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Walkabout

Mein Beitrag zur 8.Taito-Challenge
von

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Yume no Toki (Traumzeit)

“Weißt du, es ist echt nicht so, dass du dich dumm anstellst, aber du machst es dir unnötig kompliziert. Es genügt vollkommen, wenn du das Segel locker hältst, dann spürst du auch leichter, aus welcher Richtung der Wind kommt und kannst dich dementsprechend anpassen. Aber du klammerst dich ja an dem Ding fest als ob du gleich ertrinken würdest. Kein Wunder, dass du solchen Muskelkater hast.“
 

Muskelkater nennt der das. Für mich fühlt es sich an, als hätte ich mich einmal quer durch einen Fleischwolf gedreht. Und ich dachte, Fußball wäre anstrengend. Wie man sich doch täuschen kann.
 

Ganimon kam über den Strand gekrabbelt und schleppte einen riesigen Ast für unser Feuer herbei. Zentimeterweise zerrte das Krebsdigimon ihn mit seinen Scheren über den Sand, aber Gabumon sah ihm nur mit mildem Interesse dabei zu und machte keinerlei Anstalten aufzustehen, um ihm zu helfen. Es schien genauso müde zu sein wie ich, dabei hatte es nicht den halben Tag auf einem Surfbrett verbracht, sondern lediglich mit ängstlichen Augen unsere Aktivitäten am und auf dem Meer verfolgt. Seine Abneigung gegen Wasser, die zwischendrin fast überwunden schien, war wieder mit voller Wucht zurückgekehrt.
 

Trotz meiner schmerzenden Muskeln war es sehr angenehm, hier am Strand zu sitzen und in die Flammen zu starren. Selbst im Zeitalter von Vergnügungsparks und Online-Spielen kann nichts ein richtiges echtes Feuer ersetzen, eins das brennt und knistert und flackert und lange Schatten auf den Boden wirft.
 

Vor einigen Stunden waren wir noch eine größere Gruppe gewesen, hatten gequatscht und mit der Klampfe, (die ich eigentlich nicht hatte mitnehmen wollen, aber das sagte ich schon,) Musik gemacht, aber irgendwann hatten sich auch die letzten von Dingo’s Surf-Kumpels verabschiedet und waren nach Hause gefahren. Wir hatten um diese Uhrzeit keinerlei Möglichkeiten mehr, nach Sydney zurückzukehren, das, wie ich Banause heute herausgefunden hatte, nicht die Hauptstadt von Australien war. Also würden wir den Rest der Nacht einfach hier bleiben.
 

Der Gedanke, dass ich mich irgendwann neben Gabumon im Sand zusammenrollen und einschlafen würde, erschreckte mich nicht besonders, schließlich hatte ich in der DigiWelt auch nichts anderes getan. Seltsam, auch wenn ich oft diese böse giftige Stimme im Hinterkopf höre, die mir sagt, dass ich ein Versager bin und ganz bestimmt nicht tough genug für den ganzen Mist, den das Leben mir auf den Teller packt, so gibt es doch auch Situationen in denen “normale“ Menschen verzweifeln würden und ich höchstens mit den Achseln zucke. Das sind dann genau die Situationen in denen ich merke, wie sehr mich die Monate in der DigiWelt verändert haben und dann schöpfe ich auch wieder Hoffnung für die Zukunft.
 

“Ich weiß nicht, ob das Surfen was für mich ist.“ Dingo schien es nicht weiter zu stören, dass ich erst nach etwa zehn Minuten auf seine letzte Bemerkung antwortete. “Sich nach dem Wind richten – das liegt mir nicht so.“
 

“Wie ich schon sagte, nimm’s locker, es ist schließlich ein Sport und keine politische Entscheidung. Apropos Entscheidung, wo willst du denn als Nächstes hin? Falls es zu den amerikanischen DigiRittern geht, bestell’ ihnen Grüße.“
 

“Ich weiß noch nicht.“ Unter normalen Umständen hätt’ ich schon Lust gehabt, Mimi wiederzusehen, aber sie war unter Garantie auch sauer auf mich. Und auf den Karpfen konnte ich gut und gern verzichten.
 

“Musst dich ja nicht jetzt entscheiden.“ Dingo gähnte. “Ein Walkabout ist schließlich keine Kreuzfahrt.“
 

“Ein was?“ Ich hatte nicht die geringste Ahnung wovon der Kerl redete, aber es klang wie eine australische Biermarke.
 

