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Momentaufnahmen

von

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Hattrick

Ihre Trennung war nun gut zweieinhalb Jahre her.

Es mochte kitschig klingen, aber er hing Leon noch immer hinterher. In der Zwischenzeit hatte er noch eine Beziehung geführt, aber die war recht schnell gescheitert.

Leon hatte eine raketenhafte Karriere hingelegt. In der Bundesliga war er genial und spielte seit einiger Zeit auch in der Nationalmannschaft. Er hatte wohl auch gute Chancen in den Kader für die bevorstehende Europameisterschaft zu kommen.

Sie hatten den Kontakt zueinander komplett abgebrochen, nachdem Leon gegangen war.

Aber Phillip hatte seine Handynummer behalten; sie nicht gelöscht. Manchmal hatte er abends allein zu Hause gesessen und einfach nur den Namen in seinem Telefonbuch angestarrt, sich überlegt, ob er ihm eine SMS schicken sollte. Doch dann hatte er es zugeklappt und ans andere Ende des Sofas geworfen.

Es war besser so.

Und doch bereitete Leon ihm Sorgen.

Hin und wieder erschienen nämlich Photos von ihm in der Klatschpresse. Auf diesen Bildern schwankte er total besoffen aus einer Kneipe oder einem Club. Phillip fragte sich oft, was wohl mit ihm los war. Als sie noch zusammen gewesen waren, hatte Leon natürlich auch was getrunken, wenn sie ausgegangen waren, doch er hatte nie so fertig ausgesehen.

Dabei hatte er doch alles, was man sich wünschen konnte: Er hatte sein liebstes Hobby zum Beruf gemacht und hatte Geld. Davon konnten andere nicht einmal träumen.

Es war der 29. Dezember. Heiligabend hatte er bei seiner Familie verbracht – auf den Wunsch seiner Mutter hin.

Sein kleiner Bruder und sein Vater waren immer noch kalt zu ihm und schienen ihn am liebsten aus der Familie zu verbannen, doch seine Mutter versuchte alles, damit der Kontakt nicht abbrach, seinem großen Bruder schien es egal zu sein.

An diesem Abend saß er allein zu Hause, sah sich irgendeinen dämlichen Film im Fernsehen an. Draußen schneite es.

An Weihnachten hatte es natürlich nicht geschneit – weiße Weihnachten waren wohl zu viel verlangt, aber ein schweinekaltes Sylvesterfest in Schnee und Eis, das war drin. Er hatte sich eine Decke um die Schultern gelegt und sah stumpf auf den Bildschirm. Sein Leben war sterbenslangweilig.

Als sein Handy klingelte, sah er gar nicht erst auf das Display, sondern nahm nur ab und meldete sich gähnend: „Ja?“

„Phillip? Bist du dran?“ Er konnte die Stimme nicht zuordnen.

„Ja, wer ist da?“ Der Mann am anderen Ende der Leitung lachte nervös auf, dann fragte er: „Erkennst du mich nicht? Ich bin’s, Leon!“

„Leon?“, keuchte er, der Mund fiel ihm auf. Wieso rief er ihn an? Was wollte er von ihm?

„Ja. Puh, ich bin froh, dass du noch deine alte Nummer hast, sonst hätte ich dich wahrscheinlich nicht erreicht… logischerweise.“ Er schien einfach drauf los zu plaudern, doch Phillip konnte noch immer nicht fassen, mit wem er da telefonierte.

„Warum rufst du mich an? Was ist los?“

Leon lachte. „Darf ich meinen Ex nicht anrufen?“

„Doch!“, rief Phillip hastig, erhob sich. „Doch natürlich darfst du mich anrufen, aber…“

„Aber?“, fragte Leon und Phillip ging ans Fenster, sah hinaus in die stille Nacht; auf den leise herabrieselnden Schnee.

„Aber… Hast du eine Ahnung wie lange es her ist, seit wir das letzte Mal Kontakt zueinander hatten? Seit ich deine Stimme das letzte Mal gehört habe? Es hat doch sicher einen Grund, dass du mich anrufst, was ist los?“

„Nichts ist los. Ich bin nur grad in der Stadt – Weihnachtspause, weißt du? Und da dachte ich, dass wir doch mal ein Bier trinken gehen könnten. Vorausgesetzt, du hast Lust dazu mit mir wegzugehen.“

„Kannst du das denn verantworten?“ Er sprach leise, als könne er belauscht werden.

