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Egoism

Doch es geht nicht ohne dich [Ikarishipping]
von

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egoistisches Begehren

~ Pokémon – Egoism ~

[center* Kapitel 4 – egoistisches Begehren… *
 

Cynthias Milotic drehte eine Runde über Fleetburg, was Lucia nutzte, um sich einen Überblick über die Stadt zu verschaffen. Hier sah fast alles ganz normal aus. Sofort stach ihr die große Bibliothek ins Auge, für die Stadt so bekannt war, doch genau so fiel die Gegend um die Arena auf, denn sie war vollkommen von Erdmassen verschüttet worden.

„Was ist hier passiert?“, wollte sie wissen.

„Man hat mich informiert, dass Team Galaktik für einen Erdrutsch gesorgt hat, der die Arena schließlich unter sich begrub. Derzeit laufen immer noch Bergungsarbeiten, da niemand weiß, ob sich zu dem Zeitpunkt noch jemand in Inneren aufhielt.“

„Wurde schon jemand gefunden?“, fragte Lucia ein wenig entmutigt. Es war immerhin schon über zwei Wochen her, die Chancen jemanden lebend zu finden, gingen immer mehr gegen Null.

„Nein. Aber mir wurde gesagt, dass sie hier vor zwei Tagen etwas gefunden haben, deswegen habe ich mich auf den Weg hierher gemacht.“

Cynthias Milotic flog nun direkt auf die Arena zu. Lastwagen transportierten gerade Erdmassen ab und viele Arbeiter versuchten sich mit Schaufeln und Spitzhacken vorsichtig einen Weg zu bahnen. Bis jetzt konnte die Arena noch nicht von allen Seiten erreicht werden. Aber der Erdrutsch war auch gewaltig gewesen und hatte selbst den nahe gelegenen Fluss zugeschüttet, was auch für rasche Arbeiten bei der Wasserversorgung sorgte.

„Ma’am!“, ein Mann mit Helm und einem Clipboard in der Hand kam sofort auf sie zu geeilt, nachdem sie gerade gelandet waren. „Gut, dass Sie da sind, bitte kommen Sie mit.“

Cynthia folgte der Aufforderung des Mannes, der sie und Lucia zu dem Aufseher brachte, der die Arbeiten hier leitete.

„Sir, der Champion ist eingetroffen.“

Der Mann drehte sich zu ihnen um, „Ah, sehr gut. Willkommen, es freut mich, Sie zu sehen. Ich bin Brian, ich leite die Arbeiten hier.“

„Die Freude ist ganz meinerseits. Das hier ist meine Begleiterin Lucia, sie wird ebenfalls bei der Suche nach den verschwundenen Arenaleitern helfen.“

„Hallo“, Lucia verbeugte sich höflich zur Begrüßung.

„Ich denke, ich sollte dann gleich auf den Punkt kommen“, das Gesicht des Mannes wurde schlagartig düster.

„Was haben Sie gefunden?“, Cynthia war es ganz recht, wenn er sofort zur Sache kam.

„Zunächst haben wir Pokébälle und einen Spaten bergen können, die eindeutig Eigentum des hiesigen Arenaleiters waren. Jedoch fanden wir einen Tag später auch seinen Leichnam – zusammen mit dem des Arenaleiters von Erzelingen“, betrübt blickte der Bergungsleiter zu Boden.

Lucia hielt sich schockiert die Hände vor der Mund, der zweifellos weit offen stand. Adam und Veit waren tot? Selbst jetzt noch forderte der Kampf gegen Team Galaktik Opfer…

Auch Cynthias Gesichtsausdruck wurde traurig, „Das ist wirklich mehr als bedauerlich. Ich hatte sehr gehofft, dass die beiden es schaffen würden, doch ich habe es schon fast befürchtet, dass keine gute Nachrichten auf mich warten würden“, nachdem die beiden es nicht nach Sonnewik oder Blizzach geschafft hatten und der Kontakt abgebrochen war, hatte sie schon so eine böse Vorahnung gehabt. „Wo haben Sie die Leichname hingebracht?“

„Ein Bestatter hat sich der beiden bereits angenommen. Morgen soll die öffentliche Beerdigung stattfinden. Die Bewohner wollen den beiden die letzte Ehre erweisen.“

„Das würde ich auch gern“, Cynthia verbeugte sich dankend vor dem Bergungsleiter, „Sie leisten gute Arbeit, machen Sie weiter so.“

„Danke Ma’am.“

Damit verabschiedete sie sich auch schon von dem Mann und verließ die Arena. Lucia schritt betroffen neben ihr her.