“Ein Walkabout. So nennen es die Aborigines, wenn man sich für ein paar Monate in die Wildnis zurückzieht, um dort auf den Songlines zu wandeln. Ursprünglich war das ein Ritus, der zum Erwachsenwerden dazugehört, aber heute nimmt man den Begriff auch im übertragenen Sinne, wenn jemand auf eine Reise geht, um etwas über sich selbst herauszufinden.“
 

“Ach, du meinst also, ich bin auf so einer Art Selbstfindungstrip?“ Mit diesem esoterischen Gelaber über Walkabouts und Songlines konnte ich noch weniger anfangen, als mit der Geschichte von Rama und Sita.
 

“Du, kein Grund gleich auf die Barrikaden zu gehen,“ winkte Dingo ab. “Wenn du schon durch die Weltgeschichte rennst, solltest du dich vielleicht nicht unbedingt über die Kultur anderer Völker lustig machen. Pass auf, ich erklär’s dir in der Kurzfassung. Die Songlines heißen deshalb Songlines, weil sie die Verbindung zwischen unserer Zeit und der Traumzeit darstellen. Und das geht nur durch Lieder, weil nach dem Glauben der meisten australischen Ureinwohner die Welt aus Musik erschaffen wurde.“
 

Die Welt wurde aus Musik erschaffen? Dieser Gedanke hat was. Und ich sollte mich also auf so einem Walkabout befinden und den Weg in die Traumzeit suchen? Und was war bitteschön Traumzeit?
 

“Nun, manche würden das so erklären, dass die Traumzeit eine ferne mythische Vergangenheit ist, in der die Welt erschaffen wurde oder eine spirituelle Welt in der die Geister leben, aber das ist so nicht ganz richtig. Die Traumzeit ist eine andere Zeitlinie, die zwar zeitgleich zur normalen Linie abläuft, aber ganz andere Zusammenhänge kennt. Millionen von Jahren können in ihr wie Sekunden vergehen oder Sekunden können wie Jahrmillionen sein.“
 

Hm.. irgendwie klang das stark nach der DigiWelt. Aber das sagte ich nicht laut, weil es dann wieder so rübergekommen wäre, als wolle ich mich darüber lustig machen. Stattdessen überlegte ich, wie die Sache mit diesen verschiedenen Zeitlinien zu verstehen war.
 

Ich weiß nicht, wie es Taichi gelungen war, nach diesem Kuss einfach diesen blöden Controller zu nehmen und weiterzuspielen, aber ich weiß, dass so etwas noch viele Male passierte. Im normalen, im realen Leben hatten wir unsre Eltern, die Schule, unsere Hobbies und Freunde. Aber da gab es noch ein zweites Leben, ein Leben, in dem es nur uns beide gab. Wenn ich Taichi nahe war, wenn ich neben ihm lag und sein Gesicht streichelte, wenn ich seine Lippen auf meinen spürte, dann war er ebenso wirklich wie die normale Welt und doch konnte ich diese Verbindung zu ihm nicht in die normale Welt einordnen. Es gab keine Worte dafür, keine Kategorie in die sie hineinpasste, keine Definition, um sie festzuhalten.
 

Wahrscheinlich fürchteten wir beide, dass wir diese Verbindung zerstören würden, sobald wir versuchten, sie mit Gewalt in die normale Welt hinüberzuzerren. Es hatte ohnehin alles in der DigiWelt angefangen und jetzt konnte es in unserer Welt bleiben.
 

In unserer Traumzeit, wo jeder Kuss eine Million Jahre dauerte und die Zeit doch so schnell verflog wie ein Wimpernschlag. Wo Taichi’s Wärme mir Geborgenheit schenkte, und wo wir ganz wir selbst sein konnten. Wo wir die ganzen Dinge, die ach-so-wichtig waren einfach mal beiseite schieben und nur füreinander da sein konnten. Ohne Fragen und Erklärungen.
 

Aber irgendwann kamen die Fragen und seltsamerweise war Taichi derjenige, der sie laut aussprach. “Was ist das mit uns?“ wollte er wissen. “Sind wir nur Freunde? Oder sind wir so was wie ein Liebespaar? Gehen wir miteinander? Wie geht das überhaupt, wo wir doch beide Jungs sind? Bin ich jetzt schwul?“ Und dann die Frage, die am Schwierigsten schien: “Wie erklären wir das unseren Eltern?“
 

Das Feuer war jetzt beinahe heruntergebrannt. In dieser Nacht träumte ich von Wölfen. Von einem hellen Wolf und einem dunkelbraunen, die gemeinsam auf die Jagd gingen und sich schließlich friedlich nebeneinander zum Schlafen niederlegten.
 