„Ich geh doch nur mit 'nem alten Kumpel 'n Bierchen trinken, Phlip!“

Phlip… Mit Leon war auch dieser Spitzname gegangen und Phillip musste zugeben, dass es ihn einerseits freute, diesen bescheuerten Spitznamen wiederzuhören, andererseits ließ es ihn nostalgisch werden.

„Wenn du meinst… Holst du mich ab?“ Schließlich wohnte er näher am Stadtzentrum als Leons Eltern… wenn es auch nur ein paar hundert Meter waren.

„Klar, soll ich dann so in 'ner halben Stunde vorbeikommen?“

„Ja, das passt, bis gleich dann.“

„Bis gleich!“

Damit war das Telefonat beendet. Phillip sah zum Fernseher und dann an sich herunter. Er hatte den ganzen Tag in Jogginghosen und Gammelshirt auf dem Sofa gelegen und nichts getan. Er sollte sich beeilen und noch mal duschen, bevor er sich anzog.
 

Etwa eine Dreiviertelstunde später klingelte es dann. Er zog sich noch seine Snowboardjacke und die Timberlands an, öffnete dann die Tür.

Vor ihm stand tatsächlich Leon.

Er hatte sich verändert. Er trug einen dunklen Mantel und einen cremefarbenen Schal, hatte die Hände in den Taschen vergraben. Seine Frisur war schrecklich, Phillip hatte sie schon in den Zeitschriften und bei den Spielen gesehen: Er hatte sich die Haare kurz geschoren und sie dann wasserstoffblond gefärbt. So was Grässliches.

„Hi!“ Leon lächelte etwas unsicher und Phillip hatte einen Kloß im Hals, wusste nicht, ob er ihm zur Begrüßung die Hand geben oder ihn umarmen sollte. War das Eine zu kühl? Das Andere übertrieben herzlich?

„Hey!“ Er beließ es bei dem Wort, sah in Leons müde Augen. „Du siehst fertig aus“, sagte er dann, als er die Tür hinter sich zu zog und sich in Bewegung setzte. Leon ging neben ihm her.

„Danke sehr, das hört man doch gern zur Begrüßung.“

„Sorry“ Es war eine schreckliche Situation. Er wusste gar nicht mehr, wie er sich in Leons Nähe verhalten sollte. Er ging nun neben einem berühmten Nationalspieler her, mit dem er einst zusammen gewesen war, was aber niemand wissen durfte. Was war zu viel? Was war zu wenig?

Sie sprachen auf dem Weg in die Stadt nicht miteinander, trotteten nur nebeneinander auf den Straßen, die wie ausgestorben schienen und auf denen inzwischen eine dünne Schicht Schnee lag.

Sie gingen in die nächstbeste Kneipe, setzten sich an einen Tisch in einer Ecke, der etwas Abseits lag. Der Wirt kam zu ihnen und grüßte Leon: „Mensch, der Naumann! Is ja mal 'n Ding! Ich freu mich, dass du hier bist! Was willste denn trinken?“

Leon lächelte ihm entgegen – Phillip erkannte noch immer, dass es mehr oder minder aufgesetzt war. Dann sagte er: „Ja, ich komm auch manchmal nach Hause zur Familie. Ich nehm 'n Bier, danke sehr.“

„Für mich auch 'n Export, bitte“, sagte Phillip rasch, bevor sich der Wirt abwandte.

„Der hat dich einfach geduzt“, stellte er etwas erstaunt fest. Leon zuckte die Achseln.

„Is normal“, erwiderte er. „Irgendwann gewöhnt man sich dran, dass alle Welt einen duzt und meint einen zu kennen, nur weil sie einen bei ein paar Spielen und Interviews gesehen haben. Aber manchmal nervt’s…“ Er seufzte, doch dann lächelte er wieder und sagte: „Deine Haare sind nicht mehr rot.“

Phillip fuhr sich verwundert durchs Haar. Er hatte sie schon lange nicht mehr gefärbt. Doch dann entgegnete er: „Rot waren sie noch nie, ich hab mir ja früher nur die Spitzen rot gefärbt.“

„Ist irgendwie ungewohnt.“ Leon grinste.