„Das ist schrecklich. Warum hat Team Galaktik das nur getan?“, Lucia kniff die Augen zusammen, um Tränen zu unterdrücken.

„Sie wollten das Übel an der Wurzel bekämpfen. Sie sind sehr strategisch vorgegangen. Die Arenaleiter wären ihre stärksten Gegner gewesen, mit denen sie auch ziemlich schnell hätten rechnen müssen. Bevor sie also ihre ersten richtige Schritten unternahmen, wollten sie zuerst ihre gefährlichsten Feinde beseitigen.“

Lucia blickte Cynthia mit großen Augen an. Aus ihrem Mund klang es so emotionslos, aber im Gesicht des Champions erkannte sie, dass ihr der Tod der beiden Arenaleiter auch sehr nahe ging.

„Was machen wir jetzt?“

„Willst du auch bis Morgen zur Beerdigung bleiben?“

„Ja. Ich finde es gut, dass die Bewohner die beiden gemeinsam beisetzen wollen.“

„Die Bewohner sind stolz auf ihre Arenen und deren Leiter. Sie sind in Ausübung ihrer Pflicht gestorben. Genauso wie Hilda und Reggie. Dir ist es noch nicht gelungen, zu Paul durchzudringen?“

„Bitte?“, nun war Lucia ein wenig verwirrt.

„Ihr beide scheint euch auf eine gewisse Weise gut zu verstehen, aber er teilt seine Trauer nicht mit dir, oder?“

„Langsam frage ich mich, ob er überhaupt trauert. Irgendwie scheint ihm alles egal zu sein. Ich bräuchte wohl einen Presslufthammer, um zu ihm durchzudringen“, ihr sarkastischer Unterton war nicht zu überhören. Sie wusste wirklich nicht mehr, was sie noch tun sollte. Sie hatte schon so viel versucht, doch am Ende wurde sie immer nur von ihm enttäuscht.

„Gib ihm noch etwas Zeit. Er will es nicht zugeben, aber der Verlust schmerzt ihn mehr, als er sich selbst eingestehen will. Doch ich würde mich freuen, wenn er die Arena wieder aufbauen und sie übernehmen würde. In Zeiten wie diesen brauchen wir Menschen, die Verantwortung übernehmen und dafür sorgen, dass es weiter geht“, Cynthia lächelte Lucia aufbauend an, „Weißt du, Reggie war auch der Überzeugung, dass Paul es einmal weit bringen würde, z.B. zum Arenaleiter. Er ist zwar ein Einzelgänger, aber irgendwann würde auch er merken, dass ihm alleine Grenzen gesetzt sind, die er nur mit fremder Unterstützung überwinden kann. Ich denke mir, das hast du ihm bereits ein paar Mal bewiesen.“

„Tja, offenbar hat er es nicht bemerkt.“

Cynthia musste leicht kichern.

„Ich finde das überhaupt nicht witzig. Aber kennst du Paul und Reggie schon länger?“, fragte Lucia interessiert.

„Ich habe Reggie auf einer meiner Studienreisen durch Sinnoh kennen gelernt. Dort habe ich auch Paul einmal getroffen, der damals noch kein Trainer war. Mit Reggie bin ich auch in Kontakt geblieben, vor allem seit er sich entscheiden hat, Züchter zu sein, auch wenn ich mich schon darauf gefreut hatte, ihm einmal als Herausforderer gegenüber zu stehen.“

„Wow“, das hätte Lucia nun nicht erwartet, dass sich die beiden offenbar so gut kannten.

„Von Reggie weiß ich auch, was für ein Sturkopf sein Bruder sein kann.“

Lucia musste seufzen. Die beiden Brüder schienen sich komischerweise nicht im Geringsten ähnlich zu sein.

„Die beiden haben viel gemeinsam.“

Bei diesen Worten wäre Lucia beinahe gestolpert.