Tsuzuku....



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Kommentare zu diesem Kapitel (5)

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Von: abgemeldet
2011-02-20T15:48:11+00:00 20.02.2011 16:48
schon wieder so ein.. komisches Auftreten in einem anderen Land xd
ich gewöhne mich wohl dran :P
Dingo.. ich finde, er ist ein cooler Charakter ^^
und noch mehr Geschichte über Tai und Yama^^

wieder sehr schön und flüssig geschrieben ^^
Von:  PenAmour
2011-02-20T13:14:42+00:00 20.02.2011 14:14
Dingo – ich mag ihn ja sehr, egal in welcher FF, ich finde er ist immer ein interessanter Charakter. Und wie du ihn entwirfst – nun er fügt sich sehr schön in Yamatos Reise zu sich selbst ein. Zusätzlich wird auch der Sinn des Titels erklärt und Australien ist ein wunderbarer Abstecher für so eine Selbstfindung. Das Bild von ihnen am Strand abends vor dem Lagerfeuer ist sehr aussagekräftig.
Was mir auch aufgefallen ist, dass du es schaffst, Charakterzüge sehr kurz und prägnant auf den Punkt zu bringen, aber ohne mit der Tür ins Haus zu fallen – es sind vielmehr die kleinen Gedanken und Sätze, die sehr aussagekräftig scheinen. Das können nicht viele.
Bis dahin
PenAmour

Von:  Swaja
2010-10-07T14:53:23+00:00 07.10.2010 16:53
Grammatik / Rechtschreibung: 10/10
Redefluss: 10/10
Kreativität: 10/10
Quietscheentchen (1 Punkt bei Einbau, restliche Punkte Kreativität): 9/10
Lied (1 Punkt bei Einbau, restliche Punkte Kreativität): 9/10

Gesamtpunkte: 48 Punkte von möglichen 50

Eine sehr schöne Idee, es war mal was ganz anderes, was ich so noch gar nicht gelesen habe bisher.
Die Gedanken und Emotionswelt aller Beteiligter war wunderschön beschrieben, sehr realistisch, sehr tiefgründig ohne dabei schmalzig zu sein.
Es wurden sehr viele Begriffe, Orte, Menschen und Digimon aus der Serie aufgegriffen, das hat Erinnerungs- und Schmunzelfaktor.
Leider blieben einige Sachen ungeklärt, warum wurde Tai zum Beispiel verletzt?
Die Entwicklung von Matt war sehr schön beschrieben und alles leitete am Ende auf das Lied hin, das auch super eingebaut wurde mit dem offenen Ende.
Das Quietscheentchen war toll eingebaut, ungewöhnlich und kreativ (hat bestimmt blöd geschmeckt).
Alles in allem sehr schöne Geschichte, für die sich die Arbeit echt gelohnt hat^^

Von:  Ciura
2010-10-06T18:35:12+00:00 06.10.2010 20:35
wow~
*smile*

Also das nenn ich doch mal eine wirklich gelungene und tiefsinnige Geschichte :D
Ich bin wirklich beeindruckt, wie schön du das alles aufbaust!
Ich wär nie auf die Idee gekommen, die beiden mal so zu trennen und... keine Ahnung, ich bin voll baff *lach*
Und ich freu mich auf den Rest, der hoffentlich bald kommt XD~

lg
Von:  Danni
2010-10-06T16:44:01+00:00 06.10.2010 18:44
Langsam komm ich mir vor wie ein Stalker, weil ich zu jedem neuen Kapitel immer sofort nen Kommentar abgebe x_x

Australien diesmal also. Und nach diesem Kapitel ergibt auch der Trip nach Indien endlich Sinn für mich *lach*

Ich find's richtig interessant, dass du scheinbar bei jedem Kapitel etwas über den Kontinent bzw. das Land mit einbindest. In Indien Rama und Sita, in Australien sind es die Aborigines und deren Glauben (find ich übrigens sehr interessant mit der Traumzeit und dass die Welt aus Musik erschaffen wurde).

Hm joa, wollte noch irgendwas schreiben, aber hab ich mal wieder vergessen ^^'' und es fällt mir auch gerade nicht mehr ein...


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