„Dafür bist du jetzt blond und hast raspelkurze Haare. Das sieht komisch aus!“ Leon zog daraufhin eine Schnute und meinte: „Findest du’s so schrecklich? Die Presse macht sich auch schon dauernd lustig über mich. War wohl 'n Fehler, ich werd’s bald möglich ändern.“

„Ich mochte deine Locken“, sagte Phillip abwesend und bemerkte, wie Leon eine leichte Röte auf die Wangen trat. War es jetzt falsch gewesen das zu sagen?

Ihr Bier kam. Sie bedankten sich höflich und warteten, bis der Wirt wieder gegangen war, dann stießen sie an.

Nach dem Bier bestellten sie sich das nächste und dann das übernächste. Dazwischen kam noch ein Tequila.

Irgendwann hatte Phillip gesagt: „Mensch, Leon, ich mach mir Sorgen um dich! Du besäufst dich viel zu oft!“

„Das kommt dir nur so vor, weil die scheiß Presseheinis mich immer so unvorteilhaft ablichten. So oft bin ich gar nicht betrunken!“ Er log. Phillip konnte es ihm immer noch sofort ansehen, wenn er ihn anlog.

„Und noch immer bist du unfähig zu lügen. Warum gibst du’s nicht auf?“

„Och Mann, Phlip! Alle anderen kann ich belügen, nur bei dir hat’s irgendwie nie geklappt!“ Der nächste Tequila kam. Wann hatten sie eigentlich beschlossen sich so abzuschießen? „Aber du musst dir keine Sorgen machen, mir geht’s wunderprächtig, alles super!“

„Ich dachte, du hättest gerade erst festgestellt, dass du mich nicht belügen kannst, auch wenn wir uns jetzt zweieinhalb Jahre nicht gesehen haben.“

Leon seufzte und starrte auf seinen Tequila. Was war denn jetzt mit ihm los?

„Stimmt, ist wirklich ewig her.“ Er grinste schief, aber Phillip sah, wie er nervös das Glas in seinen Händen drehte. Wieso wich er ihm aus?

Aber nun nahm Leon seine Zitrone, ließ sie über den Handrücken gleiten und streute dann Salz auf die nasse Stelle. Phillip tat es ihm gleich. Er nahm das Glas in die andere Hand.

Dann stießen sie an und es hieß: lecken, schlucken, beißen! Sie verzogen beide das Gesicht, als sie in die saure Zitrone bissen und Phillip schüttelte sich.

„Also jetzt erzähl endlich!“, drängte er Leon, doch der winkte ab und vertröstete ihn: „Später!“
 

Später war noch ein Bier mehr in ihre Mägen geflossen und nach diesem Bier wollten sie zahlen.

Doch kurz bevor Phillip seinen letzten Schluck trinken konnte, hörte er Leon murmeln: „Du, Phlip?“

„Was'n?“

„Ich wollt fragen, ob ich…“

„Ob du was?“ Wieso war Leon denn schon wieder so nervös und stotterte?

„Ob ich noch mal deine Hände berühren darf.“ Irritiert sah Phillip von seinem Bier zu Leon, der den Blickkontakt suchte.

„Hatten wir das nicht schon mal?“, fragte Phillip immer noch verwirrt und dachte an jene Nacht zurück in der sie auf der Tribüne gesessen und sich das erste Mal geküsst hatten. „Denkst du wirklich, dass das eine gute Idee ist?“, hakte er noch nach. Leon lächelte verschmitzt und nickte. Seufzend legte Phillip seine Hände vor Leon auf den Tisch.

Und es folgte, was auch schon vor Jahren gefolgt war. Leon genoss es sichtlich seine Hände zu liebkosen und sie zu drehen und zu wenden, jede einzelne Line mit den Fingern nachzuziehen und Phillips Fingerspitzen zu befühlen.

Phillip schluckte schwer. Es reizte ihn das gleiche zu tun was er das letzte Mal getan hatte, doch nun war die Situation ganz anders. Er presste die Zähne aufeinander, wusste nicht was er tun sollte.

Unterm Tisch berührten sich nun schon ihre Knie und er spürte, wie Leon ihn sanft aber bestimmt immer weiter zu sich zog. Er musste etwas tun, er musste es unterbinden!