„Was? Was haben die beiden bitte gemeinsam?“, platzte es aus ihr heraus, was Cynthia wiederum zum Lachen brachte.

„Soll ich dich auf einen Tee einladen, sonst fällst du mir noch hin, wenn ich weiter rede.“

„Den könnte ich jetzt gebrauchen“, gab die junge Koordinatorin zu und die beiden Frauen setzten sich in das nächstgelegene Café, das in einer hübschen Seitengasse Fleetburgs lag.
 

Als Lucia einen Schluck des beruhigenden warmen Getränks zu sich genommen hatte, beschloss Cynthia, mit ihrer Geschichte fortzufahren.

„Weißt du, Reggie war genauso stur bzw. Paul ist genau so stur wie Reggie, um es korrekt auszudrücken. Reggie hat sich in nichts reinreden lassen, er ging zielstrebig seinen Weg und egal wer und was man gegen seine Vorhaben sagte, er wollte selbst herausfinden, wie weit er gehen konnte. Bei seinem Kampf gegen Brendon aus der Kampf-Pyramide hatte er offenbar seine Grenzen gefunden. Er wusste, dass er ein starker Trainer war, doch er wollte schon immer lieber Züchter sein. Also hat er sich auf die Reise gemacht und wollte seine Fähigkeiten testen. Hätte er auch gegen Brendon gewonnen, wäre Reggie sicherlich auch Arena- oder Zonenleiter geworden.“

„Ehrlich?“, irgendwie konnte sich Lucia das kaum vorstellen, andererseits wusste sie um Reggies Fähigkeiten im Pokémon-Kampf.

„Reggie war zwar auch hilfsbereiter als Paul, doch eigentlich hatte er auch immer alles alleine gemacht. Er reiste allein, bestritt allein seine Kämpfe und nahm auch ansonsten keine Hilfe in Anspruch. Doch als ich ihn nach seiner Rückkehr nach Schleiede einmal fragte, ob er sein Leben auf Reisen vermisste, antwortete er mir, dass er glücklich darüber war, gegen Brendon verloren zu haben und endlich wieder in seiner Heimat zu sein. Paul hatte er dagegen nur erzählt, dass er von nun an Züchter sein würde, was diesen glaube ich ziemlich aufgeregt hatte. Doch genau das war es, was Paul angetrieben hatte, selbst auf Reisen zu gehen. Er nahm sich seinen Bruder, von dem er bis dahin alles gelernt hatte, zum Vorbild und wollte seine eigenen Fähigkeiten testen. Ich habe ja auch schon gegen ihn gekämpft und ich bin mir sicher, dass er noch ein besserer Trainer werden wird als sein Bruder. Doch Reggies Tod scheint ihn aus der Bahn geworfen zu haben. Offenbar hat er dadurch seinen Pfad und seinen Antrieb verloren.“

Lucia starrte bedächtig in ihre Teetasse und ließ Cynthias Worte auf sich wirken. Genau diesen Eindruck hatte sie auch von Paul gewonnen, aber jetzt konnte sie sein Verhalten ein bisschen besser verstehen. Sein Bruder war seine Motivation gewesen, weswegen er immer stärker werden wollte. Nun, wo er nicht mehr da war, verspürte Paul nicht mehr den Drang, seinen Weg weiter zu gehen.

„Daher hatte ich gehofft, dass er den Posten als Arenaleiter annehmen würde, denn vielleicht würde ihm das einen neuen Ansporn geben. An Fähigkeiten mangelt es ihm jedenfalls nicht. Doch ich brauche nicht mit ihm zu reden, meine Worte prallen an ihm ab wie an einem schlafenden Relaxo“, Cynthias Blick wurde mit einem Mal schon fast ein wenig nostalgisch, „Doch jetzt merkt er wohl langsam, dass er nicht länger nur Einzelgänger sein kann. Und wenn er nur einen Rivalen braucht, der ihn noch härter trainieren lässt, doch er braucht noch mindestens einen weiteren Menschen in seinem Leben.“

„Ich konnte ihn bis jetzt leider auch nicht erreichen“, musste Lucia schmerzlich zugeben.

