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Orthogonalität am Beispiel des virilen Objekts

von

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Der neuseeländische Halbbruder und unser Mutterkampf

Ich glaubte, Gott, sofern es irgendwo existierte, hatte Schwule nicht besonders gern.

Oder zumindest mich nicht.
 

Ziemlich genervt saß ich oberhalb des Sportplatzes auf der Wiese und beobachtete missmutig die Sechstklässler, die sich ein eher langweiliges Volleyball-Turnier leisteten.

Die waren verdammt wehleidig und wegen jedem harten Schlag wurde das Spiel unterbrochen, ein Finger oder ein Fuß verarztet und Spieler ausgewechselt.

Die Lehrer waren mindestens genauso entnervt von ihren Schülern wie ich von

Ray-Ray und Jan und Pat und Lilly und Julie und Joe.

Ich wandte mich um und sah die meisten Schüler meines Jahrgangs auf der anderen Seite des Platzes auf den Grashügeln sitzen.

Einige Flaschen glitzerten in der Sonne. So dreist waren sie, dass sie sich nicht mal die Mühe machten, die Flaschen und Becher zu verstecken.

Wobei es ein offizielles Alkoholverbot scheinbar nie gegeben hat für diese Veranstaltung, aber die meisten der Schüler waren noch keine achtzehn und daher wäre rein vom Gesetz her doch nur Bier und vielleicht Wein toleriert gewesen, oder?
 

Ich seufzte traurig, legte die Arme auf die angezogenen Knie und versenkte das Gesicht darin.
 

Die Spätsommerluft wehte angenehm warm über den Platz hinweg, die Sonnenstrahlen wärmten meinen Rücken und die Stimmung war geprägt von Gelächter und reiner, unschuldiger Fröhlichkeit.

Zumindest auf dieser Seite des Platzes, wo Alkohol, Zigaretten und Sex noch kein Thema war.

Und die Liebe.
 

Ich seufzte noch mal schwer auf.
 

Herr Branner wusste jetzt, dass sich die Logik mir gegenber gänzlich verschloss und ich mit keiner Mühe dieser Welt es wahrscheinlich jemals schaffen würde, Funktionsrechnungen zu verstehen.

Was hatte er gedacht, als er meine Klausur vor sich hatte und die ganzen, zaghaften Versuche gesehen hatte, irgendetwas richtig zu machen?

Als er die Seite umgeblättert hatte und dort nur schmutziges Gekrakel zu sehen war und als er festgestellt hat, dass ich absolut nichts richtig hatte?

Ob er schweren Herzens das Ungenügend darunter geschrieben hatte? Ob er aufgeseufzt hatte und ich ihm Leid tat?
 

Kurz lächelte ich verliebt auf, als ich Rascheln der Wiese wahrnahm und sch ein schwerer Körper neben mich ins Gras fallen ließ.

Ich verdrehte die Augen und sah auf, erstarrte kurz, weil es so hell war außerhalb meiner gemütlichen, kleinen Kopf-Auf-Knie-Welt und sah dann in zwei mir sehr bekannte, blaue Augen.

Ich zog die Augenbrauen zusammen, verzog angesäuert mein Gesicht und drehte mich halb von Josh weg „was willst du?“

Er lachte vergnügt, legte seine Hand auf meinen Kopf und wagte es, meine Frisur zu ruinieren, als er durch das Haar strich „nichts.“

„Dann verschwinde wieder.“

„Nicht doch“, sagte er freundlich und legte jetzt seine Arme um meine Schultern

„mein kleiner, schwuler Freund. Ich wollte dich fragen, was du so allein hier oben machst? Wieso bist du nicht bei Anderen und trittst gegen mich an?“

Ich brummte genervt, befreite mich aus seine unangenehmen Umarmung und rutschte etwas von ihm weg.

„Timmi“, nuschelte er weiterhin freundlich „was ist los?“

„Selbst, wenn irgendwas wäre, was ginge es dich an?“ antwortete ich sauer und genervt und so böse, wie ich konnte.

Josh rutschte seinerseits näher zu mir, legte wieder seine Arme um mich und zog meinen kleineren, schwächeren, dünneren Körper an sich heran und drückte mich fest in eine Umarmung, die ziemlich unangenehm nach Rum und Cola roch.

„Mein armer Timmi, dich bedrückt was.“ nuschelte er in mein Haar und ich erschauderte, als ich daran dachte, dass meine schöne, blonde Frisur jetzt nach Barcadi roch.

„Josh“, quängelte ich „lass mich los.“ und drückte ihn weg.
 

Josh war einen Kopf größer als ich, Josh war fitter und trainierter als ich und er war deutlich beliebter als ich.

Mich störte dass ganz und gar nicht, ich brauchte nicht von allen aus der Oberstufe geachtet und verehrt zu werden, mir reichte es aus, wenn Ray-Ray und Lilly da waren und ich von Zac Efron schwärmen durfte.

Schlimm wurde der Umstand für mich, als wir im Philosophieunterricht saßen und Herr Stein von Anthropologie berichtete, und das ganze so dermaßen langweilig war, dass Lilly neben mir tatsächlich eingeschlafen war und ich in meinem Collegeblock keinen Platz mehr fand, um rumzukritzeln.