Hinderlich war nur, dass er keine Lust hatte Leon zu unterbrechen, sondern viel mehr darauf ihn zu küssen.

Wieso interessierte es die Nation eigentlich, ob ihre Fußballer nun schwul waren oder nicht? Man spielte ja trotzdem nicht schlechter, wie man an Leon eindeutig erkennen konnte.

„Was hast du vor?“, fragte Phillip irgendwann, wollte es eigentlich gar nicht. Leons Bewegungen erstarrten, dennoch lächelte er schelmisch und fragte leise: „Seltsam, oder?“

Phillip erinnerte sich: das waren die Worte gewesen, die er damals Leon gesagt hatte, kurz bevor sie sich geküsst hatten. Doch Phillip konnte es nicht so weit kommen lassen. So nickte er zum Wirt, der zwar nicht auf sie achtete, aber dennoch anwesend war. Leon verstand diese Geste. Er seufzte und ließ Phillips Hände endlich los. Der setzte sich wieder zurück.

„Sorry“, murmelte Leon dann. „Vergiss es einfach.“ Aber Phillip wollte und würde es nicht vergessen. Wie könnte er auch?
 

Nachdem sie dann endlich gezahlt hatten, Leon hatte ihn unbedingt einladen wollen, aber Phillip hatte stur seine Rechnung selbst übernommen, schwankten sie aus der Stadt in Richtung Wohngebiet.

Leon lachte viel, rutschte hin und wieder aus, krallte sich dann an Phillip fest, um nicht zu fallen.

Sie waren so was von betrunken!

Und Phillip wünschte sich, dass alles wieder so wurde wie früher.

Aber genau aus dem Grund trank er in letzter Zeit eigentlich nie Alkohol. Er wurde so verdammt sentimental und nostalgisch. Leon textete ihn die ganze Zeit mit irgendwelchen Anekdoten von seinen Mitspielern zu und Phillip lachte, hörte aber nur mit einem Ohr zu.

Jetzt war der Abend wohl zu Ende.

Und dann?

Würden sie wieder zweieinhalb Jahre keinen Kontakt mehr haben?

Sie brauchten unglaublich lange, bis sie vor Phillips Haustür standen.

Nun schwiegen sie.

Es war kalt und Phillip machte seinen Reisverschluss noch etwas weiter zu, dann sah er zu Leon, der ihn mit glasigen Augen musterte.

Und er folgte einer plötzlichen, ziemlich bescheuerten Eingebung, mehr einem Verlangen. Er streckte die Hand aus und fuhr Leon durch die Haare.

Sie waren immer noch weich, aber die Locken fehlten einfach.

„Die Frisur sieht echt kacke aus“, sagte er dann leise. Ihm saß schon wieder ein Kloß im Hals. Gleich würden sie sich wieder voneinander verabschieden.

Er musste an ihren letzten Abschied zurückdenken. Er hatte so bitterlich geweint. Hatte auf alle Männlichkeit verzichtet und seinem Bedürfnis gefrönt sich einfach fallen zu lassen. Nur war da kein Leon mehr gewesen, der ihn auffing.

„Ich vermisse deine Locken“, fügte er hinzu, ließ seine Hand auf Leons Hinterkopf ruhen.

Er hatte keine Ahnung wie viel Uhr es war. Wahrscheinlich irgendwas zwischen zwei und drei.

„Phillip, ich…“ Er stockte, sah ihn nur aus unergründlichen Augen an, sprach nicht weiter, sondern trat näher an ihn heran.

Doch dann zog der Stürmer seine Hand zurück und fragte, etwas verlegen: „Willst du noch mit reinkommen? Ein Glas Wasser tut uns bestimmt gut.“ Leon nickte nur. Er wirkte angespannt.

So folgte er dem Älteren in die Wohnung und in die Küche. Stumm tranken sie ihr Wasser.

Phillip stellte irgendwann das Glas auf die Anrichte, Leon tat es ihm gleich. Sie sahen sich für einen Moment in die Augen, dann kam Leben in Leon. Er machte einen Schritt auf Phillip zu, legte ihm die Hände in den Nacken und küsste ihn.

Einfach so!

Ganz plötzlich und ohne jede Vorwarnung.

