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Barely forever

das vicious- Syndrom
von

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Mein Dad und der Chihuahua

Nachdem ich mich durch die imaginären Menschenmengen der Einkaufspassage geschlängelt hatte,

war ich nun auf dem Nachhauseweg.

Einige Leute hatten mich wirklich komisch angestarrt; nun da der Adrenalin-Kick keine Wirkung mehr zeigte, spürte ich meine Schmerzen wieder und humpelte demzufolge leicht.

Die Einkaufspassage war zu Fuß etwa 25 Minuten von unserer Mietswohnung entfernt;

doch mit dem Bus würde ich es schaffen, meinen Dad in weniger als zehn Minuten zur Rede zu stellen. Doch die Busse kamen nur alle halbe Stunde und außerdem hatte mein Vater mir, -schlau wie er war- nur genug Geld für die Hinfahrt gegeben.

Und schlau wie ich war, hatte ich das nicht eher bemerkt. Also humpelte ich nun nach Hause.

Heutzutage einen Anhalter mitzunehmen machte ja sowieso niemand, und außerdem wäre es viel zu riskant, bei einem Fremden einzusteigen. Lieber würde ich laufen.
 

Ich brauchte wegen meines leichten Handycaps dreizig Minuten, um nach Hause zu gelangen und weitere fünf Minuten, um die Treppen zu unserer Wohnung zu erklimmen. Unser Steinzeit- Wohnblock hatte noch keinen Lift, und Renovierungen hatte er in seinem Leben wohl auch noch nie gesehen. Als ich die Treppen dann erklommen hatte -eine ganze Menge davon, wir wohnten fast ganz oben, weil es dort am billigsten war- hörte ich, wie unser bekloppter Nachbar -von Gegenüber - seinen Fernseher wieder total aufgedreht hatte und wegen des Tores, welches gerade erzielt wurde, aufsprang, um zu jubeln. Wahrscheinlich verschüttete er gerade ganz nebenbei die Cola und das Popcorn beim Aufstehen. Über uns wohnte eine Messie-familie, und unter uns eine Familie mit acht Kindern.

Wir lebten also in bester Gesellschaft.

Seufzend öffnete ich unsere Apartment-Tür, und wollte gerade meine Tasche auf der Komode abstellen, als ich bemerkte, dass dort, wo die Komode normalerweise stand, nur ein heller Fleck auf dem schmutzigen Tepich zeigte, dass dort einmal etwas gestanden haben musste. Ich rief nach Dad, doch es kam keine Antwort. Alarmiert ließ ich meinen Blick durch die Wohnung schweifen und stellte fest, dass kein einziges der Möbelstücke mehr an seinem Platz stand. Geschweige denn noch irgendwie vorhanden zu sein schien.

Ich lief schnell in die anderen Räume, doch auch von dort blickte mir nur eine gähnende Leere entgegen. Das einzige was ich fand, war ein Zettel, der umgedreht in meinem leerem Zimmer lag. Ich drehte ihn um und erkannte die mit der Schrift meines Vaters in Eile hingekritzelten Sätze. Es waren nur zwei.

„Die Vergangenheit holt uns ein. Versteck dich.“

Ich wusste nicht, was er damit meinte, doch trotzdem kam in mir unglaubliche Wut auf. Immer nur redete er von der Vergangenheit; wirklich losgelassen hatte er nie.

Der Brief war ebenso persönlich wie der Chihuahua -eine nervige, ständig bellende Töle- der Messies; nicht mal meinen Namen hatte er erwähnt – also mein Vater, nicht der Brief oder der Chihuahua, obwohl beide, Chihuahua und Dad sich nie oder selten blicken ließen und meinen Namen nie erwähnten (kann ein Chihuahua sowas überhaupt?). Töle und Erzeuger hatten also ungemein viel gemeinsam.

Je länger ich darüber nachdachte, desto wütender machte es mich. Er hatte mich allein gelassen, um seine Haut zu retten. Er war geflohen und hatte seine Tochter im Stich gelassen; und er hatte nicht mal ein einziges verfluchtes Möbel dagelassen. Wie lange hatte er das wohl im vorraus geplant?

Seine Tochter zum Einkaufen zu schicken und währenddessen klamheimlich zu verschwinden?