„Er bedeutet dir viel?“

„Ich weiß es nicht. Ich würde ihn so gerne verstehen, aber er lässt mich nicht. Immer wenn ich denke, dass er sich mir öffnet, sagt er im nächsten Moment etwas, das ich nicht verstehe und das verletzt mich. Oder ich bin einfach nur zu blind. Selbst du scheinst ihn besser zu verstehen als ich.“

„Nun, es ist nicht so, dass ich nicht kennen würde. Er hat einfach Angst davor, sich abhängig zu machen.“

„Woher weißt du das so genau?“, Lucia legte den Kopf ein wenig schief, irgendwie benahm sich Cynthia ein wenig merkwürdig, sie schien ihr etwas vorzuenthalten. Der Sinnoh-Champion schüttelte auch nur leicht mit dem Kopf, als würde sie ihre eigenen Gedanken abschütteln wollen. Dann lächelte sie wieder sanft, so wie immer.

„Du darfst nicht aufgeben. Wenn er dir wirklich wichtig ist, solltest du auch ruhig mal egoistisch sein und an deine Gefühle denken. Irgendwann wird auch seine Fassade bröckeln, weil es so nicht weiter gehen kann.“

„Aber ich weiß nicht, wie lange ich es noch ertrage, von ihm enttäuscht zu werden.“

„Wie soll denn dein Leben weiter gehen?“

„Was meinst du?“, Lucia sah fragend zu ihrer Gegenüber auf.

„Willst du immer noch Top-Koordinatorin werden?“

„Natürlich!“, nie hatte sie an dieser Entscheidung gezweifelt, jedenfalls nie wirklich.

„Doch was tust du, bis die Wettbewerbe wieder anfangen? Dieses Jahr wird es sicher kein Grand Festival mehr geben“, noch ein bedauerlicher Umstand der zerstörerischen Kämpfe.

„Ich…“, eigentlich wusste sie, was sie wollte. Nachdem letzten Kampf hatte sie sich darauf gefreut, mit Paul nach Sinnoh zurück zu kehren. Sie hatte auch das Gefühl, jeden Tag an ihn denken zu müssen, wenn sie jetzt einfach so weiter zog. Was zwischen ihnen passiert war, konnte sie nicht vergessen, das wollte sie auch nicht. Aber sie könnte es nicht akzeptieren, wenn dies nicht auch einen Platz in seinem Leben finden würde.

„Lass dir heute noch Zeit. Morgen bringe ich dich gern wieder zurück nach Schleiede, wenn du dann immer noch dort hin zurück willst“, mit diesen Worten legte Cynthia Geld auf den Tisch und erhob sich, „Ich werde schon mal ein Zimmer für heute Nacht reservieren. Wir sehen uns dann später“, mit einem Lächeln machte sich die blonde Frau auf den Weg und verschwand die Straße hinunter.

Lucia blieb alleine in dem Café zurück und klammerte sich an ihre Tasse. Wollte sie wieder nach Schleiede zurück? Wollte sie zu Paul zurück? Doch was hätte sich bis Morgen geändert?

Ratlos stützte sie ihren Kopf auf ihrem Handrücken ab und starrte auf die Tischplatte. Sie wollte mit ihm zusammen sein, das wollte sie wirklich, doch sie könnte es nicht, wenn er sein Leben nicht mit ihr teilen wollte. Es würde keinen Sinn machen. Doch sollte sie jetzt einfach aufgeben? Paul hatte schon bewiesen, dass sie ihm nicht vollends gleichgültig war, könnte sie diese Momente einfach vergessen oder ignorieren? Nein, das wollte sie nicht. Stattdessen wollte sie mehr. Sie wollte Teil seines Lebens sein, denn sie wusste, dass mehr hinter seiner Fassade steckte. Er konnte nett sein, er konnte sogar zärtlich sein und sie wusste, dass er sie beschützen könnte. Sie könnte ihre Gefühle nicht einfach so unterdrücken, also musste sie einen Weg in sein Leben finden und wenn sie sich notfalls einen Platz darin erkämpfen musste!
 

~*~
 

Paul stand abends in der Küche und machte sich sein Abendbrot. Er schüttete die zuvor gekochten Nudeln in eine Pfanne und rührte das geschnittene Gemüse unter. Es war so etwas Banales, das ihn wieder an Reggie erinnerte. Von seinem Bruder hatte er alles gelernt, selbst das Kochen. Sein Bruder war manchmal wirklich nervig gewesen, aber er hatte immer genau gewusst, was er tun sollte und er hatte keine Fragen gestellt. Paul hatte ihn dafür sehr respektiert.