Phillip hätte diesen Kuss am liebsten einfach erwidert. Er wollte Leon ganz dicht an sich ziehen, ihn einfach nur küssen, dann ausziehen und schließlich mit ihm im Bett landen. Aber stattdessen drückte er Leon von sich und fragte, den Blick gen Boden gerichtet: „Was soll das Leon? Wir sollten uns nicht küssen. Wir sind nicht mehr zusammen.“

Leon allerdings stöhnte verzweifelt, setzte sich an den Tisch, starrte Phillip an und sagte schließlich: „Du hast mich vorhin gefragt, warum ich so oft betrunken abgelichtet werde…“

Der Schreiner nickte.

„Deinetwegen!“, rief Leon aus. „Phillip, ich liebe dich noch immer! Ich vermiss dich jeden scheiß verdammten Tag und wünschte mir, es könnte alles sein wie früher! Natürlich hab ich 'nen geilen Job und es macht mir auch Spaß mit den Jungs zu spielen. Aber ich wünsche mir viel zu oft, dass es wieder ist wie früher. Dass Fußball wieder nur ein Hobby für mich ist und dass ich einfach irgendeinen Beruf erlernt hätte. Dann könnte ich nämlich noch mit dir zusammen sein! Ich könnte dich jeden Tag sehen, dich jeden Tag küssen und müsste dich nicht andauernd vermissen und der Zeit nachtrauern!“

Phillip schluckte schwer. Es ging ihm also genauso?

„Aber du scheinst drüber hinweggekommen zu sein.“ Ein bitterer Zug lag ihm um die Lippen. „Ich dachte vorhin in der Kneipe, als du mir deine Hände gereicht hast, oder als du mir durchs Haar gestreichelt hast, als du mich hereingebeten hast, dass es dir genauso geht. Aber wahrscheinlich hat mich mein Wunsch danach blind für die Realität gemacht. Es tut mir leid. Ich sollte jetzt wohl besser gehen.“

Er erhob sich und wollte schon den Raum verlassen, da fand Phillip seine Stimme wieder und rief: „Leon, warte!“ Der drehte sich zu ihm um und ein herzzerreißend trauriges Lächeln zierte sein müdes Gesicht, als er sagte: „Passt schon, ich muss total bescheuert gewesen sein mir so was einzubilden. Tut mir echt leid, vergiss es einfach.“

„Nein Leon, jetzt warte doch mal einen Augenblick! Ich…“ Er sprach nicht weiter. Er wusste, dass diese Szene nun grausam kitschig werden würde, egal was er tat oder sagte. Für gewöhnlich war ihm dieser Kitsch zuwider, aber – ob es nun am Alkohol oder an Leon lag – für jetzt war es ihm egal.

„Ich hätte nicht gedacht, dass es dir geht wie mir. Aber was würde es uns bringen, wenn wir uns jetzt küssen, oder miteinander schlafen würden? Wir könnten uns ja doch nicht sehen, schließlich kannst du kaum in 'ne Pressekonferenz sitzen und sagen: ‚Ich bin schwul!’ So funktioniert die Welt nicht. Leon, das ist doch alles Schwachsinn! Oh Gott, warum haben wir uns überhaupt getroffen? Wir sind doch total bescheuert!“

Leon bewegte sich nicht, sondern fragte ungläubig: „Du liebst mich auch noch?“

„Und ich vermisse nicht nur deine Locken.“ Er grinste schief.

Und Leon kam auf ihn zu und küsste ihn, doch erneut schob Phillip ihn von sich und seufzte: „Was bringt es uns denn, Leon, es macht alles nur noch schwerer.“

„Scheiß doch drauf, was es uns bringt! Was hat uns das letzte Jahr Beziehung gebracht? Wir haben beide gewusst, dass es zu Ende sein wird, wenn ich gehe und trotzdem haben wir die Zeit genossen so gut es ging! Warum sollten wir das jetzt nicht auch tun? Einfach nur für jetzt, für diesen Moment. Und den Nächsten. Phillip, lass uns doch einfach tun wonach uns ist, auch wenn es keinen Sinn ergibt.“

Wie früher!

Einfach drauf losstürmen und wenn sich eine Chance ergab, diese ergreifen.

Er lächelte und dann zog er Leon wieder näher an sich und nun endlich küssten sie sich richtig.

