zurück „Hab halt nicht so 'ne super Schulbildung wie du. Ich bin halt einfach dümmer.“

„Lass das doch.“ Nun klang Leon wieder kleinlaut. „Das wollte ich doch gar nicht damit sagen. Ich find dich nicht dumm.“

„Oh, danke sehr.“ Es hörte sich so sarkastisch an wie es klingen sollte. Leon schwieg. Dann atmete Phillip tief ein und aus und sagte, wieder etwas ruhiger: „Ich wollte dir eigentlich sagen, dass du der einzige bist, der sich nichts vorzuwerfen hat, weil du die ganze Zeit über topp gespielt hast.“

„Mir nichts vorzuwerfen?“, keuchte Leon ungläubig. „Ich hab den behinderten Strafstoß verschossen! Ich hätte ihn einfach versenken müssen! Wie konnte ich die Chance nur so einfach vergeben?“ Er klang verzweifelt. Phillip jedoch fuhr ihn an: „Oh Gott, Leon! Du hast ihn nicht verschossen, der Torwart hat sich einfach für die richtige Ecke entschieden und gut gehalten. Du hast nichts falsch gemacht, er nur alles richtig.“

„Hätte ich nichts falsch gemacht, hätten wir jetzt wenigstens ein Tor auf unserem Konto“, murrte Leon, blickte aus dem Fenster der Beifahrerseite, sodass Phillip sein Gesicht nicht sehen konnte.

„Ach Leon. Es nimmt dir doch keiner übel. Hätten wir nicht so schlecht gespielt, hätte auf dir gar nicht so ein Druck gelastet.“

„Jaja.“ Für ihn war das Gespräch damit wohl beendet.

Natürlich verstand Phillip ihn nur zu gut.

Aus der Mannschaft nahm ihm wirklich niemand übel, dass er den Elfmeter nicht verwandelt hatte. Niemand war ihm böse.

Aber sein größter Feind war momentan er selbst.

Die Messlatte, die er sich selbst gehängt und über die er es nicht geschafft hatte.

„Kommst du mit zu mir?“ Phillip blickte Leon fragend an, der zuckte nur mit den Achseln und murmelte: „Weiß nicht, soll ich?“

„Ich hätt dich gern bei mir.“

„Von mir aus.“

Der Stürmer schüttelte den Kopf. Er wusste einfach nicht, was er tun konnte um Leon aufzumuntern. Er selbst war ja auch enttäuscht und traurig, aber gegen Leons Frustration war das nichts.

Der Rest der Fahrt verlief schweigend und auch als sie die Wohnung betraten, sprachen sie nicht miteinander. Leon ließ sich aufs Sofa fallen wie ein Sack, Phillip setzte sich neben ihn. Sie saßen im Dunklen und schwiegen.

Aber irgendwann schmiegte sich Leon an ihn und murmelte: „Wie konnte ich das nur verpatzen? Ich hätte der Held sein können und was mach ich? Versau es ohne mit der Wimper zu zucken. Ich hasse mich wirklich.“

Phillip lächelte mild, schloss ihn in seine Arme und flüsterte: „Das glaub ich dir, aber da bist du der einzige. Du bist nicht der Erste und wirst auch nicht der Letzte bleiben, der einen Elfmeter nicht verwandelt hat. Und beim nächsten Spiel wirst du dafür 'nen Hattrick hinlegen.“

Leon lachte und Phillip spürte, wie sich seine Brust dabei hob und senkte.

„Übertreib mal nicht, das hab ich noch nie hinbekommen.“

„Dann wird es jetzt mal allerhöchste Zeit dafür. Im nächsten Spiel erzielst du 'nen Hattrick, okay?“

„Du spinnst doch! Du hast doch selber noch nie einen geschafft! Und du bist Stürmer!“

„Na und? Dafür kriegst du es für mich hin und als Libero kommt so was noch besser.“

„Oh Phlip, was erwartest du von mir?“

„Dass du aufhörst dich selbst zu hassen. Wie heißt es so schön? Nach dem Spiel ist vor dem Spiel. Und mal ehrlich: Wie hoch standen unsere Chancen gegen sie zu gewinnen? Ich würde mal schätzen gleich null.“

„Du hast doch keine Ahnung von Wahrscheinlichkeitsberechnungen!“, lachte Leon, legte sich nun mit dem Rücken über Phillips Schoß, lächelte ihm entgegen.

„Wozu auch?“, fragte er. „Es gibt Wichtigeres im Leben.“

„Zum Beispiel?“, fragte Leon, genoss es augenscheinlich, dass Phillip sein T-Shirt etwas hochgeschoben hatte und ihm nun über den flachen Bauch strich.

„Deinen Hattrick im nächsten Spiel“, grinste er, küsste die weiche Haut, die sich über Leons Bauch spannte. Er spürte Leons Lachen mit seinen Lippen und hörte ihn sagen: „Was du wieder für Erwartungen an mich hast. Wenn das so weiter geht, kann ich’s dir niemals Recht machen. Was erwartest du als nächstes?“

Was er erwartete?

Erwartungen waren ein gutes Stichwort. Leon hatte ihm vor ein paar Tagen gesagt, dass er von ihm erwartete, dass er seiner Familie endlich von ihrer Beziehung erzählte. Und eigentlich war diese Forderung gerechtfertigt, aber er wusste einfach nicht, wie er die Sache angehen sollte.

Sollte er nach Hause gehen und seinen Eltern einfach knallhart ins Gesicht sagen, dass er schwul war und seit einigen Monaten in einer Beziehung zu einem Jungen lebte? Oder sollte er solange Andeutungen machen, bis sie von selbst darauf kamen?