Er hatte es wahrscheinlich extra so eingerichtet, dass er mir kein Geld für die Rückfahrt gegeben hatte, damit ich ihn nicht bei seinen heimlichen Umzieharbeiten überraschen hätte können. Doch es wunderte mich nicht.

Blind vor Wut schlug ich mit meinen zitternden Fäusten solange auf die weiße Zimmerwand ein, bis die Knöchel bluteten, und nicht nur meine Knie sondern auch meine Hände verkrüppelt waren.

Als ich mich verausgabt hatte, sackte ich frustriert an der Wand zusammen. Vor meinen Augen drehte sich alles. Rote Lichtpunkte tanzten auf und ab. Rot, die Farbe der Wut. Ich war zu wütend, um zu weinen. Doch vor allem war ich auch wütend auf mich selbst und auf meine Unfähigkeit, dies nicht vorhergesehen zu haben.

Mein Vater war nicht der Typ, der sich einer Herausforderung stellen würde.

Ich hätte ahnen können, dass er wieder flüchten wollte, zumal wir doch sowieso schon jeden Monat unsere Residenz änderten.

Doch das hier war viel mehr als feige. Es war verantwortungslos, und verantwortungslose Menschen hasste ich am meisten. Oftmals hatte ich mich nach dem Grund gefragt, doch mein Vater hatte mir nie eine Antwort gegeben. Er hatte immer nur geantwortet, dass ich mich vor den „Schuldeneintreibern“ in Acht nehmen sollte.

Doch ich bezweifelte inzwischen, dass es sich wirklich um Schuldeneintreiber handelte.
 

Es wäre vielleicht einen Versuch wert, unsere Nachbarn zu fragen, ob sie etwas vom Umzug mitbekommen hätten. Zwar bekamen die ja sowieso nie etwas mit, doch ich wollte versuchen, mich an den letzten Halm meiner Hoffnung zu klammern – auch wenn das hieß, danach um so mehr enttäuscht zu werden.

Ein Umzug ist doch etwas großes, was man mitbekommt; auch wenn man entweder völlig unterbelichtet, assozial, geistig-abwesend, oder gar gestört war. Oder alles zusammen. Ich beschloss mein Glück zu versuchen, und erhob mich zitternd, um zur Tür zu wanken. Ich pochte möglichst laut an die Tür des Fußballfanatikers, doch wie ich erwartet hatte, bekam ich keine Antwort. Der Fernseher war einfach lauter als ich.

Meine geschundene Recht umklammernd, versuchte ich mich noch einmal durch meine Stimme kenntlich zu machen, aber es gab keinerlei Reaktion.

Wahrscheinlich hätten sie eh nichts gewusst.
 

Gerade, als ich -wie ein Gespenst - betreten in meine Wohnung zurückschleichen wollte, meinte ich ein Geräusch vernommen zu haben. Ich blieb stehen und schaute konzentriert in das Treppenhaus herunter, während meine Ohren angestrengt lauschten. Und tatsächlich; ich vernahm ganz leise Schritte; und das musste bei dieser Lautstärke hier was heißen.

Augenblicklich fiel es mir wie Schuppen von den Augen, dass hier niemand tagsüber hochkommt – die Messis und die Fußballer blieben fast den ganzen Tag in ihren Wohnungen- und ich hockte mich dicht an den Rand des Geländers, um die untere Etage beobachten zu können. Denn wer auch immer hier hoch kam; er musste entweder plemplem sein, oder einen guten Grund dazu haben. Ich wartete eine Weile, doch den Typen, den ich als erstes erblickte, erkannte ich sofort. Ohne Zweifel. Meine Befürchtungen waren wahr geworden - die Schuldeneintreiber waren da. Fluchend taumelte ich zurück und rannte in meine Wohnung. Ich gab mir keine Mühe leise zu sein, da es hier oben sowieso schwierig war, überhaupt etwas zu hören.
 

Aber sie waren sowieso schon fast da. Es würde nicht lange dauern, bis sie hier ankamen. Mein Gehirn ratterte erneut auf Hochtouren- schon zum zweiten Mal an diesem Tag- und ich beschloss, das Fenster direkt gegenüber der Einganstür zu öffnen und zu hoffen, dass sie so doof wären zu denken ich wäre durch das Fenster gesprungen oder so. Das würde mir -eventuell - Zeit verschaffen. Es gab ja keine Möbel, mit denen ich hätte die Tür verrammeln können, und leere Räume boten auch keinerlei Versteckmöglichkeiten.