Und es tat so gut!

Es war wie eine Erlösung. Und Phillip ließ sich einfach nur darauf ein.
 

Am nächsten Morgen, als Phillip erwachte, lag Leon in seinem Arm und er konnte sein Glück kaum fassen.

Er küsste ihn und als der andere die Augen öffnete und verschlafen blinzelte, maulte er: „Wieso weckst du mich auf, Phlip, ich bin müde.“ Er wollte sich wohl aufsetzen, doch ließ er sich wieder ins Kissen zurücksinken und stöhnte. „Au! Fuck, hab ich 'nen Kater! Unerträglich!“

„Willst du 'ne Kopfschmerztablette?“, fragte Phillip und stieg aus dem Bett, machte sich auf den Weg ins Bad zu den Medikamenten, ohne eine Antwort abzuwarten.

Er kam zurück mit einer Schmerztablette und gab Leon diese, zusammen mit der Flasche Wasser, die wie immer neben seinem Bett stand.

„Danke sehr“, murmelte Leon, warf sie ein.

Phillip legte sich wieder zu ihm – zum Glück war er selbst vom Kater verschont worden.

„Weißt du noch, als ich mir das Schlüsselbein gebrochen hatte und dann dem einen Kerl eine mitgegeben hab? Da hast du mich auch im Arm gehalten und mir Schmerzmittel geholt.“ Phillip hatte tatsächlich seinen Arm um Leon gelegt. Er erinnerte sich an die Nacht. Leon hatte ihn spät aufgeweckt und war vor Schmerz und Übermüdung vollkommen aufgelöst gewesen.

Er lächelte, dann sagte er: „Und weißt du noch? Nach dem verpatzten Elfmeter gegen Freiburg hast du mir einen Hattrick versprochen. Den hab ich bis heute nicht bekommen.“

„Ich hab dir nie einen Hattrick versprochen!“, empörte sich Leon da. „Du hast immer gesagt, dass ich einen hinkriegen müsste, damit du mir den Elfer verzeihst!“

„Na demnach hab ich dir den Elfer ja noch nicht verziehen und du müsstest für mich eben einen Hattrick hinkriegen. Ist ja indirekt auch ein Versprechen.“

„Gar nicht! Aber ich kann dir was anderes versprechen: Wenn ich einen Hattrick hinkriege, dann oute ich mich vor der Nation und der ganzen Welt!“

„Das schaffst du doch eh nie!“, lachte Phillip, hoffte, dass Leon das nicht ernst meinte, denn den ganzen Mist der dann garantiert losbrechen würde, würde er ihm nur zu gerne ersparen.

„Na also birgt es für mich ja keinerlei Gefahren. Dürfte als Verteidiger ja sowieso ziemlich schwer werden.“

„Gut, dann hast du es mir damit versprochen. Ich werd drauf achten.“ Er küsste Leons wasserstoffblondes Haar und streichelte ihm über den Arm.

Er könnte ewig hier mit ihm im Bett liegen bleiben.
 

Jene Nacht war nun schon wieder einige Monate her. Die EM hatte begonnen und Leon war tatsächlich im Kader und als Stammspieler aufgestellt worden.

Phillip hatte sich riesig für ihn gefreut, auch wenn keiner von ihnen sich beim anderen meldete.

Im zweiten Gruppenspiel hatte Leon es geschafft Sage und Schreibe drei Tore zu schießen!

In der 25., in der 33. und in der 43. Minute.

Phillip hatte wohl noch nie so sehr gejubelt. Sämtliche Feldspieler hatten sich auf Leon geworfen, sich mit ihm gefreut.

Nach dem Spiel hatte es ein Reporter geschafft, sich Leon zu krallen und ihn zu interviewen.

Er war vollkommen verschwitzt, aber strahlte übers ganze Gesicht. Seine Haare waren zwar immer noch relativ kurz, aber hatten wieder ihre natürliche Farbe und die Ansätze seiner Locken waren zu erkennen.

„Erst einmal Herzlichen Glückwunsch zu deinem Hattrick, Leon“, begrüßte der Reporter ihn in kumpelhafter Manier, doch beim Wort ‚Hattrick’ erstarrte Phillip vorm Bildschirm. Leon würde das doch jetzt nicht ernsthaft durchziehen?