Er spürte, wie Leon ihm mit dem Finger gegen die Backe schnippte und hörte ihn vorwurfsvoll seinen Namen sagen. Er blickte der Jüngeren entschuldigend an, fragte dann aber: „Wie hast du’s eigentlich deinen Eltern gesagt?“

Leon wurde ernst. Konnte er etwa ahnen, was in Phillip vorging?

„Ich hab einfach beim Abendessen gesagt: ‚Ich hab euch doch von Phillip erzählt, gell?’ – ‚Ja, dein Kollege aus dem Fußball, nicht wahr?’ – ‚Genau der. Ich bin jetzt mit ihm zusammen.’“ Ungläubig wartete Phillip ab, ob da noch etwas kam, doch als Leon schwieg, fragte er perplex: „So hast du es ihnen gesagt?“

„Naja, meine Eltern wissen ja schon länger, dass ich schwul bin. Aber bei deinen Eltern würd ich dir das nicht unbedingt empfehlen. Am besten, du erzählst ihnen einfach, dass du verliebt bist. Und wenn sie dann interessiert sind und sich für dich freuen, dann kommst du immer mehr mit der Wahrheit raus.“

Er hatte sich schon morgen bei seinen Eltern zum Kaffee angemeldet. Sein großer Bruder würde wohl nicht kommen, weil er doch etwas weiter weg wohnte, aber sein kleiner Bruder wohnte noch zu Hause, der würde zwangsläufig da sein.

Er nickte, formulierte schon mal die Worte vor.

„Oh Mann!“ Erneut riss Leon ihn aus seinen Gedanken. „Du bist so mies! Da bin einmal ich wichtig und dann denkst du schon wieder die ganze Zeit an was Anderes! Ich will dich für mich, wenn ich bei dir bin! Du bist so unfair.“ Er zog einen Schmollmund.

„Tut mir leid“, seufzte Phillip. Eigentlich wollte er ja für Leon da sein, aber die Sache mit seinen Eltern stresste ihn ungemein.

„Lass uns schlafen gehen“, sagte Leon, setzte sich auf, schob sich sein Shirt zurecht und fuhr sich durch die Haare. Phillip sah ihn entgeistert an. Er hatte auf einmal todmüde und fix und fertig ausgesehen. Doch er erhob sich schon im nächsten Augenblick und ging ins Bad um sich die Zähne zu putzen und sich Bettfertig zu machen. Phillip blieb noch einen Moment verdutzt sitzen, bis er ihm folgte, sich neben ihn vor das Waschbecken stellte und sich ebenfalls die Zähne putzte.

Als sie im Bett lagen war Phillip absolut nicht mehr müde.

Was war auf einmal mit Leon los gewesen?

Er lauschte dessen gleichmäßigen Atemzügen. Wahrscheinlich schlief er schon längst.

Doch plötzlich hörte er, wie die Decke raschelte, spürte, wie Leon sich auf der Matratze bewegte und im nächsten Moment lag dessen Kopf auf seiner Brust.

„Ich kann dein Herz schlagen hören“, murmelte Leon leise. Also hatte er gewusst, dass er nicht schlief?

„Na zum Glück.“ Phillip lächelte schief. „Wär blöd, wenn es das nicht mehr tun würde, oder?“

Er spürte, dass Leon nickte. Dann schwiegen sie wieder. Phillip starrte in die Dunkelheit.

Irgendwann ergriff aber wieder Leon das Wort: „Bist du wirklich nicht böse auf mich? Liebst du mich immer noch?“ Verwundert lehnte sich Phillip auf die Unterarme, starrte Leon durch die Dunkelheit hindurch an, konnte nur dessen Silhouette ausmachen.

„Wieso fragst du mich denn so was?“, fragte er dann erschüttert.

„Wegen dem Elfer“, gab Leon kleinlaut zu, suchte nach Phillips Hand, der seine ergriff.

„Um Gottes Willen, Leon! Natürlich bin ich nicht böse auf dich. Und natürlich liebe ich dich noch. Nur weil der Torwart einen Elfmeter gehalten hat… Du spinnst doch!“

„Tu ich nicht!“, sagte er entschlossen, fügte aber noch leise hinzu: „Ich hab nur Angst.“

„Nur weil du dich grad selbst nicht leiden kannst, muss das nicht heißen, dass ich dich auch nicht mehr leiden kann. Damit das passiert, muss schon einiges mehr schief gehen. Nicht nur so ein dämlicher Elfmeter. Und nun vergiss den endlich und schlaf! Du Vollidiot!“ Er ließ sich wieder fallen. Leon legte sich nahe zu ihm, legte ihm einen Arm quer über die Brust und ein Bein über seines.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Tshioni
2010-09-30T19:19:07+00:00 30.09.2010 21:19
wieder ein tolles Kaptitel!!!
Ich bin so froh, das die Mannschaft wieder mit ihnen spielt!
Und das Leon den Elfmeter verschossen hat ist tragisch für ihn! ich kann ihn da verstehen... er wird aber sicher mit philipps hilfe hinwegkommen :)
Freue mich schon auf das nächste Kapitel!
lg
Tshioni
Von:  Yura-san
2010-09-20T17:17:13+00:00 20.09.2010 19:17
Ohh, so ein wundeschönes Kapi *~*
Damit hat man einfach nur noch Schmetterlinge im Bauch...okay ich muss zugeben, dass sie verloren jetzt nicht so toll ist, aber sonst einfach ein tolles Kapi ^-^
Aber auf was für Ideen Leon kommt, also echt, da musste ich schon sehr schmuzeln xD
Wegen einem Elfer, das jemand deswegen jemanden nicht mehr liebt, also echt xD

Danke fürs hochladen und ich freu mich schon auf das nächste Kapi ^^


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