Ich öffnete also das Fenster sperrangelweit, und versteckte mich in meinem Zimmer -direkt neben der Tür. Die Chancen, dass sie mich nicht entdecken würden, wenn ich mich hinter der Tür versteckte waren klein, aber dennoch verlockend.

Kurz nachdem ich mich dort „versteckt“ hatte, hörte ich die Holztür unseres Apartments bersten und biss mir auf die Hand, um einen Schrei zu unterdrücken. Die waren ja gewalttätiger als ich vermutet hätte! Ich lauschte angestrengt und hörte, wie D. von M. ausgeschimpft wurde. Von wegen die Tür hatte man nicht kaputt machen müssen, weil sie sowieso offen gewesen wäre etc.

Ich hörte außerdem, dass sie zum Fenster rübergingen, weil S. Bemerkt hatte, dass es offen stand. Mein Zimmer lag direkt neben der Tür des Apartments, und ich hatte gehofft, dass sie solange abgelenkt sein würden, um für mich eine Fluchtchance zu eröffnen. Doch das Schicksal meinte es anscheinend nicht gut mit mir. Ich hörte S. auflachen.

„Ihr glaubt doch nicht im Ernst, dass sie da runter gesprungen ist, oder? Einen Sprung aus dieser Höhe erlebt man nicht, und ich denke nicht dass sie die Geheimnisse ihres Vaters mit ins Grab nehmen würde. Ich bin sicher sie ist hier noch irgendwo. Durchsucht das Apartment!“

Shit, S. war leider nicht so doof, wie ich gehofft hatte. Die anderen beiden öffneten die Türen von Speisezimmer und Bad; mich platt wie eine Flunder machend, und den Atem anhaltend harrte ich aus, bis sie auch in mein Zimmer schauten, und es eilig wieder verließen. Ich atmete erleichtert – und möglichst leise- aus, und hörte sie S. erzählten, dass ich nicht da gewesen sei.
 

Was für eine oberflächliche Durchsuchung. Ich beschloss, mich nun aus dem Zimmer zu wagen, während alle drei erneut in das Speisezimmer gingen, um mich zu suchen. Leise öffnete ich die Zimmertür; mein Herz pochte mir bis zum Hals. Gerade als ich mich hindurchzwängen wollte, gab die Tür ein unangenehm knarzendes Geräusch von sich, und dumm wie ich war, eilte ich zurück in mein Zimmer anstatt zu versuchen, das Apartment zu verlassen. Diese dumme Tür hatte mir damals schon immer Striche durch die Rechnung gemacht, als ich versuchte hatte, heimlich nachts auszugehen, weil mein Vater es mir immer verboten hatte.

Ich hörte wie das Geplapper im Nebenzimmer erstarb, und S. M. und D. aus dem Apartment schickte; anscheinend wollte S. sich ganz meinem Raum widmen. Ich seufzte leicht, während mein Herz drohte mir in die Hose zu sacken, und sah verzweifelt zu, wie die Tür sich öffnete; eine blasse Hand schon sich langsam hindurch. Tief atemholend, beschloss ich auf die Tür zuzurennen und seine Hand einzuquetschen, indem ich mich bodyguardmäßig auf die Tür stürzte und mein gesamtes Gewicht zum Einsatz bringen würde. Und das tat ich auch, während ich lauthals schrie: „ Wir wollen keine Staubsauger kaufen!“
 

Ich hörte einen bestialischen Schmerzesschrei; doch der Effekt war erzielt und S. taumlete und stürzte zu Boden. Der Arme, er tat mir fast Leid, wenn er nicht so kletten-ähnlich an mir kleben würde.

Diesmal öffnete ich die Tür vollends und macht einen großen Satz über S.' Leichnam ääääh, sich vor Schmerzen windendem Körper. Doch dieser Teufelskerl schien plötzlich seine Vitalität zurückerlangt zu haben-obwohl ich die Tür extra doll zugeschlagen hatte, was dafür sorgte, dass ich mir fast die Schulter ausgekugelt hatte- und packte mich brutal am Knöchel, sodass ich hinfiel und mir aufgrund der Enge des Flures den Kopf an der gegenüberliegenden Wand aufschlug.