„Danke!“, meinte der aber nur glücklich, sah den Reporter erwartungsvoll an. Der stellte ihm die üblichen Fragen und Phillip glaubte schon, dass Leon vernünftig war und die Klappe halten würde, doch da stellte der Reporter ihm die verhängnisvolle Frage: „Und gibt es noch etwas, dass sie jetzt an die Heimat gerichtet sagen wollen?“

Leon grinste in die Kamera und Phillip glaubte, dass dieses Grinsen ihm galt, als wollte Leon ihm damit eins auswischen.

„Sie müssen wissen, dass dieser Hattrick jemand anderem gehört“, begann Leon. „Ich habe ihn schon vor ein paar Jahren meinem Freund versprochen, damit er mir einen komplett verpatzten Strafstoß verzeiht und das tut er jetzt hoffentlich.“

Er sollte jetzt einfach aufhören zu sprechen! Er sollte sich diesen ganzen Stress ersparen!

Phillip sandte ein Stoßgebet gen Himmel.

Doch es brachte nichts, denn gleich fuhr Leon fort: „Und ich habe ihm noch etwas versprochen. Ich habe ihm gesagt, dass wenn ich einen Hattrick hinkriege, ich mich oute.“

„Sie sind…“, unterbrach ihn der Reporter, klang überrumpelt und verständlicherweise auch ziemlich fassungslos. „Ja“, sagte Leon. „Ich bin schwul. Und ich liebe noch immer den Mann, mit dem ich vor meiner Karriere als Fußballspieler zusammen war.“

Phillip vergrub das Gesicht in den Händen.

Der Spieler mit der Nummer fünf auf der Brust strahlte arglos in die Kamera.

Leon war noch immer ein riesiger Trottel!

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So, nun habe ich mir ein kurzes Nachwort doch verdient:

Die Story hat ja nicht unbedingt sehr viel Rückmeldung bekommen, aber es freut mich, dass sie gelesen wurde. Außerdem muss ich hier noch einmal gestehen, dass ich im Nachhinein relativ unzufrieden mit dem Ganzen bin. Aber was soll's, so ist es, vielleicht schreib ich's ja irgendwann noch mal neu (eher nicht).

Also verabschiede ich mich von euch, vielen Dank noch einmal fürs Lesen und ich hoffe, ihr hattet Spaß dabei =)

LG, Terrormopf



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Kommentare zu diesem Kapitel (4)

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Von:  Missie
2010-10-03T21:27:12+00:00 03.10.2010 23:27
wie süß .__.

ich bin gespannt was du als nächstes produzierst !
Von:  Sayu_loves_cookies
2010-10-03T18:55:38+00:00 03.10.2010 20:55
Die Geschichte war toll ^.^
--> bin leider erst heute drauf gestoßen... und mach erst jetzt ein Kommi.

Jetzt habe ich sie in einem Rutsch durchgelesen... *arghh ich wollte doch eig für meine Deutschklausur morgen lernen verdammt*...
Egaaal, deine Story war so toll <3

Und irgendwie spricht mich das Thema an...

Ich hoffe du schreibst noch mehr so tolle Sachen

Lg Sayu
Von:  Yura-san
2010-10-03T13:57:28+00:00 03.10.2010 15:57
Uh, deine FF war toll ^-^
Das Ende war sehr passend für die beiden.

Dankeschön, dass du die Story hochgeladen hast, sie war toll.
Die Höhen und Tiefen waren einfach super und dein Schreibstil, einfach herrlich ^^

Bitte mach weiter, ich möchte noch sehr gerne weitere Fanfics von dir lesen ^-^

Liebe Grüße, Yura
Von:  Tshioni
2010-10-03T12:53:14+00:00 03.10.2010 14:53
:D typisch Leon! :D
Die Zwei sind so toll zusammen! ich war echt so traurig als ich gelesen habe, dass die zwei sich getrennt haben ;(
Kommen sie denn wieder zusammen? das wär so super

Ich mochte deine FF sehr gerne! Du schreibst sehr angenehm und es ist immer viel Abwechslung sodass es nie fad wird!!

Hoffentlich schreibst du noch weitere werke! dann werden wir uns höchstwahrscheinlich wieder lesen!
lg und viel Erfolg
Tshioni


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