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Flight.

von

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Feuer

Oft ist es besser, vergangenes einzuäschern. Die Flammen verschlucken alles, löschen Vergängliches aus und am Ende dieser Nacht würde lediglich die Erinnerung bleiben. Erinnerung und Asche. Asche, die der Sturm davonträgt um neues Leben gedeihen zu lassen. Dieser schier Ewige Kreislauf ist mit einem Weg zu vergleichen: dem Pfad in Richtung Freiheit.
 

~°~
 

Flammen, überall Flammen. Große, rote Zungen, die alles in sich aufsogen. Hitze, die seine Haut sengte. Er wollte weg hier. Einfach nur weg hier.

Rauch. Er nahm ihn gefangen, trübte seinen Blick.

„Schafft ihn weg!“, er schrie sein Kommando, bevor er verzweifelt aufkeuchte. „Verd …“, seine Stimme wurde erstickt, er musste husten, rang hilflos nach Atem. „Schafft ihn weg!“, ein heiseres Wispern. Das gleißende Licht, überall. Er entledigte sich seinem Hemd, presste es gegen sein Gesicht. Atmen. Er brauchte Luft. Die Hitze war kaum auszuhalten. „Bitte …“ ein weiterer Hustenkrampf. Er schwankte, krümmte sich nach vorne, ignorierte die Tränen, die der Rauch in seinen Augen verursachte.

Leben, überleben.

Panisch streifte sein Blick durch den Raum. Er suchte einen Ausweg, seine Fluchtmöglichkeit.

Überleben.

Ein ersticktes Aufkeuchen. Blick nach hinten. Er erstarrte. Der regungslose Körper am Boden, die Hilflosigkeit, die dieses Bild mit sich zog. Er konnte ihn nicht zurücklassen. Er dachte nicht nach, handelte blind. Rasch beugte er sich zum Fremden vor sich, riss dessen Kopf nach hinten, presste sein Hemd fest gegen seinen Mund, während er selbst versuchte, den Rauch nicht einzuatmen. Weg von hier, sofort! Er musste es schaffen.
 

Flucht. Er musste hier raus. Schnell. Er brauchte Zeit. Zeit, die gegen ihn lief. Er rannte, geradeaus, durch die Flammen. Den Unbekannten mit festem Griff gepackt. Sein schlaffer Körper war so zierlich, dass er Angst hatte, er könnte in seinen Armen zu zerbrechen. Es durfte nicht vorbei sein. Sie mussten es schaffen. Husten. Die unglaubliche Hitze. Das Feuer, welches ihn umzingelte. Er strauchelte, drohte zu fallen. Todesangst. Das Tränen seiner Augen. Er durfte nicht aufgeben. Er musste weiter. Der Fremde behinderte seinen Weg. Er konnte ihn nicht zurücklassen. Es wäre gegen seine Grundsätze. Sein Tempo hatte sich nicht verringert. Er keuchte, inhalierte den Rauch. Gekrümmte Haltung. Er drückte den Unbekannten fester an sich, während sich seine Sicht immer mehr verklärte. Er durfte sich nicht der Ohnmacht ergeben. Er wollte leben.

Überleben.

Aufsteigende Flammen. Danach die Dunkelheit.
 

Draußen. Die kalte Nachtluft stand im Kontrast zur enormen Hitze des Feuers. Scharf sog er sie ein. Atmen. Endlich wieder. Sein Blick weitete sich. Er spürte seinen Triumph nicht, fühlte nur den Schmerz. Die Hilflosigkeit. Und die Angst. Hart schlug der Fremde neben ihm am Boden auf. Er dachte nicht weiter über ihn nach. Es war nebensächlich. Er musste weg. Entkommen. Jede weitere Sekunde hier könnte ihm alles kosten. Kein Blick zurück, auf das Wrack, die Flammen, die den Himmel erhellten wie ein gleißender Stern. Er würde es vergessen. Wenn auch nur kurz. Vergessen …
 

Er floh. Rannte panisch in irgendeine Richtung, immer tiefer in den Wald, schlängelte sich geschickt durch die Silhouetten der Bäume. Er hatte nicht den Mut, Halt zu machen. Er durfte nicht. Weg von hier. Und keine Spuren hinterlassen. Schnell …
 

Er hatte keine Ahnung, wie lange ihn seine Beine trugen. Stunden, Minuten, Sekunden? Geschwächt taumelte er, doch er gab nicht auf, stolperte, fing sich wieder, lief weiter. Er durfte nicht stehen bleiben. Er durfte nicht entdeckt werden. Er musste weg. Weit genug. Bis jetzt reichte es noch lange nicht aus. Er nahm seine eigenen Bewegungen wahr, erschrocken detailliert. Seine erschöpften, tiefen Atemzüge füllten die Stille im Wald. Er hatte Angst. Angst, entdeckt zu werden.

War da noch wer?

War er alleine?

Straucheln. Hinfallen. Aufstehen. Weiterlaufen. Weiter. Ohne eine Spur zu hinterlassen. Einige Male war er kurz davor, endgültig zusammenzubrechen. Nicht aufgeben. Den Weg fortsetzen. Und er rang sich wieder auf, kämpfte …
 

Morgengrauen. Seine schweren Schritte zeichneten tiefe Spuren in der mit Tau bedeckten Wiese. Die kalten Tropfen, die seine Haut berührten. Sie brannten wie Feuer.
 

Feuer.

Sein rasender Herzschlag. Seine schnellen, hektischen Atemzüge. Aufgeben. Die Erschöpfung gewann Überhand. Seine Beine knickten ihm weg, er strauchelte, stütze sich am Boden ab. Blick auf die nasse Wiese. Flucht. Er war weit gekommen. Er hatte es geschafft.

Würgen. Um ihn verzerrte sich alles, er konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen. Er war entkommen. Es war vorbei. Ein Zucken durchfuhr ihn, er sank in sich zusammen, krümmte sich nach vorne. Der unangenehme Geruch seines Erbrochenen. Er übergab sich mehrmals, unter irrsinnigen Schmerzen.
 

Ruhe. Still lag er da, die Augen geöffnet. Wachsam streifte sein Blick über die Wiese. Ein fremdartiger Geruch in der Luft. Die ersten Sonnenstrahlen auf seiner Haut. Sie glänzten milde, erschienen beinahe trüb. Er wartete lange, angespannt, lauschte seiner Umgebung. Beobachtete die gleichmäßigen Auf- und Abbewegungen seines Brustkorbs. Immer noch war sein Atem unnatürlich schnell. Er war sich darüber im Klaren. Aber er war sicher. Er war entkommen. Vorsichtig drehte er sich in die Rückenlage, ließ sich haltlos sinken. Und wartete. Auf dieses Gefühl der Freiheit und der Erleichterung. So sehr er es sich auch erhoffte, es kam nicht.



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