Wie ich so meine Deutschmitschrift betrachtete, als Herr Stein auf einen gewissen rechtsradikalen Gehlen zu sprechen kam, fand sich plötzlich ein zusammen geknüddeltes Zettelchen auf meinem Platz wieder.
 

Verwirrt hob ich den Kopf und erblickte Joe, der mich rabiat angrinste und deutete, dass ich den Zettel lesen sollte.

Ich nahm das Papier, entfaltete und las den Satz „heißester Typ der Oberstufe“ und musste lachen.

Herr Stein fragte mich, ob ich Gehlenes Auffassung vom Menschsein zum Lachen fände, ich entschuldigte mein Benehmen und sah mich dann im Kurs um.
 

Die Jungs hier waren nicht gerade ansprechend, ganz und gar nicht, was ich von einem Mann erwartete.

Ich seufzte also nachdenklich und erinnerte mich an die Gesichter und Körper meiner Mitschüler.

Auf Anhieb fiel mir keiner ein, dachte ich, also gab es wohl keinen besonders auffällig attraktiven Mann in der Oberstufe und zuckte einfach die Schulten.

Joe hob die Augenbrauen, forderte den Zettel zurück und schrieb sofort, als ich ihn ihn zugeworfen hatte, etwas drunter.

Er faltete ihn zusammen und warf ihn mir wieder zu.

Da stand „Josh Sutherland aus der 13?“.

Ich ekelte mich kurz, dann erschauderte ich, um die Gänsehaut los zu werden und schüttelte dann angewiedert den Kopf.

Er sah mich überrascht fragend an, ich deutete ihm, dass ich dem Unterricht folgen wollte und bekam noch mit, dass Gehlens Auffassung von der menschlichen Natur eigentlich ziemlich spannend war.

Als es klingelte und der Unterricht vorbei war, hatte ich gar keine Gelegenheit, mich auf Herrn Branner zu freuen, weil ich einfach mal total sauer auf Joe war.

„Was ist los?“ fragte er mich und sah mich höchstgradig verwirrt an.

„Bah“, antwortete ich etwas laut „wie kannst du auf Josh stehen?“

Er zuckt verwirrt die Schultern „Josh ist sexy.“

„Nein“, antwortete ich piepsig und ging weiter die Treppe runter zum Schulhof „Doch!“ rief er mir nach und ich hörte Lilly, die ihn irgendwas von „er hat seine Tage“, erklärte.
 

Später fand Joe raus, dass Josh mein blöder, älterer Halbbruder war und verstand, wieso ich mich geekelt hatte, als er ihn für den heißesten Typen aus der Oberstufe

erklärt hatte, verstand aber nicht, wieso ich ihn hasste.

Josh war dieser Umstand scheinbar total egal und um so mehr ich ihn bat, mich einfach in Ruhe zu lassen, desto mehr schien er um mich herum zu sein.

Sein bester Freund war Stefano Schuster, Rays älterer Bruder, was den Umstand, ihn zu ignorieren, noch viel schwieriger machte, als es sowieso schon war.
 

Mein Vater, Thomas Jung, hatte in seiner Studienzeit an der Schauspielschule eine deutlich jüngere Ausstauschstudentin aus Neuseeland geschwängert und sich sechs Monate nach Joshs Geburt von ihr getrennt.

Nachdem Joshs Mutter ihr Studium dann an der Schauspielschule abgebrochen hatte, aufgrund diverser, privater Probleme, die ich nicht weiß und nicht wissen will, hat sie ihr eigenes Kind einfach bei Papa abgeladen und ist Hals über Kopf zurück nach Neuseeland geflogen.

Da standen mein Papa und meine Mama dann mit dem kleinen, zurück gelassenen Jungen.
 

Ich glaube, das ist der Grund dafür, dass er immer bevorzugt und mehr liebgehabt wird, als ich.

Wenn meine Mama mich mal verstoßen hätte, wäre ich jetzt vielleicht zwei Meter groß, sportlich, attraktiv und umworben von reizvollen Jungs.
 

Dabei haben sich meine Eltern auch getrennt, ich bin auch ein Scheidungskind, auch, wenn Mama und Papa nie verheiratet waren, ich sollte auch liebgehabtwerden.
 

Josh wusste um mein Faible für Männer, ganz im Gegensatz zu meinen Eltern.

Natürlich beanspruchte Josh meine Mutter gewissermaßen auch für sich und betrachtete sie irgendwie auch als seine eigene – was mir auch nicht passte, sie war meine und niemanden sonst'st Mama! – und war trotz meiner Abneigung ihm gegenüber immer so nett gewesen, ihnen nichts von meiner vermeintlichen Homosexualität zu erzählen.
 

Ich war sauer auf Joe gewesen, weil ich wenigstens meine Freunde auf meiner Seite dieses Mutterkampfes, den es nur in meinem Kopf gab, haben wollte.

Joe nickte verstehend, fand Josh weiterhin sexy und lachte darüber, wie „niedlich“ ich mich darüber aufregte.
 