Obwohl auf einmal alles verschwamm und sich drehte, sah ich gerade noch, wie dieser Mistkerl mit seiner verletzten Hand – wie auch immer er das schaffte- immer noch meinen Knöchel festhielt, und ich trat mit meinem freien Fuß schamlos zu.
 

Mein Gegner jaulte vor Schmerz, doch ich nutzte die Gelegenheit, um aufzuspringen und mich in Kampfposition zu bewegen, wobei ich noch leicht hin- und herschunkelte und versuchte meinen verloren-gegangenen Gleichgewichtssinn zurückzuerlangen. Doch mein Gegner hatte eindeutig mehr einstecken müssen, als ich. Er erhob sich zögerlich; ohne die Wand hinter ihm wäre er definitiv gleich wieder umgefallen wie ein Streichholz. Jedoch schaffte S. es irgendwie, sich aufrecht zu halten- wobei er seine Rechte umklammerte -und mich tobsüchtig anstarrte.

Seine Stimme war kaum mehr als ein tonloses, tiefes Flüstern, doch ich verstand sehr gut was er sagte.

„Versuch ja nicht mich noch mal reinzulegen, du Teufelsweib“. Als Antwort erhob ich meine Fäuste in Karatemanier -wobei ich eigentlich kein Karate kann- und starrte grimmig zurück.

„Komm mir jetzt ja nicht mit dem „Männer sind das stärkere Geschlecht“-Quatsch“, knurrte ich erbost zurück. Er lachte nur abfällig und schaute mich spöttisch an, während er die verletzte Hand rieb, um sie anschließend auf Augenhöhe zu heben und zu erwidern: „Quatsch? Ich kann es dir beweisen“. Noch mehr als verantwortungslose Kerle hasste ich arrogante Kerle, so was von.

Ich taumelte zurück, doch das was ich diesmal sah bildete ich mir definitiv nicht ein. Seine Handfläche schien zu pulsieren, zudem schien von ihr ein zarter Schein auszugehen.

Was zum..?

Ich wusste nicht wieso, aber vor meinen Augen begannen weiße Punkte zu tanzen und ich fühlte mich wie ausgehölt. War das etwa Hypnose?

Bevor ich endgültig das Bewusstsein verlor und mir den Kopf zum zweiten Mal an der Wand aufschlug, flüsterte ich noch „du Arschloch“. Hübsche Beulen würde es geben. Definitiv.

Das Letzte was ich sah, war der arrogante Kerl. Leider.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  CaptainMaggot
2010-10-25T18:32:25+00:00 25.10.2010 20:32
>und außerdem hatte mein Vater mir, -schlau wie er war- nur genug Geld für die Hinfahrt gegeben.
Und schlau wie ich war, hatte ich das nicht eher bemerkt.

-Jaja, die Verpeiler. Sind schon ein lustiges Völkchen nicht wahr? XD

>„Die Vergangenheit holt uns ein. Versteck dich.“
-Hab gelesen "Verreck dich". Wäre beim Verstecken bestimmt auch effektiv.

>Von wegen die Tür hatte man nicht kaputt machen müssen, weil sie sowieso offen gewesen wäre etc.
-Aber echt. Immer diese pseudo-coolen Obermacker mit ihrer Hollywood-Türkickerei. Unmöglich.

>Und das tat ich auch, während ich lauthals schrie: „ Wir wollen keine Staubsauger kaufen!“
-Geil XDD Mach ich demnächst auch mal XDD

>Das Letzte was ich sah, war der arrogante Kerl. Leider.
-Echt schlimm. Man müsste nen Programm im Kopf haben, dass automatisch auf Kanal "Ästhetisch-Böse-Bishis" schaltet, sobald man der Ohnmacht nahe ist :hurr

~

Nääää und da hörtst du einfach auf zu uppen D:
Frag mich nicht wieso aber S. Satz von wegen "Quatsch?Ich kann es dir beweisen"...der war irgendwie...hrhr.
(An dieser Stelle grüße ich die konstruktive, sinnvolle und anständige Kritik. Wir laufen uns so selten über den Weg.)
Anyway, auf jeden mag ich´s voll, immer dieser Sarkasmus, herrlich<33
Sag mir sofort Bescheid, sobald du das neue geuppt hast, oder ich bin gezwungen dich zu modden >3




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