Doch offenbar war sein Bruder nicht so selbstständig, wie er immer dachte, denn er hatte sich zumindest abhängig von einer Person gemacht. Paul hatte es ertragen, Connelly über die beiden erzählen zu hören, doch eine Antwort auf die Frage, warum man sein Leben mit jemandem teilen sollte, fand er nicht, jedenfalls fand er keine Worte dafür. Er wusste nicht, was er als Gegenleistung bekommen würde, wenn er seine Unabhängigkeit aufgab, doch seinen Bruder schien es glücklich gemacht zu haben. Vielleicht sollte er doch einmal auf sein Gefühl hören und nicht nur auf seinen Verstand.

Heute hatte ihn diese Einstellung weiter gebracht. Das Mithelfen beim Wiederaufbau der Arena hatte Paul einige wichtige Erkenntnisse verschafft. Und er hatte eine Entscheidung getroffen. Er würde einen anderen Weg als Reggie gehen und nahm sich vor, es besser zu machen als er!
 

Später am Abend trat Paul wie schon so oft in den letzten Tagen auf die Veranda heraus und ließ seinen Blick schweifen. Doch wie immer blieb er bei den beiden Kreuzen hängen, die von nun an den Rasen zieren würden. Seine Finger verkrampfen sich an dem Holzgeländer der Veranda.

Sein Bruder war einfach so vor seinen Augen gestorben und nun lag er hier begraben. Jeden Tag müsste er diesen Anblick ertragen, dabei hatte er seinem Bruder nicht einmal seine Vorwürfe und Fragen mitteilen oder sich nicht einmal verabschieden können…
 

Mit langsamen Schritten trat Paul an das Grab seines Bruders heran. Die weißen Lilien, die darauf lagen, wehten sanft im Abendwind. Alles war still, er hörte nicht einmal mehr etwas von den Bauarbeiten an der Arena. Das einzige Geräusch, das für einen Moment ertönte, war das dumpfe Aufschlagen seiner Knie auf dem Rasen, als er sich einfach zu Boden fallen ließ. Betroffen kniete er vor dem Grab seines einzigen Familienangehörigen und schlug mit beiden Unterarmen und den Fäusten auf den Boden.

„Warum…“, seine Stimme war nur ein Flüstern.

Paul hob den Kopf und starrte auf das Kreuz. Er ließ es nicht zu, dass Tränen seine Augen verließen, diesen Sieg gönnte er seinem Bruder nicht. Nie hatte er im Angesicht eines anderen geweint, damit würde er auch jetzt nicht anfangen.

„Warum musst du mir Dinge immer auf deine eigene bescheuerte Art und Weise beibringen?!“, fauchte er und ließ sich nach hinten in eine kniende Sitzposition fallen. „Du hast es immer gewusst, oder? Warum hast du mir nie einfach gesagt, dass ich eigentlich nie etwas wirklich alleine geschafft habe?“

Wenn er ehrlich zu sich war, hatte er sein ganzes Wissen von seinem Bruder und hatte dieses nur durch seine eigenen Erfahrungen ergänzt. Er dachte immer, er bräuchte niemanden, doch wie gern hätte er Reggie jetzt gefragt, was er tun sollte. Doch dieses Mal musste er die Entscheidung ganz alleine treffen, aber wieder war es sein Bruder, der ihm zeigte, dass er wenigstens einen Menschen in seinem Leben brauchte, der ihn antrieb.

Nun war er ganz allein. Er hatte nicht mehr die Sicherheit und die Gewissheit, dass sein Bruder hier sein würde, wenn er einmal nach Hause käme oder es wäre niemand mehr da, der ihn fordern könnte. Reggie hatte ihn eigentlich immer unterstützt, aber auf eine Art, die er zu schätzen wusste. Sein Bruder mischte sich im genau richtigen Maße ein, er stellte ihm die richtigen Herausforderungen, hielt seine Pokémon, die er gerade nicht bei sich hatte, fit, und wenn er nach Hause kam, wusste Reggie, dass er auch hier keine Pause machen würde. Sein Bruder kannte ihn in- und auswendig. Doch andersherum war es nicht so, denn es hatte ihn nie interessiert. Nun bereute er diese Einstellung.