„Timmi weiß, dass er mir alles sagen kann!“ sagte Josh und ließ mich dann los.

Er zwinkerte mich verschmitzt an, stand dann auf und ging zu seinen Freunden, die ihn schon gerufen hatten.

„Bäh.“ rief ich ihm nach, er winkte mir lächelnd zu und verließ dann mit der Gruppe Abiturienten den Sportplatz.
 

Dann sah ich zu meiner Uhr und stellte voller Glückseligkeit fest, dass das Fest offiziell vorbei war und uns nun nichts mehr hier auf dem Sportplatz hielt und stand auf, streckte mich und ging rüber zu meinen Freunden.

„Tiiiim“, rief mir Ray-Ray entgegen und umarmte mich sehr leidenschaftlich, als ich mich neben ihn in das Gras fallen ließ „Wo warstnzuhölle nochmal du dummer Junge“, nuschelte er gegen meinen Hals und ich verdrängte die assoziative Erinnerung an meinen Halbbruder „Und wieso bist du nicht betrunken?“

sagte er dann und lehnte sich böseguckend zurück um mich anzusehen und zu mustern.

„Ray“, sagte ich leise und entschuldigend.

Er schnaubte und ließ sich rücklings ins Gras fallen „Joe hat nach dir gefragt, er hat dich gesucht.“

Ich nickte.
 

Ray-Ray richtete sich auf, hielt mir seine Hand entgegen und lallte: „Komm.“

„Wohin?“

„Na... wir gehen jetzt in die Stadt, was essen und dann in Pub.“

„Was?“ ich stand vom Boden auf, ohne Rays Hilfe in Anspruch zu nehmen, ich hatte Angst, dass er umfallen würde, wenn er versuchen würde, mich hochzuziehen.

„Na das hab ich doch gesagt, dass wir heute im Pub feiern.“

„Nein, hast du nicht.“

„Nicht?“ nachdenklich legte er den Kopf schief und ich schüttelte heftig den Kopf „Nein, hast du nicht.“

„Is aber auch egal, Tim, als mein bestester Freund solltest du so oder so wissen, dass ich mein siebzehntn Geburtstag mit euch feiern will.“

„Wie...?“

„Und du solltest wissen, dass der heute ist!“ Er stemmte angesäuert die Hände in die Hüfte.

„Moment mal“, sagte ich überrumeplt, ordnete meine Gedanken und seine Aussagen und sagte dann: „Erstmal bin ICH die schwule Zicke von uns beiden, klar?“
 

Wieso hatte ich ausgerechnet das gesagt?

Und wieso ausgerechnet jetzt?

Wieso in diesem Moment, als Herr Branner hinter mir auftauchte, um uns zu verabschieden?

Und wieso waren Ray-Ray und Pat so schrecklich betrunken?
 

„Hallo, Herr Branner!“ sagte Ray und winkte blöd.

Ich erstarrte Augenblicklich und ein eiskalter Schauer lief mir über den Rücken.

Ich kam nicht im entferntesten auf die Idee, dass er sich einen Scherz erlauben könnte, ich wusste, Herr Branner stand wirklich hinter mir.
 

Leichenblass drehte ich mich um. Da stand er. Mein eigener Zac Efron.

Er lächelte verstört und wirklich irgendwie unsicher und verwirrt.
 

Er war homophob! schoss es mir in dem Moment durch den Kopf.

Wahrscheinlich sah nur ich das aufgewühlte Verhalten.
 

„Na“, sagte er und lächelte verlegen „wie geht’s euch?“

„Subber!“ sagte Ray und grinste dermaßen blöd, dass ich mich für ihn gleich mit schämte.

„Schön“, er zog die Augenbrauen hoch, schlug die Hände zusammen und schien so, als würde er jetzt nicht mehr weiter wissen mit der Konversation.

„Und, Tim“, sagte er dann und sah mich musternd an – ich errötete sofort „hast du mit Johann geredet?“

Ich schluckte hart, schaute mich unauffällig um, um zu sehen, ob Joe in der Nähe war und nickte dann und schüttelte gleichzeitig den Kopf „Irgendwie...“ sagte ich, dann wurde ich von Lillys dämlichen Gekicher abgelengt.

Verwirrt sah ich sie an, die mindestens genauso rot war, wie ich und sich über Herr Branners Anwesenheit scheinbar köstlich zu amüsieren schien.

Dann beugte die Ray vor, legte tatsächlich seinen Arm um Herr Branner und machte mich unfassbar eifersüchtig damit.

Aber das war nicht mal annähernd so schlimm, wie das, was Ray jetzt sagen würde: „Sie sind verdammt aktaktiv, Herr Branner.“



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Ixtli
2015-12-17T23:20:00+00:00 18.12.2015 00:20
Warum ging diese Story nur so lange an mir vorüber?
Du schreibst so erfrischend heiter, locker, mit genau dem richtige Maß an Tempo (je nach Situation), die Charaktere sind witzig, facettenreich und nie vorhersehbar. Kurz: ich liebe diese Story - und wenn ich weiter gelesen habe, kommt sicher auch ein anständiger Kommentar. *g*


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