Doch je länger er hier in ihrem Haus allein war, umso mehr bemerkte er, was seinem Leben fehlte. Es waren diese kleinen unauffälligen Dinge, die mit der Zeit ein immer größeres Loch in sein Leben rissen. Zuerst dachte er, dass er aus dieser Situation keinen Ausweg finden könnte, denn sein Bruder würde nicht zurückkommen. Doch in seinen Gedanken war die Antwort eigentlich immer gegenwärtig gewesen. Er wusste, was er zu tun hatte, so wie sein Bruder es scheinbar immer gewusst hatte. Zum ersten Mal in seinem Leben glaubte Paul, seinen Bruder wirklich verstanden zu haben.

„Du bist genau so ein Egoist wie ich, du tust nur immer anders. Dabei hast du auch immer nur eines begehrt“, Paul erhob sich vom Rasen und blickte auf das Grab hinab. „Wenn ich dich schon nicht im Kampf schlagen kann, werde ich dir wenigstens beweisen, dass ich in meinem Leben weiter gekommen bin als du.“

Damit wandte sich Paul von ihm ab. Kurz warf er noch einen Blick auf das Grab von Hilda. Ja, er hatte seine Entscheidung getroffen und das würde er Morgen beweisen. Doch er war sich sicher, dass wieder jemand sauer sein würde, wenn er sein egoistisches Begehren äußern würde…
 

~~~
 

Preview chapter 5:
 

Lucia keht nach Schleiede zurück und stellt fest, dass sich etwas verändert hat. Doch entscheidet sie sich dieses Mal, zu bleiben?
 

Zu Lesen in Kapitel 5, nächster upload-Termin ist der 30.12.2012.



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  Mona-Kaiba
2011-04-25T07:57:10+00:00 25.04.2011 09:57
Hm... hab ich da etwa einen versteckten Hint darauf gesehen, dass es die gute Cynthia war, mit der Paul mal etwas hatte?

Ansonsten habe ich auch hier wieder nicht viel zu sagen.
Von:  Yurippe
2011-04-09T20:41:30+00:00 09.04.2011 22:41
Ich finde es gut, wie du Cynthia mit einbringst.
Und Paul scheint langsam aufzutauen. Die inneren Monologe sind teilweise auch echt sehr lang, aber manchmal muss man eben so was schreiben. ^^
Von:  xRajani
2010-12-03T17:58:28+00:00 03.12.2010 18:58
Endlich ist das Kapitel da! Ich will das Nächste. O: Aber zackig! XD

Ich finde es schön, dass man etwas über Reggies Vergangenheit erfährt, im Anime wird diese ja nur kurz angerissen, daher finde ich es gut, dass du diese noch ausgebaut hast.

Egoismus ist eigentlich nichts Gutes, aber in dieser Tatsache ist es gut gewählt. Die Beiden machen sich schließlich kaputt, wenn sie sich weiter so benehmen... :/
Und viele haben immer den Eindruck, dass Lucia sich nicht durchsetzen kann, sich immer von Anderen reinreden lässt und nicht selbständig ist, aber gerade diese Wendung finde ich schön - sie setzt mal ihren Kopf durch.
Ich glaube Paul hat trotzdem nicht wirklich neue Erkenntnisse gewonnen, dann hätte er vielleicht verstanden, warum er an Hildas Seite gekämpft hat... Nun ja, auf das "Gespräch" zwischen ihm und Lucia bin ich schon sehr gespannt und wie die Beziehung zwischen den Beiden wohl aussehen mag. Jedenfalls ist es schwer eine vernünftige Beziehung zwischen Paul und Lucia zu schreiben, einerseits soll Paul halt gefühlvoll und nicht grob sein, aber andererseits soll er auch nicht zu kitschig werden... x_x
*stellt sich Lucia als nörgelnde Hausfrau vor, die Paul gerade anschnauzt, als er Fußball guckt, mit ner Flasche Bier in der Hand* XDDD
DAS würde ich ihm so zu trauen. loool

Du weißt, was jetzt kommt. ICH WILL DAS NEUE KAPITEL!!! ò.ó Zackig! XD

Gruß,
~ Aki


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